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Ein „Tribunal“ [https://x.com/AussenMinDE/status/1920797394117017691] muss her – das hat gerade der neue deutsche Außenminister gefordert. Putin und die anderen Verantwortlichen des „russischen Angriffskriegs“ müssten „zur Rechenschaft gezogen werden“, so Johann Wadephul auf der Plattform X. Der Ton der neuen Bundesregierung gegenüber Russland ist von Aggression, Unvernunft und Realitätsverlust geprägt. Genau das ist der falsche Weg – wenn Frieden gewünscht ist. Ein Kommentar von Marcus Klöckner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Wäre die Außenpolitik ein Ponyhof, hätten Außenpolitiker die Gelegenheit, jeden Tag auf einem Pony zu reiten. Die Politik ist jedoch kein Ponyhof und die Außenpolitik schon gar nicht. In der Außenpolitik Treffen Interessen verschiedener Staaten aufeinander – und bisweilen kollidieren diese Interessen. So weit, so normal. Eine Politik mit Verantwortungsbewusstsein greift dann zu jenem Mittel, das wie Schmieröl in einer Maschine wirkt und die Räder, die sich drehen müssen, geschmeidig am Laufen hält. Dieses Mittel nennt sich: Diplomatie. Der neue deutsche Außenminister Johann Wadephul äußerte sich hingegen gerade auf der Plattform X mit den folgenden Worten: > „Die Verbrechen des russischen Angriffskriegs dürfen nicht straflos bleiben. Die Verantwortlichen müssen zur #Rechenschaft gezogen werden. Dass heute gemeinsam mit zahlreichen Staaten der Welt der politische Startschuss für das #Straftribunal fällt, ist extrem wichtig.“ Tribunal? Zur Rechenschaft ziehen? Straftribunal? In das Räderwerk der Beziehungen zwischen Russland und Deutschland schüttet Wadephul kein Schmieröl, sondern Sand. Die Worte des deutschen Top-Diplomaten sind das Gegenteil von Diplomatie. Sie belasten die ohnehin in Trümmer liegenden Beziehungen zwischen Deutschland und Russland auf politischer Ebene noch weiter – und das nach über drei Jahren Krieg und menschlichen Verlusten, die seit Langem nicht zu ertragen sind. Zudem sind die Worte von einer Schlichtheit geprägt, die eher an einen Stammtisch denn auf das diplomatische Parket gehören. Schlicht sind die Äußerungen – um nicht zu sagen: ausgesprochen dumm! – deshalb, weil sie nichts weiter sind als ein Knalleffekt ähnlich dem eines Knallfroschs, mit dem Kinder um die Neujahrszeit um sich werfen. Glaubt Wadephul, die Atommacht Russland würde, wenn ein deutscher Politiker ein „Straftribunal“ fordert, den Schwanz einziehen, bei Fuß laufen und bereitwillig auf der Anklagebank Platz nehmen? Selbstverständlich darf der CDU-Politiker das glauben – dann ist er aber für die Position des deutschen Außenministers ungeeignet. Machen wir uns nichts vor: Wadephuls Tweet dient in erster Linie dazu, jenem Milieu, für das der Feind stramm im Osten sitzt, etwas mitzuteilen. Die Botschaft lautet: Deutschland wird weiterhin gegenüber Russland eine Politik der harten Hand veranschlagen. Diese Kunde mag ja bei jenen, die gegen den imaginierten russischen Feind mobil machen wollen, Begeisterung auslösen. Nur: Wie kann die Anerkennung von Vertretern einer Gemeinschaft, die Kriegstüchtigkeit fordert, zum Maßstab deutscher Politik werden? Was Wadephul und andere Regierungsvertreter in Sachen Russlandpolitik anbieten, ist das Prinzip „Hornochse“. Mit dem Kopf mit voller Kraft an die Mauer. Irgendwann, so die Annahme, muss sie ja einstürzen. Das Problem ist: Der „Kopf“, der hier an die Mauer geschlagen wird, heißt Deutschland – und die Mauer ist aus Stahlbeton. Anders gesagt: Diese Politik der Aggression, der Unvernunft und des Realitätsverlustes beschädigt Deutschland immer weiter. Doch Vorsicht an dieser Stelle vor Täuschung. Anzunehmen, dass die Bundesregierung tatsächlich so dumm ist, nicht zu erkennen, wie wenig zielführend ihre Politik ist, würde der Realität kaum gerecht. Es sei denn, die Annahme lautete, dass im Auswärtigen Amt und weiteren Ministerien verlernt wurde, dass eins plus eins zwei ergibt. Schließlich: Um zu erkennen, dass die Politik der Konfrontation im Hinblick auf den Ukraine-Krieg gescheitert ist, braucht es lediglich Intelligenz und Wissen auf Ebene einfacher Grundschulmathematik. Deshalb entsteht der Eindruck: Die deutsche Politik folgt einem Kalkül, wonach die Beziehung mit Russland dauerhaft beschädigt bleiben soll – aus welchen Gründen auch immer. Titelbild: Proxima Studio / shutterstock.com [http://vg07.met.vgwort.de/na/5f118f12890c4bf88d5cb7da498abb50]

Nachdem der umstrittene Bericht des Bundesverfassungsschutzes, der die AfD auf Bundesebene als „gesichert rechtsextremistisch“ einstuft, nun die Gerichte beschäftigt, nimmt die Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren kein Ende. Den Wortführern und den meisten Kommentatoren unterläuft dabei jedoch ein grandioser Denkfehler: Selbst wenn die Einstufung des Verfassungsschutzes sich als gerichtsfest erweisen sollte, heißt dies noch lange nicht, dass dies für ein angestrebtes Verbotsverfahren von Bedeutung wäre. Hier hat die Rechtsprechung nämlich wohlweislich sehr hohe Hürden in den Weg gestellt, und die in Teilen von Medien veröffentlichten Auszüge des Verfassungsschutzgutachtens lassen nicht den Schluss zu, dass ein Verbotsverfahren Aussicht auf Erfolg hätte. Warum wird diese Debatte dennoch geführt? Es ist gut möglich, dass sie nicht aus inhaltlichen, sondern aus strategischen Erwägungen geführt wird, um die Brandmauer zu sichern und der CDU eine Alternative zu Koalitionen mit SPD oder Grünen zu verbauen. Von Jens Berger. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Dieser Artikel liegt auch als gestaltetes PDF [https://www.nachdenkseiten.de/wp-content/uploads/2025/05/250513_AfD-Verbotsdebatteein_g-eschicktes_Manoever-_JB_NDS.pdf] vor. Wenn Sie ihn ausdrucken oder weitergeben wollen, nutzen Sie bitte diese Möglichkeit. Weitere Artikel in dieser Form finden Sie hier [https://www.nachdenkseiten.de/?cat=54]. Was macht eine Partei zu einer rechtsextremistischen Partei? Wer nun denkt, hier gäbe es seitens der Politikwissenschaft eine klare Antwort, liegt daneben. Sowohl der Begriff „rechtsradikal“ als auch der Begriff „rechtsextremistisch“ sind im wissenschaftlichen Diskurs umstritten. Etwas klarer ist hingegen die Definition des Verfassungsschutzes. Hier gilt „Rechtsextremismus“ als eine verfassungsfeindliche Bestrebung von rechts, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) der Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist. Nun kann man sich vortrefflich darüber streiten, ob das auf die AfD zutrifft und ob das Gutachten des Bundesverfassungsschutzes diese Einstufung rechtfertigt. Um es vorwegzunehmen: Bei der gesamten Betrachtung geht es nicht um eine inhaltliche Bewertung. Ich persönlich finde die fremdenfeindlichen Zitate einiger AfD-Politiker widerlich und vertrete auf den meisten inhaltlichen Feldern diametral andere Positionen als die AfD. Ich denke jedoch nicht, dass die AfD ernsthaft die freiheitlich-demokratische Ordnung der Bundesrepublik gefährdet, und nur dies darf der Maßstab für eine Verbotsdebatte sein. Da halte ich es mit Voltaire: „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“ Aber zurück zum eigentlichen Thema. Als Säulen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung werden im juristischen Kontext die Menschenwürde, die Demokratie und der Rechtsstaat gesehen. Die AfD will weder die Demokratie noch den Rechtsstaat abschaffen. Bei der Menschenwürde ist ein klares Urteil jedoch nicht so einfach. Das Gutachten des Verfassungsschutzes behauptet, die AfD würde – als Gesamtpartei – ein „ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis vertreten, das mit der Menschenwürde des Grundgesetzes nicht vereinbar sei“. Dies begründet man unter anderem mit zahlreichen Zitaten von AfD-Politikern, die – Stichwort „Biodeutsche“ und „Passdeutsche“ – Migranten, Farbigen oder Muslimen die Volkszugehörigkeit absprechen. Derlei Zitate sind nicht nur widerlich, sondern zweifelsohne rechtsextrem und wohl auch verfassungsfeindlich. Ob sie ausreichen, um die Partei als Ganzes zu charakterisieren und ihr eine verfassungsfeindliche Ausrichtung zu attestieren, werden nun die Gerichte entscheiden. Hier darf man wirklich gespannt sein, da derlei rechtsextreme Zitate ja kein Alleinstellungsmerkmal der AfD sind. Wir erinnern uns an die CDU-Kampagne mit dem Slogan „Kinder statt Inder“ [https://www.ardmediathek.de/video/panorama/kinder-statt-inder-parolen-des-gescheiterten-zukunftsministers/das-erste/Y3JpZDovL25kci5kZS8xNjkzOTJkZC1jYTc5LTRjYzYtODgyZC1hNTdmMjZiZTkwZjE] – hat eigentlich damals jemand ein CDU-Verbotsverfahren gefordert? Aber für ein mögliches Verbotsverfahren sind solche Zitate gar nicht mal entscheidend. Hier gelten nämlich deutlich schärfere Voraussetzungen. So hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Verbotsverfahren gegen die KPD 1956 klargestellt [https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv005085.html#], dass „eine Partei nicht schon dann verfassungswidrig [ist], wenn sie die obersten Prinzipien einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung […] nicht anerkennt; es muß vielmehr eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen.“ Die von den Medien veröffentlichten Auszüge aus dem Verfassungsschutzgutachten lassen diesen Schluss für die AfD jedoch nicht zu. Bei der Verhandlung zum zweiten Verbotsverfahren gegen die NPD haben die Karlsruher Richter die Hürden sogar noch höher gesetzt. Das Verfassungsblog schreibt dazu [https://verfassungsblog.de/afd-einstufung-parteiverbot/]: > Das Parteiverbot setzt insbesondere eine qualifizierte Vorbereitungshandlung und ein strategisches Konzept der Partei zur planvollen Umsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Zielsetzungen voraus. In einem etwaigen Verbotsantrag müsste daher nachgewiesen werden, dass die AfD ein strategisches Konzept hat, mit dem sie als Gesamtpartei die Idee der „ethnisch-kulturellen“ Volkszugehörigkeit umsetzen und die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes aushöhlen will, und dass eine entsprechende zielorientierte qualifizierte Vorbereitungshandlung vorliegt. Aus der Vielzahl der der Partei zuzurechnenden Äußerungen und Aktivitäten der Parteimitglieder und -anhänger muss sich ein strategisches Konzept destillieren lassen, das die AfD planvoll und fortwährend umsetzen will. Mit anderen Worten: Eine Partei „darf“ sogar verfassungsfeindliche Ziele haben. Dies reicht für ein Verbot nicht aus. Wenn ein Verbotsverfahren Aussicht auf Erfolg haben will, müssen die Ankläger vielmehr belegen können, dass die Partei planvoll und mit hinreichender Intensität auf die Verwirklichung dieses verfassungsfeindlichen Ziels hinarbeitet und es zudem dadurch eine spürbare Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gibt. Nun kann man zur AfD stehen, wie man will, die inkriminierten Aussagen von AfD-Politikern gerne auch scharf kritisieren – das tut auch das Gutachten des Verfassungsschutzes. Das Gutachten sagt jedoch nicht – zumindest trifft dies auf die Auszüge zu, die in den Medien veröffentlicht wurden –, dass die AfD als Gesamtpartei planvoll an einer maßgeblichen verfassungsfeindlichen Beeinträchtigung der Menschenrechte arbeitet. Noch einmal: Solange AfD-Politiker verfassungsfeindliche Sprüche machen, ist dies laut geltender Rechtsprechung durch das Bundesverfassungsgericht noch kein Grund, die Partei zu verbieten. Es müsste vielmehr bewiesen werden, dass die AfD einen realistischen Plan hat, dies auch entgegen dem Gedanken des Grundgesetzes in die Tat umzusetzen. Dies ist aber nicht der Fall, und daher hat das Gutachten auch keinen erkennbaren Einfluss auf eine Verbotsdebatte. Nun sind die verfassungsrechtlichen Bedenken eines angestrebten AfD-Verbotsverfahren nicht neu. Das ist auch der Grund dafür, warum es im Bundestag für einen solchen Antrag nie eine Mehrheit gegeben hat [https://www.rnd.de/politik/vorlaeufiges-aus-fuer-afd-verbotsantrag-DJMNNPZ4BVDM5MPNQW64IQNHBU.html]. Warum kocht die Debatte nun dennoch wieder hoch, und was hat das Gutachten des Bundesverfassungsschutzes damit zu tun? Hier kann man freilich nur spekulieren. Wissend, dass ein Verbotsverfahren ohnehin keine Aussicht auf Erfolg hat, geht es den im Bundestag vertretenen Parteien offenbar vor allem darum, selbst an der Macht zu bleiben. Dafür ist zurzeit vor allem für SPD und Grüne die sogenannte „Brandmauer“ ein Mittel zum Zweck, engt es die CDU doch auf Landes- und Bundesebene bei der Wahl eines möglichen Koalitionspartners ein. Wenn die CDU nicht mit der AfD zusammenarbeiten kann, darf oder will, bleibt realistisch je nach Sitzverteilung immer nur eine Zusammenarbeit mit wahlweise SPD und Grünen oder auf Landesebene auch mit der FDP oder dem BSW übrig, und selbst der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU mit der Linkspartei ist ja bereits am Bröckeln. Es ist kein großes Geheimnis, dass es innerhalb der CDU durchaus Stimmen gibt – wie beispielsweise die des neuen Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn [https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/nach-vorstoss-von-jens-spahn-schwarz-rot-ringt-um-umgang-mit-der-afd,UiW43Ab] –, die eine „Normalisierung“ des Umgangs mit der AfD fordern. Eine „Normalisierung“ des Umgangs mit einer Partei, die vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ und damit verfassungsfeindlich eingestuft wird, ist jedoch kaum denkbar; schon gar nicht, wenn gegen diese Partei ein Verbotsverfahren laufen würde. Wenn man nun eins und eins zusammenzählt, die politisch Verantwortliche Nancy Faeser (SPD) und auch noch das kuriose Veröffentlichungsdatum – zwei Tage vor dem Amtswechsel im Innenministerium – mit hinzurechnet, riecht das alles doch stark nach einem taktischen Schachzug, der nicht auf das rechtlich ohnehin unwahrscheinliche Verbot der AfD, sondern auf die Bewahrung der Brandmauer gegen die AfD abzielt. Das ist durchaus schlau und hat Jens Spahn bereits in die Defensive [https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-jens-spahn-will-umgang-mit-rechtsextremer-partei-mit-spd-abstimmen-a-e6e96764-5a74-421d-bdeb-1ea89ef4c4b2] manövriert. Auch wenn SPD und Grüne dem massiv widersprechen würden: Beide Parteien können in Hinblick auf die Machtverteilung gar kein Interesse an einem Verbot der AfD haben, zumal man davon ausgehen muss, dass ein Großteil der AfD-Wähler in einem solchen Szenario die Partei wählen würde, die der AfD inhaltlich am nächsten steht – und das ist die CDU. Woran beide Parteien jedoch machtarithmetisch sehr wohl großes Interesse haben, ist eine starke Brandmauer, die der CDU andere Koalitionsoptionen verbaut und sie förmlich dazu zwingt, mit SPD und/oder Grünen zu koalieren. Oder liege ich mit derlei Spekulationen komplett daneben? Titelbild: nitpicker/shutterstock.com [http://vg04.met.vgwort.de/na/e3143ffdfe844c27bf27009d71442824]

Sie werden fast schon in die Nähe von potenziellen Spionen oder Sicherheitsrisiken gerückt: Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner, Ronald Pofalla, Matthias Platzeck und andere haben sich mit politischen Vertretern Russlands getroffen, um zerstörte Kommunikationswege wie den „Petersburger Dialog“ zu beleben. Was sehr zu begrüßen und im Interesse der hiesigen Bürger ist, wird von anti-russischen Meinungsmachern in Deutschland hart und unverantwortlich diffamiert. Umso höher sollte die Wertschätzung für das Vorhaben und den Mut der Beteiligten sein. Ein Kommentar von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Ralf Stegner, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste; Ronald Pofalla, ehemaliger Chef des Bundeskanzleramts und Leiter des „Petersburger Dialogs”; Matthias Platzeck, ehemals brandenburgischer Ministerpräsident und SPD-Bundesvorsitzender sowie Vorstand des „Petersburger Dialogs”; Stephan Holthoff-Pförtner, CDU-Europaminister unter Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen, sowie Martin Hoffmann, langjähriger Geschäftsführer des „Petersburger Dialogs”, hatten sich bereits Mitte April in Aserbaidschan unter anderem mit dem früheren russischen Ministerpräsidenten Subkow getroffen, wie der Deutschlandfunk berichtet [https://www.deutschlandfunk.de/ex-spd-fraktionschef-muetzenich-verteidigt-stegners-gespraeche-mit-russischen-vertretern-in-baku-100.html]. Nun läuft über diese Zusammenkunft eine Debatte in Deutschland. Mit allen darf man reden – nur nicht mit Russland Als Reaktion auf das Bekanntwerden des Treffens wurden der Vorstoß selbst sowie die Beteiligten massiv kritisiert (siehe weiter unten im Artikel). Immerhin Ex-SPD-Fraktionschef Mützenich sprang Stegner zur Seite: Solche Gesprächsformate seien im diplomatischen Raum notwendig, sagte Mützenich im Deutschlandfunk [https://www.deutschlandfunk.de/kanzlerwahl-aussenpolitik-grenzkontrollen-interview-mit-rolf-muetzenich-spd-100.html]. Forderungen aus der Opposition, Stegner müsse wegen der Kontakte zu russischen Vertretern seine Mitgliedschaft im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste [https://www.bundestag.de/ausschuesse/ausschuesse/parlamentarisches-kontrollgremium] beenden, wies Mützenich zurück. Und das tut Mützenich meiner Meinung nach mit vollem Recht: Wer bereits den Versuch, Gespräche anzubahnen und Interessen auszugleichen, indirekt in die Nähe von Spionage oder Sicherheitsrisiko rückt, der führt nichts Gutes im Schilde. Absurd ist auch das moralische „Alleinstellungsmerkmal“, das Russland oft von deutschen Transatlantikern zugedacht wird: Mit den blutigsten Golf-Monarchien und mit moralisch-militärisch mit schwerer Schuld beladenen US-Demokraten – mit allen darf man reden, aber bei Russland hat gefälligst Schluss zu sein! Der Verweis auf US-Verbrechen rechtfertigt nicht im Gegenzug das Verhalten Russlands im Ukrainekrieg. Aber Gespräche mit US-Vertretern werden ja auch nicht kriminalisiert, auch nicht von meiner Seite: Gespräche müssen möglichst immer mit allen Seiten stattfinden. Wichtig: Es geht um den bestmöglichen Interessenausgleich zwischen bewaffneten Staaten und die Verhinderung von Kriegen – eine krass einseitige Moral ist da nicht hilfreich. „Konspirative Zusammenkunft“, „klandestines Revival-Treffen” Als eines der ersten Formate hatte „Kontraste“ in der ARD berichtet [https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/deutschland-russland-treffen-baku-100.html]: > „Thema der konspirativen Zusammenkunft war offenbar die Zukunft des “Petersburger Dialogs”, jenes Gesprächsforums, das die Duzfreunde Gerhard Schröder und Wladimir Putin 2001 ins Leben gerufen hatten. > Man wollte damals Deutsche und Russen einander näherbringen – und auch Geschäfte machen. Angesichts des immer autoritärer gewordenen Russlands schon lange zur Farce verkommen, löste die deutsche Seite den “Petersburger Dialog” nach dem russischen Angriff auf die Ukraine schließlich offiziell auf. Nun also das klandestine Revival-Treffen in Baku, nach Informationen von Zeit und Kontraste seit April 2024 bereits das dritte seiner Art.“ Stegner hat das Treffen in Aserbaidschan laut „Tagesschau“ [https://www.tagesschau.de/ausland/europa/stegner-treffen-vertreter-russlands-reaktionen-100.html] verteidigt. Auch in schwierigen Zeiten sollten Gesprächskontakte „nach Russland aufrechterhalten werden”, teilte Stegner in einer Erklärung laut der Süddeutschen Zeitung mit. „Diese Gespräche können einen Beitrag dazu leisten, wechselseitig nützliche Kenntnisse und Einschätzungen über Verhältnisse, Haltungen und Entwicklungen zu befördern, die über das hinausgehen, was Presseberichterstattung oder Nachrichtendienste leisten”, heißt es laut Süddeutscher Zeitung in der Erklärung. Solche Gesprächskontakte seien naturgemäß vertraulich, „aber keine Geheimverhandlungen, für die keiner von uns ein Mandat hätte und in die Regierungsstellen in keiner Weise involviert sind”. Politisch Verantwortliche hätten aber Kenntnis von diesen Gesprächskontakten gehabt, hieß es weiter. Nach SZ-Angaben war auch der damalige Kanzler Olaf Scholz (SPD) über die Gesprächsbemühungen informiert. Wenn aber die „Russland-Expertin“ der Stiftung Wissenschaft und Politik, Sabine Fischer, laut Medien meint, den Russen gehe es mit solchen Treffen vor allem darum, Einflusskanäle auf die deutsche Politik zu öffnen, dann ist zu betonen, dass dadurch Selbstverständlichkeiten zum Skandal erklärt werden. Die „Einflusskanäle“ gehen außerdem in beide Richtungen. Und: Warum sind in diesem Darstellungen immer die Deutschen die nützlichen Idioten? Vielleicht sind ja solche Treffen und daraus folgende Entspannungen zwischen den beiden Ländern ja auch manchmal nützlich für die Deutschen? „Die neu aufgeflammte Moskau-Connection einstampfen“ Die Grünen sind erwartungsgemäß empört, laufen alle nicht feindlichen Kontakte zu Russland doch der gefährlichen Anti-Diplomatie zuwider, die im grünen Außenministerium in den letzten Jahren gepflegt wurde, Die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner sagte gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio, Teile in Union und SPD würden „ihre ganz eigene Schattendiplomatie (…) betreiben“. Merz und Klingbeil müssten „die neu aufgeflammte Moskau-Connection einstampfen, bevor sie uns wieder in eine fatale Abhängigkeit von Russland führt“. Die Vokabeln „Moskau-Connection“ und „Putin-Freund“ trafen kürzlich auch Politiker wie Michael Kretschmer (CDU), wie ich im Artikel Sanktionen: Wie die „Grünen-Connection“ gegen die Vernunft hetzt [https://www.nachdenkseiten.de/?p=130977] beschrieben habe. Manche Politiker – ausgerechnet von Grünen und FDP – versuchen, Stegner nun in die Nähe eines potenziellen Sicherheitsrisikos zu rücken. Die FDP-Europapolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann forderte, Stegner dürfe nicht erneut eine Mitgliedschaft im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags erhalten, das für die Geheimdienstkontrolle zuständig ist. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion Irene Mihalic sagte, Stegner handele „mindestens grob fahrlässig”. Der SPD-Politiker sitze seit vier Jahren im Parlamentarischen Kontrollgremium und werde regelmäßig von den deutschen Nachrichtendiensten über ihre Arbeit informiert. „Durch seine Zugänge zu höchst sensiblen Informationen ist er offensichtlich für den Kreml von größtem Interesse”, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Jemand, der durch sein Verhalten dazu beiträgt, darf diesem Gremium nicht weiter angehören.“ Zuzustimmen ist meiner Meinung nach den Aussagen, dass nicht jeder (noch aktive) Politiker außenpolitisch machen kann, was er will. Eine Abstimmung mit der jeweils amtierenden Regierung sollte meiner Meinung nach Voraussetzung für solche Vorstöße sein. In der aktuellen Debatte neige ich aber dazu, der Version von Stegner zu glauben. Ich schätze Stegner auch als erheblich vernünftigeren und integreren Politiker ein als Brantner (Grüne) oder Strack-Zimmermann (FDP). Außerdem sind solche Kontakte zu Russland, die den in den letzen Jahren aufgebauten Hass abbauen könnten, prinzipiell als nützlich und vernünftig zu betrachten. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass hier nicht russische Interessen dominieren, sondern mit Vernunft und auf Augenhöhe der beiderseitige Nutzen gefördert wird. Zu diesem Nutzen zählt auf „unserer“ Seite unter anderem preiswerte Energie, gebannte Kriegsgefahr und dadurch keine Notwendigkeit für absurde Steigerungen der Militärbudgets. Leider ist inzwischen auch auf „sozialdemokratische“ Stimmen Verlass, wenn es darum geht, eine Überbrückung des deutsch-russischen Grabens zu beiderseitigem Vorteil zu verhindern: „Ein falsches Treffen zur falschen Zeit am falschen Ort”, schrieb der frühere Vorsitzende des Außenausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), in einem Online-Dienst. Dass ausgerechnet Roth sich auch noch zum Vertreter der wahren „sozialdemokratischen Überzeugungen“ aufschwingt, ist dreist: > „Es widerspricht der Politik Deutschlands und Europas sowie sozialdemokratischen Überzeugungen. So schafft man keinen Frieden, sondern wertet die russischen Kriegstreiber auf.“ „Keine neuen Kreml-Netze“ Selbstverständlich haben auch zahlreiche etablierte Journalisten versucht, den vernünftigen Vorstoß und seine Beteiligten zu diffamieren. Beispielhaft soll hier ein Kommentar in der FAZ [https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/geheimtreffen-in-baku-neue-moskau-connection-110467168.html] zitiert werden, in dem es nach der Eingangsfrage „Neue Moskau-Connection?“ heißt: > „SPD und CDU müssen aufpassen, dass aus den heimlichen Kontakten einzelner Politiker nach Russland keine neuen Kreml-Netze entstehen. Diese haben die deutsche Politik schon einmal unempfänglich für die Gefahr aus Russland gemacht.“ Über den „Petersburger Dialog”, dessen Wiederbelebung als vernünftige (ergebnisoffene) Gesprächsbasis bezeichnet werden kann, heißt es in verzerrender Weise: > „Aus einer Veranstaltung, die einst den Dialog der Zivilgesellschaften beider Länder fördern sollte, hatte der Kreml ein Vehikel gemacht, das seine Propaganda in die deutsche Öffentlichkeit transportierte. Dass er dabei Erfolge hatte, lag an führenden Mitgliedern in der deutschen Organisation, die dabei gerne mitspielten.“ Und weiter: > „Die beiden Regierungsparteien sollten aufpassen, dass aus solchen angeblich privaten Kontakte (wer soll das glauben?) keine neuen kremlfreundlichen Netze erwachsen.“ Vor allem das Beispiel der SPD zeige, wie „solche Lobbyarbeit im Hintergrund” vor dem Angriff auf die Ukraine 2022 dazu beigetragen habe, die deutsche Politik unempfindlich für „die Gefahr aus Russland” zu machen. Daher müsse sich nun vor allem Ralf Stegner, der als einziger aktiver Politiker in Baku war, harte Fragen gefallen lassen, so der FAZ-Kommentar. „Pro-russisches Narrativ“, „Diktatfrieden“… Da nun wieder so viel von „kremlfreundlichen Netzen“ und dubiosen „Moskau-Connections“ die Rede ist, und weil bereits jeder Kontakt kriminalisiert werden soll und dafür eine massive Umdeutung der Geschichte vorgenommen wird: Es muss immer wieder betont werden, wer und welche Handlungen Europa an diesen kritischen Punkt geführt haben, an dem wir nun stehen: Der Ukraine-Krieg hätte verhindert werden können, wie kürzlich etwa im Artikel „Süddeutsche Zeitung“ und „taz“ in Not: In der Ukraine droht Frieden auszubrechen“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=132211] beschrieben wurde: „bei Verzicht auf die den Absprachen mit den Russen widersprechende [https://www.berliner-zeitung.de/news/geheim-protokolle-von-helmut-kohl-so-sprach-er-ueber-die-ddr-die-nato-und-die-ukraine-li.2318288] NATO-Osterweiterung, den Maidan-Putsch, die extreme Aufrüstung der Ukraine, die antirussische Propaganda in Medien und Politik, den uns selbst schädigenden Wirtschaftskrieg und vieles mehr. Vor allem hätte es von offizieller und medialer westlicher Seite eine Verurteilung der Angriffe der Nazi-Bataillone gegen die Bürger des Donbass im Rahmen der von Kiew angeordneten „Anti-Terror-Aktion“ ab 2014 geben müssen – diese Angriffe gegen die Zivilbevölkerung, auf die Russland in Teilen der Ostukraine dann schützend reagiert hat, sind als realer Beginn des Ukrainekriegs [https://www.nachdenkseiten.de/?p=82491] zu bezeichnen.“ Weiter heißt es: > „Die anschließende westliche „Erlaubnis“ für die Ukraine, den Friedensprozess von Minsk einfach zu ignorieren und das Land statt dessen massiv aufzurüsten [https://www.nachdenkseiten.de/?p=96236], ist ein weiterer Mosaikstein auf dem Weg zu einem Krieg, der hier nicht verteidigt wird, der aber hätte verhindert werden können. > Die aggressive und absolut voraussehbar in den Ukraine-Krieg mündende Strategie der NATO [https://www.nachdenkseiten.de/?p=94529] rechtfertigt auf der anderen Seite aber nicht automatisch die Handlungen, die Russland während des Ukraine-Kriegs vollzogen hat. Ich kann nicht abschließend beurteilen, wie akut die Bedrohungslage im Februar 2022 aus Sicht Russlands tatsächlich war. Ich will die russische Invasion und die möglichen Gebietsverluste der Ukraine darum nicht verteidigen. Und: Das wichtige Anstreben einer gesamteuropäischen und Russland einschließenden Sicherheitsarchitektur bedeutet selbstverständlich nicht die Forderung nach einer Unterwerfung unter ein „russisches System“.“ Unbeirrt wird in der anti-russischen Meinungsmache trotzdem jede realistische(!) Perspektive für ein Ende des Ukraine-Kriegs als „pro-russisches Narrativ“ oder „Diktatfrieden“ diffamiert. Diese Stimmen können aber außer abwegigen Szenarien von einem Niederringen Russlands null Alternativen anbieten – wie viele Ukrainer sollen für dieses unrealistische Ziel noch geopfert werden? Andererseits sollte Russland meiner Meinung nach jetzt auf jede Möglichkeit, die zu einem schnellen Waffenstillstand führen kann, eingehen – auch wenn das eigene militärisch-strategische Nachteile bedeuten könnte: Oberstes Ziel sollte immer ein Ende der Kämpfe sein. Ein bisschen Hoffnung? Man sollte die deutsch-russischen Treffen nicht überbewerten, aber: Dass es noch möglich ist, dass einflussreiche Personen von beiden Seiten, wenn auch aus der zweiten Reihe, sich treffen und austauschen – das kann ein bisschen Hoffnung auf noch nicht vollends unter grüner Kriegstreiberei begrabene Restvernunft in der deutschen Politik machen. Titelbild: Mo Photography Berlin / shutterstock.com Mehr zum Thema: Sanktionen: Wie die „Grünen-Connection“ gegen die Vernunft hetzt [https://www.nachdenkseiten.de/?p=130977] Wie transatlantische Netzwerke die deutsche Politik beeinflussen [https://www.nachdenkseiten.de/?p=126494] [https://vg01.met.vgwort.de/na/fd1ec3accd0c4a0f8ea23b2e99285dc5]

Identität und Wohnort eines politischen Gegners hat der ZDF-Moderator Böhmermann auf der großen TV-Bühne angedeutet. Das ist sehr bedenklich, möglicherweise erfüllt das Verhalten auch den Straftatbestand des „Doxing“, also einer Veröffentlichung von privaten Details, um politische Gegner zusätzlich individuell in ihrem Umfeld unter Druck zu setzen. Diese Strategie ist zu ächten – auch wenn sie von „den Guten“ im ZDF praktiziert wird. Ein Kommentar von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. ZDF-Moderator Jan Böhmermann hat in der aktuellen Ausgabe des „ZDF Magazin Royale“ [https://www.zdf.de/play/shows/zdf-magazin-royale-102/zdf-magazin-royale-vom-9-mai-2025-100] die Identität und den Wohnort des bisher anonymen Betreibers des Youtube-Kanals „Clownswelt“ im Fernsehen öffentlich angedeutet*, wie die Berliner Zeitung berichtet [https://www.berliner-zeitung.de/news/clownswelt-jan-boehmermann-nennt-klarnamen-von-youtuber-internetgemeinde-empoert-li.2323673]. Der Kanalbetreiber habe Hunderttausende Abonnenten und kommentiere und kritisiere regelmäßig Interviews von Politikern und Beiträge aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, so der Artikel. Wie Böhmermann in seiner Sendung nun erklärte, habe der Kanalbetreiber sein Recht auf Anonymität verwirkt. „Wer im Internet vor 227.000 Abonnent_innen die Wahrheit sagt, ‚Clownswelt‘, der kann doch auch sein Gesicht zeigen. Also, wer steckt hinter der Maske?“, so Böhmermann dazu. Gemeinsam mit der Zeit recherchierte das „ZDF Magazin Royale” demnach die Identität des Mannes. Den Angaben der Sendung zufolge handelt es sich dabei um einen Mann aus Ostwestfalen, weitere Infos zur Person sollen hier nicht verbreitet werden. Böhmermann nennt in der Sendung aber sowohl den Vornamen* des Mannes als auch seinen beruflichen Werdegang sowie weitere identifizierende Merkmale. Im Zuge der vorhergehenden „Recherchen“ wurden wohl sogar die Eltern des Mannes in ihrem Privathaus von Journalisten belästigt [https://apollo-news.net/wissenschaftliche-stimmanalyse-und-hausbesuch-bei-den-eltern-mit-diesen-mitteln-jagte-bhmermann-den-youtuber-clownswelt/]. Einen Ausschnitt aus der betreffenden Böhmermann-Sendung hat der X-Nutzer RealTom unter diesem Link [https://x.com/tomdabassman/status/1920949378572853577] veröffentlicht: > Polizistensohn Böhmermann zeigt erfrischend ehrlich, was er am Liebsten ist: Ein kleines, schnüffelndes Stasi- Trüffelschwein. Menschenjagd auf Zwangsgebühr, was könnte es Befriedigenderes geben für einen Praecoxler?pic.twitter.com/hRSr97WHKf [https://t.co/hRSr97WHKf] > > — TheRealTom™ [https://s.w.org/images/core/emoji/12.0.0-1/72x72/2122.png] – Trusted Flagger (@tomdabassman) May 9, 2025 [https://twitter.com/tomdabassman/status/1920949378572853577?ref_src=twsrc%5Etfw] „Die Guten“ und das „Doxing“ Das Öffentlichmachen von Identitäten und Wohnorten von politischen Gegnern ist total abzulehnen. Wer so etwas macht, verlässt endgültig die Ebene der erlaubten politischen Auseinandersetzung. Das Urteil darüber – wenn schon nicht juristisch, so doch mindestens moralisch – ist eindeutig: Dieses Verhalten ist schäbig und durch keine „edlen“ Motive zu rechtfertigen. Die Praxis, politische Gegner unter Druck zu setzen, indem man durch die Veröffentlichung von Namen und Wohnort ihr Privatleben in den politischen Kampf hineinzieht, wurde in der Vergangenheit auch von Rechten genutzt und entsprechend hart kritisiert. Die Praxis wird auch als „Doxing“ bezeichnet [https://de.wikipedia.org/wiki/Doxing], und sie ist laut ZDF inzwischen verboten. Ob der betreffende Paragraf [https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__126a.html] auf das Verhalten von Böhmermann anzuwenden ist, müssen Juristen beurteilen – der Absatz lautet: > § 126a Gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten > > (1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) personenbezogene Daten einer anderen Person in einer Art und Weise verbreitet, die geeignet und nach den Umständen bestimmt ist, diese Person oder eine ihr nahestehende Person der Gefahr > > 1. eines gegen sie gerichteten Verbrechens oder > > 2. einer gegen sie gerichteten sonstigen rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert auszusetzen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. > > (2) Handelt es sich um nicht allgemein zugängliche Daten, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Der Twitter-Nutzer Argo-Nerd, ein Spezialist für Collagen zu doppelten Standards, hat das Thema „Doxing“ und seine Behandlung beim ZDF unter diesem Link [https://x.com/argonerd/status/1921205406145110526] mal so kombiniert: > pic.twitter.com/UzwO3JDsZ9 [https://t.co/UzwO3JDsZ9] > > — Argo Nerd (@argonerd) May 10, 2025 [https://twitter.com/argonerd/status/1921205406145110526?ref_src=twsrc%5Etfw] Retourkutschen sind jetzt ebenfalls abzulehnen Es gibt Dinge, die macht man einfach nicht, das „Doxing“ gehört dazu. Dass nun von „den Guten“ im ZDF solche abzulehnenden Taktiken auf der großen TV-Bühne zelebriert werden, ist schwer zu ertragen. Das Verhalten wird nun, zusätzlich zur prinzipiellen Kritik an einem solchen Verhalten, wahrscheinlich eine Steilvorlage für rechte Nachahmer bilden. Es gibt jetzt schon solche ebenfalls abzulehnenden Reaktionen [https://apollo-news.net/nach-schadenfreude-ueber-clownswelt-doxxing-private-informationen-von-gruenen-politiker-geleakt/], etwa gegenüber Grünen-Politikern. Ich würde auch solche Retourkutschen als Reaktion auf Böhmermanns Verhalten scharf kritisieren – diese Strategie muss ganz grundsätzlich geächtet werden. Auch um eine Dynamik des Gegenseitigen „Doxings“ zu unterbinden, sollte es jetzt eine Reaktion auf das Verhalten von Böhmermann geben. Wenn dieses Verhalten selbst auf der etablierten öffentlich-rechtlichen TV-Bühne jetzt so durchgeht, könnte das ein „offizieller“ Startschuss für das gegenseitige Ausschnüffeln des Privatlebens aus allen politischen Richtungen werden. Der Betreiber von „Clownswelt“, der politisch-inhaltlich hier nicht verteidigt wird, hat sich laut Medien [https://apollo-news.net/clownswelt-zweifelt-an-offizieller-darstellung-des-doxxings/] nun auch geäußert. Laut Berliner Zeitung [https://www.berliner-zeitung.de/panorama/clownswelt-doxxing-durch-boehmermann-reichweite-von-rechtem-youtuber-massiv-gestiegen-li.2323963] ist die Reichweite seines Kanals seit der Böhmermann-Sendung „massiv gestiegen“. Angepasstes „Kabarett” Böhmermann ist schon öfter mit mindestens grenzwertigen Aktionen aufgefallen, unter vielem anderen etwa mit seiner Sendung über den damaligen Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, dem er Nähe zum russischen Nachrichtendienst vorgeworfen hatte. Böhmermann bezeichnet, wie die kürzlich in diesem Artikel mal wieder thematisierte Sarah Bosetti [https://www.nachdenkseiten.de/?p=132671], sein Agieren oft als „Satire“ – tatsächlich ist das Programm beider TV-Sternchen über weite Strecken meiner Meinung nach keine Satire, ebenso wenig wie weite Teile von „Heute Show“ oder „Extra Drei“. Statt Persiflagen auf die Phrasen der Mächtigen zu verfassen (etwa zu den Themen Corona oder Militarisierung), ist diese Art der „Satire“ oft eine mit Kraftausdrücken gewürzte Verstärkung der Kommunikation der Mächtigen – Ausnahmen gibt es, aber sie bestätigen die Regel. Im Artikel „Jämmerliches „Kabarett“: TV-Satiriker schützen die Kriegspolitik [https://www.nachdenkseiten.de/?p=94699]” hatte ich über die angepassten Vertreter der etablierten TV-Komiker geschrieben: > „Die hier geäußerte Kritik betrifft einige der prominenten TV-‚Kabarettisten‘ – es gibt natürlich Ausnahmen. (…) Wenn man aber nicht aktiv nach einem kritischen Kabarett im deutschen TV suchte, so hatte man in den letzten Wochen den Eindruck einer totalen Dominanz des Bereichs durch angepasste Regierungskomiker, die ihre Reichweite nutzten, um Regierungskritiker verächtlich zu machen. Und da Satire ja ‘alles darf’, gibt es bei dieser Verächtlichmachung teilweise gar keine Grenzen nach unten mehr. Der (berechtigte und wichtige) Freibrief für Satire gilt aber doch nur, wenn es gegen Fehltritte von mächtigen Akteuren geht. Die Grundlage für den Satire-Freibrief ist meiner Meinung nach eine David-gegen-Goliath-Situation. Die enge Parteinahme der TV-„Satiriker“ für die Regierung und die Politik der Kriegsverlängerung wirkt aber als reine Verstärkung des offiziellen Sounds – eines offiziellen Sounds, der sowieso in jeder Hinsicht und auf allen großen Kanälen bevorteilt wird.“ Die Finanzierung von polarisierenden Charakteren wie Böhmermann oder Bosetti durch die Beitragszahler wäre übrigens akzeptabel, wenn von diesen Gebühren auch inhaltliche und politische Gegenpole zu den ganz überwiegend angepassten TV-„Satirikern“ bezahlt und prominent präsentiert würden. Aber das ist nicht der Fall, und so entsteht der Eindruck eines zum Teil giftigen und tendenziösen Gleichklangs, der mit dem Auftrag der Ausgewogenheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht vereinbar ist. Titelbild: Screenshot/ZDF *Die Berliner Zeitung hat ihren Artikel nachträglich geändert, darum wurde diese Stelle ergänzt. Mehr zum Thema: Jämmerliches „Kabarett“: TV-Satiriker schützen die Kriegspolitik [https://www.nachdenkseiten.de/?p=94699] Sarah Bosetti, Corona und der Weltkrieg: Unwissenheit ist Stärke [https://www.nachdenkseiten.de/?p=132671] Wer solche Künstler hat, braucht keine Mitläufer mehr [https://www.nachdenkseiten.de/?p=98894] Woke: Pseudolinks ist nicht „Linksliberal“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=97262] [https://vg01.met.vgwort.de/na/cb9a063d05e34b04bed8ddc8f2153577]

In einer Zeit, in der der Debattenraum zunehmend schrumpft und polarisiert ist, haben Verlage eine besondere Verantwortung, für offene Diskursräume einzutreten. Markus Johannes Karsten, Verleger des Westend Verlags, setzt mit seinem Programm genau auf diese Vielfalt. Unter dem Motto Bücher für die Wirklichkeit bringt er gesellschaftskritische und auch „umstrittene“ Autoren und Inhalte in den Buchmarkt. Ein aktuelles – und vielleicht überraschendes – Beispiel für diese Haltung des Westend Verlags ist die Veröffentlichung von Ulf Poschardts Buch „Shitbürgertum [https://westendverlag.de/Shitbuergertum/2312]“, das dadurch jetzt im regulären Buchhandel erhältlich ist, nachdem es von seinem ursprünglichen Verlag fallen gelassen wurde. Maike Gosch sprach im Interview mit Markus Johannes Karsten über Cancel Culture, Debattenraum und Meinungsfreiheit. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Maike Gosch: Herr Karsten, Sie haben mit dem Westend Verlag das Buch „Shitbürgertum“ des prominenten Medienmanagers und Autors Ulf Poschardt veröffentlicht, das zuvor nur im Selbstverlag erhältlich war, nachdem es vom ursprünglichen Verlag des Autors als zu polemisch abgelehnt wurde. Was glauben oder wissen Sie über die Beweggründe des vorigen Verlags zu Klampen, das Buch aus dem Programm zu nehmen? Und was hat Sie selbst bewogen, dieses Buch in Ihr Programm aufzunehmen? Markus Johannes Karsten: Über die Beweggründe von zu Klampen kann ich relativ wenig sagen. Es war so, dass in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Anfang Januar ein Artikel erschien, in dem zu lesen war, dass ein Buch von Ulf Poschardt nicht wie geplant erscheinen wird. Man konnte – so meine ich, mich zu erinnern – herauslesen, dass etwas an dem Manuskript dem zu Klampen Verlag nicht gepasst hatte oder nicht so war, wie sie es sich vorgestellt hatten, und das Buch daher nicht dort erscheinen würde. Jetzt liegt es natürlich in der heutigen Zeit nicht allzu fern, anzunehmen, dass Poschardt eben Sachen geschrieben hatte, die dem Verlag nicht politisch korrekt genug erschienen. Dass Ulf Poschardt nicht so ganz die DNA des Westend-Programmes trifft, das hatten wir angenommen, aber wenn der Text eines Autors, der auch Herausgeber einer bedeutenden Mediengruppe ist, nicht erscheinen soll, kann das aus meiner Sicht nicht daran liegen, dass er etwas geschrieben hat, das nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar ist, sondern dass dies andere Gründe hat. Und dann hatte ich oder wir einfach den Impuls, ihn anzurufen und zu sagen: „Also, wenn die es nicht machen wollen, dann machen wir es.“ Diese Entscheidung trafen Sie noch, bevor sie es gelesen hatten? Ja, ohne es gelesen zu haben. Es war ja noch nicht auf dem Markt. Es war nur der Reflex, zu sagen: Das kann nicht sein, dass Poschardt hier aus dem Debattenraum ausgeschlossen werden soll, so sah es für mich zumindest aus. Ob es so gewesen ist, weiß ich natürlich nicht. > „Wir bringen das und werfen es wieder in den Debattenraum rein.“ Und wir haben ihn dann kontaktiert und gesagt: „Wir würden das machen.“ Es ist ja viel von Debattenkultur, Demokratie und Meinungsfreiheit und vom „man muss mit allen reden“ die Rede. Dann muss man eben auch mal, wenn so etwas passiert, einspringen und sagen: Wir bringen das und werfen es wieder in den Debattenraum rein. Genau so haben wir im vorliegenden Falle gehandelt. Wir haben dann im Januar die Nachricht aus Berlin bekommen, dass Herr Poschardt für sein Buch jetzt schon eine andere Lösung gefunden hätte – aber man könne ja in Kontakt bleiben für weitere folgende Publikationen. Kurze Zeit später, etwa Ende Januar, erschien das Buch dann bei Amazon. Das heißt, es war bei Amazon erhältlich – und nur bei Amazon – und eroberte da sofort Verkaufsrang 1, und das drei Wochen lang. Das ist relativ ungewöhnlich für ein politisches Sachbuch. Und ich vermute mal, dass Herr Poschardt nichts an dem Buch geändert hat, wie zu Klampen das wollte, und damit eben Erfolg hatte. Dann kamen die Bundestagswahlen, und das Buch war immer noch sehr stark im Gespräch. Ich hatte das Buch auch inzwischen gelesen, ihm erneut geschrieben und gesagt: „Also, wenn das Buch so einen enormen Anklang findet, dann sollte es doch auch über den Buchhandel verfügbar sein, und zwar von Rügen bis Bozen, also im gesamten deutschsprachigen Raum.“ Um nachhaltig Diskussionen und Debatten anzustoßen, ist es schon notwendig, dass ein Buch auch im stationären Buchhandel erhältlich ist und nicht nur im Internet. Deswegen sind wir erneut auf Ulf Poschardt zugegangen und haben ihm vorgeschlagen, nun auch eine Buchhandelsausgabe zu veröffentlichen. Kurz danach trafen wir uns in Berlin, das war Ende März, und schon am 22. April lag das Buch überall im Handel. Inzwischen seien auch andere Verlage auf Poschardt zugegangen. Er wollte das Buch aber mit uns machen – weil wir sehr früh schon, bevor das Buch erfolgreich war, gesagt hatten, wir würden es veröffentlichen, eben aus der Motivation heraus, den Debattenraum groß und weit zu halten. Eine Woche nach Erscheinen ist der Titel bei der einschlägigen Bestsellerliste, die uns allen bekannt ist, auf Platz drei eingestiegen, von null auf drei, wohlgemerkt. Und was für eine Wirkung erhoffen Sie sich von dem Buch oder von seiner Veröffentlichung? Wir machen in der Regel keinen Abgleich: Gibt es eine bis ins Kleinste ausformulierte Programmbeschreibung des Westend-Verlages und passt ein Buch genau da rein? Wir machen nicht zwingend Bücher, die uns gefallen oder mir gefallen, das natürlich schon, aber das eigentlich Entscheidende ist: Gibt es ein Thema, das öffentlich besprochen werden soll, gibt es einen Beitrag, der in den Debattenraum soll, ja, muss? Das war ja schon zum Teil geschehen, als es bei Amazon so stark bestellt wurde und gekauft wurde, was ja zeigt, dass dieses Buch auf ein größeres Interesse stößt. Und ich verspreche mir von der Veröffentlichung, dass – auch wenn das, was dort steht, an der einen oder anderen Stelle forciert formuliert ist – sich mit den Thesen von Herrn Poschardt auseinandergesetzt wird. Der Westend Verlag setzt sich ja nach eigener Aussage für alternative Sichtweisen und neue Perspektiven ein, die im „Mainstream“ zu wenig Raum oder kein Forum bekommen. Sehen Sie das auch bei diesem Buch gegeben, also jenseits von der Ablehnung durch zu Klampen? Der Autor selbst hat ja objektiv eine sehr große Meinungsmacht und eigentlich auch ein sehr großes Forum durch seine Prominenz und berufliche Position in der Medienwelt. Und man könnte auch argumentieren, dass seine Position oder die Thesen, die er in dem Buch vertritt, selbst wenn nicht Teil des links-grünen, aber doch des liberal-rechten Mainstream-Spektrums sind, also mitnichten eine marginale Position sind. Tatsächlich habe ich ihn in der vergangenen Woche noch selbst in Berlin getroffen, und auf dem Weg habe ich auch einen Beitrag von ihm in der Welt gelesen. Er kann mehr oder weniger, wenn er will, jeden Tag mit seiner Meinung reichweitenstark aufwarten und erreicht ein gewisses Publikum, und in diesen Meinungsbeiträgen schimmert natürlich auch immer wieder durch, was er auch in dem Buch sagt und beschreibt. Ein Buch kann unbestritten ausführlicher und nuancierter sein. > „Man muss erstmal ein Diktat als ein Diktat erkennen, > bevor man sich dann von diesem befreien kann.“ Man muss erstmal ein Diktat als ein Diktat erkennen, bevor man sich dann von diesem befreien kann und wieder stärker dahin kommt, dass sich in einem Debattenraum, in der Öffentlichkeit, über politische Sachverhalte gestritten werden darf. Die ganze Welt redet von Demokratie und davon, wie wichtig es ist, dass alle mit allen reden, man sich mit allen auseinandersetzen muss – wie kürzlich zum Beispiel auch wieder Bodo Ramelow auf dem evangelischen Kirchentag gesagt hat –, und dann, wenn so etwas passiert wie dieses Buch, dann gilt das plötzlich nicht mehr, dann heißt es: „Ja, aber der war nicht gemeint“ oder „Diese These war nicht gemeint“. Das kann nicht sein, und dem Westend Verlag steht es gut an, auch Debattenbeiträge zu publizieren, die nicht in unser klassisches Programmschema passen, das eher soziale Fragen, Medienkritik, Frieden, geopolitische und kritische Beiträge umfasst, die aber den Debattenraum offenhalten. Autoren von uns, die sehr stark sozialpolitisch unterwegs ausgerichtet sind, wie zum Beispiel Heiner Flassbeck, Albrecht Müller [Anm. M. G.: der Herausgeber der NachDenkSeiten] oder auch andere, machen inhaltliche Angebote und zeigen Erklärungen für Fehlentwicklungen in Politik und Gesellschaft. > „Schnell steht fest, was als richtig zu gelten hat, > und ab dann ist der Sack sofort zu.“ Wenn wir ehrlich sind, werden aber wirkliche Debatten doch gar nicht mehr geführt. Schnell steht fest, was als richtig zu gelten hat, und ab dann ist der Sack sofort zu: Man will sich gar nicht mehr damit rumschlagen, zu prüfen und zu bewerten, welche Argumente sind stichhaltig, welche weniger. Denn: Es steht ja bereits fest, was als gut und richtig zu gelten hat. Gab es da von Lesern oder Unterstützern des Westend Verlags und ihrem Umfeld negative Reaktionen im Hinblick darauf, dass viele der Positionen, die Poschardt in dem Buch äußert, der politischen Linie oder inhaltlichen Deutung der Welt in vielen der anderen Bücher in Ihrem Programm diametral entgegenstehen? Nein. Es hat eine Zuschrift gegeben von Seiten der Medien, mit einem sehr kritischen Unterton, bei der naheliegt, dass hier eine ad-hominem-Beurteilung zugrunde liegt. Ich glaube nicht, dass das Buch gelesen wurde. Jetzt kann man natürlich sagen, auch wenn das Buch gelesen wurde, wäre es kritisch gewesen, vielleicht. Aber diese eine Stimme, die kann ich mit einigen anderen aufwiegen, die gesagt haben: „Oh, das ist ja klasse, dass ihr den Poschardt macht, herzlichen Glückwunsch.“ Und ich glaube, dass bei diesen Glückwünschen der Unterton weniger war, dass sie in allen Verästelungen Poschardt folgen, sondern überhaupt dafür, die Fahne hochzuhalten und zu sagen, hier ist ein Beitrag, über den soll verdammt nochmal diskutiert werden. Wir haben ja nach Ansicht vieler Menschen inzwischen einen zunehmend gespaltenen und auch aufgeheizten Debattenraum bei politischen und vielen anderen Themen in Deutschland. Ist da das Buch in seiner verschärften Polemik nicht eher ein Teil des Problems als ein Teil der Lösung? Was heißt verschärfte Polemik? Ich kann nur sagen, es ist ein brillant geschriebenes Buch, und dies ist vielleicht eine gute Gelegenheit, hier mal Folgendes zu sagen – ein Publizist aus München hat mich drauf aufmerksam gemacht –: Es gibt heutzutage überhaupt ein Problem damit, erst einmal zu sagen, dass ein Buch gut geschrieben ist, dass es intellektuell sehr dicht ist. Und das ist dieses Buch. Ich kann die Inhalte in toto ablehnen, kann aber sagen, es ist einfach toll geschrieben – und Letzteres trifft hier auf alle Fälle zu. Ich sehe Teile der Problematik, die im Buch beschrieben werden, ähnlich. Ich würde es vielleicht anders angehen, aber ich sehe überhaupt nicht den Punkt, warum das Buch Teil eines Problems sein soll und warum es intellektuell, inhaltlich, auch in der Argumentationsführung, nicht veröffentlicht werden kann. Was würden Sie denen entgegnen, die sagen: Verlage geben mit solchen Veröffentlichungen rechten Tendenzen eine Bühne? Ich kann nicht nachvollziehen, was an dem Buch rechts sein soll. Ich habe diese Vorwürfe auch so nicht wahrgenommen. Ich glaube, im Großen und Ganzen wird das Buch von Medienleuten so eingeschätzt, dass hier ein gewaltiger, wortmächtiger Herausgeber sehr pointiert auf gewisse Entwicklungen hinweist und damit ein Gespräch, eine Debatte anstößt, die geführt werden soll. Wie die dann endet, ob sie so endet, wie Herr Poschardt sich das wünscht und ob die Diskussion so endet, dass viele von den Argumenten, die er verwendet, abgeschwächt oder gar getilgt werden, das wird man sehen. Das ist ja genau der Sinn dieser Debatte, die angestoßen werden soll. Momentan scheint es so zu sein, dass Herr Poschardt vielen Menschen aus der Seele spricht. Da können wir ja als Verlag nicht einfach wegschauen. Vielleicht kann ich hier eine kleine Anekdote dazu erzählen: Wolfgang Kubicki hat vor einigen Jahren im Bundestag – das war, glaube ich, noch vor Corona – eine kurze Philippika im Bundestag gehalten, in der es um Meinungsfreiheit ging. Das war vielleicht der Beginn davon, dass auch öffentlich viel stärker über die Einengung der Meinungsfreiheit gesprochen wurde, was ja in der Tendenz eine rechte oder eine dem rechten politischen Spektrum zugeschriebene Beobachtung ist. Jedenfalls hat er dort öffentlich darauf aufmerksam gemacht, vielleicht im Bundestag zum ersten Mal, dass es hierbei zu Fehlentwicklungen oder für die Demokratie ungünstigen Entwicklungen kommen kann. > „Wolfgang, du kannst dir nicht vorstellen, was ich mir anhören muss, > weil wir dein Buch bei Westend machen.“ > Er erwiderte: „Markus, es geht mir genauso. Was glaubst du, was ich mir anhören muss, dass mein Buch bei Westend erschienen ist.“ Ich hatte ihn angeschrieben und gesagt: „Machen Sie doch ein Buch daraus.“ Und das hat er gemacht. Dann hat sich in der Tat damals einer unserer Autoren daran gestoßen, rief mich an und meinte, wieso das denn, und überhaupt die FDP und Kubicki und so weiter. Und ich habe gesagt, Moment, in diesem Buch geht es doch um ein ganz bestimmtes Thema, und warum soll sich der Autor nicht bei Westend auch zu diesem Thema äußern können? Einige Zeit danach war Wolfgang Kubicki mal zu Gast bei uns, und ich sagte ihm bei einem Mittagessen: „Wolfgang, du kannst dir nicht vorstellen, was ich mir anhören muss, weil wir dein Buch bei Westend machen.“ Er erwiderte: „Markus, es geht mir genauso. Was glaubst du, was ich mir anhören muss, dass mein Buch bei Westend erschienen ist.“ > „Es darf doch nicht sein, dass wir uns nur noch > in hermetisch abgeschirmten Bereichen bewegen.“ Zeigt dieser Hergang nicht, wie es sein sollte? Es darf doch nicht sein, dass wir uns nur noch in hermetisch abgeschirmten Bereichen bewegen. Ich glaube, von so etwas leben die politisch-demokratischen Prozesse, in denen wir uns befinden. Und diese Prozesse dürfen nicht erlahmen, und es gehört auch immer wieder ein gewisser Mut dazu, diese Prozesse am Leben zu halten. Ich finde, auch in diesem Fall steht es dem Westend Verlag gut an, hier mitzumischen. Von vielen Beobachtern wird heute immer häufiger von einer Verengung des Debattenraums gesprochen, wir haben es hier ja auch schon angesprochen. Sehen Sie diese Entwicklung auch? Und falls ja, warum glauben Sie, ist der Raum für alternative oder kritische Stimmen im öffentlichen Diskurs geschrumpft, und welche Rolle spielen Verlage hierbei? Ich glaube, es gibt diese Tendenz – das klingt übrigens auch bei Poschardt an, ich kann mich sozusagen auf ihn beziehen –, die man so beschreiben kann: Es gibt Gute, und die sind nur gut, und Böse, die sind nur böse. Poschardt bezeichnet das als manichäisch [Anm. M. G.: Eine weltanschauliche Schwarz-Weiß-Sicht ohne Grautöne]. Ich finde, das ist eine richtige Beobachtung und betrifft möglicherweise auch beide Seiten der Debatte. Und es gibt tatsächlich Diskurshoheiten, die besagen, dass man bestimmte Begriffe und politische Umstände auf eine bestimmte Weise zu beschreiben hat, oder sie sind falsch. Und auch hier, glaube ich, leistet das Buch von Poschardt einen Beitrag dazu, zu versuchen, sich diesen Panzer nicht überstülpen zu lassen. Die NachDenkSeiten probieren das ja auch – auf anderen Gebieten – permanent. Es gibt viele Buchverlage, insbesondere die politischen Sachbuchverlage, die immer wieder gute Bücher bringen und sich bemühen, eine politische Diskussion anzustoßen und politische Sachverhalte differenziert zu diskutieren. Und alle Verlage täten eben gut daran, sich nicht an diesem Gut-Böse-Schema zu orientieren. Inwiefern beobachten Sie auch eine publizistische Selbstzensur bei Verlagen? Also, das bewusste Meiden bestimmter Themen, Begriffe oder Autoren aus Angst vor öffentlicher Empörung oder Cancel-Kampagnen? Ich glaube schon, dass es in den Medien – ob es jetzt Buchverlage, Magazine, Zeitschriften, Online-Medien sind – in der Tendenz eine, vielleicht auch unbeabsichtigte, aber schlussendlich doch reale Annäherung an einen regierungskonformen Meinungskorridor gibt, dem man sich anschmiegt. Es gibt aber immer wieder, überraschenderweise auch in öffentlich-rechtlichen Medien, sehr gute Beiträge, was allerdings nichts daran ändert, dass dieser Meinungskorridor besteht. Und die Frage ist: Wird dieser Korridor enger, füllt er sich links und rechts mit noch mehr Beton oder bleibt er flexibel? Interessanterweise ist dieser enge und vorgegebene Meinungskorridor aber bei ganz vielen Menschen, die mitunter keinen übermäßigen Medienkonsum betreiben, gar nicht wirkmächtig. Und gewisse Auseinandersetzungen, die in den Medien bis zum Exzess geführt werden, kommen bei ihnen überhaupt nicht an – ja, ich möchte sogar sagen, werden dort gar nicht wahrgenommen, weil sie einfach ganz weit weg von deren Lebensrealität sind. Erleben Sie selbst als Verlag oder Verleger auch Druck – etwa von Medien, Buchhandel oder öffentlichen Institutionen –, wenn sie bestimmte Gegenperspektiven anbieten? Auch, wenn wir nicht direkt kritisch angesprochen werden, nehmen wir natürlich wahr, wie durch bestimmte manipulative Methoden versucht wird, Einfluss zu nehmen. Albrecht Müller hat ja in seinem Buch „Glaube wenig – Hinterfrage alles – Denke selbst“ sehr ausführlich beschrieben, welche Methoden es gibt. Aber da wir das Buch gelesen haben und uns zu Herzen nehmen, durchschauen wir das Vorgehen. > „Das Buch gelesen haben muss man nicht, > es reicht das Thema oder eine Autorin, um es zu diskreditieren.“ Wenn man heutzutage in irgendeiner Form medial auftritt und mit gewissen Inhalten aufwartet, werden diese natürlich nicht immer bejubelt. Das Buch gelesen haben muss man nicht, es reicht das Thema oder eine Autorin, um es zu diskreditieren. Und die Frage ist, was dann passiert: Ist es einfach Kritik, mit der man sich auseinandersetzt, oder wird ein Ausschluss versucht, also bedeutet das zum Beispiel „Mit euch arbeite ich nicht mehr zusammen“ oder so etwas. Uns erreichen auch, relativ selten, aus meiner Sicht etwas scheinheilige Fragen zu diesem oder jenem Autor oder Thema. Im Kern sind wir sozialpolitisch geleitet und haben im Gegensatz zu vielen anderen Medienleuten auch tatsächlich regelmäßigen und intensiven Kontakt zu Menschen, denen es nicht gut, besser gesagt sogar sehr schlecht geht in dieser Gesellschaft: ob aus dem migrantischen Milieu, dem klassischen Arbeitermilieu, Arbeitslose oder sonst wie abgehängte Menschen. Und weil wir da sehr nah dran sind und viele dieser Menschen tatsächlich intensiv unterstützen und sie auch an unterschiedlichen Stellen in unsere Verlagsarbeit einbeziehen, wissen wir, wovon wir sprechen. Wir wissen, was es bedeutet, ganz unten zu sein, weil wir uns sehr eng mit diesen Menschen austauschen, ihnen beistehen und nicht nur über sie sprechen. Das bietet kaum Wohlfühlbenefit, wie man ihn auf einer Demo gegen oder für irgendwas einstreicht, sondern kostet Zeit, Nerven, Geld. Aber weder spielt das eine Rolle, noch wüsste ich eine Alternative dazu, als an dem Ort, an dem man sich gerade befindet, andere so zu unterstützen, dass sie einigermaßen menschenwürdig leben können. Alles andere ist Sich-wichtig-Nehmen. Gab es auf Bücher des Westend Verlags irgendwelche Reaktionen, sei es auf der Buchmesse, sei es bei Veranstaltungen, wo Lesereisen oder Ähnliches verhindert werden oder wo Ihnen vielleicht Kollegen aus anderen Verlagen entweder sagen „Das finde ich unmöglich, was ihr macht“ oder unter der Hand sagen „Ich finde das eigentlich spannend, aber bei uns ginge das nicht“? Bei den Autoren und Autorinnen, bei denen friedenspolitische oder geopolitisch-kritische Thematiken vorherrschen, kann das schon mal vorkommen. Wir bekommen vor Ort sehr viel Zuspruch. Zum Beispiel werden wir als Verlag oft an den Büchertischen, mit denen wir bei den Lesungen vor Ort sind, mit so einem Lob überschüttet, dass es mir schon fast unangenehm ist, weil wir ja im Prinzip nichts anderes machen, als den Gedanken der Autorinnen und Autoren einen Raum zu geben. Wir heimsen sozusagen Lob für den Mut und die Arbeit ein, den eigentlich die Autorinnen und Autoren bekommen sollten. Aber ich verstehe es schon, der Verlag als Mittler, als Medium spielt da auch eine Rolle. > „Es gibt sehr wache politische Köpfe, aber sie werden bis aufs Messer bekämpft.“ Wir bekommen allerdings auch die Schwierigkeiten mit. Und es ist in der Tat so, dass Menschen, die sich für Frieden und Verständigung und Miteinanderreden einsetzen, unverständlicherweise (oder vielleicht auch verständlicherweise) sehr stark attackiert werden – gerade von Leuten, die sich eigentlich damit brüsten, irgendwie „kritisch“ zu sein. Und wenn Sie mich fragen, hat die politische Linke bei den vergangenen großen politischen Problemen absolut versagt: Sie hat bei Corona versagt und sie versagt aktuell bei friedenspolitischen Fragen. Es gibt sehr wache politische Köpfe, aber sie werden bis aufs Messer bekämpft. Und es macht schon traurig, aber auch wütend, zu sehen, wie – gerade journalistisch – Menschen von Schein-Linken attackiert werden, obwohl sie sich doch eigentlich für etwas sehr Gutes und Menschliches einsetzen, nur um die Meinungsführerschaft zu behalten. Aber es ist eigentlich nur eine behauptete Meinungsführerschaft. Man muss, das dürfte eindeutig sein, strikt unterscheiden zwischen der Meinung der großen Medienorgane und dem, was die Menschen draußen tatsächlich bewegt und was sie tatsächlich denken. Vielen Dank für das Gespräch! Titelbild: © privat [https://vg09.met.vgwort.de/na/a18980bbf48b4b01b9849d543b7f358e]
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