
Alles Geschichte - Der History-Podcast
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Das alte Rom ist die Mutter der imperialen Idee. Sie wurde von Julius Caesar unabsichtlich begründet und seitdem immer wieder aufgegriffen: von byzantinischen Herrschern, Karl dem Großen, den heilig-römischen Kaisern oder von russischen Zaren und Napoleon Bonaparte. Vielleicht, bei genauerem Hinsehen sogar von der EU. Von Ulrich Zwack (BR 2020) Credits Autor: Ulrich Zwack Regie: Sabine Kienhöfer Es sprachen: Hemma Michel, Christian Baumann, Christian Schuler Technik: Ursula Kirstein Redaktion: Thomas Morawetz Im Interview: Dr. Julian Traut Besonderer Linktipp der Redaktion: SWR: Das Wissen Täglich Neues aus Gesundheit und Geschichte, Wissenschaft und Weltgeschehen. Wichtige Zusammenhänge, gründliche Recherchen, überraschende Hintergründe über die unterschiedlichsten Themen: „Das Wissen“ spricht mit Menschen, die sich auskennen, reist an die wichtigsten Schauplätze und sammelt so Erkenntnisse um sich den drängendsten Fragen von heute, gestern und der Zukunft zu stellen ZUM PODCAST [https://1.ard.de/das-wissen] Linktipps SWR (2025): Der römische Traum – Eine Anno-Story Ein packender Hörspiel-Podcast im Anno-Universum: Zwei junge Männer verkaufen sich selbst in die Sklaverei – im Glauben, dass sie im Römischen Reich aufsteigen können. Was als verzweifelter Traum beginnt, wird zur abenteuerlichen Odyssee durch Kolonien, Intrigen und Machtzentren eines Imperiums. "Der römische Traum" erzählt die offizielle Vorgeschichte zu "Anno 117: Pax Romana" – als epische Audio-Serie mit deutschen Top-SchauspielerInnen, exklusivem Soundtrack von den Anno-Komponisten und live aufgenommen vom SWR-Symphonieorchester. Jetzt abonnieren – ab 20. August geht’s los! ZUM PODCAST [https://www.ardaudiothek.de/sendung/der-roemische-traum-eine-anno-story/14469199/] SWR (2021): Das Erbe des Römischen Reiches Das Limesmuseum in Aalen ist Basisstation für Dieter Moors Erzählung über das Erbe des Römischen Reiches. Die Reise geht weiter Rund ums Mittelmeer nach Bosra und Lepis Magna und endet bei Pont du Gard in Frankreich. JETZT ANSEHEN [https://www.ardmediathek.de/video/schaetze-der-welt/das-erbe-des-roemischen-reiches/swr/Y3JpZDovL3N3ci5kZS85MDQ0NjIw] Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: DAS KALENDERBLATT [https://www.ardaudiothek.de/sendung/das-kalenderblatt/5949906/]erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN [https://www.ardaudiothek.de/sendung/radiowissen/5945518/]. Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN [https://www.ardaudiothek.de/sendung/alles-geschichte-history-von-radiowissen/82362084/] Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: MUSIK ERZÄHLERIN: Paris ist die Stadt der Liebe, München leuchtet als Isar-Athen, New York preist sich als Big Apple. Viele Städte schmücken sich mit wohlklingenden Beinamen. Doch Rom ist einzigartig: Rom ist golden. Rom ist ewig. Denn Rom ist mehr als nur eine Stadt. Rom ist eine Idee. Nicht nur die einer Stadt, sondern die eines ganzen Reiches. 1. ZUSP: OT-Traut Das Besondere am Römischen Reich ist, dass es in seiner jahrhundertelangen Geschichte immer wieder transformiert wurde und auch durch verschiedene Ideen ergänzt wurde: Also das Römische Reich ist als historisches Gebilde eigentlich ein schwieriger Begriff. ERZÄHLER Der Münchner Historiker Dr. Julian Traut ist Spezialist für bayerische Landesgeschichte. Daneben beschäftigt er sich aber auch immer wieder mit dem römischen Reichsgedanken und den Veränderungen, die er im Lauf der Zeit erfuhr. 2. ZUSP: OT-Traut (weiter) Es gab verschiedene römische Reiche, die römische Republik, das römische Kaiserreich. Als das Römische Reich zerbricht, kommt es dann zu verschiedenen Neuinterpretationen. Und es wird an die römische Reichsidee angeknüpft. ERZÄHLERIN: Die Vorstellung von Rom als Reich, das nicht sterben darf, liegt unter anderem darin begründet, dass einige biblische Texte wie das Buch Daniel, die Johannes-Apokalypse oder der 2. Thessalonicherbrief seit dem Altertum oft so interpretiert wurden, dass das Ende des Imperium Romanum den Weltuntergang einläuten würde. MUSIK ERZÄHLER: Ausgehend von einer am Tiber gelegenen, zunächst ziemlich unbedeutenden, Kleinstadt eroberten die Römer nach und nach ein ganzes Weltreich. ERZÄHLERIN: Nichtsdestotrotz ging es in Rom selbst ständig drunter und drüber; balgten sich Patrizier und Plebejer um die Macht. Bis im Jahrhundert vor Christi Geburt immer häufiger herausragende Einzelpersönlichkeiten nach der Alleinherrschaft strebten und der inzwischen arg in die Jahre gekommenen Republik den Garaus machten. ERZÄHLER: Der erste, der aus diesem Ringen siegreich hervorging, war Gaius Julius Caesar. Ein genialer Feldherr, herausragender Staatsmann, brillanter Schriftsteller und meisterhafter Ränkeschmied. ERZÄHLERIN: Anfang 44v.Chr. ließ sich er sich vom Senat - gewissermaßen Roms parlamentarischem Oberhaus - zum Diktator auf Lebenszeit ernennen. Damit schien er die traditionelle römische Republik beseitigt und sich zum Alleinherrscher aufgeschwungen zu haben. Ob er zusätzlich nach dem Königstitel strebte, ist bis auf den heutigen Tag umstritten. Nicht umstritten ist dagegen, dass rund 60 Senatoren den Diktator Caesar als lupenreinen Tyrannen betrachteten und am 15. März des Jahres 44 v. Chr. mit 23 Dolchstichen ermordeten. ERZÄHLER: Damit war Caesars Modell der Alleinherrschaft übers Römische Imperium kläglich gescheitert. Dennoch gehen die deutsche Bezeichnung Kaiser oder der in mehreren slawischen Sprachen gebräuchliche Titel Zar direkt auf seinen Namen zurück. MUSIK ERZÄHLERIN: Zum ersten Kaiser im eigentlichen Sinn wurde Caesars Adoptivsohn Octavian. der nicht nur das Vermächtnis seines Adoptivvaters antrat, sondern auch dessen Namen erbte. Er riss zwar ebenfalls die Alleinherrschaft an sich, vermied dabei aber tunlichst alles, was ihn als Usurpator hätte erscheinen lassen können. Stattdessen hielt er sich demonstrativ an die traditionellen republikanischen Spielregeln. Begnügte sich nach außen mit der Stellung eines Primus inter pares, also gleichsam eines Ehrenvorsitzenden unter ihm gleichrangigen Bürgern. Seine eigentliche Macht stützte er allerdings ebenfalls auf die lebenslange Sicherung wichtiger Amtsbefugnisse. Die eines Dictators war nicht darunter. Aber der lebenslange Titel eines Imperators oder die jährliche Verleihung der Amtsgewalt eines Volkstribuns bescherten ihm z.B. auf Dauer den Oberbefehl übers Militär oder das Vetorecht gegenüber den Inhabern anderer Staatsämter. ERZÄHLER: Auch auf religiöser Ebene spielte Octavian eine Sonderrolle. Nicht nur, dass er lebenslang das Amt des Pontifex Maximus bekleidete, das gewissermaßen dem eines Papstes über den römischen Götterkult entsprach - er ließ sich vom Senat obendrein den Ehrennamen Augustus verleihen. Das bedeutete der Erhabene und erhob den Kaiser gewissermaßen zu einem Wesen zwischen Mensch und Gott. ERZÄHLERIN: Die kaiserliche Hofpropaganda und unterwürfige Provinz-Obrigkeitsvertreter machten die sakrale Weihe, die den Herrscher dadurch umgab, im ganzen Reich publik. So frohlockte eine zeitgenössische Inschrift im kleinasiatischen Halikarnassos: MUSIK ZITATOR: Das Göttliche hat den Menschen, den Caesar Augustus gesandt, auf dass unser Leben glücklich werde. Den Vater seines Vaterlandes, den Heiland des ganzen Menschengeschlechts, dessen vorausschauende Fürsorge die Gebete aller nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen hat. ERZÄHLER: Nun hing In der Antike der Himmel wesentlich tiefer als heute. Deshalb wurde Augustus von vielen auch ganz konkret als Erlöser betrachtet, gefeiert und verehrt. Hatte er doch für inneren und äußeren Frieden, Rechtssicherheit und Wohlstand gesorgt und die Weltherrschaft Roms gesichert. Kurzum: Er hatte sich als Götterliebling erwiesen und das sagenhafte Goldene Zeitalter wieder heraufgeführt. Und das dank übermenschlicher Fähigkeiten, die ihm die Götter verliehen hatten. ERZÄHLERIN: Diese Fähigkeiten bildeten die Basis für den kaiserlichen Herrscherkult, denn sie waren nach damaligem Glauben göttlicher Natur. Darum hatten sie auch Anspruch auf kultische Verehrung. Der Herrscher selbst konnte offiziell allerdings erst nach dem Tod zum Gott erhoben werden. Vorausgesetzt, seine Herrschaft wurde als eine gute betrachtet. Dann wurde er, wie z.B. Caesar, Augustus, Claudius oder Trajan vom Senat zum divus, zum Vergöttlichten, erklärt, der dasselbe Recht auf religiöse Verehrung besaß wie die herkömmlichen Staatsgötter Jupiter & Co. Erst als sich das Kaisertum im 3. Jahrhundert vom Prinzipat zum absolutistischen Dominat wandelte, führte der Herrscher bereits zu Lebzeiten regelmäßig den Titel dominus et deus - Herr und Gott. MUSIK ERZÄHLER: Seit Augustus blieb die römische Reichsidee eng mit dem Kaisertum verbunden, galt das Imperium Romanum als Idealstaat - in dem die verschiedensten Völker in Rechtssicherheit, Wohlstand und Frieden unter der Regentschaft eines von den Göttern eingesetzten Monarchen zusammenlebten. ERZÄHLERIN: Konstantin der Große stellte schließlich das Christentum dem Heidentum gleich und leitete dadurch die vollständige Christianisierung des Imperiums ein. Auf den ersten Blick bedeutete das den Verlust des sakralen Nimbus der Kaiser. Aber in Wahrheit war das Gegenteil der Fall. Denn der Herrscher war jetzt zwar kein Gott mehr, galt aber als Stellvertreter Gottes auf Erden. Und das erhob ihn selbstverständlich weiterhin himmelhoch über alle Normalsterblichen. So schrieb der Kirchenvater Eusebius von Caesarea über das Wesen der Regentschaft Konstantins des Großen: MUSIK ZITATOR: Christus übt die oberste Herrschaft über die ganze Welt aus und steht über allen Dingen. Er ist das Wort Gottes, durch das unser gottgeliebter Kaiser, gleichsam in Übertragung der göttlichen Machtfülle und Nachahmung Gottes, die Angelegenheiten dieser Welt regelt und lenkt. MUSIK ERZÄHLERIN: Gegen Ende des 5. Jahrhunderts brach die Westhälfte des Imperiums unter dem Ansturm völkerwandernder Germanenstämme zusammen. Die Osthälfte bestand dagegen noch fast ein Jahrtausend lang fort. Auch wenn sie nach der Ausbreitung des Islam ständig an Ausdehnung und Macht einbüßte. ERZÄHLER: Heute wird das Oströmische Reich nach seiner Hauptstadt Konstantinopel, alias Byzanz, meist als Byzantinisches Reich bezeichnet. Den Oströmern selbst wäre das jedoch nie in den Sinn gekommen. Bis zur Eroberung Konstantinopels durch die Osmanischen Türken im Jahr 1453 nannten sie sich ausschließlich Rhomaioi. - Römer. ERZÄHLERIN: Aber auch im Westen blieb die Romidee weiterhin lebendig, betrachtete man den Fortbestand des Imperiums zumindest theoretisch als gegeben. Auch wenn der Thron bis zur Krönung Karl des Großen durch den Papst am Weihnachtstag des Jahres 800 gewissermaßen verwaist blieb. Julian Traut: 3. ZUSP: OT-Traut Das Römische Reich, das Karl der Große begründet hat, setzt sich weniger aus einem einheitlichen Reichsgebiet zusammen, sondern ist mehr als eine politische Idee zu verstehen, als Bezugspunkt, als Ort der Kaiserwürde. Und der Papst als Spender dieser Kaiserwürde tritt da in den Vordergrund. Das Römische Reich, das dann später unter dem Titel des Heiligen Römischen Reich später noch mit dem Zusatz Deutscher Nation Bestand haben sollte, ist also ein supranationales und weniger politisch als mehr ideelles Gebilde. ERZÄHLER: Rein äußerlich stellte Karls Krönung die Wiederherstellung des einstigen Westreichs dar. Doch erfolgte die Neubelebung nicht nur gemäß römischer, sondern auch nach fränkischer Überlieferung. Das wies der Romidee teilweise eine ganz neue Richtung. Zwar blieb das Kaisertum weiterhin mit sakraler Weihe umgeben und stützte auch Karl seine Herrschaft nicht zuletzt auf die Schlagkraft seiner Truppen. Aber beides war nun auch mit germanischen Vorstellungen in Form des von Gott dem rechtmäßigen Herrscher verliehenen Königsheils und des Heereskönigtums verbunden. Hinzu kam die durch die päpstliche Salbung symbolisierte Vorstellung vom Gottesgnadentum. Dadurch wurde Karls Reich nicht nur zum neuen Rom, sondern auch zum neuen Jerusalem erhoben. ERZÄHLERIN: Indes war Papst Leo III. eigentlich gar nicht dazu berechtigt, jemanden zum Kaiser zu erheben. Da das römische Reich in Gestalt des oströmischen ja noch konkret fortbestand, wäre allein der oströmische Kaiser befugt gewesen, einen Mitkaiser zu ernennen. Aber Nikephoros I. dachte gar nicht daran, einen ungehobelten Frankenkönig als Amtskollegen zu betrachten. ERZÄHLER: Deshalb versuchte Karl, seine Legitimation durch eine betont römische Amtsführung zu beweisen: Er ließ für den Bau der Aachener Pfalzkapelle antike Säulen aus Rom und Ravenna importieren; wies die wichtigsten Gelehrten seiner Zeit an, die antike Literatur zu pflegen; schuf eine straffe Zentralverwaltung. Und wirklich: Als in Konstantinopel auf Nikephoros I. der wesentlich kompromissbereite Michael I. folgte und Karls Kaisertum anerkannte, galt auch der Frankenherrscher als rechtmäßiger Erbe der alten Caesaren und sein Reich wirklich als Westteil des Imperium Romanum. ERZÄHLERIN: Dann dauerte es erst einmal anderthalb Jahrhunderte, ehe 962 mit der Kaiserkrönung Ottos I. die lange Reihe der römischen Kaiser deutscher Herkunft begann. MUSIK ERZÄHLER: Nun gehörte es seit der Spätantike zu den Hauptpflichten des Kaisers, als Schirmherr der Kirche aufzutreten. Dadurch wurden ihm folgerichtig nicht nur weltliche, sondern auch kirchliche Rechte eingeräumt. Wie die oströmischen Kaiser beriefen jetzt auch die römisch-deutschen Synoden und Konzilien ein, setzten nach Gutdünken Bischöfe und Äbte ein und ab - und manchmal sogar den Papst. ERZÄHLERIN: Das zeugte nicht von Größenwahn, sondern entsprach den Erwartungen, die man in Kaiser und Reich setzte. Das Imperium war ja nicht als nationaler Flächenstaat gedacht, sondern als Universalmonarchie, deren Macht sich vor allem auf die Loyalität von Menschen aus den unterschiedlichsten Weltgegenden gegenüber dem von Gott - zum Herrschen bestimmten - Regenten stützte. ERZÄHLER: Wohl erstreckte sich das Heilige Römisches Reich im Hochmittelalter von Antwerpen bis nach Breslau, von Hamburg bis nach Siena. Aber von echter Weltherrschaft kann da trotz aller Größe kaum gesprochen werden. Ein starkes Machtzentrum, mit dem sich auch das Ausland gut stellen wollte, bildete es jedoch allemal. So berichtete der Mönch und Chronist Widukind: MUSIK ZITATOR: Der Kaiser wurde durch seine vielen Siege weithin berühmt. Deshalb besuchten ihn auch oft Gesandte von den Römern, Griechen und Sarazenen und brachten Geschenke: Goldene, silberne, bronzene, gläserne und elfenbeinerne Gefäße, Teppiche, Balsam, Gewürze und Tiere wie Löwen, Kamele, Affen und Strauße. ERZÄHLERIN: Aber das Heilige Römische Reich hatte nicht nur Freunde, sondern auch Feinde. Vor allem in Frankreich und in Italien polemisierte man ständig gegen die Vereinnahmung des Imperium Romanum durch die deutschen "Barbaren" Ja, selbst die Römer wollten vom Kaiser, der ihren Namen trug, nichts wissen. Als Otto III. die Tibermetropole tatsächlich zur Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches machen wollte, setzten sie ihm so zu, dass er nur knapp mit dem Leben davonkam. MUSIK ERZÄHLER: In Rom wurde auch der ideologische Krieg zwischen Papst und Kaisertum um die religiöse Führungsrolle im Abendland begonnen. Der Kaiser, so erklärte Papst Gregor VII. im Jahr 1076, maße sich eine Stellung an, die nach Christi Willen allein dem Papst als Nachfolger des Apostels Petrus zukomme. Die Antwort Heinrichs IV. erfolgte postwendend. In einem hochfahrenden Brief setzte er den Papst kurzerhand ab: MUSIK ZITATOR: Du wagtest zu drohen, du wolltest uns unserer von Gott verliehenen Gewalt berauben, als hätten wir das Reich von dir, und als ob die Kaiserkrone in deiner und nicht Gottes Hand läge, der uns zur Herrschaft berufen hat. Steig herab vom angemaßten Stuhl des heiligen Petrus. Steig herab, steig herab! ERZÄHLERIN: Nach den bisherigen Gepflogenheiten wäre die Angelegenheit damit erledigt gewesen. Aber jetzt folgte etwas völlig Neues: Der Papst verhängte seinerseits über den Kaiser den Kirchenbann. ERZÄHLER: In diesem Stil ging es über 150 Jahre lang weiter. Man setzte einander ab, ernannte Gegenpäpste und Gegenkaiser. Nach dem Tod Kaiser Friedrichs II. konnte der Papst die Auseinandersetzung schließlich zu seinen Gunsten entscheiden. Seitdem besaßen die Kaiser in kirchlichen Angelegenheiten keinerlei Mitspracherecht mehr. ERZÄHLERIN: So gingen Kaiser und Reich aus der Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst erheblich geschwächt hervor. Den Rest besorgte sehr viel später der Dreißigjährige Krieg. Er ließ das Heilige Römische Reich ausgeblutet, verstümmelt und als Spielball fremder Mächte zurück. Trotzdem bestand es noch gut 150 Jahre lang weiter. MUSIK ERZÄHLER: Neben dem oströmischen und dem Heiligen Römischen entstanden ab dem Mittelalter auch andere Kaiserreiche. Etwa das bulgarische oder das serbische - und natürlich vor allem das russische. Denn als nach dem Fall von Konstantinopel die orthodoxe Kirche ihres kaiserlichen Schutzherren beraubt war, wollten die Großfürsten von Moskau an dessen Stelle treten. Deshalb begannen sie sich dem Ausland gegenüber dadurch zu legitimieren, dass sie Moskau zum Dritten Rom erklärten und sich selbst zu Zaren. ERZÄHLERIN: Als Zar par excellence gilt bis heute Peter der Große. Dabei hat gerade er das Wort Zar durch Imperator ersetzt. Also durch den ursprünglich rein militärischen Namenstitel der römischen Kaiser. Denn Peter wollte weniger als spätantiker oder mittelalterlicher kaiserlicher Schirmherr der orthodoxen Gläubigen betrachtet werden, denn als auf der Höhe der Zeit stehender, absolutistischer Monarch einer neuen europäischen Großmacht. Bis 1917 bezeichneten sich auch seine Nachfolger nur noch als Imperatoren. MUSIK ERZÄHLER: Ganz anders Napoleon I. von Frankreich. Als Ziehsohn der Französischen Revolution, genialer Feldherr, Machtmensch und Politiker war er der vielleicht modernste Monarch seiner Zeit. Trotzdem bediente er sich, als er Ende 1804 das französische Kaisertum schuf, einer betont traditionellen Formensprache: 5, ZUSP: OT-Traut Napoleon war es einerseits, der das Heilige Römische Reich deutscher Nation nach tausend Jahren beendet, im August 1806 so also mit einer großen Tradition bricht, andererseits sich aber dann selber schon durchaus in der Tradition der römischen Reichsidee und des Kaisertums sieht. Er vollendet sozusagen die Französische Revolution, krönt sich selbst zum Kaiser, aber er tut dies in Anwesenheit des Papstes und lässt sich auch vom Papst salben. Napoleon benutzt also verschiedene Versatzstücke, die sich vor allem in der Repräsentation zeigen. Er trägt den Lorbeerkranz. Es werden verschiedene Herrschaftssymbole kreiert, die an die römische Kaiseridee anknüpfen und so begründet er das französische Kaisertum MUSIK ERZÄHLER: Das 65 Jahre nach dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gegründete Kleindeutsche Kaiserreich wurzelte erklärtermaßen nicht im alten Rom, sondern im freien Germanien des fälschlich zum teutschen Volksheiland hochstilisierten Cheruskerfürsten Hermann. Hitlers Drittes Reich berief sich ebenfalls kaum auf römische Traditionen, aber dafür umso mehr auf die irrationale arische Rassentheorie. Anders Mussolini in Italien. Denn zu dessen erklärten Zielen gehörte bekanntlich die Wiederherstellung des Imperium Romanum unter zeitgemäßen Bedingungen. ERZÄHLERIN: Was Deutschland betrifft, ist die römische Staatsidee mithin bereits 1806 abrupt abgerissen. Lediglich der Bundesadler erinnert immer noch ein wenig daran. Lässt er sich doch unmittelbar vom den obersten römischen Staatsgott Jupiter verkörpernden Adler herleiten, den schon die römischen Legionen auf ihren Feldzeichen trugen. ERZÄHLER: Dafür hat Franz II., der letzte heilig-römische Kaiser, die Reichsidee bereits 1804 in seine Heimat verpflanzt und als Kaiser Franz I. von Österreich den imperialen Traum der alten Römer einfach weitergeträumt. Sein neues Kaiserreich besaß ja auch wirklich alles, was ein echtes Kaiserreich ausmacht. Es war ein Vielvölkerstaat und sein Kaiser ein Vielvölkerbeherrscher von Gottes Gnaden. Das ließ sich schon allein an seinem sogenannten großen Titel deutlich ablesen. Selbst in stark verkürzter Form: ZITATOR: Seine Kaiserliche und Königliche Apostolische Majestät, von Gottes Gnaden Kaiser von Österreich, König von Ungarn und Böhmen, von Dalmatien, Kroatien, Galizien und Illyrien; König von Jerusalem etc. Herzog von Lothringen, von Krain und der Bukowina; Großfürst von Siebenbürgen; Herzog von Friaul, Ragusa und Zara; Markgraf von Ober- und Niederlausitz und in Istrien; Herr von Triest, und auf der Windischen Mark; Großwojwode der Woiwodschaft Serbien etc., etc. ERZÄHLERIN: Heute gibt es in Europa gar keinen Kaiser mehr. Doch ist zusammen mit der Kaiserwürde auch die römische Reichsidee erloschen? Ja und nein. Nach der Regentschaft selbstgefälliger Potentaten sehnt sich niemand mehr zurück. MUSIK Aber wenn man die Vorstellung akzeptiert, dass die EU lediglich einen Paradigmenwechsel vollzogen hat, indem sie das Gottesgnadentum eines Einzelnen durch einen freiheitlich-demokratischen Grundwertekatalog ersetzt, kann die Europäische Union durchaus als zeitgemäße Fortsetzung des römischen Traums gelten. Denn auch sie umfasst Gebiete mit vielen Völkern, in denen Wohlstand, Frieden und Recht herrschen. MUSIK ERZÄHLERIN: Folglich ist es vielleicht doch mehr als nur reiner Zufall, dass die Gründungsverträge der Staatengemeinschaft in Rom geschlossen wurden - jener Stadt, in die schon seit über 2000 Jahren alle Wege führen.

Sie ist die Frau mit dem vielleicht schlechtesten Leumund in der gesamten römischen Geschichte: Agrippina, Schwester, Ehefrau und Mutter berüchtigter römischer Kaiser wie Caligula und Nero. Weil sie zielgerichtet selbst nach Macht strebte, wurde sie von den Zeitgenossen als Monster dargestellt. Von Imogen Rhia Herrad (BR 2019) Credits Autorin: Imogen Rhia Herrad Regie: Martin Trauner Es sprachen: Beate Himmelstoß, Stefan Merki, Johannes Hitzelberger Technik: Regine Elbers Redaktion: Thomas Morawetz Im Interview: Prof. Werner Eck Besonderer Linktipp der Redaktion: BR (2025): Ein Zimmer für uns allein Im Podcast "Ein Zimmer für uns allein" mit Host Paula Lochte treffen zwei Frauen aus verschiedenen Generationen aufeinander und sprechen über ein Thema, das sie verbindet. Zum Beispiel über Schönheitsideale, sexuelle Aufklärung, Finanzen, Care-Arbeit. Was waren ihre Struggles damals und heute? Was hat sich verändert, oder vielleicht sogar verbessert? ZUM PODCAST [https://1.ard.de/EinZimmerfuerunsallein] Linktipps WDR (2023): Agrippina die Ältere: vom Volk geliebt, vom Kaiser verbannt Sie gilt als Staatsfeindin: Die römische Adelige Agrippina, Mutter des späteren Kaisers Caligula, wird auf die Insel Ventotene verbannt. Dort stirbt sie am 18.10.33. Nach dem Tod ihres Mannes, dem Feldherrn Germanicus, wird Agrippina die Ältere beschuldigt, an einer Verschwörung beteiligt zu sein. Sie wird auf die Insel Pandateria verbannt, die heute Ventotene heißt. Dort verhungert Agrippina. Bis heute ist ungeklärt, ob sie die Nahrung verweigert hat oder ob sie ihr verwehrt worden ist. JETZT ANHÖREN [https://www.ardaudiothek.de/episode/wdr-zeitzeichen/agrippina-die-aeltere-vom-volk-geliebt-vom-kaiser-verbannt/wdr-5/94845314/] BR2 Tatort Geschichte (2023): Die „Giftmöderin“ Agrippina und der berühmteste Muttermord der Antike Im Römischen Reich herrscht 59 n. Chr. ein Mann, der bis heute als Sinnbild römischer Gewalt und Dekadenz gilt: Kaiser Nero. Auf den Thron hat ihn seine Mutter Agrippina verholfen, die weithin als Giftmörderin bekannt ist. Von der harmonischen Mutter-Sohn-Beziehung ist in diesem Jahr allerdings nicht mehr viel zu sehen. Nero plant das, was in der Antike als schändlichste Tat überhaupt gilt, den Muttermord. Zusammen mit unserem Gast Prof. Dr. Martin Zimmermann beleuchten wir die dunkle Seite der Antike. JETZT ANHÖREN [https://www.ardaudiothek.de/episode/tatort-geschichte-true-crime-meets-history/die-giftmoerderin-agrippina-und-der-beruehmteste-muttermord-der-antike/bayern-2/12629567/] WDR (2018): Nero, römischer Kaiser (Todestag 09.06.0068) Er war Künstler. Lieber noch als er Kaiser war. Und in beiden Jobs begabt. Begabter jedenfalls, als er uns im kollektiven Gedächtnis geblieben ist seit Peter Ustinovs schauerlich-brillanter Verkörperung im Film "Quo Vadis": Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus, Herrscher über ein Weltreich. Das Volk verehrt ihn als Showtalent mit politischer Fortune, bis er im sechsten Amtsjahr versagt. JETZT ANHÖREN [https://www.ardaudiothek.de/episode/wdr-zeitzeichen/nero-roemischer-kaiser-todestag-09-06-0068/wdr-5/55562276/] Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: DAS KALENDERBLATT [https://www.ardaudiothek.de/sendung/das-kalenderblatt/5949906/]erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN [https://www.ardaudiothek.de/sendung/radiowissen/5945518/]. Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN [https://www.ardaudiothek.de/sendung/alles-geschichte-history-von-radiowissen/82362084/] Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: MUSIK ERZÄHLERIN Es ist das Jahr 15 nach Christus. In Rom hat vor einem Jahr Kaiser Tiberius die Nachfolge seines Adoptivvaters Augustus angetreten. Im fernen Germanien stehen acht Legionen, die Roms Westgrenze entlang des Rheins bewachen. Ihr Oberkommandierender ist der Adoptivsohn des Kaisers, Germanicus Caesar. ERZÄHLER Ungewöhnlich für einen römischen Feldherrn ist, dass Germanicus seine Familie mit nach Germanien gebracht hat – den kleinen Sohn und seine schwangere Ehefrau. Im sechsten November bringt sie eine Tochter zur Welt, die wie ihre Mutter den Namen Agrippina bekommt. Bereits ein Jahr später kehrt die Familie nach Rom zurück: ins Zentrum der Macht. ERZÄHLERIN Werner Eck, Professor Emeritus für Alte Geschichte an der Universität Köln, hat sich ausführlich mit Agrippina beschäftigt. Ohne ihren familiären Hintergrund, sagt er, ist Agrippina nicht zu verstehen. In ihr liefen nämlich die beiden maßgeblichen Familien der frühen Kaiserzeit zusammen. ZUSPIELUNG 1 (Werner Eck) Und daraus resultierte dann ihre Stellung. Dann kam natürlich hinzu, dass sie im Jahr Fünfzehn nach Christus geboren wurde hier in Köln, als ihr Vater Oberkommandierender des römischen Heeres am Rhein war. Der Ruhm von Germanicus ist immer noch vorhanden gewesen, und darauf hat sie sich ja auch in der Zukunft immer wieder bezogen. MUSIK ERZÄHLERIN Als Agrippina fünf Jahre alt ist, stirbt ihr Vater. Germanicus war ein römischer Superstar. Bei den Soldaten und beim Volk war er beliebt wie sonst niemand. Nun trauert ganz Rom mit der Witwe und ihren Kindern. Der römische Autor Sueton berichtet: ZITATOR Durch kein Trostzusprechen, durch keine Edikte konnte der Trauer des Volkes Einhalt geboten werden. Man schleuderte Steine gegen die Tempel und stürzte Altäre um. ERZÄHLERIN Agrippinas Mutter ist überzeugt, dass Kaiser Tiberius seinen designierten Nachfolger vergiftet hat. Der strahlende Kriegsheld Germanicus war wesentlich populärer als der alte, übellaunige und misstrauische Kaiser. Agrippinas Mutter glaubt, dass Tiberius einen Umsturzversuch des Germanicus befürchtet und den vermeintlichen Rivalen deswegen vorsichtshalber aus dem Weg geräumt hat. Jetzt spinnt sie selber Intrigen; vielleicht plant sie nun sogar, den Kaiser zu stürzen. Jedenfalls verbannt Tiberius sie aus Rom auf eine einsame Insel und lässt sie schließlich umbringen. ERZÄHLER Als Agrippina etwa vierzehn ist, wird sie verheiratet. Im siebten Jahr ihrer Ehe bringt sie ihr einziges Kind zur Welt. Im gleichen Jahr stirbt Tiberius, ohne einen Erben zu hinterlassen. Sein Nachfolger wird sein nächster Angehöriger – ausgerechnet ein Sohn des Germanicus: Agrippinas älterer Bruder Caligula. ERZÄHLERIN Die Geschwister haben sich seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Die Verbannung und der Tod ihrer Mutter, das Hofleben voller Argwohn und Intrigen und die lange Trennung haben in allen tiefe Spuren hinterlassen. Der plötzliche Umschwung muss ihnen wie eine Erlösung vorkommen. ERZÄHLER Caligula ist mit fünfundzwanzig der älteste des Quartetts. Agrippina ist zweiundzwanzig, Drusilla einundzwanzig und Livilla zwanzig Jahre alt. Eine Zeitlang werden die drei jungen Frauen fast so etwas wie Mitkaiserinnen, wie der antike Geschichtsschreiber Cassius Dio verwundert erzählt. ZITATOR Gegen seine Schwestern erwies er sich anfangs außerordentlich zärtlich und ehrerbietig. Er erteilte ihnen die Erlaubnis, bei den Schauspielen den Ehrensitz mit ihm zu teilen. Auch ließ er sie in die Gelübde, welche Staatsbeamten und Oberpriester alljährlich für ihn und den Staat taten, mit einschließen, und die Huldigung, die man ihm leistete, ließ er zugleich auch ihnen leisten. ERZÄHLERIN Wenn also die Konsuln im Senat einen Eid auf den römischen Staat schwören, dann schwören sie nun nicht nur auf Staat und Kaiser, sondern auf Staat, Kaiser und die drei kaiserlichen Schwestern. Das Bild der jungen Frauen wird auf offizielle Münzen geprägt. Caligula präsentiert sich im Quartett. So etwas hat es noch nicht gegeben. MUSIK ERZÄHLER Und dann geht es alles jäh in Scherben. Etwa zwei Jahre nach seiner Thronbesteigung stirbt Caligulas Lieblingsschwester Drusilla. Der junge Kaiser kann den Verlust nicht verwinden. Plötzlich sieht auch er, so wie einst sein Vorgänger Tiberius, an jeder Ecke Feinde und Verschwörer. Er beschuldigt seine beiden überlebenden Schwestern, gemeinsam mit einem Senator ein Komplott gegen ihn gesponnen zu haben. Der Senator wird hingerichtet, Agrippina und Livilla in die Verbannung geschickt. ERZÄHLERIN Basieren die Vorwürfe auf Fakten? Auf Gerüchten? Hat es die Verschwörung überhaupt gegeben? Gibt es vielleicht nicht einmal Gerüchte, sondern nur einen jähen Stimmungsumschwung des labilen Caligula, der in seinem jungen Leben schon zu viel Verlust und Verrat erlebt hat? ERZÄHLER Oder haben die Schwestern, die ehrgeizig, klug und in der politischen Welt Roms gut vernetzt sind, tatsächlich gegen ihren Bruder intrigiert? Auszuschließen ist es nicht. In späteren Jahren wird Livilla erneut als Verschwörerin ins Exil geschickt, wo sie schließlich stirbt. Hat vielleicht Agrippina damals schon geplant, ihren eigenen kleinen Sohn als Anwärter auf den Caesarenthron in Position zu bringen? MUSIK ERZÄHLERIN Sie wird auf der Mittelmeerinsel Pontia festgehalten. Es ist dieselbe Insel, auf der ein Jahrzehnt zuvor ihre Mutter den Tod gefunden hat. Über ein Jahr verbringt Agrippina dort. Sie muss sich gefragt haben, ob sie das Eiland je wieder verlassen wird. ERZÄHLER Und wieder wendet sich das Glück. Caligula fällt tatsächlich einer Verschwörung zum Opfer. Sein Nachfolger wird sein – und natürlich auch Agrippinas – ältlicher Onkel Claudius, der letzte lebende männliche Vertreter der Dynastie. Er hebt die Verbannung auf und gibt Agrippina ihr eingezogenes Vermögen zurück. Einige Zeit später stirbt Agrippinas erster Ehemann. ZUSPIELUNG 2 (Werner Eck) Und zwar in dem Augenblick war er tot, als Claudius, der damalige Kaiser, als er seine Ehefrau Messalina hat hinrichten lassen – man könnte auch sagen, ermorden lassen. ERZÄHLERIN Messalina war in ein etwas undurchsichtiges Komplott verstrickt. Davon gibt es viele am kaiserlichen Hof. Wahrscheinlich wollte sie Claudius absetzen und stattdessen ihren jugendlichen Liebhaber zum Kaiser machen. Claudius hat das erfahren und seine Gattin umgehend beseitigen lassen. ZUSPIELUNG 3 (Werner Eck) Und damit war Claudius frei als Ehemann. Und da hat nun Agrippina alles drangesetzt, um ihn zu heiraten. Da war sie sozusagen in der Top-Position. ERZÄHLER Nicht alle Römer sehen das mit Freude. Römische Frauen haben in der politischen Öffentlichkeit nichts zu suchen. Aber Agrippina hat keine Lust, im Hintergrund zu bleiben. Sie lässt sich gemeinsam mit Claudius sehen. Sie macht ihren Einfluss geltend. Die konservativen Senatoren sind empört. Noch über ein Jahrhundert später wird diese Empörung in der Darstellung des Geschichtsschreibers Cassius Dio deutlich – auch er ist schließlich ein Senator. ZITATOR Sobald Agrippina Kaiserin war, wusste sie alles gleich so einzurichten, dass sie sich Claudius ganz zu eigen machte. Niemand wagte, bei ihr Anstoß zu erregen, da sie mehr Macht als selbst Claudius besaß und öffentliche Audienzen veranstaltete, was in den Staatsprotokollen angezeigt wurde. ERZÄHLERIN Das alles wirkt so, als habe Rom nun nicht einen Herrscher, sondern zwei: Kaiser und Kaiserin. Vor dieser Annahme allerdings muss man sich hüten, warnt Werner Eck. ZUSPIELUNG 4 (Werner Eck) Sie war nicht Kaiserin, obwohl sie meistens ja so betitelt wird. Die Stellung einer Kaiserin, die gab es in dem Sinn nicht, dass damit ja absolut Null, irgendwelche Recht verbunden waren. Sie konnte Einfluss ausüben, und das hat sie weidlich getan, aber sie hatte dazu keinerlei primäres Recht. Wenn sie Einfluss ausüben wollte, dann ging das eben über den Ehemann. Oder über andere Personen, die dann entsprechend handelten, weil sie eben in der Top-Position war. MUSIK ERZÄHLER In der römischen Gesellschaft wird sehr viel Geschäftliches und Politisches über Beziehungen abgewickelt. Agrippina gehört dem vornehmsten Adel an. Ihr Urgroßvater war der erste Kaiser Augustus, ihr Vater der noch immer berühmte Held Germanicus. Sie ist reich, gut vernetzt, und sie ist ehrgeizig. Sie will ganz oben sein. Sie will der Welt ihren Stempel aufdrücken. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtet. Die Übersetzung aus dem Lateinischen stammt von Andreas Schäfer und ist im Magnus-Verlag erschienen: ZITATOR Um auch verbündeten Völkerschaften ihre Macht zu zeigen, setzte Agrippina es durch, dass in der Stadt der Ubier, in welcher sie geboren war, eine Kolonie gegründet wurde, die nach ihr den Namen erhielt. ERZÄHLERIN Die Ubier sind ein germanischer Stamm. Wahrscheinlich will aber Agrippina nicht so sehr den Germanen einen Machtbeweis liefern, sondern vielmehr ihren Standesgenossen in Rom. Sie verwandelt die germanische Siedlung in eine römische Kolonie: nun steht mitten in Germanien ein Stück Rom, und aus Germanen sind, weil Agrippina es so will, Römer geworden. Und nicht nur das, erklärt Werner Eck. ZUSPIELUNG 5 (Werner Eck) Sie ist die einzige auf ganz endlos lange Zeit, die dann es vermocht hat, dass eine römische Kolonie dann auch ihren Namen getragen hat. Denn Köln hieß ja damals Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Das ist der sozusagen entscheidende Punkt: die Bewohner dieser Stadt nennen sich nun nach Agrippina. ERZÄHLER Agrippina hat sich verewigt. Damit hat sie sogar ihren berühmten Vater, den Eroberer und Feldherrn überflügelt. Er trug den Ehrennamen Germanicus, weil er die Germanen im Krieg besiegt hat. Jetzt tragen Germanen Agrippinas Namen. Sie hat die Landkarte verändert. ERZÄHLERIN Das ist erst der Anfang. Agrippinas Ehrgeiz erstreckt sich auch auf ihren Sohn, der inzwischen dreizehn Jahre alt ist: ein Teenager. Nero. Nach seiner Geburt, so berichtet Tacitus, hat Agrippina Wahrsager über sein Schicksal befragt. ZITATOR Sie gaben ihr zur Antwort, er werde dereinst herrschen und seine Mutter töten. Darauf sprach sie: Mag er mich auch töten, wenn er nur herrscht! ERZÄHLER Diese Anekdote ist sicherlich eine spätere Erfindung. Aber ein bisschen fängt sie doch Agrippinas große und zielstrebige Ambition ein: Sie will Macht für sich und ihren Sohn, egal um welchen Preis. Diese Ambition ist ihr gewissermaßen in die Wiege gelegt, erklärt der Historiker Werner Eck. ZUSPIELUNG 6 (Werner Eck) Aus ihrer Abstammung her hat sie nun ein exzeptionelles Anspruchsdenken gehabt. Dass sie, weil sie eben auf Augustus zurückgeht, dass sie ein originäres Recht habe, am politischen Prozess teilzunehmen. ERZÄHLERIN Augustus ist nach seinem Tod unter die Götter versetzt worden. Man hat ihm mitten auf dem Forum in Rom einen Tempel errichtet. Er hat eigene Priester, die für seinen Kult zuständig sind. Von diesem Gott stammt Agrippina ab. Jedes Mal, wenn sie in ihrer Sänfte über das Forum getragen wird und den Tempel sieht, wird sie daran erinnert. Sie ist felsenfest überzeugt, dass ihr und ihrem Sohn die höchste Macht im Staate zusteht. ERZÄHLER Auch der junge Nero ist ja ein Nachfahre des vergöttlichten Augustus. Claudius stammt dagegen aus einer nicht ganz so vornehmen Linie der Dynastie. Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, dass Agrippina bald nach ihrer Hochzeit beginnt, Nero als Anwärter auf den Thron ins Gespräch zu bringen. ERZÄHLERIN Claudius hat einen eigenen Sohn, der drei Jahre jünger als Nero ist. Dennoch überzeugt Agrippina den Kaiser, Nero zu adoptieren. Damit steht ihr Sohn nun an erster Stelle in der Thronfolge. ERZÄHLER Die antiken Geschichtsschreiber sind sich einig: Agrippina hat den ältlichen Claudius ausgetrickst. Und der kommt ihr allmählich auf die Spur. Sueton erzählt: ZITATOR Gegen das Ende seines Lebens hatte er bereits manche nicht undeutlichen Zeichen gegeben, dass er sowohl über seine Verheiratung mit Agrippina als auch über die Adoption des Nero Reue empfand. In der Tat verfasste er nicht lange darauf ein Testament, indes kam ihm, ehe er weitergehen konnte, Agrippina zuvor... ERZÄHLERIN Nach fünfzehn Ehejahren, so stellen es die antiken Autoren dar, sieht Claudius endlich klar. Er will das Kuckucksei Nero aus dem Nest schubsen und seinen eigenen Sohn wieder zum Thronfolger machen. Daraufhin schreitet Agrippina zur Tat. Am 13. Oktober des Jahres 54 erkrankt Claudius nach einem Gelage. Er leidet üble Magenschmerzen und stirbt schließlich in den frühen Morgenstunden. ZITATOR Dass er durch Gift ermordet wurde, steht allgemein fest, nur wo und von wem – darüber weichen die Angaben ab. ERZÄHLER So wie hier Sueton sind sich auch die anderen Geschichtsschreiber durchaus nicht sicher, wann und wo und wie Claudius das Gift gereicht wurde. Offensichtlich kursieren in Rom zahlreiche einander widersprechende Gerüchte. Niemand weiß etwas. Trotzdem – vielleicht auch gerade deshalb – sind alle überzeugt: hinter Claudius‘ Tod steckt Agrippina, die ihrem Sohn den Weg zur Macht sichern will. ERZÄHLERIN Stimmt das? Oder ist doch der magenleidende, weit über sechzig-Jährige Claudius, der immer gerne reichlich isst und trinkt, doch eines natürlichen Todes gestorben? Auch heute noch sind sich Historiker nicht einig, obwohl die Wahrscheinlichkeit eher gegen einen Giftmord spricht. ERZÄHLER Nun ist der Kaiser tot, und Rom hat einen neuen Kaiser. Sueton erzählt: ZITATOR Nero war siebzehn Jahre alt, als er aus dem Palast trat und auf der Freitreppe des Palastes als Imperator begrüßt wurde. Seiner Mutter überließ er die ganze Leitung der Staats- und häuslichen Angelegenheiten. Auch gab er am ersten Tag seiner Regierung der Prätorianergarde als Parole: „Die beste Mutter“. ERZÄHLER Die folgenden fünf Jahre gelten den antiken Zeitgenossen als „Goldenes Jahrfünft“, als gute und wohltuende Zeit. Sie sind vermutlich auch die glücklichsten im Leben Agrippinas. Bis der jugendliche Nero alt genug ist, selber das Ruder zu übernehmen, leitet sie gemeinsam mit dem Philosophen Seneca – Neros Erzieher – und dem Kommandanten der Prätorianergarde die Regierung. MUSIK ERZÄHLERIN Agrippina hat ihr Ziel erreicht: Sie ist an der Macht. So groß ist ihr Einfluss, dass er sogar ganz offiziell sichtbar wird. Der Historiker Werner Eck: ZUSPIELUNG 7 (Werner Eck) Es gibt Goldmünzen, die offensichtlich unmittelbar nach dem Tod von Claudius und der Übernahme der Herrschaft durch Nero geprägt wurden. Und auf diesen Münzen erscheint nicht nur das Portrait von Agrippina. Das Entscheidende war, dass dort auf diesen Münzen der Name Agrippinas im Nominativ erschien. Das heißt, sie ist als handelnde Person damit benannt. Und der Name ihres Sohnes, der auf der Rückseite stand – ihr eigener stand auf der Vorderseite – und der Name des Sohnes erschien im Dativ. Das heißt: sie tut etwas für Nero. MUSIK ERZÄHLER Eine Statuengruppe zeigt Agrippina, wie sie Nero einen Kranz aufsetzt. Man könnte das so verstehen: Agrippina krönt Nero. Das ist noch nie dagewesen. Und es wird Jahrhunderte dauern, ehe im Römischen Reich wieder eine Frau so sichtbar über eine solche Machtfülle verfügt. ERZÄHLERIN Immer weiter testet Agrippina die Grenzen des Machbaren aus. Sie nimmt an einer Versammlung des Senats teil – allerdings im Hintergrund, hinter einem Vorhang verborgen. Das mag uns nicht sonderlich gewagt erscheinen, doch der Historiker Tacitus – auch er ein Senator – ist hellauf empört, als er diese Begebenheit berichtet. Frauen haben im Senat einfach nichts zu suchen. Und dann kommt es noch schlimmer. ZITATOR Ja sogar, als Gesandte der Armenier vor Nero kamen, war Agrippina schon im Begriff, zum Thronsitz des Kaisers emporzusteigen und zugleich mit ihm den Vorsitz zu führen, wenn nicht Seneca, während die übrigen vor Schrecken erstarrten, Nero aufgefordert hätte, der herankommenden Mutter entgegenzueilen. So wurde unter dem Schein kindlicher Ehrfurcht einem Skandal begegnet. ERZÄHLER Erschreckend und skandalös wäre es, schreibt Tacitus, wenn die Mutter des jugendlichen Kaisers gemeinsam mit ihm eine ausländische Gesandtschaft empfinge. Damit würde die Tatsache offiziell sichtbar, dass sie seine faktische Mitregentin ist. Respekt vor der Tradition und vor der Form ist ungeheuer wichtig in Rom. Darüber hat Agrippina sich trotz ihrer großen politischen Klugheit hinweggesetzt. Das war ihr großer Fehler, sagt Werner Eck. ZUSPIELUNG 8 (Werner Eck) Eine Frau hat an der Politik direkt nicht teilzunehmen. Und das hat Agrippina dann für eine kurze Zeit ostentativ missachtet, diese selbstverständliche Struktur römischer Politik. Und das ist dann – hat zu ihrem Ende geführt. ERZÄHLERIN Ein letztes Mal in Agrippinas wechselhaftem Leben wendet sich das Glück. Nach fünf Jahren gemeinsamer Regierung beschließt der nun zweiundzwanzig-Jährige Nero, dass er alleine regieren will. Tacitus schreibt lapidar: ZITATOR Zuletzt fand er sie mehr als lästig, wo man sie auch immer sich aufhalten ließ, und er beschloss, sie zu töten. ERZÄHLER Die antiken Autoren berichten übereinstimmend von mehreren Mordkomplotten, die scheitern. Vielleicht ist das symbolisch gemeint und soll darstellen, wie mächtig, wie lebendig, wie beinahe übermenschlich Agrippina ihren Zeitgenossen erscheint. Vielleicht illustriert es auch einfach nur die Tatsache, dass Nero große Schwierigkeiten hat, willige Mörder zu finden. ERZÄHLERIN Agrippina ist bekannt, einflussreich und beim Volk und bei den Soldaten beliebt. Die Prätorianer weigern sich, ihr ein Haar zu krümmen. Erst bei dem Kommandanten der römischen Flotte wird Nero fündig. Dieser täuscht ein Schiffsunglück vor, um Agrippina zu ertränken. Sie entkommt, schwimmt an Land und verbarrikadiert sich in ihrem Landsitz. Tacitus berichtet davon so packend, dass man glauben möchte, er habe die Details von einem Augenzeugen erfahren. ZITATOR Im Schlafgemach war schwaches Licht und eine einzige Sklavin bei Agrippina, die banger und banger wurde. Jetzt war alles still. Plötzlich ließ sich Lärm vernehmen. Als hierauf die Sklavin das Zimmer verließ, rief sie ihr nach: „Auch du lässt mich allein!“ Die Mörder stellten sich um das Bett, und zuerst schlug der Schiffshauptmann die Kaiserin mit einem Knüttel auf den Kopf. Als dann der Centurio zum Todesstoß das Schwert zog, rief sie, ihren Leib hinhaltend: „In den Mutterleib stoße!“ und erlag unter vielen Wunden. MUSIK ERZÄHLER In der Darstellung des Tacitus wird Agrippina in ihrer Todesstunde zur römischen Heldin. Sie stirbt allein und tapfer, hingemeuchelt von vielen – so wie Julius Caesar. Das ist bemerkenswert, denn Tacitus hat für wenige Angehörige der kaiserlichen Dynastie ein gutes Wort übrig. Schnell spricht sich herum, wer hinter der Tat steckt. Nero wird bis zu seinem eigenen Tod knapp zehn Jahre später das Odium des Muttermörders nicht mehr abschütteln können. ERZÄHLERIN Dennoch bleiben Agrippinas glühender Ehrgeiz, ihr Streben nach Macht und Herrschaft in römischen Augen so ungeheuerlich, dass sie über Jahrhunderte nur als Giftmörderin und Monster dargestellt wird. Erst heute, in einer Zeit, die mächtige Frauen auch als positiv oder einfach als normal betrachtet, können wir zurückblicken und Agrippina als hochbegabte Politikerin sehen, die sehr viel erreicht hat – und am Ende durch ihren Ehrgeiz und die starren Gesetze ihrer Welt gescheitert ist.

"Veni vidi vici" - Ich kam, sah, siegte: Julius Cäsar ist einer der Super-Promis der Weltgeschichte. Er eroberte Gallien, siegte im Bürgerkrieg, führte dabei das Ende der Republik herbei und legte die Grundlagen für die neue Ordnung des römischen Kaisertums, ohne es selbst zu wissen. Dass er einem Attentat zum Opfer fiel, hat die Faszinationskraft eher noch gesteigert. Von Brigitte Kohn (BR 2009) Credits Autorin: Brigitte Kohn Regie: Martin Trauner Es sprachen: Sabine Kastius, Thomas Loibl, Stefan Wilkening, Michael Habeck, Andreas Neumann Technik: Roland Böhm Redaktion: Hildegard Hartmann Im Interview: Prof. em. Dr. Christian Meier Besonderer Linktipp der Redaktion: ARD (2025): Schlechte Gesellschaft – Die ARD Polit- und Psychokrimis Verborgene Machenschaften, gesellschaftliche Abgründe und private Tragödien mit Tiefgang. Dieser Podcast entlarvt abgebrühte Schurken, toxische Verstrickungen, undurchsichtige Unternehmen und raffinierte Regierungen. Relevant, politisch und mit absoluter Nervenkitzel-Garantie – „Schlechte Gesellschaft“ gibt es in der Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt. ZUM PODCAST [https://1.ard.de/schlechtegesellschaft] Linktipps Deutschlandfunk (2023): Cäsar, Hitler, Putin – Tyrannenmord – Darf man einen Tyrannen töten? "Gibt es einen Brutus in Russland?", fragte ein US-Senator kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Es war eine Anspielung auf den Mann, der Cäsar umgebracht hat. Die Frage, ob Tyrannenmord legitim sein kann, stellte sich schon öfter. JETZT ANHÖREN [https://www.ardaudiothek.de/episode/der-rest-ist-geschichte/caesar-hitler-putin-tyrannenmord-darf-man-einen-tyrannen-toeten/deutschlandfunk/94722188/] Radiowissen (2020): Kleopatra – Königin der Königinnen Geheimnisvoll, exotisch, erotisch, attraktiv, klug, selbstbewusst und ehrgeizig. Kleopatra gilt als Schönheitsideal ihrer Zeit, der führende Staatsmänner wie Cäsar und Marc Anton bedingungslos verfallen. JETZT ANHÖREN [https://www.ardaudiothek.de/episode/radiowissen/kleopatra-koenigin-der-koeniginnen/bayern-2/78757290/] Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: DAS KALENDERBLATT [https://www.ardaudiothek.de/sendung/das-kalenderblatt/5949906/]erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN [https://www.ardaudiothek.de/sendung/radiowissen/5945518/]. Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN [https://www.ardaudiothek.de/sendung/alles-geschichte-history-von-radiowissen/82362084/] Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: MUSIK ERZÄHLERIN: Rom. 44 vor Christus, der 15. März, früh am Morgen. Die Iden des März sind angebrochen. Für Cäsars Frau Calpurnia ist es kein guter Morgen. Sie hat schlecht geschlafen, und böse Vorahnungen plagen sie. Der griechische Historiker Plutarch weiß warum: ZITATOR PLUTARCH: „Es war nämlich auf Beschluss des Senats an Cäsars Haus als Zierde und Zeichen der Würde ein Firstschmuck angebracht, und Calpurnia träumte, wie er wieder herabgerissen wurde und wie sie darüber weinte und jammerte ...“ ERZÄHLERIN: Als Plutarch seine Cäsar-Biographie schreibt, trennen ihn nur wenige Jahrzehnte von den Ereignissen. Er ist bestens informiert über alle Geschichten und Gerüchte rund um Cäsars Tod. Calpurnia, so schreibt er, habe ihren Mann angefleht, zu Hause zu bleiben, nicht in den Senat zu gehen. Man muss kein Traumdeuter sein, um zu wissen, wie gefährdet er ist. Die mächtigen Adelsfamilien, die Rom seit Jahrhunderten regieren, hassen Alleinherrscher, und Cäsar ist vor kurzem zum Diktator auf Lebenszeit ernannt worden. Der Senat, einst das mächtigste Gremium der römischen Republik, hat nicht mehr viel zu sagen. Trotzdem will Cäsar heute in die Sitzung. Er muss den Institutionen, Traditionen und Ritualen der Republik Respekt entgegenbringen, zumindest nach außen. Was er nicht weiß: Seine Mörder warten schon auf ihn. Kaum hat er seinen Sessel im Senat erreicht, umringen sie ihn, schweigend, scheinbar ehrerbietig. Plötzlich reißt ihm einer die Toga vom Hals. Das ist das Zeichen. Die Männer zücken Schwerter und Dolche. ZITATOR PLUTARCH: „Wohin sich Caesar wendete, überall zuckten Hiebe, fuhren ihm Klingen vor Gesicht und Augen hin und her, er wurde durchbohrt wie ein wildes Tier, sich windend unter den Händen seiner Mörder. Aber als er Brutus mit gezogenem Schwert unter den Gegnern erblickte, zog er die Toga übers Haupt und leistete keinen Widerstand mehr.“ ERZÄHLERIN: Brutus ist der Sohn von Servilia, einer langjährigen Geliebten Cäsars; ein Mann mit Prinzipien. Der Althistoriker Christian Meier, emeritierter Professor an der Münchner Universität und Autor einer bahnbrechenden Cäsar-Biographie, erläutert die Motive der Verschwörer: ORIGINALTON PROF. MEIER: „Die Verschwörer waren der Meinung, dass die Republik wiederhergestellt werden müsse, und zwar wirklich nur dadurch, dass der Tyrann beseitigt wird. Es gab natürlich Leute, die man auch noch hätte beseitigen müssen, weil es ja nicht nur am Diktator hängt, sondern auch noch an anderen, aber Brutus, der ein philosophisch sehr ernsthaft gebildeter Mann und sehr überzeugter Mann war, Brutus war der Meinung, nur, wer sich der Tyrannis schuldig macht, darf und muss umgebracht werden. Und das war Cäsar.“ ERZÄHLERIN: Doch die Hoffnung, dass die Republik nach dieser Tat in alter Frische wiederauflebt, erfüllt sich nicht. Die Verschwörer haben nicht gut genug geplant. ORIGINALTON PROF. MEIER: „Sie hatten keine Vorbereitung – dass man das Kapitol besetzt, das Forum besetzt, oder heute würde man sagen, Rundfunkstationen besetzt – was man so alles tut, wenn man einen Umsturz macht. Nichts davon.“ MUSIK ERZÄHLERIN: In den nächsten Jahrhunderten werden Kaiser das römische Weltreich regieren. Die Republik wird nicht zu retten sein. Sie kränkelte schon, als Cäsar noch jung war. Nur deswegen konnte er so viel Macht erringen. Cäsars Zeit ist die Zeit der großen Feldherrn. Ihre Eroberungen haben Rom zur Supermacht des Mittelmeerraums geformt. Daraus leiten sie Ansprüche ab, die Konflikte mit dem Senat zur Folge haben. ORIGINALTON PROF. MEIER: „Es ergaben sich einfach bestimmte Forderungen etwa aus Feldzügen, denn es hatte sich eingespielt, dass man die Soldaten hinterher ansiedelte. Man gab ihnen Land, von dem sie leben konnten. Dieses Land musste man entweder jemandem wegnehmen, das war natürlich schmerzlich, oder man konnte sich das Land in den Gebieten holen, wo man Kriege geführt hatte. Dies aber wollte wiederum der Senat nicht, weil er das Gefühl hatte, wenn da in größerem Stil römische Bürger und noch dazu Veteranen von großen Feldherren ganze Kolonien hatten, dann wären die auf die Dauer unkontrollierbar gewesen. Also der Senat stellte einen Gesichtspunkt in den Vordergrund, der hieß: Keiner darf zu mächtig werden. Denn wenn einer zu mächtig ist, dann geht das auf Kosten des Senats.“ MUSIK ERZÄHLERIN: Als Cäsar, geboren 100 v. Chr., am Anfang seiner Karriere steht, tobt in Rom der Bürgerkrieg, ausgelöst durch einen Konflikt zwischen den Feldherren Marius und Sulla, die zwei unterschiedlichen politischen Gruppierungen angehören. Sulla siegt, lässt sich für die Dauer des Notstandes zum Diktator ernennen und nimmt in einem wahren Blutrausch an seinen Gegnern Rache. Auch der junge Cäsar ist ernsthaft in Gefahr. ERZÄHLERIN: Um Sullas Häschern zu entgehen, begibt sich Cäsar zum Kriegsdienst nach Kleinasien. Erst nach Sullas Tod im Jahre 78 v. Chr. kommt er zurück und startet die übliche aristokratische Ämterlaufbahn. Seine Willenskraft, Kaltblütigkeit und Skrupellosigkeit sind damals schon sehr ausgeprägt. Das belegt ein Zwischenfall, den Plutarch überliefert hat. Auf einer Schiffsreise fällt Cäsar Piraten in die Hände. Er ist eine fette Beute, denn für einen römischen Adeligen müssen die Provinzstädte an der Küste Lösegeld zahlen. Cäsar schickt seine Leute los, um das Geld einzutreiben, und bewältigt die Lage an Bord auf seine Weise: ZITATOR PLUTARCH: „Während der 38 Tage, die er sich in ihrer Gewalt befand, spielte und turnte er ohne alle Furcht mit ihnen, als ob nicht er der Gefangene, sondern sie seine Trabanten wären. Er verfasste Gedichte und Reden und las sie ihnen vor, und wenn sie ihm keine Bewunderung zollten, schalt er sie unverblümt Barbaren ohne Bildung und Kultur. Oft stieß er lachend die Drohung aus, er werde sie aufknüpfen lassen – und die Kerle hatten ihre Freude dran, hielten sie ihn doch für einen harmlosen, lustigen Patron, der die losen Reden nicht lassen könne.“ ERZÄHLERIN Doch kaum ist das Lösegeld da und Cäsar wieder frei, chartert der Spaßvogel ein paar Schiffe, verfolgt die Piraten und wirft sie in den Kerker von Pergamon. Der zuständige Statthalter soll sie hinrichten lassen, und zwar sofort. Doch der ist eher an Beutegeldern interessiert und will die Sache erst mal prüfen lassen. Also wird Cäsar selbst aktiv. ZITATOR PLUTARCH: „Er ließ die Seeräuber vorführen und bis auf den letzten Mann ans Kreuz schlagen!“ ERZÄHLERIN: Cäsar schert sich nicht um Dienstwege und Zuständigkeiten. Sein Machtwille überragt den Geltungsdrang der übrigen Aristokraten um Einiges, und das will etwas heißen. Im persönlichen Umgang besticht Cäsar durch Liebenswürdigkeit und Charme. Er ist ein schöner schlanker Mann mit markanten Gesichtszügen und lebhaften schwarzen Augen, sehr gepflegt, immer perfekt gekleidet. Jeder bewundert seine Intelligenz, seine Bildung, seine Sprachbegabung, sein geschliffenes, schnörkelloses, gut verständliches Latein. ZITATOR PLUTARCH „In Rom fand Cäsar durch seine Reden viel Beifall, und die Freundlichkeit seines Grußes wie die Liebenswürdigkeit im Umgang gewannen ihm die Liebe des Volkes; denn solche Höflichkeit hätte man seiner Jugend nicht zugetraut. Auch seine Tafel, seine Gesellschaft und sein prunkvolles Auftreten ließen seinen Einfluss im öffentlichen Leben unmerklich steigen.“ ERZÄHLERIN: Obwohl er im Senat mächtige Gegner hat, den sittenstrengen Cato beispielsweise und den überragenden Redner Cicero, geht es mit der Karriere Schlag auf Schlag. 59 v. Chr. ist er Konsul, das ist das höchste Amt. Damit hat er Anspruch auf eine Führungsrolle im Senat. Doch von Senatoren hält er nicht sehr viel. Es gibt Männer, die sind viel mächtiger. Pompeius zum Beispiel, der brillanteste Feldherr seiner Zeit, der große Eroberungen gemacht hat, besonders im Nahen Osten. Pompeius hat Schwierigkeiten mit dem Senat, weil er seine Veteranen mit Land versorgen will: Wie immer befürchten die Senatoren, er könne dadurch zu mächtig werden. ORIGINALTON PROF. MEIER „... Da hat Cäsar sich die Möglichkeit erspäht, durch ein Bündnis mit Pompeius über die normale Stufe eines Konsulars (...) hinauszukommen und eine Art Sonderstellung, ganz ähnlich wie Pompeius, zu gewinnen. Dann hat er sich die Forderungen des Pompeius zu eigen gemacht, hat sie durchzubringen versucht, das war nicht leicht, weil der Senat mit allen Mitteln Widerstand geleistet hat.“ ERZÄHLERIN: Cäsar und Pompeius verbinden sich Ende des Jahres 60 v. Chr. gemeinsam mit Crassus, einem steinreichen Immoblilienspekulanten, zum Ersten Triumvirat. Das ist ein informeller Freundschaftsbund zur wechselseitigen Unterstützung, der es den dreien ermöglicht, dem Senat ihren Willen aufzuzwingen. Der Graben zwischen Cäsar und den Senatoren wird immer tiefer – und so ist Cäsar froh, dass er als Konsul auch die Statthalterschaft über zwei Provinzen beanspruchen kann. Der römische Historiker Sueton, der nur ein Vierteljahrhundert nach Cäsars Tod geboren wurde, wittert dahinter völlig zu Recht das Streben nach Macht und Geld: ZITATOR SUETON: „Cäsar wählte sich aus der Gesamtzahl der Provinzen vornehmlich Gallien aus, ein Land, das ihm finanziell großen Vorteil zu bieten schien, und dessen günstige Beschaffenheit berechtigte Aussicht auf Triumphe verheißen mochte.“ ERZÄHLERIN: Noch sind nur das Gebiet um die Poebene und die heutige Provence in römischer Hand. Das restliche Gallien wird von Stammesfürsten beherrscht, die Rom noch nicht unterworfen hat. Das aber kann man ändern – und Cäsar wird es ändern. ZITATOR CÄSAR: Gallia est omnis divisa in partes tres .... Gallien, im umfassenden Sinne genommen, zerfällt in drei Teile, davon bewohnen einen die Belger, den zweiten die Aquitaner, den dritten aber die Völker, die in ihrer eigenen Sprache Kelten, in unserer Gallier heißen.“ ERZÄHLERIN: Wer in der Schule Latein gelernt hat, kennt diese Sätze. Sie stammen von Cäsar selbst, der ein Buch über den Gallischen Krieg geschrieben hat, in einem so makellosen und klaren Latein, dass sogar Cicero es bewundert. Für Cäsar ist das Buch ein Propagandamittel. Er will zeigen, dass er den Krieg mit den besten Absichten begonnen und mit unglaublicher Tatkraft durchgezogen hat. Schuld am Krieg, so lesen wir bei Cäsar, sind die Helvetier, weil die aus ihrem Siedlungsgebiet in der Schweiz ausbrechen und sich ein neues suchen wollen. Sie baten Cäsar zwar höflich um Erlaubnis, durch seine Provinz ziehen zu dürfen, aber der denkt nicht daran, sie zu erteilen. Er sucht ja einen Grund, um loszuschlagen. ZITATOR CÄSAR (DE BELLO GALLICO): „Auch hielt er es nicht für wahrscheinlich, dass Leute von so feindseliger Gesinnung jegliche Unbill und Gewalttätigkeit vermeiden würden, wenn ihnen einmal die Möglichkeit des Durchzuges durch die Provinz gegeben wäre.“ ERZÄHLERIN: Cäsar stellt seine Angriffshandlungen stets so dar, als seien es Defensivmaßnahmen mit dem einzigen Ziel, Rom und seine Provinzen zu schützen. Nach dem Sieg über die Helvetier geht es gegen den Germanenkönig Ariovist, der ebenfalls vorhat, sein Herrschaftsgebiet auszudehnen. Cäsars Legionäre sehen dem Feind mit Heulen und Zähneklappern entgegen, denn über die Germanen kursieren die wildesten Gerüchte. ZITATOR CÄSAR: „Es rühmten nämlich jene die Germanen als Leute von riesigem Körperbau, unglaublicher Tapferkeit und Gewandtheit im Gebrauch der Waffen; gar oft wären sie mit ihnen zusammengetroffen, hätten aber nicht einmal ihre Miene und den stechenden Blick ihrer Augen ertragen können. In den Zelten versteckt beklagten sie entweder ihr Los oder jammerten mit ihren Vertrauten über die gemeinsame Gefahr. Allenthalben im ganzen Lager wurden Testamente gemacht.“ ERZÄHLERIN: Je furchteinflößender der Feind, desto strahlender der Sieg über ihn. Je ängstlicher die Soldaten, desto beeindruckender die Fähigkeiten des über alle Furcht erhabenen Feldherrn. Mit flammenden Reden facht Cäsar den Kampfgeist der Legionäre immer wieder an. Und er begeistert sie durch seine Bereitschaft, alle Strapazen und Entbehrungen mit ihnen zu teilen. Seine Zähigkeit ist geradezu unheimlich. Und das, obwohl er, wie Plutarch berichtet, eine eher anfällige Konstitution hat. ZITATOR PLUTARCH: „Er war von hagerer Gestalt und hatte eine zarte weiße Haut, auch litt er unter Kopfschmerzen und wurde von epileptischen Anfällen heimgesucht. Durch lange Märsche und karge Kost, durch ständigen Aufenthalt unter freiem Himmel und harte Anforderungen an seinen Körper kämpfte er gegen das Übel an, erhielt sich widerstandsfähig. Er schlief meistens im Wagen oder in der Sänfte, um auch während der Ruhezeit tätig zu sein.“ ERZÄHLERIN: Ariovist wird besiegt, ein Stamm nach dem anderen unterworfen. Die Römer erobern ganz Gallien bis hoch an die Nordsee. Immer wieder kommt es zu grauenhaften Massakern. Den Einwohnern der aquitanischen Stadt Uxellodonum, die nicht sofort klein beigeben, lässt Cäsar beide Hände abhacken. Historiker beziffern die Zahl der Opfer des Krieges auf 1,2 Millionen, eine weitere Million wird versklavt. Nicht alle Gallier sterben durch das Schwert, viele verhungern. Die römischen Legionen beschlagnahmen die Ernte, roden die Wälder, vertilgen ganze Rinderherden. Dennoch geben die Gallier nicht kampflos auf. Anfang des Jahres 52 einigt der Avernerkönig Vercingetorix die Stämme unter seiner Führung und bringt die Römer in ernste Bedrängnis. Doch im Sommer, nach der Belagerung von Alesia, die grausame Opfer unter der Zivilbevölkerung fordert, muss Vercingetorix aufgeben. Plutarch schildert das traurige Finale: ZITATOR PLUTARCH: „Vercingetorix, der oberste Befehlshaber im Kriege, bewaffnete sich auf das Prächtigste und ritt dann auf glänzend aufgezäumtem Pferd zum Tor hinaus. Einmal sprengte er im Kreis um das Tribunal, auf welchem Cäsar Platz genommen hatte, sprang dann vom Pferde, nahm die Rüstung ab und setzte sich zu Cäsars Füßen nieder, ruhig wartend, bis man ihn in den Kerker führte, wo er für den Triumph aufgespart werden sollte.“ ERZÄHLERIN: Vercingetorix schmachtet sechs Jahre im römischen Staatsgefängnis, ehe er im Triumphzug durch die Straßen von Rom geführt wird. Gleich anschließend erwürgt ihn der Henker. - Gallien ist befriedet – wenn man das so nennen will. Denn Cäsar kümmert sich wenig um das verwüstete Land, überlässt es skrupellosen Steuereintreibern und landgierigen Soldaten. Dennoch: Die Eroberung Galliens ist größer als alle Eroberungen zuvor. Sie prägt die Geschichte Europas für immer. Rom ist nicht länger nur ein Mittelmeerreich. ORIGINALTON PROF. MEIER „Aber nun grenzt Rom an die Nordsee und an den Rhein und wird auf diese Weise erheblich vorangeschoben. (...) Denn im römischen Reich muss man ja, grob gesagt, unterscheiden zwischen dem Osten, der wesentlich griechisch und hellenistisch geprägt ist, und dem Westen, der zivilisatorisch hinter den Griechen sowieso, aber auch hinter Rom und Italien zurücksteht. Und da wächst dann ja die eigentliche römische Zivilisation. Auf diese Weise wird, wenn man so will, Westeuropa stark gemacht.“ ERZÄHLERIN: Doch in Rom gibt es schwere Unruhen. Pompeius befürchtet, gegenüber Cäsar ins Hintertreffen zu geraten und sucht den Schulterschluss mit dem Senat. Cäsar hingegen soll aus Gallien abberufen werden. Das ist ein Angriff auf seine Ehre, den er nicht hinnehmen kann. 49 v. Chr. überschreitet er den Grenzfluss Rubicon und führt seine Truppen gegen Rom. ZITATOR CAESAR: „Alea iacta est – Der Würfel ist geworfen!“ ERZÄHLERIN: Es folgt ein blutiger Bürgerkrieg gegen Pompeius und die mit ihm verbündeten Provinzen. Wie viele Zeitgenossen ist auch der berühmte Redner und Schriftsteller Cicero von Cäsars unbändigem Machtwillen entsetzt. ZITATOR CICERO: Dieser elende, wahnsinnige Kerl, der niemals auch nur einen Hauch des Edlen verspürt hat! Und da sagt er noch, er tue dies alles, um seine Ehre zu wahren. Aber was heißt Ehre ohne Anstand? Ist es etwa anständig, ein Heer in der Hand zu haben, das einem nicht der Staat gegeben hat?“ ERZÄHLERIN: Pompeius flieht nach Ägypten, was sich als schwerer Fehler erweist: Die Ägypter sind zwar keine römische Provinz, aber doch so abhängig von der römischen Großmacht, dass sie ängstlich darauf schielen, wer dort wohl der Mächtigste ist. Man setzt auf Cäsar, bringt Pompeius in vorauseilendem Gehorsam um und präsentiert seinem Gegner seinen Kopf. Plutarch berichtet: ZITATOR PLUTARCH: „Aber Cäsar wandte sich erschüttert ab. Unter Tränen nahm er dann den Siegelring seines Widersachers entgegen.“ ERZÄHLERIN: Der Versuch der jungen Königin Kleopatra, Cäsars Gunst zu gewinnen, gestaltet sich da schon angenehmer. Sie lässt sich, wie Plutarch berichtet, in einen Bettsack einnähen und sozusagen als Wäschebündel verkleidet auf den Schultern eines Dieners in Cäsars Residenz tragen. Andere Quellen erzählen, es sei ein Teppich gewesen, aus dem sich Kleopatra ebenso effektvoll wie erotisch herausgeschält haben soll. Wie auch immer: Cäsar hat’s gefallen. ZITATOR PLUTARCH: „Schon dieser listige Einfall, der Kleopatras mutwilliges Wesen verriet, gewann Cäsars Herz, und vollends erlag er ihrer Anmut und dem Reiz ihres Umgangs.“ ERZÄHLERIN: Cäsar zu verführen ist nicht weiter schwierig, Frauengeschichten hat er ja ständig. Doch die 21-jährige Kleopatra ist eine Herausforderung der ganz besonderen Art: Vollblutweib und Vollblutpolitikerin, Gottkönigin aus einer uralten Dynastie, machtbewusst und mit allen Wassern gewaschen, hoch gebildet, klug, von bestrickendem Charme. Plutarch beschreibt sie so: ZITATOR PLUTARCH: „Ihre Schönheit war, wie man sagt, nicht ganz so unvergleichbar noch von der Art, dass sie gleich beim ersten Anblick Aufsehen erregen konnte. Allein der nähere Umgang mit ihr hatte einen unwiderstehlichen Reiz, und ihre Gestalt, verbunden mit der einnehmenden Unterhaltung und ihren feinen Sitten, machte immer einen tiefen Eindruck.“ ERZÄHLERIN: Kleopatra braucht Cäsars Hilfe, denn ihr Bruder und Mitregent Ptolemäus hat sie aus dem Palast verjagt. Cäsar greift in die ägyptischen Thronstreitigkeiten ein und setzt Kleopatra wieder in ihre Rechte. Dann aber ist ihm die Politik plötzlich ganz egal. Der römische Geschichtsschreiber Sueton berichtet: ZITATOR SUETON: „Am meisten aber war er in Kleopatra verliebt. In ihrer Gesellschaft tafelte er oft bis zum frühen Morgen; auf ihrem Prachtschiff wäre er durch Ägypten fast bis nach Äthiopien gefahren, wenn sich nicht sein Heer geweigert hätte, ihm zu folgen.“ ERZÄHLERIN: Cäsars Offizieren vergeht die Reiselust angesichts der Tatsache, dass sich in vielen Provinzen die Anhänger des toten Pompeius sammeln. Bis heute wundern sich die Forscher darüber, dass Cäsar in seinem Schiff auf dem Nil den Bürgerkrieg wochenlang völlig ignoriert. Keiner findet eine andere Erklärung als die: Die Liebe war ihm wichtiger. Danach geht das Siegen aber umso schneller. 47 v. Chr. nimmt Cäsar die letzten feindlichen Provinzen im Sturm. ZITATOR CÄSAR: „Veni, vidi, vici, ich kam, sah, siegte!“ ERZÄHLERIN: Er kehrt nach Rom zurück und wird zum Diktator ernannt, erst für 10 Jahre, dann auf Lebenszeit. Mit seinen Gegnern in Rom verfährt er überraschend großmütig, denn er braucht ihre Gunst. Von den Neuerungen, die er in die Wege leitet, hat sich bis heute die Kalenderreform erhalten – der Monat Juli ist nach Cäsar benannt. Befremdlich wirkt die Flut von Ehrungen, die der Senat auf Cäsar nieder regnen lässt. Die Anhäufung von Ämtern und Auszeichnungen steigt ihm zu Kopf und macht ihn angreifbar. ORIGINALTON PROF. MEIER: „Es gibt da eine Theorie, schon in der Antike, die besagt, man habe ihn wie ein Opfertier geschmückt. Das heißt, indem man ihn wie ein Gott da herausgehoben hat, hat man ihn auch angreifbar gemacht, weil die Leute gesagt haben, der muss beseitigt werden, denn so einen Gott auf Erden, den können wir hier gar nicht brauchen. MUSIK ERZÄHLERIN: Das Ende ist bekannt. Cäsars blutverschmierte Leiche liegt im Sitzungssaal des Senats, ausgerechnet zu Füßen einer Statue des Pompeius. Die Wirren nach seinem Tod münden in das Prinzipat unter Cäsars Adoptivsohn Oktavian, dem späteren Kaiser Augustus. Das Attentat hat den Nimbus um Cäsars Person noch gesteigert, vielleicht sogar erst entstehen lassen.

Maria Theresia schaffte die Folter ab, führte die allgemeine Schulpflicht ein, und reformierte die Verwaltung. Das hätte der 23-Jährigen bei "Amtsantritt" als Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen niemand zugetraut. Bis heute gehört sie zu den erstaunlichsten Gestalten der Ära des Absolutismus. Von Mira Alexandra Schnoor ( BR 2011/2020) Credits Autorin: Mira Alexandra Schnoor Regie: Martin Trauner Es sprachen: Axel Wostry, Aglaia Szyszkowitz, Heiko Ruprecht, Heinz Peter Technik: Angelika Vetter-Wagner Redaktion: Brigitte Reimer Im Interview: Prof. Dr. Karl Vocelka (war bis 2012 Leiter des Instituts für Geschichte der Universität Wien, inzwischen ist er außerordentlicher Professor für Österreichische Geschichte der Universität Wien im Ruhestand) KORREKTUR: In der aktuellen Version wurde ein Fehler korrigiert: Statt "Am 13. Mai 1717 wird dem österreichischen Kaiser Karl VI. ..." heißt es nun: "Am 13. Mai 1717 wird Kaiser Karl VI. ..." Das eigentliche "Österreichische Kaisertum", die Donaumonarchie, gab es erst ab 1804. Besonderer Linktipp der Redaktion: COSMO: Lost Sheroes Der mächtigste Pirat aller Zeiten? Eine Frau. Der erste Autor der Menschheit? Eine Frau. In diesem Podcast stellt euch die Schauspielerin Milena Straube immer eine Frau vor, die Großes geleistet hat, die Vorkämpferin, Pionierin, Role Model war. Ihr hört die spannenden Lebensgeschichten unbeachteter Heldinnen. Aus allen Zeiten, aus allen Ländern, aus allen Schichten ZUM PODCAST [https://www.ardaudiothek.de/sendung/lost-sheroes-frauen-die-in-den-geschichtsbuechern-fehlen/10778165/] Linktipps WDR (2020): Franz I. – Ehemann von Maria Theresia Maria Theresia von Österreich war 23, als sie in Wien an die Macht kam. Ihr Vater hatte ihr bewusst einen Mann ausgesucht, der nicht besonders mächtig war: Franz, Herzog von Lothringen. Was im Barock selten vorkam: das Brautpaar kannte sich bereits zuvor und beide liebten einander ein Leben lang. JETZT ANHÖREN [https://www.ardaudiothek.de/episode/wdr-zeitzeichen/franz-i-ehemann-von-maria-theresia-todestag-18-08-1765/wdr-5/79211604/] Deutschlandfunk Nova (2019): Warum Maria Theresia zum Mann erklärt werden musste Frauen an der Macht sind heute keine Seltenheit mehr. Auch wenn sich viele darüber beklagen, dass dies bei weitem noch nicht oft genug der Fall sei. Die Habsburgerin Maria Theresia war die erste Frau auf dem Thron, die sich in Österreich gegen heftige Widerstände behaupten musste. Die Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger distanziert sich in ihrem Vortrag dennoch von Feministinnen, die Maria Theresia noch heute als Ideal der Weiblichkeit loben. JETZT ANHÖREN [https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/frauen-in-der-politik-unvollkommene-varianten-der-maenner] Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: DAS KALENDERBLATT [https://www.ardaudiothek.de/sendung/das-kalenderblatt/5949906/]erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN [https://www.ardaudiothek.de/sendung/radiowissen/5945518/]. Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN [https://www.ardaudiothek.de/sendung/alles-geschichte-history-von-radiowissen/82362084/] Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: Titelsprecher: Prolog. MUSIK Erzähler Am 13. Mai 1717 wird dem österreichischen Kaiser Karl VI. und seiner Gemahlin Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel eine Tochter geboren, Maria Theresia. 'Nur' ein Mädchen - die Eltern wünschen sich einen männlichen Thronfolger, doch auf Maria Theresia folgen zwei weitere Töchter. Bereits vier Jahre zuvor hatte Kaiser Karl VI. die Thronnachfolge neu geregelt. Das salische Recht, wonach ausschließlich ein männlicher Nachkomme den Thron erben konnte, wurde außer Kraft gesetzt. Die neue Vereinbarung, die Pragmatische Sanktion, bestimmte, dass im Fall des Aussterbens der männlichen Linie der Habsburger die Tochter des letzten Throninhabers zur Herrscherin werden solle und nicht etwa angeheiratete männliche Verwandte. So vorausschauend der Kaiser in dieser Hinsicht handelte, so nachlässig war er bei der Erziehung. Die älteste Tochter erhielt keine Ausbildung, die sie darauf vorbereitet hätte, einmal Regentin einer Großmacht zu werden. Die junge Prinzessin tanzte gern, machte Musik und führte ein geborgenes Leben in ihrer Familie. Sie war übrigens recht hübsch, wie der preußische Gesandte Graf Podewils feststellte: Zitator „Ihr Gesichtsausdruck ist offen und heiter, ihre Anrede freundlich und anmutig. Man kann nicht leugnen, daß sie eine schöne Person ist.“ MUSIK Erzähler 1736 heiratete Maria Theresia den neun Jahre älteren Herzog Franz Stephan von Lothringen, den sie schon seit ihrer Kindheit kannte. Es war, äußerst ungewöhnlich in den Kreisen des Hochadels, eine Liebesbeziehung. Bis zum Tod Franz Stephans im Jahr 1765 waren die beiden 29 Jahre verheiratet oder, wie Maria Theresia berechnete: MARIA THERESIA „Mein glücklicher Ehestand währte Jahr 29, Monat 335, Wochen 1.540, Tage 10.781, Stunden 258.744.“ MUSIK Titelsprecher Eine Frau auf Habsburgs Thron Erzähler 1740 starb Kaiser Karl VI., Maria Theresia wurde zur Herrscherin über viele, unterschiedliche Länder. MARIA THERESIA „Königin zu Ungarn, Böhmen, Dalmatien, Kroatien, Slowenien. Erzherzogin zu Österreich, Herzogin zu Steyer, Kärnten und Krain, Schlesien, Brabant, Limburg, Luxemburg, Mailand, Mantua, Parma, Piacenza. Markgräfin zu Mähren. Fürstin zu Siebenbürgen. Gefürstete Gräfin zu Tirol und Flandern. Markgräfin des heiligen Römischen Reiches zu Burgau.“ Erzähler Dass sie den Thron tatsächlich besteigen konnte, schien zunächst alles andere als selbstverständlich, Maria Theresia musste damit rechnen, auf viel Widerstand zu stoßen, sowohl bei den Regenten des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, als auch bei den Untertanen ihrer vielen Länder. Einigermaßen verblüfft konstatierte der venezianische Gesandte in Wien, dass die neue Herrscherin schnell allgemein anerkannt wurde. Zitator "Aus den Provinzen kommen täglich Berichte von der geleisteten Huldigung, alles vollzieht sich in bewunderungswürdiger und gleichsam unerwarteter Harmonie." Erzähler Das Erbe, das sie antrat, war kein glanzvolles. Sowohl die Armee als auch Wirtschaft und Verwaltung ihrer Länder waren marode. MARIA THERESIA „Niemand glaube (ich) werde widersprechen, dass ein gekröntes Haupt in schwerer- und misslicheren Umständen seine Regierung als ich angetreten habe.“ Erzähler Doch die erst 23 Jahre junge Frau ließ sich nicht entmutigen. Sie machte sich sofort daran, eine der prägenden europäischen Herrscher des 18. Jahrhunderts zu werden und ihr Land durch Reformen voranzubringen. Der Historiker Karl Vocelka, Leiter des Instituts für Geschichte der Universität Wien: 1 O-Ton Vocelka1 „Was sie charakterisiert hat ist, dass sie als Frau in eine Männerrolle schlüpfen musste, zur Herrschaft gelangt ist, ohne große Vorbereitung. Ihr Vater hat, obwohl er wusste, dass sie seine Nachfolgerin wird (…) sie dennoch nicht vorbereitet auf diesen Job, auf diese Funktion…“ MUSIK MARIA THERESIA „(Ich habe) die zu Beherrschung so weitschichtiger und verteilter Länder erforderliche Erfahr- und Kenntnüs um so weniger besitzen können, als meinem Herrn Vattern niemals gefällig war, mich zur Erledigung weder der auswärtigen noch inneren Geschäfte beizuziehen noch zu informieren.“ 2 O-Ton Vocelka „… und sie hat sich eigentlich mit Hilfe vieler Berater natürlich sehr gut geschlagen auf diesem Gebiet.“ MARIA THERESIA „Das bisschen Ruhm, das ich mir in der Welt erworben habe, schulde ich der guten Wahl meiner Vertrauten. Ich habe das Glück gehabt, verdienstvolle und rechtschaffene Leute zu finden.“ Erzähler Bei aller Bescheidenheit: Maria Theresia war zum Herrschen geboren. Noch einmal der venezianische Gesandte: Zitator „Sie ist in der Tat nach allgemeinem Urteil so, dass man niemand anderen als sie zur Bewahrung des Erbes des Hauses Habsburg auswählen würde, wenn man die Möglichkeit hätte, frei die Erbin in der ganzen Welt zu suchen.“ MUSIK Titelsprecher Kindersegen oder: MARIA THERESIA „Man kann nicht genug davon haben, in diesem Punkt bin ich unersättlich.“ Erzähler Bereits ein Jahr nach der Hochzeit brachte Maria Theresia ihr erstes Kind zur Welt, die Tochter Maria Elisabeth, die im Alter von drei Jahren starb. Eineinhalb Jahre später, im Oktober 1738, kam Maria Anna, und im Januar 1740 folgte eine weitere Tochter, die aber nur ein Jahr alt wurde. Am 13. März 1741 dann endlich der ersehnte Thronfolger, Joseph. Zwischen 1737 und 1756 gebar Maria Theresia 16 Kinder, das macht in 19 Jahren 16 Schwangerschaften und Geburten. Sechs ihrer Kinder starben im Kindes- oder Teenager-Alter. Die übrigen zehn überlebten ihre Mutter. Die physische Leistung, die Maria Theresia erbrachte, ist kaum vorstellbar. Neben den zahlreichen Schwangerschaften und Geburten musste sie schließlich einen kriegsgeschüttelten Vielvölkerstaat regieren. MUSIK Titelsprecher Arbeiten oder: MARIA THERESIA „Wir leben in dieser Welt, um unseren Mitmenschen Gutes zu tun, denn wir sind nicht für uns selbst da oder gar nur, um uns zu amüsieren.“ Erzähler Maria Theresias Einstellung zur Arbeit war vorbildlich. Sie stand um halb sechs Uhr in der Früh auf und ging zur Messe. Um halb acht Uhr begann sie mit der Arbeit: sie las Akten oder ließ sie sich vorlesen, und empfing ihre Sekretäre und Minister zum Referat. Das dauerte bis zwölf Uhr mittags. Am Nachmittag dann: MARIA THERESIA „4 uhr bis 6 uhr expedirn, schreiben, audienzen.“ Erzähler Der preußische Gesandte Podewils berichtete an seinen König: Zitator „Sie beschäftigt sich viel mit ihren Staatsangelegenheiten und bemüht sich, genaue Kenntnis von ihnen zu bekommen. Sie liest die meisten Berichte ihrer Gesandten, prüft die Entwürfe der Schriftstücke, unterhält sich oft mit ihren Ministern und wohnt den Konferenzen bei, die über Staatsgeschäfte von irgendwelcher Bedeutung abgehalten werden.“ MUSIK Titelsprecher Militärisches oder: MARIA THERESIA „Was für ein abscheuliches Geschäft ist doch der Krieg; er ist gegen die Menschlichkeit und gegen das Glück.“ Erzähler Die junge Königin saß kaum auf ihrem Thron, da begann Friedrich von Preußen einen Krieg. Der König, nur ein paar Monate vor Maria Theresia gekrönt, nutzte die Gunst der Stunde, denn die Habsburger Herrscherin stand ohne schlagkräftige Armee da - ihr Vater hatte es unterlassen, das Armeewesen zu reformieren. MARIA THERESIA „Die ihren Feinden so förchterlich ehedessen geweste kaiserliche Truppen, die für die erste in Europa gehalten wurden, verloren bei Freund- und Feinden den größten Teil ihres Ansehens.“ Erzähler Friedrich II. warf einen begehrlichen Blick auf das reiche Schlesien. Was ihn antrieb, aus dem Nichts einen Krieg zu beginnen, beschrieb er selbst so: Zitator „Beim Tod meines Vaters fand ich ganz Europa in Frieden. (Ich) war im Besitz schlagfertiger Truppen, eines gut gefüllten Staatsschatzes und von lebhaftem Temperament; das waren die Gründe, die mich zum Kriege mit Therese von Österreich, Königin von Böhmen und Ungarn, bewogen. Der Ehrgeiz, mein Vorteil, der Wunsch, mir einen Namen zu machen, gaben den Ausschlag und der Krieg ward beschlossen.“ Erzähler Also wurden tausende Soldaten in Marsch gesetzt, ein verlustreicher Krieg begann, in dem es hauptsächlich um Eitelkeiten, Gier und Machtansprüche ging. Im Dezember 1740 fiel der preußische König in Schlesien ein – der österreichische Erbfolgekrieg hatte begonnen. Er dauerte insgesamt acht Jahre, sämtliche europäischen Mächte waren mehr oder weniger involviert, gekämpft wurde auf verschiedenen Schauplätzen in Europa, Bündnisse wurden geschlossen und sofort wieder gebrochen, wenn es der eigene Vorteil gebot. Aus seiner Position der Stärke heraus verlangte Friedrich II., dass man ihm das besetzte Schlesien offiziell überlasse. Als notorischer Frauenfeind dachte er anscheinend, die junge, unerfahrene Königin mit seinem rechtswidrigen Verhalten und der Stärke seiner Armee einschüchtern zu können. Doch Maria Theresia widersetzte sich und ließ ihrem Widersacher mitteilen: Maria Theresia „Die Königin hat nicht die Absicht, ihre Regierung mit der Zerstückelung ihrer Staaten zu beginnen. (…) Sie (kann) weder einer Gesamt- noch einer Teilabtretung Schlesiens zustimmen.“ Erzähler Auf Maria Theresias Seite standen England, als Erzfeind Frankreichs, Russland, und der unsichere Kantonist Sachsen, während sich Preußen mit Frankreich, Bayern und Spanien verbündete. Der österreichische Erbfolgekrieg ist ein verwirrendes Hin und Her, bei dem Maria Theresia nicht nur gegen Preußen und Frankreich, sondern auch gegen den bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht kämpfen musste. Dieser hatte die Pragmatische Sanktion nicht anerkannt, und erhob Ansprüche auf einige Länder des Habsburger Reiches, da er mit einer Cousine Maria Theresias verheiratet war. Oberösterreich und Böhmen wollte er sich gemeinsam mit den Franzosen erkämpfen. Doch das misslang. Einen Erfolg konnte Karl Albrecht allerdings verbuchen: im Februar 1742 wurde er in Frankfurt zum deutschen Kaiser gekrönt. Als er drei Jahre später starb, änderte sich die Lage. Sein Sohn, Kurfürst Max III. Joseph schloss Frieden mit Maria Theresia und versprach, die Wahl ihres Mannes, Franz Stephan zum deutschen Kaiser zu unterstützen. Die Gefahr aus Bayern war Maria Theresia nun los, nicht aber die aus Preußen, und der Krieg ging weiter. Friedrich II. blieb Maria Theresias lebenslanger Feind. 3 O-Ton Vocelka7 „Maria Theresia hat Friedrich von Preußen gehasst. Sie nennt ihn Scheusal und Bestie, sie hat ihn zutiefst verabscheut und gehasst. (…) Man hat (…) diese Abneigung verstehen können, weil ja in letzter Instanz der Beginn der ganzen Auseinandersetzung, die dann mit den beiden Schlesischen Kriegen und dem österreichischen Erbfolgekrieg 8 Jahre der Herrschaft Maria Theresias ausfüllen, natürlich durch diesen "räuberischen Überfall" Friedrichs von Preußen auf Schlesien ihren Anfang genommen hat.“ MUSIK Erzähler Acht Jahre Krieg. Nachdem der Erbfolgekrieg im Oktober 1748 mit dem Frieden von Aachen beendet wurde, blieben Maria Theresia nur acht friedliche Jahre, bis es 1756 mit dem siebenjährigen Krieg wieder los ging. 4 O-Ton Vocelka12 „Sie hat den Krieg im Prinzip grundsätzlich abgelehnt, aber hat keine großen Alternativen gehabt, als Kriege zu führen, (…) Sie war keine große Kriegsheldin in dem Sinne, dass sie eine Freude am Krieg hatte, sondern sie hat den Krieg als ein notwendiges Übel der Politik der damaligen Zeit betrachtet.“ MUSIK Titelsprecher Die "Kaiserin" Erzähler Mit dem Tod des bayerischen Kurfürsten wurde im Januar 1745 der Kaisertitel wieder frei. Eigentlich hätte er Maria Theresia gehört, denn die Habsburger stellten schon seit Jahrhunderten den deutschen Kaiser. Aber für das Deutsche Reich galt die Pragmatische Sanktion nicht, hier war es unmöglich, dass eine Frau die Kaiserkrone erhalten konnte. Daher wurde Maria Theresias Ehemann Franz Stephan im Oktober 1745 zum Kaiser gekrönt. "Kaiserin" war Maria Theresia fortan nur als Ehefrau des Kaisers. MUSIK Titelsprecher Reformen Erzähler Nicht nur die Armee musste reformiert werden, Maria Theresia stand vor der Aufgabe, Verwaltung, Wirtschaft, Justiz und das Bildungswesen ihres Landes zu erneuern. Sie begann mit einer Heeresreform, denn die Schlesischen Kriege hatten gezeigt, dass die österreichische Armee im europäischen Vergleich nicht bestehen konnte, oder, wie ein Bonmot aus späterer Zeit lautete: Zitator „Österreich hinkt immer nach, um eine Idee oder ein Jahr oder eine Armee.“ 5 O-Ton Vocelka5 „Einerseits waren die Reformen in der Monarchie notwendig. (…). Schlesien ging im 1. Schlesischen Krieg an Preußen verloren (…) und innerhalb kürzester Zeit hat sich herausgestellt, dass Preußen imstande war, mehr Steuern aus diesem Schlesien herauszuwirtschaften, als das die Habsburger Monarchie davor gekonnt hat und das hat gezeigt, dass hier dringende Reformen des Systems notwendig sind. Dort beginnt's auch mit der Steuerpolitik, man hat versucht, die adeligen Stände zu entmachten und die Steuerpolitik ganz zu einer Aufgabe des Staates zu machen. Das zieht viele andere Reformen nach sich. Im Wesentlichen (…) kommt es zu einer Zentralisierung der Verwaltung, der Versuch die Verwaltung in unterschiedlichen Schichten aufzubauen, d.h. bis in die untere Ebene hinein, bis in die Kreisebene hinein gab es eben dann Kreisämter, die sowohl Einfluss auf die Politik des Kreises nahmen, aber auch nach Wien berichteten, also auch diesen Zentralismus verstärkt haben.“ Erzähler Im Gegensatz zu anderen Großmächten war Österreich ein Vielvölkerstaat. Die verschiedenen Länder, die er vereinigte, hatten unterschiedliche Sprachen, Gesellschaftsordnungen, Rechtssysteme und auch unterschiedliche Armeen und Militärausbildungen. Dies alles galt es anzugleichen. 6 O-Ton Vocelka5 „Es gab Reformbedarf in vieler Hinsicht, etwa eine Frage, die in ganz Europa zu diesem Zeitpunkt diskutiert wurde, war die allgemeine Verpflichtung zum Unterricht, also in Österreich gibt’s keine Schulpflicht bis heute, sondern eine Unterrichtspflicht, die Maria Theresia eingeführt hat. Aber auch in vielen anderen Bereichen gab es Reformansätze, die im Geist der Zeit lagen. Es ist letztlich eine Zeit, in der Gedanken der Aufklärung eine Rolle spielen, selbst wenn Maria Theresia nicht als aufgeklärte Monarchin zu bezeichnen ist, so ist doch ihr Umkreis sehr stark von diesem Reformgeist der Aufklärung beeinflusst gewesen.“ MUSIK Titelsprecher. Die alten Werte oder: MARIA THERESIA „Nichts ist so nützlich und heilsam wie die Religion.“ Erzähler Obwohl Maria Theresia viele Reformen auf den Weg brachte und durchaus einen pragmatischen Modernismus pflegte, hielt sie konservative Werte sehr hoch. Als tiefgläubige Katholikin besuchte sie regelmäßig die Messe, unterzog sich Exerzitien und hielt die Fasttage ein. Als Herrscherin und Mutter versuchte sie ihre Landeskinder und ihre eigenen Kinder vor schädlichen Einflüssen zu bewahren. Vor aufklärerischen Gedanken zum Beispiel. Eine Zensurbehörde hatte Schriften zu verbieten, die die katholische Religion oder die gesellschaftliche Ordnung in Frage stellten. Laster und Unmoral ihrer Untertanen versuchte Maria Theresia mit teilweise drastischen Mitteln zu bekämpfen: eine Keuschheitskommission sollte dafür sorgen, dass Prostituierte von den Straßen verschwanden und bestraft wurden. Auch die Freier - oft verheiratete und angesehene Mitglieder der besten Gesellschaft - sollten überwacht werden. Das Gut der Ehe war eines der höchsten für Maria Theresia, sie war glücklich mit Franz Stephan verheiratet und hielt ihm selbstverständlich lebenslang die Treue. 7 O-Ton Vocelka4 „Er hingegen hat durchaus auch andere Abenteuer gehabt und böse Zungen haben behauptet, schon Zeitgenossen haben behauptet, dass Maria Theresias Einrichtung der Keuschheitskommission nicht zuletzt ein Überwachungsmechanismus für ihren untreuen Gemahl gewesen sein könnte.“ MUSIK Titelsprecher Der Tod des Kaisers: MARIA THERESIA „Ich lebe dahin wie ein Tier, habe kein Gefühl und keine Vernunft, ich vergesse alles.“ Erzähler 1765 erlag Kaiser Franz Stephan in Innsbruck einem Herzinfarkt. MARIA THERESIA „Kaiser Franciscus mein Gemahl hat gelebt 56 Jahr, 8 Monat, 10 täge, ist den 18 augusti 1765 gestorben halbe 10 Uhr Abends.“ Erzähler Maria Theresias Witwenschaft sollte fünfzehn Jahre dauern. Sie litt. Doch ihr Pflichtgefühl verbot es ihr, sich ganz von der Regierung zurückzuziehen. Ihr Sohn wurde nach dem Tod seines Vaters zum neuen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt und von Maria Theresia zu ihrem Mitregenten ernannt. MUSIK Titelsprecher Mutter und Sohn oder: MARIA THERESIA „Es ist fürwahr ein großes Unglück, mit dem besten Willen verstehen wir uns nicht.“ 8 O-Ton Vocelka6 „Joseph II. war von all den Herrschern des 18. Jahrhunderts ganz sicher der am weitesten mit dem Gedankengut der Aufklärung vertraute, und auch das Gedankengut der Aufklärung umsetzende. Die zwei Kernfragen der Aufklärung hat ja Maria Theresia schon unter dem Einfluss ihres Sohnes gelöst, nämlich die Frage der Abschaffung der Folter. Und auf der anderen Seite der zweite große Diskurs war die religiöse Toleranz. Die ist erst unter Joseph II. zustande gekommen. Maria Theresia war religiös sehr intolerant als sehr eifrige Katholikin. Die Zusammenarbeit von Mutter und Sohn hat natürlich nicht sehr gut geklappt. Die beiden waren grundverschieden von ihrer Zugangs¬weise zu den Dingen und es gab einen heftigen Generationenkonflikt, (…) weil Joseph II. in vieler Hinsicht sehr viel radikaler die Gedanken der Aufklärung vertreten hat, als das seine Mutter je gekonnt hat.“ Erzähler Ihre Vorstellungen in politischen und gesellschaftlichen Fragen klafften weit auseinander, und der Versuch Übereinstimmungen zu finden, zermürbte beide. MARIA THERESIA „Ich bin so unglücklich, den Kaiser meistens nicht von meinen Absichten überzeugen zu können. Er hat sehr oft andere: das bringt viel Nachteil für die Geschäfte mit sich und macht mir das Leben unerträglich.“ MUSIK Titelsprecher Das Ende oder: MARIA THERESIA „Ich kann mich nicht beklagen: der Mensch muss aufhören.“ Erzähler Nach all' den Schwangerschaften und Geburten, den Sorgen um ihr Land und der schwierigen Regentschaft mit ihrem Sohn war Maria Theresia im Laufe der Jahre müde und krank geworden; sie war sehr korpulent, kurzatmig und fast blind. Am 29. November 1780 starb sie im Alter von 63 Jahren. 9 O-Ton Vocelka14 „Bei den Österreichern hat es ganz sicherlich einen bis heute prägenden Eindruck hinterlassen, man spricht von der Maria-Theresianischen Epoche. Maria Theresia ist eine der beliebtesten Persönlichkeiten auch heute noch, wenn man Österreicher befragt, fast gleichauf mit Leuten wie Mozart. Und zweifellos hat ihre Epoche, die eine Epoche der Modernisierung des Staates ist, wo es einen erheblichen Modernisierungsschub gegeben hat, wo eine Verwaltung geschaffen wurde, die grundlegend bis zum Ende der Monarchie bestanden hat und in manchen Elementen darüber hinaus ihre Wirkung gehabt hat, hat eine ganz große Vorbildrolle gespielt und ist eine ganz eine wichtige Epoche zumindest für die Geschichte der Habsburger Monarchie und die österreichische Geschichte.“

Maria Theresia schaffte die Folter ab, führte die allgemeine Schulpflicht ein, und reformierte die Verwaltung. Das hätte der 23-Jährigen bei "Amtsantritt" als Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen niemand zugetraut. Bis heute gehört sie zu den erstaunlichsten Gestalten der Ära des Absolutismus. Von Mira Alexandra Schnoor (BR 2011/2020) Credits Autorin: Mira Alexandra Schnoor Regie: Martin Trauner Es sprachen: Axel Wostry, Aglaia Szyszkowitz, Heiko Ruprecht, Heinz Peter Technik: Angelika Vetter-Wagner Redaktion: Brigitte Reimer Im Interview: Prof. Dr. Karl Vocelka (war bis 2012 Leiter des Instituts für Geschichte der Universität Wien, inzwischen ist er außerordentlicher Professor für Österreichische Geschichte der Universität Wien im Ruhestand) Besonderer Linktipp der Redaktion: COSMO: Lost Sheroes Der mächtigste Pirat aller Zeiten? Eine Frau. Der erste Autor der Menschheit? Eine Frau. In diesem Podcast stellt euch die Schauspielerin Milena Straube immer eine Frau vor, die Großes geleistet hat, die Vorkämpferin, Pionierin, Role Model war. Ihr hört die spannenden Lebensgeschichten unbeachteter Heldinnen. Aus allen Zeiten, aus allen Ländern, aus allen Schichten ZUM PODCAST [https://www.ardaudiothek.de/sendung/lost-sheroes-frauen-die-in-den-geschichtsbuechern-fehlen/10778165/] Linktipps WDR (2020): Franz I. – Ehemann von Maria Theresia Maria Theresia von Österreich war 23, als sie in Wien an die Macht kam. Ihr Vater hatte ihr bewusst einen Mann ausgesucht, der nicht besonders mächtig war: Franz, Herzog von Lothringen. Was im Barock selten vorkam: das Brautpaar kannte sich bereits zuvor und beide liebten einander ein Leben lang. JETZT ANHÖREN [https://www.ardaudiothek.de/episode/wdr-zeitzeichen/franz-i-ehemann-von-maria-theresia-todestag-18-08-1765/wdr-5/79211604/] Deutschlandfunk Nova (2019): Warum Maria Theresia zum Mann erklärt werden musste Frauen an der Macht sind heute keine Seltenheit mehr. Auch wenn sich viele darüber beklagen, dass dies bei weitem noch nicht oft genug der Fall sei. Die Habsburgerin Maria Theresia war die erste Frau auf dem Thron, die sich in Österreich gegen heftige Widerstände behaupten musste. Die Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger distanziert sich in ihrem Vortrag dennoch von Feministinnen, die Maria Theresia noch heute als Ideal der Weiblichkeit loben. JETZT ANHÖREN [https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/frauen-in-der-politik-unvollkommene-varianten-der-maenner] Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte: DAS KALENDERBLATT [https://www.ardaudiothek.de/sendung/das-kalenderblatt/5949906/]erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN [https://www.ardaudiothek.de/sendung/radiowissen/5945518/]. Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de. Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek: ARD Audiothek | Alles Geschichte JETZT ENTDECKEN [https://www.ardaudiothek.de/sendung/alles-geschichte-history-von-radiowissen/82362084/] Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: Titelsprecher: Prolog. MUSIK Erzähler Am 13. Mai 1717 wird dem österreichischen Kaiser Karl VI. und seiner Gemahlin Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel eine Tochter geboren, Maria Theresia. 'Nur' ein Mädchen - die Eltern wünschen sich einen männlichen Thronfolger, doch auf Maria Theresia folgen zwei weitere Töchter. Bereits vier Jahre zuvor hatte Kaiser Karl VI. die Thronnachfolge neu geregelt. Das salische Recht, wonach ausschließlich ein männlicher Nachkomme den Thron erben konnte, wurde außer Kraft gesetzt. Die neue Vereinbarung, die Pragmatische Sanktion, bestimmte, dass im Fall des Aussterbens der männlichen Linie der Habsburger die Tochter des letzten Throninhabers zur Herrscherin werden solle und nicht etwa angeheiratete männliche Verwandte. So vorausschauend der Kaiser in dieser Hinsicht handelte, so nachlässig war er bei der Erziehung. Die älteste Tochter erhielt keine Ausbildung, die sie darauf vorbereitet hätte, einmal Regentin einer Großmacht zu werden. Die junge Prinzessin tanzte gern, machte Musik und führte ein geborgenes Leben in ihrer Familie. Sie war übrigens recht hübsch, wie der preußische Gesandte Graf Podewils feststellte: Zitator „Ihr Gesichtsausdruck ist offen und heiter, ihre Anrede freundlich und anmutig. Man kann nicht leugnen, daß sie eine schöne Person ist.“ MUSIK Erzähler 1736 heiratete Maria Theresia den neun Jahre älteren Herzog Franz Stephan von Lothringen, den sie schon seit ihrer Kindheit kannte. Es war, äußerst ungewöhnlich in den Kreisen des Hochadels, eine Liebesbeziehung. Bis zum Tod Franz Stephans im Jahr 1765 waren die beiden 29 Jahre verheiratet oder, wie Maria Theresia berechnete: MARIA THERESIA „Mein glücklicher Ehestand währte Jahr 29, Monat 335, Wochen 1.540, Tage 10.781, Stunden 258.744.“ MUSIK Titelsprecher Eine Frau auf Habsburgs Thron Erzähler 1740 starb Kaiser Karl VI., Maria Theresia wurde zur Herrscherin über viele, unterschiedliche Länder. MARIA THERESIA „Königin zu Ungarn, Böhmen, Dalmatien, Kroatien, Slowenien. Erzherzogin zu Österreich, Herzogin zu Steyer, Kärnten und Krain, Schlesien, Brabant, Limburg, Luxemburg, Mailand, Mantua, Parma, Piacenza. Markgräfin zu Mähren. Fürstin zu Siebenbürgen. Gefürstete Gräfin zu Tirol und Flandern. Markgräfin des heiligen Römischen Reiches zu Burgau.“ Erzähler Dass sie den Thron tatsächlich besteigen konnte, schien zunächst alles andere als selbstverständlich, Maria Theresia musste damit rechnen, auf viel Widerstand zu stoßen, sowohl bei den Regenten des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, als auch bei den Untertanen ihrer vielen Länder. Einigermaßen verblüfft konstatierte der venezianische Gesandte in Wien, dass die neue Herrscherin schnell allgemein anerkannt wurde. Zitator "Aus den Provinzen kommen täglich Berichte von der geleisteten Huldigung, alles vollzieht sich in bewunderungswürdiger und gleichsam unerwarteter Harmonie." Erzähler Das Erbe, das sie antrat, war kein glanzvolles. Sowohl die Armee als auch Wirtschaft und Verwaltung ihrer Länder waren marode. MARIA THERESIA „Niemand glaube (ich) werde widersprechen, dass ein gekröntes Haupt in schwerer- und misslicheren Umständen seine Regierung als ich angetreten habe.“ Erzähler Doch die erst 23 Jahre junge Frau ließ sich nicht entmutigen. Sie machte sich sofort daran, eine der prägenden europäischen Herrscher des 18. Jahrhunderts zu werden und ihr Land durch Reformen voranzubringen. Der Historiker Karl Vocelka, Leiter des Instituts für Geschichte der Universität Wien: 1 O-Ton Vocelka1 „Was sie charakterisiert hat ist, dass sie als Frau in eine Männerrolle schlüpfen musste, zur Herrschaft gelangt ist, ohne große Vorbereitung. Ihr Vater hat, obwohl er wusste, dass sie seine Nachfolgerin wird (…) sie dennoch nicht vorbereitet auf diesen Job, auf diese Funktion…“ MUSIK MARIA THERESIA „(Ich habe) die zu Beherrschung so weitschichtiger und verteilter Länder erforderliche Erfahr- und Kenntnüs um so weniger besitzen können, als meinem Herrn Vattern niemals gefällig war, mich zur Erledigung weder der auswärtigen noch inneren Geschäfte beizuziehen noch zu informieren.“ 2 O-Ton Vocelka „… und sie hat sich eigentlich mit Hilfe vieler Berater natürlich sehr gut geschlagen auf diesem Gebiet.“ MARIA THERESIA „Das bisschen Ruhm, das ich mir in der Welt erworben habe, schulde ich der guten Wahl meiner Vertrauten. Ich habe das Glück gehabt, verdienstvolle und rechtschaffene Leute zu finden.“ Erzähler Bei aller Bescheidenheit: Maria Theresia war zum Herrschen geboren. Noch einmal der venezianische Gesandte: Zitator „Sie ist in der Tat nach allgemeinem Urteil so, dass man niemand anderen als sie zur Bewahrung des Erbes des Hauses Habsburg auswählen würde, wenn man die Möglichkeit hätte, frei die Erbin in der ganzen Welt zu suchen.“ MUSIK Titelsprecher Kindersegen oder: MARIA THERESIA „Man kann nicht genug davon haben, in diesem Punkt bin ich unersättlich.“ Erzähler Bereits ein Jahr nach der Hochzeit brachte Maria Theresia ihr erstes Kind zur Welt, die Tochter Maria Elisabeth, die im Alter von drei Jahren starb. Eineinhalb Jahre später, im Oktober 1738, kam Maria Anna, und im Januar 1740 folgte eine weitere Tochter, die aber nur ein Jahr alt wurde. Am 13. März 1741 dann endlich der ersehnte Thronfolger, Joseph. Zwischen 1737 und 1756 gebar Maria Theresia 16 Kinder, das macht in 19 Jahren 16 Schwangerschaften und Geburten. Sechs ihrer Kinder starben im Kindes- oder Teenager-Alter. Die übrigen zehn überlebten ihre Mutter. Die physische Leistung, die Maria Theresia erbrachte, ist kaum vorstellbar. Neben den zahlreichen Schwangerschaften und Geburten musste sie schließlich einen kriegsgeschüttelten Vielvölkerstaat regieren. MUSIK Titelsprecher Arbeiten oder: MARIA THERESIA „Wir leben in dieser Welt, um unseren Mitmenschen Gutes zu tun, denn wir sind nicht für uns selbst da oder gar nur, um uns zu amüsieren.“ Erzähler Maria Theresias Einstellung zur Arbeit war vorbildlich. Sie stand um halb sechs Uhr in der Früh auf und ging zur Messe. Um halb acht Uhr begann sie mit der Arbeit: sie las Akten oder ließ sie sich vorlesen, und empfing ihre Sekretäre und Minister zum Referat. Das dauerte bis zwölf Uhr mittags. Am Nachmittag dann: MARIA THERESIA „4 uhr bis 6 uhr expedirn, schreiben, audienzen.“ Erzähler Der preußische Gesandte Podewils berichtete an seinen König: Zitator „Sie beschäftigt sich viel mit ihren Staatsangelegenheiten und bemüht sich, genaue Kenntnis von ihnen zu bekommen. Sie liest die meisten Berichte ihrer Gesandten, prüft die Entwürfe der Schriftstücke, unterhält sich oft mit ihren Ministern und wohnt den Konferenzen bei, die über Staatsgeschäfte von irgendwelcher Bedeutung abgehalten werden.“ MUSIK Titelsprecher Militärisches oder: MARIA THERESIA „Was für ein abscheuliches Geschäft ist doch der Krieg; er ist gegen die Menschlichkeit und gegen das Glück.“ Erzähler Die junge Königin saß kaum auf ihrem Thron, da begann Friedrich von Preußen einen Krieg. Der König, nur ein paar Monate vor Maria Theresia gekrönt, nutzte die Gunst der Stunde, denn die Habsburger Herrscherin stand ohne schlagkräftige Armee da - ihr Vater hatte es unterlassen, das Armeewesen zu reformieren. MARIA THERESIA „Die ihren Feinden so förchterlich ehedessen geweste kaiserliche Truppen, die für die erste in Europa gehalten wurden, verloren bei Freund- und Feinden den größten Teil ihres Ansehens.“ Erzähler Friedrich II. warf einen begehrlichen Blick auf das reiche Schlesien. Was ihn antrieb, aus dem Nichts einen Krieg zu beginnen, beschrieb er selbst so: Zitator „Beim Tod meines Vaters fand ich ganz Europa in Frieden. (Ich) war im Besitz schlagfertiger Truppen, eines gut gefüllten Staatsschatzes und von lebhaftem Temperament; das waren die Gründe, die mich zum Kriege mit Therese von Österreich, Königin von Böhmen und Ungarn, bewogen. Der Ehrgeiz, mein Vorteil, der Wunsch, mir einen Namen zu machen, gaben den Ausschlag und der Krieg ward beschlossen.“ Erzähler Also wurden tausende Soldaten in Marsch gesetzt, ein verlustreicher Krieg begann, in dem es hauptsächlich um Eitelkeiten, Gier und Machtansprüche ging. Im Dezember 1740 fiel der preußische König in Schlesien ein – der österreichische Erbfolgekrieg hatte begonnen. Er dauerte insgesamt acht Jahre, sämtliche europäischen Mächte waren mehr oder weniger involviert, gekämpft wurde auf verschiedenen Schauplätzen in Europa, Bündnisse wurden geschlossen und sofort wieder gebrochen, wenn es der eigene Vorteil gebot. Aus seiner Position der Stärke heraus verlangte Friedrich II., dass man ihm das besetzte Schlesien offiziell überlasse. Als notorischer Frauenfeind dachte er anscheinend, die junge, unerfahrene Königin mit seinem rechtswidrigen Verhalten und der Stärke seiner Armee einschüchtern zu können. Doch Maria Theresia widersetzte sich und ließ ihrem Widersacher mitteilen: Maria Theresia „Die Königin hat nicht die Absicht, ihre Regierung mit der Zerstückelung ihrer Staaten zu beginnen. (…) Sie (kann) weder einer Gesamt- noch einer Teilabtretung Schlesiens zustimmen.“ Erzähler Auf Maria Theresias Seite standen England, als Erzfeind Frankreichs, Russland, und der unsichere Kantonist Sachsen, während sich Preußen mit Frankreich, Bayern und Spanien verbündete. Der österreichische Erbfolgekrieg ist ein verwirrendes Hin und Her, bei dem Maria Theresia nicht nur gegen Preußen und Frankreich, sondern auch gegen den bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht kämpfen musste. Dieser hatte die Pragmatische Sanktion nicht anerkannt, und erhob Ansprüche auf einige Länder des Habsburger Reiches, da er mit einer Cousine Maria Theresias verheiratet war. Oberösterreich und Böhmen wollte er sich gemeinsam mit den Franzosen erkämpfen. Doch das misslang. Einen Erfolg konnte Karl Albrecht allerdings verbuchen: im Februar 1742 wurde er in Frankfurt zum deutschen Kaiser gekrönt. Als er drei Jahre später starb, änderte sich die Lage. Sein Sohn, Kurfürst Max III. Joseph schloss Frieden mit Maria Theresia und versprach, die Wahl ihres Mannes, Franz Stephan zum deutschen Kaiser zu unterstützen. Die Gefahr aus Bayern war Maria Theresia nun los, nicht aber die aus Preußen, und der Krieg ging weiter. Friedrich II. blieb Maria Theresias lebenslanger Feind. 3 O-Ton Vocelka7 „Maria Theresia hat Friedrich von Preußen gehasst. Sie nennt ihn Scheusal und Bestie, sie hat ihn zutiefst verabscheut und gehasst. (…) Man hat (…) diese Abneigung verstehen können, weil ja in letzter Instanz der Beginn der ganzen Auseinandersetzung, die dann mit den beiden Schlesischen Kriegen und dem österreichischen Erbfolgekrieg 8 Jahre der Herrschaft Maria Theresias ausfüllen, natürlich durch diesen "räuberischen Überfall" Friedrichs von Preußen auf Schlesien ihren Anfang genommen hat.“ MUSIK Erzähler Acht Jahre Krieg. Nachdem der Erbfolgekrieg im Oktober 1748 mit dem Frieden von Aachen beendet wurde, blieben Maria Theresia nur acht friedliche Jahre, bis es 1756 mit dem siebenjährigen Krieg wieder los ging. 4 O-Ton Vocelka12 „Sie hat den Krieg im Prinzip grundsätzlich abgelehnt, aber hat keine großen Alternativen gehabt, als Kriege zu führen, (…) Sie war keine große Kriegsheldin in dem Sinne, dass sie eine Freude am Krieg hatte, sondern sie hat den Krieg als ein notwendiges Übel der Politik der damaligen Zeit betrachtet.“ MUSIK Titelsprecher Die "Kaiserin" Erzähler Mit dem Tod des bayerischen Kurfürsten wurde im Januar 1745 der Kaisertitel wieder frei. Eigentlich hätte er Maria Theresia gehört, denn die Habsburger stellten schon seit Jahrhunderten den deutschen Kaiser. Aber für das Deutsche Reich galt die Pragmatische Sanktion nicht, hier war es unmöglich, dass eine Frau die Kaiserkrone erhalten konnte. Daher wurde Maria Theresias Ehemann Franz Stephan im Oktober 1745 zum Kaiser gekrönt. "Kaiserin" war Maria Theresia fortan nur als Ehefrau des Kaisers. MUSIK Titelsprecher Reformen Erzähler Nicht nur die Armee musste reformiert werden, Maria Theresia stand vor der Aufgabe, Verwaltung, Wirtschaft, Justiz und das Bildungswesen ihres Landes zu erneuern. Sie begann mit einer Heeresreform, denn die Schlesischen Kriege hatten gezeigt, dass die österreichische Armee im europäischen Vergleich nicht bestehen konnte, oder, wie ein Bonmot aus späterer Zeit lautete: Zitator „Österreich hinkt immer nach, um eine Idee oder ein Jahr oder eine Armee.“ 5 O-Ton Vocelka5 „Einerseits waren die Reformen in der Monarchie notwendig. (…). Schlesien ging im 1. Schlesischen Krieg an Preußen verloren (…) und innerhalb kürzester Zeit hat sich herausgestellt, dass Preußen imstande war, mehr Steuern aus diesem Schlesien herauszuwirtschaften, als das die Habsburger Monarchie davor gekonnt hat und das hat gezeigt, dass hier dringende Reformen des Systems notwendig sind. Dort beginnt's auch mit der Steuerpolitik, man hat versucht, die adeligen Stände zu entmachten und die Steuerpolitik ganz zu einer Aufgabe des Staates zu machen. Das zieht viele andere Reformen nach sich. Im Wesentlichen (…) kommt es zu einer Zentralisierung der Verwaltung, der Versuch die Verwaltung in unterschiedlichen Schichten aufzubauen, d.h. bis in die untere Ebene hinein, bis in die Kreisebene hinein gab es eben dann Kreisämter, die sowohl Einfluss auf die Politik des Kreises nahmen, aber auch nach Wien berichteten, also auch diesen Zentralismus verstärkt haben.“ Erzähler Im Gegensatz zu anderen Großmächten war Österreich ein Vielvölkerstaat. Die verschiedenen Länder, die er vereinigte, hatten unterschiedliche Sprachen, Gesellschaftsordnungen, Rechtssysteme und auch unterschiedliche Armeen und Militärausbildungen. Dies alles galt es anzugleichen. 6 O-Ton Vocelka5 „Es gab Reformbedarf in vieler Hinsicht, etwa eine Frage, die in ganz Europa zu diesem Zeitpunkt diskutiert wurde, war die allgemeine Verpflichtung zum Unterricht, also in Österreich gibt’s keine Schulpflicht bis heute, sondern eine Unterrichtspflicht, die Maria Theresia eingeführt hat. Aber auch in vielen anderen Bereichen gab es Reformansätze, die im Geist der Zeit lagen. Es ist letztlich eine Zeit, in der Gedanken der Aufklärung eine Rolle spielen, selbst wenn Maria Theresia nicht als aufgeklärte Monarchin zu bezeichnen ist, so ist doch ihr Umkreis sehr stark von diesem Reformgeist der Aufklärung beeinflusst gewesen.“ MUSIK Titelsprecher. Die alten Werte oder: MARIA THERESIA „Nichts ist so nützlich und heilsam wie die Religion.“ Erzähler Obwohl Maria Theresia viele Reformen auf den Weg brachte und durchaus einen pragmatischen Modernismus pflegte, hielt sie konservative Werte sehr hoch. Als tiefgläubige Katholikin besuchte sie regelmäßig die Messe, unterzog sich Exerzitien und hielt die Fasttage ein. Als Herrscherin und Mutter versuchte sie ihre Landeskinder und ihre eigenen Kinder vor schädlichen Einflüssen zu bewahren. Vor aufklärerischen Gedanken zum Beispiel. Eine Zensurbehörde hatte Schriften zu verbieten, die die katholische Religion oder die gesellschaftliche Ordnung in Frage stellten. Laster und Unmoral ihrer Untertanen versuchte Maria Theresia mit teilweise drastischen Mitteln zu bekämpfen: eine Keuschheitskommission sollte dafür sorgen, dass Prostituierte von den Straßen verschwanden und bestraft wurden. Auch die Freier - oft verheiratete und angesehene Mitglieder der besten Gesellschaft - sollten überwacht werden. Das Gut der Ehe war eines der höchsten für Maria Theresia, sie war glücklich mit Franz Stephan verheiratet und hielt ihm selbstverständlich lebenslang die Treue. 7 O-Ton Vocelka4 „Er hingegen hat durchaus auch andere Abenteuer gehabt und böse Zungen haben behauptet, schon Zeitgenossen haben behauptet, dass Maria Theresias Einrichtung der Keuschheitskommission nicht zuletzt ein Überwachungsmechanismus für ihren untreuen Gemahl gewesen sein könnte.“ MUSIK Titelsprecher Der Tod des Kaisers: MARIA THERESIA „Ich lebe dahin wie ein Tier, habe kein Gefühl und keine Vernunft, ich vergesse alles.“ Erzähler 1765 erlag Kaiser Franz Stephan in Innsbruck einem Herzinfarkt. MARIA THERESIA „Kaiser Franciscus mein Gemahl hat gelebt 56 Jahr, 8 Monat, 10 täge, ist den 18 augusti 1765 gestorben halbe 10 Uhr Abends.“ Erzähler Maria Theresias Witwenschaft sollte fünfzehn Jahre dauern. Sie litt. Doch ihr Pflichtgefühl verbot es ihr, sich ganz von der Regierung zurückzuziehen. Ihr Sohn wurde nach dem Tod seines Vaters zum neuen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt und von Maria Theresia zu ihrem Mitregenten ernannt. MUSIK Titelsprecher Mutter und Sohn oder: MARIA THERESIA „Es ist fürwahr ein großes Unglück, mit dem besten Willen verstehen wir uns nicht.“ 8 O-Ton Vocelka6 „Joseph II. war von all den Herrschern des 18. Jahrhunderts ganz sicher der am weitesten mit dem Gedankengut der Aufklärung vertraute, und auch das Gedankengut der Aufklärung umsetzende. Die zwei Kernfragen der Aufklärung hat ja Maria Theresia schon unter dem Einfluss ihres Sohnes gelöst, nämlich die Frage der Abschaffung der Folter. Und auf der anderen Seite der zweite große Diskurs war die religiöse Toleranz. Die ist erst unter Joseph II. zustande gekommen. Maria Theresia war religiös sehr intolerant als sehr eifrige Katholikin. Die Zusammenarbeit von Mutter und Sohn hat natürlich nicht sehr gut geklappt. Die beiden waren grundverschieden von ihrer Zugangs¬weise zu den Dingen und es gab einen heftigen Generationenkonflikt, (…) weil Joseph II. in vieler Hinsicht sehr viel radikaler die Gedanken der Aufklärung vertreten hat, als das seine Mutter je gekonnt hat.“ Erzähler Ihre Vorstellungen in politischen und gesellschaftlichen Fragen klafften weit auseinander, und der Versuch Übereinstimmungen zu finden, zermürbte beide. MARIA THERESIA „Ich bin so unglücklich, den Kaiser meistens nicht von meinen Absichten überzeugen zu können. Er hat sehr oft andere: das bringt viel Nachteil für die Geschäfte mit sich und macht mir das Leben unerträglich.“ MUSIK Titelsprecher Das Ende oder: MARIA THERESIA „Ich kann mich nicht beklagen: der Mensch muss aufhören.“ Erzähler Nach all' den Schwangerschaften und Geburten, den Sorgen um ihr Land und der schwierigen Regentschaft mit ihrem Sohn war Maria Theresia im Laufe der Jahre müde und krank geworden; sie war sehr korpulent, kurzatmig und fast blind. Am 29. November 1780 starb sie im Alter von 63 Jahren. 9 O-Ton Vocelka14 „Bei den Österreichern hat es ganz sicherlich einen bis heute prägenden Eindruck hinterlassen, man spricht von der Maria-Theresianischen Epoche. Maria Theresia ist eine der beliebtesten Persönlichkeiten auch heute noch, wenn man Österreicher befragt, fast gleichauf mit Leuten wie Mozart. Und zweifellos hat ihre Epoche, die eine Epoche der Modernisierung des Staates ist, wo es einen erheblichen Modernisierungsschub gegeben hat, wo eine Verwaltung geschaffen wurde, die grundlegend bis zum Ende der Monarchie bestanden hat und in manchen Elementen darüber hinaus ihre Wirkung gehabt hat, hat eine ganz große Vorbildrolle gespielt und ist eine ganz eine wichtige Epoche zumindest für die Geschichte der Habsburger Monarchie und die österreichische Geschichte.“
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