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Laut des von Finanzminister Lars Klingbeil vorgestellten Finanzplans für 2026 bis 2029 soll zukünftig ein Drittel aller Bundeseinnahmen in Ausgaben für das Militär fließen. Bei einem jährlichen Gesamthaushalt von rund 500 Milliarden Euro ist laut den Eckwerten des Haushaltsplans ab 2029 geplant, über 150 Milliarden jährlich in den Ausbau der Bundeswehr fließen zu lassen. Vor diesem Hintergrund wollten die NachDenkSeiten wissen, wie Kanzler Merz und der Finanzminister konkret sicherstellen wollen, dass die Umsetzung des Fünf-Prozent-Ziels angesichts der bereits jetzt finanziell extrem angespannten Lage nicht gegen das in der Verfassung mit Ewigkeitsgarantie verankerte Sozialstaatsprinzip verstößt. Von Florian Warweg. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Hintergrund Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetzes [https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_20.html] legt explizit fest, dass es sich bei der Bundesrepublik um einen „sozialen Bundesstaat“ handelt: > „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-Sozialstaatsprinzip-screen1.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-Sozialstaatsprinzip-screen1.jpg Das heißt, der sogenannte Sozialstaatscharakter hat Verfassungsrang und sogar einen von „besonderer Ordnung“, der gemäß Artikel 79 Absatz 3 [https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_79.html] Ewigkeitscharakter besitzt. Ein Aspekt, den das Bundesverfassungsgericht bei seinem sogenannten „Lissabon-Urteil“ [https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2009/06/es20090630_2bve000208.html] vom 30. Juni 2009 nochmal ausdrücklich betont hat („Ewigkeitsgarantie“). Doch aus der von Klingbeil diese Woche vorgestellten sogenannten Eckpunkte-Planung [https://www.youtube-nocookie.com/embed/VxIjD3KAFPY] bis 2029 geht hervor, dass bis 2029 das Rüstungsbudget auf jährlich über 150 Milliarden Euro anwachsen soll. Zum Vergleich: Die gesamten Bundeseinnahmen 2024 betrugen laut Bundesfinanzministerium [https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1553787/umfrage/ausgaben-und-einnahmen-des-bundeshaushalts-in-2024/] 440 Milliarden Euro. Das hieße, über ein Drittel aller Jahreseinnahmen des Bundes würden in naher Zukunft Jahr für Jahr allein in militärische Aufrüstung fließen. Ein völlig absurdes Verhältnis: [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-Sozialstaatsprinzip-screen2.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-Sozialstaatsprinzip-screen2.jpg Eine solche enorme Ressourcenkonzentration auf den militärischen Sektor lässt folglich Fragen nach der Verfassungskonformität dieser Maßnahme aufkommen. Denn wenn über ein Drittel aller Bundeseinnahmen in Aufrüstung fließt, dann gefährdet dies augenscheinlich den im Grundgesetz verankerten Sozialstaatscharakter der Bundesrepublik Deutschland. Und ein Drittel ist dabei noch konservativ gerechnet. Denn die von der Merz-Regierung vereinbarte Umsetzung des sogenannten Fünf-Prozent-Ziels würde auf die aktuelle finanzielle Leistungsfähigkeit des Bundes umgerechnet zu noch dramatischeren Zahlen führen: 2024 betrug das BIP in Deutschland 4,31 Billionen Euro. Fünf Prozent davon ergeben die gigantische Summe von 215,5 Milliarden Euro. Setzte man diese Zahl nun wiederum ins Verhältnis zum Bundeshaushalt von 2024, der 476 Milliarden Euro betrug, kommt man auf Militärausgaben, die 45 Prozent der Gesamtausgaben des Bundes betragen würden. Jetzt muss man sich noch ergänzend bewusst machen, dass die Kommunen im Jahr 2024 ein Rekorddefizit von 24,8 Milliarden Euro verzeichneten und das öffentliche Finanzierungsdefizit allein im 1. bis 3. Quartal 2024 auf 108 Milliarden Euro anstieg und auch die Krankenkassen ein milliardenschweres Defizit aufgebaut haben, was laut Schätzung des Bundesgesundheitsministeriums bis 2027 auf mehr als zwölf Milliarden Euro anwachsen soll. Vor diesem Hintergrund stellt sich unzweifelhaft die Frage nach der sozialen Tragfähigkeit und den daraus folgenden rechtlichen Konsequenzen für diesen Beschluss der Bundesregierung, mindestens ein Drittel aller Bundeseinnahmen ausschließlich ins Militär zu stecken. Apropos Tragfähigkeit, es wird interessant zu beobachten sein, wie lange die Antwort der Sprecherin des Bundesfinanzministeriums auf die entsprechende Frage der NachDenkSeiten Bestand haben wird: > „(…) es keinen Abbau des Sozialstaats geben wird. Das ist also kein Widerspruch, wie Sie ihn jetzt gerade darstellen. Im Gegenteil, das eine geht und das andere auch.“ Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 30. Juli 2025 Frage Warweg Laut dem Finanz- und Haushaltsplan soll zukünftig ein Drittel aller Bundeseinnahmen in Aufrüstungsmaßnahmen gehen. Für 2029 werden als Eckwert 152,8 Milliarden Euro genannt. Vor diesem Hintergrund würde mich interessieren, wie sowohl der Bundesfinanzminister als auch der Kanzler sicherstellen wollen, dass die Umsetzung des Fünfprozentziels nicht gegen das in der Verfassung mit Ewigkeitsgarantie verankerte Sozialstaatsprinzip verstößt. Vize-Regierungssprecher Hille Herr Warweg, Sie wissen, dass sowohl die Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit als auch die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland sowie die Sicherung des Sozialstaats für uns von zentraler Bedeutung sind. Genau das ist die Herausforderung, der wir mit diesem Bundeshaushalt, mit dem wir Rekordinvestitionen tätigen, gerecht zu werden versuchen. Dr. Laiadhi (BMF) Dem kann ich mich für das BMF voll anschließen. Sie wissen, dass wir verschiedene Schwerpunkte im Haushalt haben. Einer davon ist ganz klar die Verteidigung. Aber es geht natürlich auch darum, den Sozialstaat und Entlastungen zu finanzieren. Dafür haben wir mehrere Beispiele. Das können Sie bei uns nachlesen. Der Minister hat vorhin noch einmal ganz klar gesagt, dass es mit ihm keinen Abbau des Sozialstaats geben wird. Das ist also kein Widerspruch, wie Sie ihn jetzt gerade darstellen. Im Gegenteil, das eine geht und das andere auch. Zusatzfrage Warweg Sagen Sie also, diese Ressourcenkonzentration, die Konzentration eines Drittels aller Bundeseinnahmen, ausschließlich für Rüstung stelle aus Sicht des Ministers keinen Bruch des Sozialstaatsprinzips dar? Dr. Laiadhi (BMF) Ich habe das gesagt, was ich dazu zu sagen habe. Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 30.07.2025 Mehr zum Thema: Kann Bundesregierung bestätigen, dass ein Drittel aller Einnahmen in Rüstung geht? – „Angesichts der russischen Aggression …“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=135080] Der deutsche Sozialstaat – vom Winde verweht … [https://www.nachdenkseiten.de/?p=135033] 5 Prozent für die Rüstung – was heißt das konkret? [https://www.nachdenkseiten.de/?p=135025] „Es wird wieder Krieg geben“ – Florian Warweg und Gabriele Gysi im Gespräch mit Wilhelm Domke-Schulz [https://www.nachdenkseiten.de/?p=134892] [https://vg04.met.vgwort.de/na/cc5d743f5f8f41ffb031aee476ea9f40]

Fünfzig Jahre sind eine lange Zeit, im günstigen Fall ein halbes Leben. Wer solch eine Lebensspanne bewusst erlebt hat, dem zwingen sich mit seinen Erinnerungen unweigerlich Vergleiche auf. Wie sah Europa, wie sah die Welt heute vor fünfzig Jahren – am 1. August 1975 – aus, mitten in der Epoche des „Kalten Krieges“? Da währte der Kalte Krieg schon quälend lange dreißig Jahre. Und doch gelang an jenem 1. August 1975 nach sechs Jahren zähen diplomatischen Verhandlungen in Helsinki mit der Unterzeichnung der Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ein Paukenschlag für eine Friedensordnung. Es war ein ermutigender Erfolg, dass friedliche Koexistenz ideologischer Erzfeinde möglich ist und der Kalte Krieg gezähmt werden kann. Von Felix Duček. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Der begann ja bereits 1945, also vor achtzig Jahren. Der US-Präsident Harry S. Truman, kurzzeitig Vizepräsident von Franklin D. Roosevelt und nach dessen Ableben im Frühjahr 1945 Nachfolger im Amt, hatte zwar noch als Verbündeter der Sowjetunion die bedingungslose Kapitulation Nazi-Deutschlands als ein Repräsentant der westlichen Anti-Hitler-Koalition gemeinsam mit Winston Churchill besiegelt. Dennoch zeigte er bereits mit der Drohung der US-Atombomben auf der Potsdamer Konferenz und mit dem schändlichen Abwurf über Japan am 6. und 9. August 1945 und seinen politischen Verlautbarungen der Sowjetunion, wohin die Reise mit diesem großen Knüppel und seiner späteren Truman-Doktrin [https://de.wikipedia.org/wiki/Truman-Doktrin] gehen sollte. Rhetorisch geschliffener allerdings proklamierte Winston S. Churchill zuvor bereits den Beginn des Kalten Krieges. Churchill, zum Beginn der Potsdamer Konferenz der Siegermächte im Sommer 1945 noch britischer Premierminister, wurde im Verlauf dieser Konferenz als Premier zwar abgewählt. Aber Churchill blieb siegesbewusst, vor allem noch immer Anti-Kommunist durch und durch, folglich von nun an nicht mehr notgedrungen mit, sondern gegen die UdSSR. Diese Ambitionen pflegte der britische Premier nämlich bereits vor der bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands, zum Beispiel mit der von ihm geheim in Auftrag gegebenen Ausarbeitung der „Operation Unthinkable [https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Unthinkable]“ im Mai 1945 – als Kriegsplan gegen die Sowjetunion – und wenig später, am 12. Mai 1945, mit der öffentlichen Wiederbelebung des Begriffs „Eiserner Vorhang“ – von ihm klar gerichtet gegen „Stalins Machtbereich“. Schriftlich genauestens dokumentiert jedoch ist Churchills Rede „The Sinews of Peace [https://www.nato.int/docu/speech/1946/s460305a_e.htm]“ am 5. März 1946 am Westminster College in Fulton (US-Bundesstaat Missouri) – übrigens in Anwesenheit von Harry S. Truman. Diese Überschrift bedeutete jedoch keineswegs ein „Sehnen nach Frieden“, sondern die eindeutige Erklärung zum Kalten Krieg gegen die UdSSR und deren neue Verbündete, die infolge der Nachkriegsordnung in Europa und Asien entstanden waren. Auch die heißen Kriege des Westens ließen allerdings, beginnend in Korea, nicht mehr lange auf sich warten, wenn auch damals in Asien und damit für ein halbes Jahrhundert noch nicht in Europa. Nein, der Kalte Krieg war weder friedlich noch lustig, auch wenn er bisweilen Züge eines sportlichen Wettlaufs zu tragen schien, jedenfalls bis zum Sputnik-Schock, bis zu Gagarins erstem Orbitalflug um die Erde und danach sogar noch bis zur am Ende erfolgreichen Mondlandung der US-Amerikaner 1969. Die Brisanz dieses Kräftemessens aber wurde spätestens am 17. Oktober 1962 bei der halsbrecherischen Kuba-Krise und beim Showdown von Panzern auf beiden Seiten am Checkpoint Charlie in Berlin deutlich. Später, nach Chruschtschows Absetzung, wollte Leonid Breschnew daher verständlicherweise unbedingt mehr Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der Beziehungen – und somit Sicherheit zum Wohle beider Seiten – durch diplomatische Verträge in die Konfrontation einbauen. Die Idee der Friedlichen Koexistenz sollte vertraglich dokumentiert und damit gesichert werden. So wurde 17. März 1969, ein halbes Jahr nach dem Ende des „Prager Frühlings“, vom Politischen Beratenden Ausschuss der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages (vom NATO-Block gewohnt abfällig „Ostblock“ genannt) der Budapester Appell an alle europäischen Länder verkündet. Spätestens damit begann dieser „Helsinki-Prozess“, denn damals war praktisch allen Ländern in Europa – wenn auch keineswegs den USA – ebenfalls sehr daran gelegen, die Weltpolitik in Bezug auf Europa berechenbarer und damit vor allem friedlicher zu machen. So fiel der Anstoß aus der UdSSR, auch wenn er von Leonid Breschnew persönlich propagiert wurde, in nahezu allen betroffenen Ländern auf fruchtbaren Boden, zumindest bei diplomatisch besonnenen Politikern. In Finnland ergriff noch im selben Jahr, nämlich bereits im Mai 1969, Dr. Urho Kekkonen [https://de.wikipedia.org/wiki/Urho_Kekkonen] von der Zentrumspartei die Initiative, nachdem sich die NATO-Außenminister am 11. April 1969 in Washington, D.C. „großzügig“ bereiterklärt hatten, zumindest über Themenfelder solcher Verhandlungen nachdenken zu wollen. Kekkonen war 1950 finnischer Ministerpräsident geworden und übte seit 1956 erfolgreich das Amt des Staatspräsidenten aus, dies am Ende insgesamt 25 Jahre lang. Er meinte, Finnland – das damals seit Jahrzehnten um Neutralität und friedliche Nachbarschaft zur Sowjetunion bemüht war – wäre mit seiner Hauptstadt Helsinki ein besonders geeigneter Ort für einen solchen Ost-West-Ausgleich – für eine Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Dieses Unterfangen erforderte absehbar einen sehr langwierigen diplomatischen Prozess, um zu einer allseits akzeptierten und friedlichen Nachkriegsordnung in Europa zu gelangen. Aber dreißig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war genau dies das Ziel der Initiative, die Breschnew so am Herzen lag. Er wollte Verlässlichkeit und Sicherheit für beide Seiten vertraglich dokumentiert sehen. Dennoch gab es neben ähnlichen Wünschen in vielen europäischen Ländern auch damals schon im Westen starke, sowohl heimlich wie auch offen verkündete Widerstände gegen diese Idee. So waren sich der damalige US-Präsident Richard Nixon und sein damaliger Außenminister Henry Kissinger auch am 19. April 1972 einig: Wenn es diese europäische Sicherheit gäbe, könne man verdammt noch mal die NATO vergessen. Ja, die USA wollten einerseits schon aus Prinzip als Weltmacht unbedingt (zusammen mit Kanada) dabei sein, wenn dieses heiße Eisen geschmiedet werden sollte. Andererseits wollten sie – wie alle Falken im Westen – nicht ohne gebührende Gegenleistungen dem „Ostblock“ seine erhoffte vermeintliche Sicherheit durch eine „friedliche Koexistenz“ gewähren. So kam es lange vor einer unterschriftsreifen Schlussakte von Helsinki erst einmal zu dem sehr langwierigen, wechselhaften und schwierigen Helsinki-Prozess, der Jahre diplomatischen Ringens in Anspruch nahm. Übrigens läuft ja hierzulande seit Mitte Juni bereits ein teils kurios, auf jeden Fall amüsant aufgemachter Film „Der Helsinki-Effekt“ über dieses diplomatische Ringen im Rückblick auf diesen Prozess und vor allem auch über dessen Auswirkungen und Nachwirkungen. Die Berliner Uraufführung fand im Zeiss-Großplanetarium am 11. Juni 2025 in Anwesenheit des finnischen Regisseurs Arthur Franck [https://www.youtube.com/watch?v=suhkRpkpS3U] (Jahrgang 1980, aufgewachsen in einer Gegend mit direkter Aussicht auf das Kongress-Zentrum von Helsinki) zusammen mit seinem deutschen Synchronsprecher Bjarne Mädel statt. Man kann diesen Film allen empfehlen, die diese Geschichte des Versuchs einer Zähmung des Kalten Krieges durch Diplomatie noch nicht persönlich und bewusst erlebt haben. Aber auch dann, wenn man selbst als Zeitzeuge heute den spöttischen Unterton eines Finnen als Schöpfer dieses Dokumentarfilms vielleicht als unangemessen empfindet – etwa über die verantwortungsbewusste und freundliche Grundhaltung von Urho Kekkonen gegenüber der Sowjetunion, die diesen ganzen Helsinki-Prozess über Jahre erst möglich machte und am Leben hielt. Oder das Aufmacher-Foto für den Film, auf dem Breschnew telefonierend in der Sauna lümmelt, was ihn zweifellos für unbedarfte Gemüter bewusst oder leichtfertig lächerlich erscheinen lässt. Auch die durch Protokolle und Dokumente zwar fundierten, aber letztlich zwecks Audiokommentierung erfundenen, kumpelhaften und amüsanten „persönlichen“ Dialoge des Regisseurs mit Henry Kissinger lassen viele verbrecherische Seiten dieses US-Spitzendiplomaten bei vielen anderen Gelegenheiten des Weltgeschehens ziemlich in Vergessenheit geraten. Bei all dem ist aber dankenswert, dass der Regisseur versuchte, nicht nur für sich selbst als Nachgeborener, sondern damit auch für die Zuschauer diese ruhmvolle Geschichte von Helsinki anhand seiner Auswahl aus einer riesigen Fülle an verfügbarem Filmmaterial und Dokumenten der damaligen Verhandlungen facettenreich zu erschließen. Das macht den Film heute unbedingt sehenswert für viele Jüngere, die über diese positiven Ereignisse während des Kalten Krieges bisher nicht so viel wissen. Erfreulicherweise läuft der Film derzeit noch immer in einigen Programm-Kinos, so auch in Berlin. Vor fünfzig Jahren wurde schließlich aus diesem „Helsinki-Prozess“ – als Weg der Diplomatie zur Friedlichen Koexistenz – am Ende ein „Helsinki-Effekt“ – nämlich der „Wandel durch Annäherung“. Für den Westen wurde durch den geforderten und erstrittenen „Korb drei“ der Helsinki-Schlussakte im Grunde die Auflösung des „Ostblocks“ ein Stückchen geöffnet und der Weg geebnet, und das sogar auf angeblich „friedliche“ Weise. Denn noch „friedlicher“ als ab November 1989 mit der Öffnung (dem angeblichen „Fall“) der Mauer in Berlin konnte die Koexistenz zweier Systeme gar nicht enden. In Deutschland verschwand die DDR samt ihrer Gesellschaftsordnung friedlich aus der einstigen Koexistenz. Und in Europa verschwand ebenfalls ganz friedlich nur der „Warschauer Pakt“, aber bis heute keineswegs die NATO, wie das Nixon und Kissinger 1972 noch befürchtet hatten – ganz im Gegenteil. Damit wurde faktisch auch bereits das Erbe jener Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu Grabe getragen, das in Helsinki so hoffnungsvoll begründet worden war. Mit dem Verrat des KSZE-Gedankens der friedlichen Koexistenz, erst recht also der Negierung jener für den Westen eigentlich so erfolgreichen Idee eines „Wandels durch Annäherung“, wurde nach der Auflösung der Sowjetunion aus der KSZE eine institutionalisierte Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die allerdings mittlerweile zumindest scheintot ist. Denn spätestens nach dem Maidan-Putsch in Kiew im Jahr 2013/2014, als die US-genehme Regierung in Kiew mit sogenannten Antiterror-Maßnahmen die eigene Bevölkerung im Süden und Ostteil des eigenen Landes zu terrorisieren begann, agierten auch die ständigen „Beobachter“ der OSZE in der Ukraine keineswegs mehr neutral, geschweige denn diplomatisch. Schon bei jener „Vereinbarung zur Beilegung der Krise“ am 21. Februar 2014 in Kiew zwischen dem rechtmäßig gewählten Präsidenten Wiktor Janukowitsch und der Oppositionsbewegung agierten die Diplomaten aus Polen, Deutschland und Frankreich als Zeugen bei jener Unterzeichnung danach in keiner Weise als Garanten zur Einhaltung jenes Abkommens, im Gegenteil, ganz so wie wenige Monate später auch bezüglich der Übereinkünfte von Minsk II. Nein, es war früher mit Sicherheit nicht ALLES besser, schon gar nicht im Kalten Krieg. Aber auch wenn es heute fast zynisch klingen mag: Es war auch nicht alles schlecht im Kalten Krieg! Daraus wurde nämlich dank diplomatischer Hartnäckigkeit und Geduld tendenziell kein Heißer Krieg in Europa – zumindest bis 1995 und 1999 auf dem Balkan. Die Geschichte lehrt, dass Diplomatie unverzichtbar ist für die Schaffung von Frieden wie für seine Bewahrung. Übrigens: Seit 1969, als die Idee zu einer KSZE geboren wurde, bis zur Unterzeichnung der Helsinki-Akte, traf sich Breschnew nicht unentwegt (und auch nicht ab und an) mit dem US-Präsidenten – weder mit Nixon und auch nicht mit Gerald Ford persönlich. Sämtliche Staatschefs reisten nämlich erst Anfang Juli 1975 in Helsinki an, um vor 50 Jahren am 1. August 1975 die mühsam fertig ausgehandelte Schlussakte der KSZE zu unterzeichnen. So – und nur so – kann Diplomatie funktionieren. Warum sollte das heute anders sein? Und ja, es gibt auch heute noch, den immer hysterischer werdenden westeuropäischen Kriegstreibern zum Trotz, ernstzunehmende Diplomaten als Erben jener Vernunft der KSZE vor 50 Jahren. Es gibt – wenn auch gern verschwiegen neben all den laut herausposaunten Horrormeldungen in Medien wie auch in sogenannten „Sozialen Netzen“– noch immer Gremien, Vereinbarungen und diplomatische Kanäle, die im Stillen funktionieren und agieren. Und ab und an senden sie sogar hoffnungsvolle Signale aus, die man erkennen kann, wenn sie kein Tunnelblick ausblendet. So einigten sich die USA und Russland unlängst, dass trotz all der Anfeindungen Russlands schon wieder als „Reich des Bösen“ in manch offizieller Verlautbarung die seit 25 Jahren aufgebaute Internationale Raumstation ISS mindestens bis zum Jahr 2028 gemeinsam operabel gehalten wird. Auch diese Zusammenarbeit wurde begründet und ihr erster sichtbarer Erfolg vor fünfzig Jahren in einer Sternstunde trotz jenes Kalten Krieges – als nach dem Triumph der USA mit der Mondlandung erstmals das Apollo-Sojus-Test-Projekt [https://de.wikipedia.org/wiki/Apollo-Sojus-Test-Projekt] mit einer Kopplung am 17. Juli 1975 gefeiert wurde – von beiden Nationen und weltweit bewundert. Es geht also auch anders, als die im Frühjahr 2022 von der (ebenfalls im Jahr 1975 gegründeten) ESA gegenüber Roskosmos inszenierte Konfrontation durch Aufkündigen aller Kooperationsvereinbarungen demonstrieren sollte. Rechtzeitig vor dem NASA-Start der vierköpfigen Crew-11-Mission (der auch der Russe Oleg Platonow angehört) besuchte der kürzlich ernannte Generaldirektor von Roskosmos, Dmitri Bakanow, die USA und traf sich mit dem NASA-Administrator Sean Duffy, der ebenfalls erst Anfang Juli vom US-Präsidenten Donald Trump neu berufen worden war. Erstmals seit acht Jahren kam solch ein Treffen wieder auf höchster Ebene der beiden Organisationen zustande. Über die beiderseitig nützlichen Aussichten der Fortführung dieser jahrzehntelangen Kooperation beider Weltraum-Nationen berichtete ausführlich ein Artikel [https://iz.ru/1928395/elena-sobkova-andrei-korsunov-anastasia-kostina/obsaa-orbita-glavy-roskosmosa-i-nasa-vstretatsa-spusta-vosem-let] in der russischsprachigen Iswestija. Titelbild: Helmut Schmidt, Erich Honecker, Gerald Ford und Bruno Kreisky unterzeichnen das KSZE-Abschlussdokument. Leonid Breschnew als Unterzeichner für die Sowjetunion nicht im Bild. – Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-P0801-026 / Horst Sturm Mehr zum Thema: Jeffrey Sachs: Diplomatie oder Desaster [https://www.nachdenkseiten.de/?p=125337] Auswärtiges Amt: Kerngeschäft der Diplomatie ist das Führen von Gesprächen – außer mit Russland [https://www.nachdenkseiten.de/?p=120895] Der 17. Juni und die vergessene Unterdrückung von Streiks und Volksaufständen im Westen Deutschlands [https://www.nachdenkseiten.de/?p=116807] Diplomatie, Eskalation und die Rückkehr der „deutschen Frage“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=131599] [https://vg04.met.vgwort.de/na/a3a141b633e44119acc9ccee613fd87e]

Der Initiator der „Querdenken“-Bewegung, Michael Ballweg, wurde jetzt von einem Gericht vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen und gleichzeitig wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Der Prozess stand von Beginn an unter dem Verdacht, auch politisch motiviert zu sein: Es sollte offensichtlich ein Exempel statuiert werden, auch durch die lange Untersuchungshaft. Der Prozess macht deutlich, dass auch das Verhalten von Teilen der Justiz während der zerstörerischen Corona-Politik aufgearbeitet werden muss. Ein Kommentar von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Michael Ballweg war Betrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen worden, wie Medien berichten [https://www.berliner-zeitung.de/news/urteil-faellt-im-prozess-um-querdenken-gruender-michael-ballweg-li.2345843#Echobox=1753955788]. Das Landgericht Stuttgart sprach ihn nun vom Vorwurf des Betrugs frei und sprach ihn zugleich laut Berliner Zeitung [https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/ballweg-prozess-der-freispruch-minus-1953-euro-ist-fuer-den-staat-eine-riesengrosse-peinlichkeit-li.2346014] wegen Steuerhinterziehung schuldig – die betreffenden Vorgänge der Hinterziehung müssen meiner Meinung nach als Bagatellfälle eingeordnet werden, dazu folgt weiter unten mehr. Laut den Medienberichten hat die Strafkammer des Landgerichts Stuttgart Ballweg vom Vorwurf des versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges in 9.450 Fällen freigesprochen. Auch dass Ballweg seine eigenen Querdenken-Anhänger planmäßig betrogen und 576.000 Euro in die eigene Tasche gesteckt haben soll, verneinte demnach das Gericht. Außerdem sei er vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in seinem privaten Steuerfall freigesprochen worden. Schuldig sprach ihn das Gericht nur in zwei Fällen einer vollendeten Steuerhinterziehung, was seine IT-Firma betraf, sowie in drei Fällen einer versuchten Steuerhinterziehung, ebenfalls bei seiner IT-Firma. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Seit Herbst vergangenen Jahres musste Ballweg sich vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, über öffentliche Spendenaufrufe erhebliche Summen für „Querdenken“ eingeworben und dabei die Unterstützer über die tatsächliche Verwendung der Gelder in die Irre geführt zu haben. Mehr als eine halbe Million Euro habe er laut Staatsanwaltschaft für private Zwecke verwendet, so Medienberichte. Ballweg hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine dreijährige Freiheitsstrafe sowie die Einziehung von über einer halben Million Euro gefordert. Während der Ermittlungen saß Ballweg ab Juni 2022 sogar mehrere Monate in Untersuchungshaft. Die Justiz hatte dieses harte Vorgehen mit Fluchtgefahr begründet. Im April 2023 war Ballweg auf freien Fuß gekommen. Die NachDenkSeiten hatten über den Prozess etwa im Artikel „Der Fall Ballweg und die skandalöse ‘Corona-Justiz’ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=130505]” berichtet. Ein „Gespensterprozess“ In diesem aktuellen Video [https://x.com/janinisabel/status/1950888604210700738] erläutert ein Gerichtssprecher die zwei Fälle der „vollendeten Steuerhinterziehung“, für die Ballweg nun verurteilt wurde – Streitwert: insgesamt nicht einmal 20 Euro. Dazu kommen die Fälle der versuchten Hinterziehung, die sich laut Gericht auf „etwas mehr als 2000 Euro“ belaufen. In diesem Video [https://x.com/tomdabassman/status/1950911631296196712] sieht man die Szenen, in denen der gebührenfinanzierte TV-Clown Jan Böhmermann 2020 gegen Ballweg Stimmung gemacht hatte. Manche Medien betonen nun in ihrer aktuellen Berichterstattung eher die Verurteilungen als die Freisprüche bezüglich Ballweg. Die Berliner Zeitung hatte zum Verhalten vieler Journalisten bezüglich des Ballweg-Prozesses im März geschrieben [https://www.berliner-zeitung.de/open-source/staatsanwaelte-gegen-richter-im-querdenken-prozess-eskaliert-der-geheime-machtkampf-li.2308189]: > „Wer diesen Gespensterprozess verfolgte, musste nicht überrascht über diese Wendung und diese Zuspitzung sein. Überrascht waren diejenigen, die zur Eröffnung der Hauptverhandlung noch zahlreich mit Kameras und Laptops erschienen waren, sich dann aber bald wieder von der Veranstaltung verabschiedeten. Die etablierte Presse floh regelrecht, als sie erkannte, dass der Prozess nicht zum Schlachtfest gegen die verdammten Corona-Kritiker und einen ihrer Anführer taugt. Jetzt waren sie wieder für einen Tag da, aber ihre alten Fragen gehen ins Leere.“ Die Kritik an dem höchst fragwürdigen Verlauf das Falls Ballweg bedeutet selbstverständlich keine kritiklose Übernahme des politischen Programms der Querdenker, von dem ich mich nicht vertreten fühle. Aber dem Verfahren gegen Ballweg haftete von Beginn der Verdacht an, politisch motiviert zu sein, wie es auf den NachDenkSeiten in diesem Artikel [https://www.nachdenkseiten.de/?p=130505] heißt: > „Das Strafverfahren gegen Ballweg hat auch eine ‚offiziell’ politische Dimension: So war der Fall laut Berliner Zeitung [https://www.berliner-zeitung.de/open-source/staatsanwaelte-gegen-richter-im-querdenken-prozess-eskaliert-der-geheime-machtkampf-li.2308189] ‚spätestens ab 2022 ein politischer Berichtsfall gegenüber der Landesregierung von Winfried Kretschmann‘. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart musste demnach dem zuständigen Justizministerium von Ministerin Marion Gentges (CDU) ‚fortlaufend‘ über das Ermittlungsverfahren im Fall Ballweg berichten. Das gehe aus einer Antwort des Ministeriums der Justiz und für Migration auf die Kleine Anfrage eines Landtagsabgeordneten der AfD hervor.“ Corona und Justiz: Die unterlassene Hilfeleistung Auf die teils sehr fragwürdige Rechtsprechung während der Corona-Zeit sind wir unter anderem in den Artikeln „Verfassungsgericht: Rückenwind für autoritäre Politik [https://www.nachdenkseiten.de/?p=78480]“ oder „Corona und Justiz: Die unterlassene Hilfeleistung [https://www.nachdenkseiten.de/?p=77000]“ oder „Corona: Haft für Atteste – Preise für Hetze [https://www.nachdenkseiten.de/?p=116868]“ eingegangen. Es ist gut, dass der Ballweg-Prozess, der in meinen Augen teilweise wie eine politisierte Justiz-Farce erschien, nun mit einem (Teil-)Freispruch endlich zu Ende ist. Der Prozess macht aber auch nochmals deutlich, wie wichtig eine kritische Aufarbeitung der Corona-Politik und auch des Verhaltens weiter Teile der deutschen Justiz ist, die diese zerstörerische Politik überwiegend verteidigt haben. Titelbild: Screenshot/Querdenken-711 Mehr zum Thema: Der Fall Ballweg und die skandalöse „Corona-Justiz“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=130505] Gleiches Recht für den 100.000-DM-Schäuble wie für Ballwegs Querdenker! [https://www.nachdenkseiten.de/?p=67862] „Querdenker“ und die Flut: Ein Kampfbegriff als Mehrzweckwaffe [https://www.nachdenkseiten.de/?p=74625] Corona: Fast alle noch in Amt und Würden – Nichts ist aufgearbeitet [https://www.nachdenkseiten.de/?p=96627] [https://vg04.met.vgwort.de/na/0b37a1854d8a4173acea10470df51b95]

Die Bundesregierung und die EU-Kommission halten weiterhin daran fest, den weltweiten Klimawandel mit der Energiewende aufhalten oder zumindest abmildern zu wollen. Doch sämtliche real gemessene Werte deuten darauf hin, dass diese Ziele nicht zu erreichen sind. Stattdessen wird bei näherem Hinsehen deutlich, dass die Energiewende den Forderungen nach einem nicht enden wollenden Wirtschaftswachstum genügt und nicht denen des Klimaschutzes. Notwendige Debatten über die Sinnhaftigkeit der alles durchdringenden Gewinnmaximierung werden damit verhindert. Am Ende stellt sich die Frage, ob die Fokussierung auf die Abwendung des Klimawandels wichtige Maßnahmen zum Schutz vor dessen Folgen unterbindet. Von Karsten Montag. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Die derzeit in den einflussreichen Medien vermehrt auftauchenden Meldungen zu Hitzewellen, Hitzetoten, Rekordtemperaturen, Dürren, Waldbränden, Überschwemmungen und weiteren Extremwetterereignissen lassen die Menschen eher ratlos zurück, als dass sie daraus irgendeine konkrete Handlungsempfehlung ableiten können. Soll man nun ein E-Auto kaufen, eine Solaranlage auf dem Dach oder eine Wärmepumpe installieren? Reicht das, um die zumindest messbaren Folgen des Klimawandels aufzuhalten? Unter der Annahme, dass die vom Weltklimarat dargelegten Gründe für den Klimawandel – Steigerung der globalen Oberflächentemperatur aufgrund erhöhten Treibhausgasausstoßes – zutreffen, wird in diesem Beitrag erörtert, ob sich unter den aktuell gegebenen Rahmenbedingungen dieser Wandel überhaupt aufhalten oder zumindest abmildern lässt. Laut Bundesumweltamt [https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-in-deutschland#emissionsentwicklung] hat Deutschland 2024 seine Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 48 Prozent gemindert. Bis 2030 sollen die Emissionen im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent, bis 2040 um 88 Prozent gesenkt werden [https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgasminderungsziele-deutschlands]. 2045 soll Deutschland netto treibhausgasneutral sein, und ab 2050 sollen „negative“ Emissionen erreicht werden. Die Europäische Kommission meldet analog [https://commission.europa.eu/news-and-media/news/climate-report-shows-largest-annual-drop-eu-greenhouse-gas-emissions-decades-2024-11-05_de], dass die Netto-Treibhausgasemissionen des Bündnisses 2023 im Vergleich zu 1990 um 37 Prozent zurückgegangen sind. Bis 2030 soll der Ausstoß um 55 Prozent gesenkt werden. Im Rahmen des „Green Deals“ [https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de] soll die EU bis 2050 treibhausgasneutral werden. Europa soll dann der „erste klimaneutrale Kontinent“ sein. Rekord-Temperaturanstiege trotz Senkung des Treibhausgasausstoßes in der EU Trotz dieser „großen Erfolge“ in Europa war 2024 das Jahr mit der bisher höchsten Zunahme der globalen Lufttemperatur im Vergleich zum Referenzzeitraum 1850 bis 1900. Das Umweltbundesamt meldet 1,54 Grad Celsius. Andere Quellen [https://climate.copernicus.eu/global-climate-highlights-2024] kommen auf eine Zunahme zwischen 1,51 und 1,60 Grad Celsius. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-01.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-01.jpg Abbildung 1: Abweichung der globalen Lufttemperatur vom Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900 in Grad Celsius, Datenquelle: Umweltbundesamt [https://www.umweltbundesamt.de/bild/abweichung-der-globalen-lufttemperatur-vom] Damit ist das auf der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris festgelegte Ziel, eine Erwärmung um 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau bis Ende des Jahrhunderts zu begrenzen, bereits neun Jahre später überschritten worden. Ab einer Erhöhung der Temperatur um über 1,5 Grad [https://www.polarstern-energie.de/magazin/artikel/klimawandel-kipppunkte/] geht der Weltklimarat von dem Eintreten von Kipppunkten aus, welche die Erwärmung verstärken und den Klimawandel unumkehrbar machen könnten [https://www.forschung-und-lehre.de/forschung/erste-klima-kipppunkte-koennten-bis-2030-erreicht-werden-4998]. Zu diesen Kipppunkten gehören das Schmelzen der Eisflächen in der Arktis und der Antarktis sowie das Auftauen der Permafrostböden. Ab einer Erhöhung der Temperatur um über 3,5 Grad könnten unter anderem der Golfstrom zum Erliegen kommen und die Regenwälder durch Anpassung an die Trockenheit ihre Funktion als Kohlenstoffsenken verlieren. Weltweite Treibhausgasemissionen steigen weiter an 2018 ging der Weltklimarat [https://www.de-ipcc.de/256.php] noch davon aus, dass das 1,5 Grad-Ziel erreichbar sein könnte. Um dieses Ziel sicher einzuhalten, hätten die CO2-Emissionen jedoch sofort radikal gesenkt werden müssen – nämlich weltweit bis 2040 auf null [https://www.de-ipcc.de/media/content/SR1.5-SPM_de_barrierefrei.pdf]. Die Realität sieht jedoch anders aus. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-02.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-02.jpg Abbildung 2: Weltweite CO2-Emissionen nach Herkunftsregion in Tonnen, Datenquelle: Our World in Data [https://ourworldindata.org/grapher/annual-co-emissions-by-region] Was in Europa und den USA an CO2-Emissionen eingespart wird, wird durch den vermehrten Ausstoß insbesondere in Asien wieder mehr als wettgemacht. 2024 war mit prognostizierten 41,6 Milliarden Tonnen [https://www.mpg.de/23729143/co2-emission-bilanz-2024] (einschließlich einer veränderten Landnutzung) das Jahr mit dem bisher höchsten weltweiten CO2-Ausstoß. Reduktion von Treibhausgasemissionen in Europa aufgrund Abschaltung von Kohlekraftwerken und Auslagerung energieintensiver Produktionen Eine kurzfristige radikale Senkung der weltweiten Treibhausgasemissionen ist aus mehreren Gründen äußerst unwahrscheinlich. Einerseits ist der deutliche Rückgang des CO2-Ausstoßes in Europa seit den 1990er-Jahren auf einen Verzicht auf Kohle bei der Stromerzeugung sowie auf eine Verlagerung von Produktionsketten in asiatische Länder zurückzuführen. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-03.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-03.jpg Abbildung 3: Energieverbrauch in Europa nach Energieträgern in Terawattstunden, Datenquelle: Our World in Data [https://github.com/owid/energy-data] Insbesondere die Verbrennung von Kohle sorgt für hohe CO2-Emissionen. Denn bei deren Verbrennung entsteht rund doppelt so viel Kohlendioxid [https://volker-quaschning.de/datserv/CO2-spez/index.php], bezogen auf den Energiegehalt, wie bei der Verbrennung von Erdgas. Hinzu kommt, dass die in Deutschland noch betriebenen Braunkohlekraftwerke bei der Erzeugung von Strom einen deutlich niedrigeren Wirkungsgrad haben als Gaskraftwerke. Während bei modernen Gaskraftwerken [https://www.verivox.de/gas/themen/gaskraftwerk/] bis zu 60 Prozent der eingesetzten Energie in elektrische Energie umgewandelt werden kann, sind es bei alten Braunkohlekraftwerken wie dem in Weisweiler [https://de.wikipedia.org/wiki/Kraftwerk_Weisweiler#Kraftwerksbl%C3%B6cke] bei Aachen lediglich 28 bis 36 Prozent. Ersetzt man also ein altes Braunkohlekraftwerk durch ein modernes Gaskraftwerk, kann man bei gleicher Energieerzeugung rund zwei Drittel der CO2-Emissionen einsparen. Die Abschaltung alter Braunkohlekraftwerke war ein kurzfristig und einfach erreichbares Ziel – mit einem großen Effekt bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Es ist jedoch äußerst fraglich, ob dieses Ziel auch beim Verkehr und beim Heizen in der angestrebten Zeit bis 2045 möglich ist. Denn die Energie, die Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen verbrauchen, muss erst einmal durch Erneuerbare bereitgestellt werden, damit sie treibhausgasneutral betrieben werden können. Doch selbst im „Vorreiterland“ Deutschland stammten 2024 [https://www.solarserver.de/2024/12/18/ag-energiebilanzen-erneuerbare-2024-fuenftel-primaerenergie-verbrauch/] nur 20 Prozent des Primärenergieverbrauchs beziehungsweise 22,4 Prozent des Bruttoendenergieverbrauchs [https://dns-indikatoren.de/7-2-a/] aus erneuerbaren Energien. 77,3 Prozent wurden mit fossilen Energieträgern erzeugt und 2,7 Prozent in Form von elektrischer Energie importiert. Man muss kein Mathematikgenie sein, um sich zu fragen, wie man knapp 80 Prozent der in Deutschland benötigten Energie innerhalb von 20 Jahren durch Erneuerbare bereitstellen will, wenn für die bisher erreichten 20 Prozent 35 Jahre ins Land gegangen sind. 100 Prozent erneuerbare Energie in Deutschland voraussichtlich erst in mehr als 100 Jahren Nimmt man das annähernd lineare Wachstum des Anteils der Erneuerbaren am Bruttoendenergieverbrauch in Deutschland der letzten 20 Jahre als Grundlage für eine Hochrechnung, dann ist ein hundertprozentiger Anteil erst in mehr als 100 Jahren möglich. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-04.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-04.jpg Abbildung 4: Anteil der Erneuerbaren am Bruttoendenergieverbrauch in Deutschland, Datenquelle: Statistisches Bundesamt [https://dns-indikatoren.de/7-2-a/] Es bedarf demnach eines extrem beschleunigten Ausbaus erneuerbarer Energieträger, Energiespeicher und Stromnetze, um die 100-Prozent-Marke deutlich früher zu erreichen. Doch selbst unter dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck war eine derartige Beschleunigung in Deutschland nicht zu erkennen [https://www.nachdenkseiten.de/?p=120243]. Der Bundesrechnungshof kritisierte 2024 [https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2024/energiewende/kurzmeldung.html] unter anderem, dass die Ziele für den Ausbau der Windenergie an Land „absehbar nicht erreicht“ werden und der „zwingend notwendige Netzausbau“ dem Zeitplan um sieben Jahre und 6.000 Kilometer hinterherhinkt. Mit einer aktuellen Großen Koalition, die Aufrüstung und Krieg in den Vordergrund ihrer Politik stellt, rücken die Ambitionen der deutschen Regierung voraussichtlich in noch weitere Ferne. Das hält die Bundesregierung und die ihr untergeordneten Behörden jedoch nicht davon ab, mit allen möglichen Rechentricks wie Emissionshandel, angenommen höheren zukünftigen Effizienzgraden beim Energieverbrauch, der Aufforstung von Wäldern und dem angekündigten Aufbau der Humusschicht das erwartete Ergebnis bei den Treibhausgasemissionen Deutschlands schönzurechnen. Ist die bisherige Treibhausgasreduktion in der EU ein gigantisches Greenwashing? Ein weiterer Grund, warum der Treibhausgasausstoß hierzulande sinkt, liegt – wie bereits erwähnt – in der Auslagerung energieintensiver Produktionen ins Ausland. Dass insbesondere asiatische Länder, die über hohe Kohlereserven [https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/globalisierung/52770/verteilung-der-nachgewiesenen-kohle-reserven/] verfügen und in denen die Produktion nun größtenteils stattfindet, ihren steigenden Energiebedarf zunächst hauptsächlich mit Kohlekraftwerken decken, ist nicht verwunderlich. Wo sollen sie schließlich die kurzfristig benötigte Energie sonst hernehmen? [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-05.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-05.jpg Abbildung 5: Energieverbrauch in Asien nach Energieträgern in Terawattstunden, Datenquelle: Our World in Data [https://github.com/owid/energy-data] Chinesische Wissenschaftler haben untersucht [https://www.scinexx.de/news/geowissen/wie-grosskonzerne-emissionen-auslagern/], wie multinationale Konzerne durch Handel und direkte Investitionen ihre CO2-Emissionen ins Ausland verlagern. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2016 dieser „Auslands-Fußabdruck“ 18,7 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes ausmachte. Der größte Urheber solcher ausgelagerten Emissionen sei 2016 die Europäische Union mit 2,2 Milliarden Tonnen CO2 gewesen, gefolgt von den USA mit 1,3 Milliarden und Hongkong mit 1,1 Milliarden Tonnen. Das heißt, statt der 2,9 Milliarden Tonnen Kohlendioxidemissionen, die in Abbildung 2 für die EU für das Jahr 2016 angegeben sind, waren es – folgt man der chinesischen Studie – in Wirklichkeit 5,1 Milliarden Tonnen. Bei der auffälligen Senkung des Treibhausgasausstoßes in Europa und den USA könnte es sich daher um ein gigantisches „Greenwashing“ auf staatlicher und überstaatlicher Ebene handeln. Die seit den Sanktionen gegen Russland und der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines deutlich höheren Energiekosten in der EU dürften die Auslagerung energieintensiver Produktionen noch beschleunigen. So verzeichnet die Deutsche Industrie- und Handelskammer [https://www.dihk.de/de/themen-und-positionen/wirtschaftspolitik/energie/energiewende-barometer-24/energieprobleme-verfestigen-abwanderungstendenzen-120314] einen kontinuierlichen Anstieg der Zahl der Industriebetriebe, die Produktionseinschränkungen oder eine Abwanderung ins Ausland erwägen. Waren es 2022 noch 21 Prozent der Betriebe, so sollen es 2024 37 Prozent gewesen sein. Überdurchschnittlich stark sei die Tendenz bei Industriebetrieben mit hohen Stromkosten (2022: 25 Prozent; 2023: 38 Prozent; 2024: 45 Prozent) sowie bei Industriebetrieben mit 500 oder mehr Beschäftigten. Bei Letzteren habe sich der Anteil der Betriebe mit Produktionseinschränkungen und Abwanderungsplänen von 37 Prozent im Jahr 2022 und 43 Prozent 2023 auf 51 Prozent im Jahr 2024 erhöht. Am Ende ist es für den wachsenden Anteil der Treibhausgase in der Atmosphäre jedoch gleichgültig, woher die Emissionen kommen. Denn der weltweite Verbrauch fossiler Energieträger steigt weiterhin ungebremst an. Noch nie wurden so viel Kohle, Öl und Gas auf der Welt verbrannt wie Anfang der 2020er-Jahre. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-06.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-06.jpg Abbildung 6: Weltweiter Energieverbrauch nach Energieträgern in Terawattstunden, Datenquelle: Our World in Data [https://github.com/owid/energy-data] Rapides Bevölkerungswachstum in Asien und Afrika weiterer Grund für zukünftige Emissionssteigerungen Die weiterhin rapide anwachsende Bevölkerung in Asien – der Region, in welcher aktuell die höchste Steigerung des CO2-Ausstoßes zu verzeichnen ist – ist andererseits ein weiterer Grund dafür, dass in Zukunft kaum eine Besserung zu erwarten ist. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-07.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-07.jpg Abbildung 7: Weltweiter Energieverbrauch nach Energieträgern in Terawattstunden, Datenquelle: Our World in Data [https://github.com/owid/energy-data] Denn es lässt sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch erkennen – auch wenn seit der Finanzkrise offenbar die Weltwirtschaft stärker wächst als der Energieverbrauch. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-08.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-08.jpg Abbildung 8: Weltweiter Energieverbrauch im Vergleich zum weltweiten BIP, Datenquellen: Our World in Data [https://ourworldindata.org/energy], Weltbank [https://data.worldbank.org/indicator/NY.GDP.MKTP.KD] Geht man davon aus, dass das realwirtschaftliche Wachstum in den asiatischen Ländern noch lange nicht seinen Zenit erreicht hat und der einhergehende gesteigerte Energiebedarf weiterhin vornehmlich mit fossilen Energieträgern befriedigt wird, dann ist auf absehbare Zeit keine signifikante Senkung der weltweiten Treibhausgasemissionen in Sicht. Und selbst wenn die Wohlstandserwartungen in den asiatischen Ländern einmal gesättigt sein sollten, dann warten bereits die afrikanischen Länder mit ihrem hohen Bevölkerungswachstum darauf, eine ähnliche Entwicklung zu durchlaufen. Aktueller Trend: Temperaturanstieg um 3,5 Grad bis 2100 Vergleicht man schlussendlich den gemessenen CO2-Ausstoß mit den Szenarien des Weltklimarats von 1992, wird deutlich, dass sich die tatsächlichen Werte entlang der „Worst Case“- beziehungsweise „Business as usual“-Szenarien entwickeln. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-09.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-09.jpg Abbildung 9: CO2-Emissionsszenarien des Weltklimarats (IS92) und reale Entwicklung in Tonnen, Datenquellen: Weltklimarat [https://sedac.ciesin.columbia.edu/ddc/is92/], Our World in Data [https://ourworldindata.org/grapher/co2-fossil-plus-land-use] Die „Business as usual“-Szenarien gehen davon aus, dass es keine wesentlichen Änderungen in der Politik oder im Verhalten in Bezug auf Emissionen gibt. Die „Best Case“-Szenarien stellen Pfade mit erheblichen Emissionsreduzierungen dar, während die „Worst Case“-Szenarien Pfade mit weiterhin hohen Emissionen widerspiegeln. Sollte am Ende der derzeitigen Entwicklung im Jahr 2100 ein jährlicher CO2-Ausstoß von 80 Milliarden Tonnen stehen, muss mit einer Temperaturerhöhung von 3,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter sowie dem Eintreten von verstärkenden Kipppunkten [https://www.co2.earth/2100-projections] gerechnet werden. Auch wenn der Weltklimarat in seinen Berichten [https://www.ipcc.ch/reports/] immer neue Szenarien entwickelt, die das Maximum des Treibhausgasausstoßes jeweils einige Jahre nach dem Veröffentlichungsdatum in die Zukunft verschieben, kommt die Organisation stets zu dem Schluss, dass der Klimawandel mit der Energiewende noch abwendbar oder zumindest abzumildern ist. Dieses Narrativ hält sich folglich auch hartnäckig [https://www.ardmediathek.de/video/planet-schule/wie-ist-die-erderwaermung-noch-zu-stoppen-klimawandel/swr/Y3JpZDovL3BsYW5ldC1zY2h1bGUuZGUvQVJEXzk5NjNfdmlkZW8] in der Berichterstattung [https://www.mdr.de/nachrichten/welt/politik/klimawandel-stoppen-loesungen-klimaschutz-100.html] der einflussreichen Medien, obwohl alle realen Messungen darauf hindeuten, dass es nicht eintreten wird. Wirtschaftswachstum und Wohlstand sind mit Klimazielen nicht vereinbar Wenn man den Sonderbericht „1,5 °C Globale Erwärmung“ des Weltklimarats von 2018 genau liest, findet sich darin aus Sicht des Autors die einzige ehrliche, nachvollziehbare sowie aussagekräftigste Grafik, welche die Organisation bisher veröffentlicht hat. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-10.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-10.jpg Abbildung 10: Begrenzung der CO2-Emissionen zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels, Quelle: Weltklimarat [https://www.de-ipcc.de/media/content/SR1.5-SPM_de_barrierefrei.pdf] In Abbildung 10 b) ist zu erkennen, dass der weltweite CO2-Ausstoß innerhalb weniger Jahre radikal auf null reduziert werden müsste, um eine Temperaturerhöhung um über 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu vermeiden. Angesichts der bisher in diesem Beitrag dargestellten Zusammenhänge wird daraus deutlich, dass die Energiewende den Klimawandel nicht aufhalten kann, sondern nur ein kurzfristiger Verzicht auf sämtliche fossilen Energieträger. Alle Menschen auf der Welt müssten ab sofort auf fast alle Errungenschaften des Wohlstands verzichten – insbesondere in den reichen Ländern und dort vornehmlich die wohlhabenden Menschen. Die nachfolgende Auswertung der Konsumausgaben privater Haushalte in Deutschland verdeutlicht, wie ineffektiv im Grunde viele private „Klimaschutzambitionen“ sind – insbesondere, wenn sie von Menschen mit hohen Einkommen getätigt werden. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-11.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250801-klimawandel-11.jpg Abbildung 11: Konsumausgaben privater Haushalte in Deutschland nach dem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen 2022 in Euro, Datenquelle: Statistisches Bundesamt [https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Konsumausgaben-Lebenshaltungskosten/Tabellen/privater-konsum-haushaltsnettoeinkommen-lwr.html] Je höher das Einkommen, desto höher sind die Konsumausgaben und damit der Energieverbrauch. Wer glaubt, mit einem nagelneuen Elektroauto, einer Wärmepumpe für sein 200-Quadratmeter-Einfamilienhaus und dem Zahlen eines Aufpreises zur „CO2-Kompensation“ bei Reisetickets zur Abwendung oder Abmilderung des Klimawandels beizutragen, irrt gewaltig. Die wahren Klimaschützer sind diejenigen, die erst gar nicht die Mittel haben, viel Energie zu verbrauchen, weil sie auf engem Wohnraum leben und dadurch weniger Heizenergie benötigen, möglicherweise noch nicht einmal ein Auto besitzen und sich keine teuren Industrieprodukte und Fernreisen leisten können. Denn Heizen, Verkehr und Industrie sind nun einmal die größten Energieverbraucher [https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/energieverbrauch-nach-energietraegern-sektoren#entwicklung-des-endenergieverbrauchs-nach-sektoren-und-energietragern]. Im Grunde müssten – nimmt man die Erkenntnisse des Weltklimarats ernst – alle Deutschen mit den aktuell vorhandenen rund 20 Prozent erneuerbaren Energien auskommen, um den Klimawandel abzuwenden. Das hieße aber auch, auf einen Großteil des Wohlstands und der Wirtschaftskraft zu verzichten – und darauf zu hoffen, dass alle anderen Länder auf der Welt gleichziehen – auch diejenigen, mit denen man sich möglicherweise derzeit in einem Stellvertreter- und Abnutzungskrieg befindet. Da diese Vorstellungen in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung vollkommen abwegig sind, ist es an der Zeit, das Narrativ der Abwendbarkeit oder Abmilderung des Klimawandels mithilfe der Energiewende endlich über Bord zu werfen und sich zu fragen, wem diese Darstellung überhaupt nützt. Die Energiewende folgt den Vorgaben des Kapitalismus und nicht des Klimaschutzes Das Narrativ ist vor allen Dingen für diejenigen vorteilhaft, die netto vom Prinzip des Kapitalismus am meisten profitieren. Denn die hohen Kosten der Energiewende, die den Bürgern im Namen der Klimarettung aufgebürdet werden, sind die hohen Gewinne der Konzerne, die vermeintliche Lösungen wie Ökostrom, Elektroautos oder Wärmepumpen anbieten. Die Transferzahlungen sind gewaltig. Bis 2045 könnten sich die Gesamtkosten der Energiewende allein in Deutschland auf 3,44 Billionen Euro summieren [https://www.enbw.com/unternehmen/themen/klimaschutz/kosten-der-energiewende.html]. Je schlimmer die Gefahr des Klimawandels dargestellt wird, desto höher ist die Bereitschaft in der Bevölkerung, die teuren Produkte zu kaufen oder die hohen Energiekosten mitzutragen. Die Energiewende verspricht entgegen allen realen Messungen, dass die Klimaschutzziele trotz weiterhin hohen Energieverbrauchs und anhaltenden Wirtschaftswachstums erreichbar sein könnten. Eine wachsende Wirtschaft bedeutet – glaubt man den Verheißungen der „Trickle-down-Ökonomie“, dass auch die untersten Einkommensschichten davon profitieren sollen. Damit behindert die Energiewende eine grundlegende Debatte um die gerechte Verteilung von Gewinnen und um die Frage nach der Sinnhaftigkeit, alle rationalen Entscheidungen primär der Gewinnmaximierung zu unterwerfen. Das Narrativ der Rettung des Klimas mithilfe der Energiewende ermöglicht es zudem der Politik, hohe Abgaben und Steuern auf fossile Energien zu erheben, die sie dann für anderweitige Ziele – beispielsweise Rüstung und Waffenlieferungen in Kriegsgebiete – einsetzen kann. Politisches Missmanagement wie die Sanktionen gegen Russland, die zu einer erheblichen Verteuerung der Energie in Europa geführt haben, kann damit ideologisch abgefedert werden. Denn bei russischem Erdgas und Erdöl handelt es sich ja schließlich um Energieträger, auf die man in Zukunft sowieso verzichten will. Schlussendlich werden damit auch ernsthafte Konsequenzen aus der Erkenntnis, dass auf einem räumlich begrenzten Planeten die Ressourcen begrenzt sind sowie maßvoll und gerecht eingesetzt werden müssen, weiter in die Zukunft verschoben. Heimisch produzierte erneuerbare Energie lässt auf weniger Kriege um Ressourcen hoffen Dabei geht die Menschheit mit der Energiewende, was den letzten Aspekt betrifft, im Prinzip einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Denn begrenzte Energieträger wie Kohle, Öl und Gas – über Jahrmillionen in chemische Energie umgewandelte Sonnenenergie – direkt durch die Sonnenenergie in Form von Photovoltaik und Windenergie zu ersetzen, löst einen immer dringlicher werdenden Ressourcenengpass. Wenn ein Industrieland wie Deutschland, fünftgrößter Rüstungsproduzent [https://www.produktion.de/schwerpunkte/ruestungsindustrie/ruestung-das-sind-die-10-laender-mit-den-hoechsten-exporten-308037-818.html] der Welt, sich mithilfe von heimisch erzeugter erneuerbarer Energie von Öl- und Gasimporten, die 60 Prozent seines Energieverbrauchs ausmachen, unabhängig machen will, nährt dies zumindest die Hoffnung auf eine zukünftig friedlichere Welt. Denn nimmt man die Worte des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler [https://www.spiegel.de/video/der-ausloeser-koehlers-aussagen-zu-afghanistan-video-1068114.html], die er auf dem Rückflug von einem Besuch deutscher Truppen in Afghanistan 2010 geäußert hat, ernst, dann ist Deutschland aufgrund seiner Außenhandelsabhängigkeit in internationale Kriege verwickelt. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die für die Energiewende benötigten Ressourcen wiederum zu einer neuen Abhängigkeit führen und weitere Konflikte auslösen können. Denn die Turbinen der Windkraftwerke sowie die Motoren der Elektromobile benötigen Permanentmagnete, die aus seltenen Erden hergestellt werden. Und die Batterien, die in den Elektrofahrzeugen eingesetzt und die als Speicher erneuerbarer Energie genutzt werden, benötigen Lithium. Über beide Ressourcen verfügt Deutschland nicht in ausreichendem Maße. Ein Beispiel für den ersten vermeintlichen Krieg um diese Ressourcen ist der Konflikt in der Ukraine. Dort haben die russischen Streitkräfte kürzlich eines der größten Lithiumfelder in Europa eingenommen [https://defence-blog.com/russia-seizes-one-of-europes-largest-lithium-rich-sites/]. Marktregulation und politisches Missmanagement verteuern prinzipiell günstige erneuerbare Energie Ein weiterer zukunftsweisender Aspekt der Energiewende ist die Tatsache, dass erneuerbare Energien auf Dauer deutlich billiger sind als fossile. Schon jetzt sind Wind und Sonne bei der Erzeugung elektrischer Energie vielfach günstiger [https://www.enbw.com/unternehmen/themen/solarenergie/stromgestehungskosten.html]. Allerdings sind marktregulatorische Maßnahmen wie das Merit-Order-Prinzip [https://www.nachdenkseiten.de/?p=87221], hohe Abgaben auf fossile Energieträger [https://www.nachdenkseiten.de/?p=98229] sowie hohe Beschaffungskosten für Erdgas dafür verantwortlich, dass der Strompreis weiter steigt. Insbesondere die Abkehr von billigem russischen Gas war in der jüngsten Vergangenheit der größte Preistreiber. Erdgas ist jedoch eines der zentralen Schlüsselelemente der Energiewende. Denn Wind und Sonne sind nicht immer verfügbar, sodass kurzfristig hochfahrbare Kraftwerke notwendig sind, um den jeweiligen Energiebedarf zu decken. Hierfür eignen sich beispielsweise Pumpspeicherwerke, jedoch hauptsächlich Gaskraftwerke. Solange mit den Erneuerbaren nicht mehr elektrische Energie erzeugt als im Stromnetz benötigt wird, macht eine verlustbehaftete Umwandlung [https://www.eha.net/blog/details/power-to-gas.html], beispielsweise mittels Elektrolyse in Wasserstoff sowie in andere chemische Energieträger, keinen Sinn. Der Anteil der Erneuerbaren an der Bruttostromerzeugung ist von 6,3 Prozent im Jahr 2000 jedoch lediglich auf 54,4 Prozent im Jahr 2024 angestiegen [https://www.umweltbundesamt.de/indikator-anteil-erneuerbare-am]. Daher ist die Energiewende für die nächsten Jahrzehnte noch auf Erdgas angewiesen. Dass ausgerechnet eine Regierungskoalition mit Beteiligung der Grünen den Erfolg der Energiewende mit einem Boykott russischen Gases gefährdet, dürfte ein ähnlicher Treppenwitz der Geschichte sein wie die Befürwortung von deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine und Israel durch diese ehemalige Friedenspartei. Statt zu erhofften Preissenkungen bei den Energiekosten führt die Energiewende nun aufgrund politischer Fehlentscheidungen zu höheren Kosten für Endverbraucher und Unternehmen, die ihre Produktionsstandorte folglich vermehrt in Länder mit geringeren Energiekosten verlegen. Dass die deutsche Wirtschaft seit Beginn der Russlandsanktionen stagniert und sogar schrumpft, ist die Folge der Fehlentscheidungen und führt unweigerlich zu einem Wohlstandsverlust. Verhindert der Fokus auf die Abwendung des Klimawandels dringend notwendige Maßnahmen zum Schutz vor dessen Folgen? Hat man sich einmal gedanklich damit abgefunden, dass der Klimawandel mit der Energiewende weder aufzuhalten noch signifikant abzumildern ist, und hat man sich von der in der Politik und in den einflussreichen Medien verbreiteten Klimapanik befreit, kommt eine ganz andere, viel konkretere Frage in den Sinn: Wie geht man mit den Folgen des Klimawandels um? Müsste man nicht bei zu erwartenden immer längeren Hitzewellen im Sommer Alte und Kranke mit Klimaanlagen schützen? Müsste man sich nicht auf weitere Extremwetterereignisse vorbereiten, indem man Überflutungszonen, Deiche und Frühwarnsysteme ausbaut? Müsste man Siedlungen in den Bergen nicht gegen vermehrte Erdrutsche schützen? Müsste man im Osten Deutschlands nicht für ein groß angelegtes Bewässerungssystem sorgen, um Ernteausfälle aufgrund von Dürren im Sommer zu vermeiden? Sind die Opfer von Extremwetterereignissen am Ende auf eine fehlgeleitete Politik zurückzuführen, die Billionen für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen ausgibt, aber nur wenig gegen die Folgen des Klimawandels unternimmt? Diese Fragen sollen in einem weiteren Beitrag näher erörtert werden. Titelbild: Gorodenkoff / Shutterstock[https://vg09.met.vgwort.de/na/8aeb79c7080043f38b852514809a1b47]

Die ARD hat sich an das Thema Corona-Aufarbeitung rangemacht – hätte der Sender es nur gelassen. So notwendig eine kritische publizistische Auseinandersetzung mit den politischen Entscheidungen der Coronazeit auch ist: Den massiven Übergriffen auf Ungeimpfte und den schwersten Grundrechtseinschränkungen seit dem Bestehen der Republik ist nicht mit einem lauwarmen Journalismus beizukommen. Verantwortlich für die Politik der Grundrechtsschande ist in der Sendung das „Es“. Verschleiern statt schonungslosem Benennen? Ja. Das ist nicht der Journalismus, der erforderlich ist. Ein Kommentar von Marcus Klöckner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Wenn die Ausgangsfrage schon falsch ist, wie soll dann eine richtige Antwort erfolgen? Der Titel einer am Mittwoch ausgestrahlten ARD-Sendung, die sich mit dem Thema Corona-Aufarbeitung auseinandersetzt, tritt in Form einer Frage an die Zuschauer heran: „Hat uns Corona zerrissen?“ [https://www.youtube.com/watch?v=p57cC4vR09E] Die Sendung ist der dritte Teil einer ARD-Reihe, die unter dem Namen „KLAR“ läuft und die für einen kritischen Journalismus stehen soll. Heiße Eisen Anpacken, keine Denkverbote, in alter, guter Journalistentradition: „Sagen, was ist“ – das will das Format bieten. Während die erste Sendung zum Thema Migration tatsächlich verhältnismäßig kritisch war, hat sich das junge Format nun selbst entzaubert – leider. „Hat uns Corona zerrissen?“ Was soll diese Frage? Wohin soll diese Frage führen? In ihr ist das angelegt, was eine echte Coronaaufarbeitung am wenigsten braucht: Verschleierung. Die Frage entsubjektiviert, das heißt: Sie verdeckt konkret handelnde, genau benennbare Akteure, deren Politik und deren Wirken faktisch, nachweisbar und überprüfbar zu einer Spaltung der Gesellschaft beigetragen haben. Die Realität ist: Corona hat „uns“ nicht „zerrissen“ – Journalisten und Medien, die Ungeimpfte und Maßnahmenkritiker zum Feindbild der Gesellschaft fixiert haben, haben die Gesellschaft „zerrissen“. Politiker, die Entscheidungen getroffen haben, aufgrund der Ungeimpfte von weiten Teilen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen waren, haben die Gesellschaft „zerrissen“. Experten, die vorgegeben haben, der Wissenschaft zu folgen, aber in Wirklichkeit als Legitimationsexperten der Politik agiert und die Maßnahmenpolitik durch ihre „Expertisen“ flankiert haben, haben die Gesellschaft „zerrissen“. Das an- und auszusprechen kann, darf und muss von Journalisten, die sich des Themas annehmen, verlangt werden. Wer sich die besagte ARD-Sendung anschaut, hat den Eindruck, Stephen Kings „Es“ ist aus der Fiktion in die Realität gekehrt und war für die schwersten Grundrechtseinschränkungen seit Bestehen der Bundesrepublik verantwortlich. Dem ist aber nicht so. „Was es jetzt braucht, ist nicht mehr Offenheit, sondern ein scharfer Keil. Einer, der die Gesellschaft spaltet. (…) Richtig und tief eingeschlagen, trennt er den gefährlichen vom gefährdeten Teil der Gesellschaft“, schrieb im November 2021 Redakteur Christian Vooren in der „liberalen“ ZEIT [https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-11/corona-pandemie-querdenker-impfgegner-gesellschaft-spaltung-5v8]. Zeilen und Aussagen wie diese gab es viele. Sie verdeutlichen: Nicht Corona, nicht das „Es“ hat die Gesellschaft gespalten. Wer der Sendung freundlich gesinnt war und darauf hoffte, dass sich hinter dem Titel vielleicht doch noch ein kritischer Journalismus entwickeln würde, sah sich rasch enttäuscht. Schon zu Beginn sagt die Macherin der Doku, Julia Ruhs, Folgendes: > „Corona hat Deutschland verändert. Einer Krise, der niemand entkommen konnte.“ Wie soll man diese kommentierenden Ausführungen anders bezeichnen als Fortsetzung der Verschleierung? Nicht „Corona“ hat „verändert“ – die publizistischen Gewaltexzesse, bedingt durch konkret benennbare Medien und Journalisten, haben „verändert“. Nicht der Krise war nicht zu entkommen – politischen Entscheidungen, verursacht und getragen von konkret benennbaren Politikern, war nicht zu entkommen. Dieses Grundproblem einer – wie soll man es nennen? – journalistischen Verschleierungsarbeit zieht sich durch die gesamte Sendung. An einer Stelle etwa kommt eine Familie zu Wort, die unter der Ausgrenzung gelitten hat. Eine Stimme aus dem Off ist zu hören, die sagt: > „Durch Äußerungen von Politikern und Ärzten sehen sie sich in ihrem Gefühl bestätigt, nicht mehr dazu zu gehören.“ Auch an der Stelle gilt es zu fragen: Was soll diese Kommentierung sein? Journalismus? Immer wieder ist in den großen Medien festzustellen, wenn es um kritische Inhalte geht, dass auf die Ebene von Gefühlen fokussiert wird. Bürger „fühlen“ sich arm. Bürger „fühlen“ sich von der Politik betrogen. Bürger „fühlen“ sich ausgegrenzt. Entscheidend sind jedoch an diesen Stellen nicht „Gefühle“. Die Frage lautet doch: Wurden Bürger faktisch ausgegrenzt? Wir alle wissen: Ja, aufgrund von politischen Entscheidungen und einer furchtbaren publizistischen Stimmungsmache waren Ungeimpfte die Paria in unserer Gesellschaft. Auch das in aller gebotenen Deutlichkeit zu benennen, kann und darf nicht zu viel verlangt sein von Journalisten. Nun kann man darüber geteilter Meinung sein, welcher Maßstab an eine solche Sendung im Öffentlich-Rechtlichen, an den ohnehin kaum noch Erwartungen gestellt werden können, zu legen ist. Julia Ruhs ist zuzutrauen, dass sie die Grundproblematik verstanden hat. Anzurechnen ist ihr sicherlich auch, dass sie versucht, in einer Sendeanstalt, die politisch so auf Linie ist, wie es kaum mehr geht, Freiräume zu reißen. Und es liegt nahe, dass trotz Kraftanstrengung die Sendung es nicht vermochte, die Grenzen des Sagbaren innerhalb der ARD aufzusprengen. „Immerhin“, könnte man sagen, wurde wenigstens versucht, mit einem – irgendwie – kritischen Einschlag das heiße Thema Corona-Aufarbeitung anzugehen. Doch auch mit viel Wohlwollen: An manchen Stellen dürfen keine faulen Kompromisse eingegangen werden. Aufgrund politischer Entscheidungen mussten Mitmenschen ohne ihre Angehörigen in Pflegeheimen und Krankenhäusern einsam und alleine sterben. Aufgrund politischer Entscheidungen haben Mitmenschen sich gegen ihren Willen dazu genötigt gesehen, sich einer hochumstrittenen Impfung zu unterziehen – teilweise mit fatalen psychischen und physischen Schäden. Aufgrund von politischen Entscheidungen konnten ungeimpfte Mitmenschen nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Aufgrund von politischen Entscheidungen waren selbst Kinder dazu genötigt, Masken zu tragen. Nein, bei all dem, und noch viel mehr, ist ein lauwarmer Journalismus unangebracht. Wie kann es sein, dass in der Sendung zum x-ten Male ein Karl Lauterbach oder eine Alena Buyx auftreten dürfen? Das ganze Land kennt ihre Positionen doch wahrlich zur Genüge. Welchen Mehrwert hatten diese neuerlichen Einlassungen zweier Protagonisten, deren Agieren in der Coronazeit dringend kritisch aufgearbeitet werden muss? Der Mehrwert liegt bei null! Beide sagten, was zu erwarten war – auf einen kritischen und konfrontativen Journalismus wurde verzichtet. Auch der Tübinger Politiker Boris Palmer, der in der Coronazeit von einer „Beugehaft“ für Ungeimpfte sprach, darf seine Sicht der Dinge schildern, ohne dass „KLAR“ ihm kritisch entgegentritt. Zum Schluss der Sendung leitet Ruhs mit den Worten aus: „Mein persönliches Fazit aus der Coronazeit: Es wird schwer sein, die Gräben zu überbrücken. Aber wir müssen es versuchen.“ Und so endet die Sendung so, wie es der Titel bereits verraten und wie es der Sendungsverlauf verdeutlicht hat. Das Schlussstatement ist von weicher Gefälligkeit geprägt. Das vage „Es“ rückt wieder in den Vordergrund. „Gräben“ sollen „überbrückt“ werden. Das ist ein Sprachbild, das jeder Politiker im Schlaf an die Wand projizieren kann. Applaus, bitte! Im Vordergrund der Coronaaufarbeitung stehen doch nicht zu überbrückende Gräben, sondern: Politische Entscheidungsträger haben sich im besten demokratischen und rechtstaatlichen Sinne ihrer Verantwortung zu stellen. Die schweren Schieflagen in Politik, Justiz, Medizin und Journalismus müssen akribisch analysiert werden. Denn dann erst können Vorkehrungen getroffen werden, die Gesellschaft, Bürger und Land vor einer Wiederholung der Maßnahmenexzesse bewahren. Das zu verlangen, sollte jedem Demokraten ein Anliegen sein. Und ein Journalismus, der sich der Demokratie verpflichtet fühlt, hat diesem Anliegen den Weg zu ebnen. Der ARD-Beitrag war dem Anliegen mit seinen falsch gesetzten Schlaglichtern – leider – abträglich. Titelbild: Screenshot/ARD[https://vg04.met.vgwort.de/na/5097c22de6b54e4b813d06f73a2f8497]

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