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episode Deutschlandfunk zum Krieg in Nahost: Radio zum Frösteln artwork
Deutschlandfunk zum Krieg in Nahost: Radio zum Frösteln
Als nimmermüder Radiohörer, der regelmäßig Sender wie beispielsweise den öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk (DLF) einschaltet, hat man es nicht leicht. Wiederholt zum Frösteln brachten mich Beiträge des DLF wie kürzlich nachmittags und am frühen Abend. Darin wurde unter anderem das Geschehen in Nahost besprochen. Sowohl in den Nachrichten als auch in Folgesendungen servierten die Rundfunkmacher neben den schlimmen Neuigkeiten einen meinem Empfinden nach unangenehmen Stil: Radio zum Frieren. Wenigstens eine Kommentatorin erwärmte mit einer emotionalen Aussage. Ein Zwischenruf von Frank Blenz. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Die wirklich wichtige Nachricht kommt später Diese Woche Dienstag, 17.30 Uhr. Zeit zum Radio hören. Deutschlandfunk-Nachrichten. Es ist als Erstes zu erfahren, dass die israelische Armee nach eigenen Angaben weitere Luftangriffe gegen den Libanon geflogen habe. Auch dürfe man der Hisbollah keine Pause gewähren, darum würden die Luftangriffe fortgesetzt. Das libanesische Gesundheitsministerium meldet, dass 560 Menschen getötet worden seien. In der späteren Druckversion der DLF-Nachricht heißt es unter anderem weiter: > Straßen sind Berichten zufolge verstopft, Krankenhäuser überfüllt, es herrscht Panik. – Israel rief wie schon am Vortag die Bürger im Südlibanon zur Flucht auf, falls sie in der Nähe von Raketenabschussrampen oder Waffenlagern der Hisbollah wohnten. Israels Generalstabschef Halevi kündigte eine weitere Verschärfung der Angriffe an. (…) Mehr als 1.800 Menschen seien verletzt worden. – Die Hisbollah feuerte ihrerseits wieder zahlreiche Raketen auf Israel. Ein Kommandeur einer Raketeneinheit der Hisbollah wurde nach Angaben der israelischen Armee heute bei einem Angriff auf einen Vorort von Beirut getötet. Das libanesische Gesundheitsministerium meldete, dabei seien mindestens sechs Menschen getötet worden. Auf das obige Grauen folgt dann die für mich eigentlich wichtigste Nachricht – die von einer Anklage, einer Forderung, die der UN-Generalsekretär Antonio Guterres formuliert: > UNO-Generalsekretär Guterres sagte in seiner Eröffnungsrede der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York: Der Libanon stehe am Rand eines Abgrunds. Die Menschen in der Region und in der ganzen Welt könnten sich nicht leisten, dass das Land zu einem zweiten Gaza werde. > (Quelle: DLF [https://www.deutschlandfunk.de/programm?drsearch:date=2024-09-24]) Ich frage mich, warum so wenig (wie die Aussage des UN-Chefs) darüber im Radio zu hören ist, wie der Krieg im Nahen Osten beendet werden könnte, ja, dass er beendet werden muss. Warum stellt man die Rede des UN-Generalsekretärs nicht an den Anfang der Nachrichten? Stattdessen: Kalt und unbeeindruckt folgen Nachrichten auf Nachrichten, Zahlen von Toten, Verletzten, Statistiken von Angriffen. Für mich ist dieses lapidare Durchsagen des ganzen Unglücks Zeichen dafür, dass die Medienmacher sich nicht betroffen fühlen, dass sie wenig nach Wegen, auch mittels publizistischer Arbeit, suchen, sich dem Elend, dem Versagen, dem ungenierten Treiben der Kriegstreiber, der etablierten politischen Klasse wo auch immer entgegenzustellen. Warum hören sich deutsche Nachrichten an, als wären diese ganzen sinnlosen Kriege schon irgendwie durchdacht und berechtigt und halt eine Art Naturgewalt? Diplomatie das Einzige – klar, aber warum tut sich die ganze Zeit nichts? Den DLF-Nachrichten folgt die Sendung „Information am Abend“. Themen sind unter anderem der Libanon und der Nahe Osten sowie die letzte Rede von US-Präsident Biden vor der UN. Biden ist zu hören: Diplomatie sei der einzige Weg zu dauerhafter Sicherheit, die es den Menschen im Norden Israels und im Süden Libanons ermögliche, sicher in ihre Häuser zurückzukehren. Es hört sich für mich unglaubwürdig an, wenn der US-Präsident solche Worte in den Mund nimmt, wo doch weltweit ein ganz anderes Denken und Handeln made in USA zu erleben ist. Doch der Beitrag aus New York in den „Informationen am Abend“ klingt nicht danach, diesen Widerspruch offenzulegen, er ist Produkt einer Gefolgschaft. Ich als Hörer werde in Kenntnis gesetzt: Biden zählt vor der UN die Herausforderungen und Krisen auf, mit denen die Welt in der Gegenwart konfrontiert sei, darunter die Zerrissenheit der eigenen amerikanischen Gesellschaft, die Bedrohungen der Demokratien, Kriege, Epidemien und künstliche Intelligenz. Voll von Selbstlob meint er: Seine ganze Erfahrung diente ihm als Beleg dafür, dass Fortschritt und Verbesserung der Lebensverhältnisse möglich seien. Biden beweihräuchert sich die ganze weitere Rede hindurch und zählt seine Errungenschaften auf. Biden erinnert an Vietnam und Afghanistan, diese hätten ihm gezeigt, dass Fortschritt möglich sei … Welche Fortschritte? Dass die USA diese Länder verlassen mussten? Der Berichterstatter des DLF winkt das alles durch. Immerhin: Biden erinnert auch – sieh mal an – an die Not der Palästinenser … Irgendwie klingt das zynisch … Der US-Präsident erwähnte die Möglichkeit von Fortschritt und der Verbesserung der Lebensverhältnisse. Warum beließ er es bei der Möglichkeit, ist er doch der mächtigste Mann der Welt? Ein kaltes Telefonat mit dem Korrespondenten aus dem Nahen Osten Der nächste Beitrag, ein Telefonat gen Nahost, wird vom Radiosprecher Thielko Grieß anmoderiert. Mir ist nicht wohl dabei, was Grieß da vom Stapel lässt, dass er vom Sichtbarwerden einer Strategie spricht. Wie kann man darauf kommen, davon zu sprechen, einen Krieg mal eben so „herunterzufahren“? > Es wird eine Strategie sichtbar, Schritte, die aufeinander folgen. Israel hat erst seinen Krieg im Gazastreifen heruntergefahren. Mutmaßlich Israel ließ dann Kommunikationsgeräte in Händen und Hosentaschen von Hisbollah-Mitgliedern explodieren, auch Zivilisten kamen ums Leben. Dann begann Israel Luftangriffe auf Hisbollah-Stellungen im Libanon. Wieder wird der Tod von Zivilisten in Kauf genommen. In diesem Stadium sind wir angekommen, und diese Luftangriffe haben heute auch angehalten. Mit unserem Korrespondenten Moritz Behrend war ich vor zehn Minuten verbunden. Meine erste Frage war, welchen Umfang die Luftangriffe inzwischen erreicht haben. Der Korrespondent Moritz Behrend – in der Leitung – legt los und sagt, dass die israelischen Luftangriffe nicht so massiv wie gestern gewesen seien und es dabei sicher 150 Zivilisten, wenn nicht mehr Opfer gegeben habe. Bei einem Angriff auf Beirut sei die Hisbollah-Größe Ibrahim Gabizi, verantwortlich für Raketensysteme, ausgeschaltet worden. Die israelische Armee veröffentliche diese bebilderten Organigramme mit den Führungsköpfen der Hisbollah, so Behrend weiter. Und da stehe inzwischen bei ganz vielen ein ganz dicker roter Balken mit dem Wort „eliminated“ (ausgeschaltet). Moderator Grieß will wissen: Verlässliche Infos? Behrend antwortet, dass die mit Sicherheit verlässlich seien, im großen Unterschied zu Gaza: Im Libanon seien ja ausländische Medien, die diesen Krieg beobachten können, und im Libanon gäbe es eine sehr vielfältige, sehr kritische Presse. Was bekomme ich als Hörer aber nicht zu hören? Der Fragesteller vermied es konsequent, nachzuhaken, mehr wissen zu wollen. Behrend schwärmte einerseits geradezu davon, dass es im Libanon eine sehr kritische Presse gibt und in Gaza dagegen keine. Was die Presse jedoch Kritisches schreibt, davon erfahre ich als Hörer nichts. Möglicherweise kritisiert sie die Kriegsführung Israels, die fehlenden diplomatischen Bemühungen einer Befriedung und so weiter. DLF-Mann Thielko Grieß will dann noch wissen: Welche Ziele will Israel erreichen? Und Behrend antwortet: Die Hisbollah so zu schwächen, dass sie keine Bedrohung mehr für den Norden Israels sind. Behrend stellt fest, dass die Hisbollah geschwächt sei. Die dramatische Lage erwähnt er kurz: Die Fluchtbewegungen seien chaotisch, Fluchtbewegungen gäbe es innerhalb des Landes und auch gen Syrien. Moderator Grieß: Wie reagieren die Nachbarn? Behrend: Die Libanesen fühlten sich allein gelassen von Nachbarn wie Ägypten und anderen Ländern. Mein Eindruck zu den zwei Gesprächspartnern festigt sich: Da sind zwei, die keine Zweifel am kriegerischen Treiben Israels äußern. (Quelle: DLF [https://www.deutschlandfunk.de/informationen-am-abend-100.html]) Der emotionale Kommentar am Abend Dienstag, 24. September 2024, 19.05 Uhr, Kommentare. Ich höre einen Kommentar von Nina Amin, „Israel und Hisbollah: Auswege aus der Eskalation“. Ich erfahre unter anderem: Der Libanon sei unter schwerem Beschuss. Hisbollah feuere gen Israel, aus Solidarität mit der Hamas in Gaza. Jetzt bombardierte Israel massiv Libanon, mache ganze Landstriche platt. Unter den vielen Opfern seien 90 Frauen, 50 Kinder. „50 Kinder!“, wiederholt die Kommentatorin. Israels Premier Netanjahu habe dem libanesischen Volk versichert, der Krieg richte sich nicht gegen das Volk. Kommentar: „Das ist zynisch.“ Nina Amin fragt schließlich: Wofür? Sie beschreibt das Drama drastisch und klagt: Niemand von außen scheint so richtig helfen zu wollen. Das haben die Menschen im Libanon nicht verdient. (Quelle: DLF [https://www.deutschlandfunk.de/kommentar-zu-israel-und-hisbollah-auswege-aus-der-eskalation-dlf-da450e97-100.html]) Nachtrag: Ich schalte das Radio aus. Ich finde: Ja, das haben die Menschen im Libanon, in Gaza, überhaupt in ganz Nahost nicht verdient. Den ganzen Zynismus, die Verachtung, den Unwillen, Lösungen zu realisieren, die Frieden bringen. Wo bleibt nur die Diplomatie und wo die kritische, Druck ausübende Presse? Und noch was: Ich finde, man kann sich all die eloquenten, selbstgefälligen Reden wie beispielsweise die von Biden schenken – alles leere Worte. Titelbild: BrAt82/shutterstock.com
28. sep. 2024 - 11 min
episode „Ben dient Deutschland“ – von wegen! Ein Comic greift nach der Jugend artwork
„Ben dient Deutschland“ – von wegen! Ein Comic greift nach der Jugend
„Ben dient Deutschland“ [https://www.publikationen-bundesregierung.de/pp-de/publikationssuche/bundeswehr-comic-2310180] – so heißt ein gerade auf dem Portal der Bundesregierung veröffentlichter Comic, der es in sich hat. Im Stile einer Graphic Novel gezeichnet, entfaltet sich die Geschichte eines Teenagers, der sich entscheidet, Soldat zu werden. Auf perfide Weise zeichnen die Macher den Weg des Jungen über Widersprüche und Konflikte hinweg zum fertig ausgebildeten Soldaten. Am Ende dient Ben seinem Land an der NATO-Ostflanke und ist bereit, gegen den „Feind“ zu kämpfen. Der Comic-Realität steht die reale Realität entgegen. Wenn nämlich „Ben“ unter dem Einfluss einer sogenannten Zeitenwende Soldat wird, dann dient er nicht Deutschland. Vielmehr wird er zum Diener einer bis in die Zellorganellen verlogenen Geo- und Tiefenpolitik. Ein Kommentar von Marcus Klöckner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Wie kriegt der Staat Zugriff auf die Jugend? Wie kann es der Bundeswehr gelingen, Teenager für den Dienst am „Vaterland“ zu rekrutieren? Dazu gibt es viele Wege. Auch den über die Propaganda. Jugendlichen das Gefühl zu geben, etwas „Wichtiges“ zu leisten, sie mit dem Gefühl der „Ehre“ zu stimulieren – das kann sehr wirkungsvoll sein. In dem Comic „Ben dient Deutschland“ wird einem Teenager mit Namen Ben dieses Gefühl vermittelt. Und das ist – das darf man den Machern zugestehen – klug gemacht. Der Comic blendet die Kritik, die sich einem Jungen, der überlegt, Soldat zu werden, entgegenstellen wird, nicht aus. Der Comic lässt eine Diskussion über den Sinn, über die Pro- und Contra-Argumente zu. Er richtet seinen Fokus sogar auf die Kriegsverbrechen und die Missetaten des US-Militärs. Damit bedienen die Macher zunächst die Kritiker. Sie versuchen, „Wind aus den Segeln“ zu nehmen. Sie zielen aber auch auf die jungen Leute, denen sich in der Realität eben vermutlich, hoffentlich, der ein oder andere kritische Freund oder ein kritisches Familienmitglied entgegenstellen wird. Vordergründig also spielen die Macher des Comics mit offenen Karten. Doch die Propaganda steckt auf einer tieferen Ebene. Als Beherrscher ihrer Fantasiewelt sind sie natürlich in der Lage, die Diskussionen und die Einlassungen der Kritiker zu lenken. Sie lenken die Gegenargumente so, wie sie die Gedanken von Ben lenken. Wie das ausgehen wird, lässt sich schnell erkennen. Nach und nach lösen sich Bedenken, Widersprüche und Konflikte auf. Ben geht seinen Weg über den inneren Konflikt hinweg. Am Ende steht der fertig ausgebildete Soldat. Ausgebildet zum Kampf. Ausgebildet, um zu töten. Eines der letzten Bilder in dem Comic zeigt einen Kasernenhof. Nicht unerwartet befindet sich der Militärstützpunkt in Litauen – an der Grenze zu Russland. Das Bild zeigt aus der Vogelperspektive die Soldaten, die angetreten sind. Stramm stehen sie da. Vor ihnen der Vorgesetzte. Er sagt: „Wir wissen nicht, ob oder wie lange die Ukraine standhält. Und wir wissen nicht, wie die Lage weiter eskaliert. Es ist also ernst und wir sind nah dran. Aber falls es darauf ankommt, stehen wir hier zusammen, um das Recht und die Freiheit zu verteidigen. Man verlässt sich auf uns. Und ich weiß, ich kann mich auf Sie verlassen.“ Da ist er, der Gegenwartsbezug. Da ist sie, die Zeitenwende. Der ganze Comic ist eingebettet in die allgegenwärtige Erzählung vom Ukraine-Krieg. Wer schuld ist, daran gibt es keine Zweifel. Geo- und Tiefenpolitik der USA und der NATO kommen nicht vor. Und so sagt der ranghohe Militär vor den Soldaten eben das, was ein Realitätsbruch nun mal hervorbringen muss. Auch hier kommt die Perfidität zum Vorschein. „Aber falls es darauf ankommt, stehen wir hier zusammen, um das Recht und die Freiheit zu verteidigen. Man verlässt sich auf uns. Und ich weiß, ich kann mich auf Sie verlassen.“ Der Ton ist bestimmend, aber er hat zugleich auch etwas von Leutselig- und Väterlichkeit. Die Soldaten – sie werden hinterrücks manipuliert. Die Währung des für uns Menschen so wichtigen Vertrauens, kommt in Spiel. Wer wollte sich schon als Soldat, als Mensch, als junger Mann, der hier mit geradem Rückgrat steht, die Blöße geben und diesen Vorgesetzten, diese Vertrauensperson, ja: diesem vielleicht für einige auch „Vaterersatz“ gegenüber einem Vertrauensbruch abliefern? Und es geht ja nicht nur um den, der da vorne steht. Das Vertrauen des gesamten Landes, der ganzen Nation lastet nun auf den trainierten Schultern der Soldaten. Ein Vertrauensbruch wäre Verrat an allen und an sich selbst. Auch wenn am Ende der eigene Tod auf dem „Feld der Ehre“ steht. Ben und seine Kameraden haben ihre Ausbildung zu Kämpfern abgeschlossen. Ihr Körper ist gestählt. Das Wissen ihres Todeshandwerks sitzt. Aber wie sieht es mit ihrem Verstand aus? Hat die Bundeswehr auch den Verstand ihrer Soldaten so ausgebildet, dass sie nun auf dem Kasernenhof als Soldaten und Bürger mit einem kritischen Bewusstsein stehen? Begreifen „Kämpfer für die Gerechtigkeit“, dass die Zeitenwende ein verlogener Euphemismus einer global ausgerichteten Geo- und Tiefenpolitik ist? Begreifen sie, dass ihr angeblicher „Feind“ vielleicht gar nicht ihr Feind ist? Begreifen sie, dass der Angriff auf Litauen vielleicht nur deshalb irgendwann einmal stattfinden könnte, weil sie, die „Guten“, hier vor der Haustür Russlands bis an die Zähne bewaffnet stehen? Begreifen sie, dass sie als Soldaten Schachfiguren der Macht sind? Ein derartiger Perspektivenwechsel kommt in der Welt von „Ben dient Deutschland“ nicht vor. Das ist verständlich. Die Propagandawelt des Comics – sie zerfiele in Sekunden zu Staub. General Carsten Breuer hat den Comic gerade auf der Plattform X angepriesen [https://x.com/BundeswehrGI/status/1838842829289795713]. „Zurecht“ werde dieser Comic „von der Bundesregierung unterstützt“. Hoffentlich begreifen Lehrer an Schulen, was es mit diesem Comic auf sich hat. Hoffentlich sind sie in der Lage, ihn kritisch zu dekonstruieren. Und hoffentlich haben sie und die Erwachsenen um die Zielgruppe der Teenager bessere Leseempfehlungen. Zum Beispiel Erich Maria Remarques Anti-Kriegsroman „Im Westen nichts Neues“. Darin heißt es: „Das erste Trommelfeuer zeigte uns unseren Irrtum, und unter ihm stürzte die Weltanschauung zusammen, die sie uns gelehrt hatten.” Titelbild: Screenshot „Ben dient Deutschland“, BMVg
I går - 7 min
episode Kommt alle zur Friedensdemo am 3. Oktober in Berlin! artwork
Kommt alle zur Friedensdemo am 3. Oktober in Berlin!
Die NachDenkSeiten rufen nicht oft direkt zu Demonstrationen auf – in diesem Fall machen wir eine Ausnahme: Die Demo ist wichtig, der Aufruf ist inhaltlich gut, die Redner bilden eine interessante Mischung – und: Die Zeit drängt! Es ist überfällig, dass die Bürger ein massenhaftes und friedliches Zeichen gegen die aktuelle Militarisierung der Gesellschaft aussenden. Die Demo sollte groß werden, Versuche der Spaltung und der Diffamierung müssen darum ignoriert werden. Von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Alle Infos zu der Demonstration am 3. Oktober 2024 in Berlin finden sich unter diesem Link [https://nie-wieder-krieg.org/]. Dort sind auch einige der zentralen Forderungen formuliert: > „Verhandlungen zur sofortigen Beendigung des Krieges in der Ukraine und in Gaza! > – Keine Waffenlieferungen an die Ukraine, Israel und in alle Welt! > > Atomwaffen raus aus Deutschland und Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen! > – Keine Modernisierung der Atomwaffen und keine atomare Teilhabe! > > Keine Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland! > > Friedenserziehung an Schulen und Aufrechterhaltung der Zivilklausel an Universitäten und Hochschulen! > – Keine Bundeswehr an Schulen und keine „neue“ Wehrpflicht! > > Recht auf Kriegsdienstverweigerung überall! > – Keine Zwangsrekrutierung! > > Abrüstung! Geld in Bildung, Gesundheitswesen, Klimaschutz und Infrastruktur investieren, Sozialstaat ausbauen! > – Keine Milliarden in die Rüstung! > > Demokratischen Meinungsaustausch fördern, sachliche Berichterstattung ermöglichen! > – Keine Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit! > > Frieden und Sicherheit gehen nur gemeinsam. Es ist kurz vor 12! Widerstand und Protest – jetzt! Geht auf die Straße, bildet Initiativen, wehrt euch, seid kreativ, wehret den Anfängen, die schon längst keine mehr sind!“ Als Redner bei der Abschlusskundgebung sind unter anderem Ralf Stegner (MdB, SPD), Sahra Wagenknecht (MdB, BSW), Reiner Braun (für die Veranstalter), Gesine Lötzsch (MdB, Die Linke) und Peter Gauweiler (CSU) angekündigt. Weitere Informationen finden sich wie gesagt auf der Webseite der Initiatoren [https://nie-wieder-krieg.org/]. Ich hoffe, wir sehen uns dann nächste Woche in Berlin! Titelbild: Thomas Margraf / Shutterstock Mehr zum Thema: Reiner Braun: „Ich spreche von einem mindestens europaweiten Krieg mit Atomwaffen“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=121675] [https://vg06.met.vgwort.de/na/93f0cd691d01419db3026ddfc1a57ee4]
26. sep. 2024 - 3 min
episode Zweiter Jahrestag Nord-Stream-Anschlag: Rolle der Ukraine und Schlussfolgerungen der Bundesregierung artwork
Zweiter Jahrestag Nord-Stream-Anschlag: Rolle der Ukraine und Schlussfolgerungen der Bundesregierung
Am 26. September jährt sich zum zweiten Mal der terroristische Anschlag gegen die zivile Energieinfrastruktur Nord Stream. Seit August 2024 ist bekannt, dass die Beweislage so deutlich ist, dass ein Richter am Bundesgerichtshof (BGH) einen Haftbefehl gegen einen ukrainischen Staatsbürger und Profitaucher ausgestellt hat, der sich seiner Verhaftung durch Flucht in einem ukrainischen Diplomatenwagen entzogen hat. Zwei weitere ukrainische Staatsbürger gelten als dringend tatverdächtig. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob die Bundesregierung noch immer von einem „staatlichen Akteur“ bei dem Anschlag ausgeht und welche Schlüsse der Kanzler aus dem aktuellen Wissensstand in Bezug auf die Rolle und den Umgang mit der Ukraine zieht. Von Florian Warweg. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Hintergrund In den frühen Morgenstunden des 26. Septembers 2022 um 02:03 Uhr mitteleuropäischer Zeit erfassten seismologische Institute [https://www.svt.se/nyheter/inrikes/svt-avslojar-tva-explosioner-intill-nord-stream] in Dänemark, Schweden und Norwegen zwölf Seemeilen südwestlich der dänischen Insel Bornholm Erschütterungen, die jenen eines leichten Seebebens mit einer Stärke von 2,2 bis 2,3 auf der Richterskala entsprachen. Kurz danach wurde ein massiver Druckverlust in Strang A der Nord-Stream-2-Pipeline in 70 Meter Tiefe festgestellt. Auf deutscher Seite fiel der Druck schlagartig von 105 auf etwa 7 Bar. Fast auf die Minute genau 17 Stunden später, um 19:04 Uhr, wurden erneut schwere Erschütterungen identischer Stärke registriert, diesmal nordöstlich von Bornholm, gefolgt von Druckverlust in beiden Strängen der seit 2011 in Betrieb befindlichen Ostseepipeline Nord Stream 1 in 88 Meter Tiefe. In Reaktion auf die erste registrierte Explosion (ein natürliches Beben war zu diesem Zeitpunkt bereits als Ursache ausgeschlossen worden) entsandte das dänische Militär nach eigener Darstellung von Bornholm aus F-16-Kampfjets, um das betroffene Gebiet zu fotografieren. Dabei sollen die Kampfflieger um die Mittagszeit erstmals die aus dem Wasser aufsteigenden großflächigen Methan-Blasen entdeckt haben. Rund acht Stunden später, um 20:41 Uhr, sprach die schwedische Seefahrtsbehörde dann eine Warnung vor weiteren Gaslecks aus, nachdem mehrere Schiffe von Blasenteppichen auch nordöstlich von Bornholm berichtet hatten. In der Folge verhängten die dänische und schwedische Schifffahrtsbehörde sogenannte Befahrensverbote (nautical warnings) im Umkreis von fünf Seemeilen um die Lecks. Auch der Flugverkehr unterhalb von 1.000 Meter Höhe wurde in diesem Gebiet untersagt. Bundesregierung: „Gezielter Anschlag eines staatlichen Akteurs“ Weitere Untersuchungen ergaben, dass es sich insgesamt um vier Lecks handelte, wobei zwei auf die Nord-Stream-1-Pipeline entfielen, welche auf einer Länge von 250 Metern zerstört worden war, und zwei auf den Strang A der Nord-Stream-2-Pipeline. Ein Unfall gilt als ausgeschlossen, sowohl NATO-Staaten wie auch Russland gehen von einem „gezielten Sabotageakt“ aus. Der russische Regierungschef Wladimir Putin bezeichnete die Ereignisse als „internationalen Terrorismus“. In einem gemeinsamen Brief vom 29. September 2022 an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sprachen Schweden und Dänemark vom Einsatz „einer Sprengladung von mehreren Hundert Kilogramm TNT-Äquivalent“ – wohlgemerkt pro Leck. Die deutsche Bundesregierung erklärte unter anderem am 7. Oktober 2022 in Reaktion auf eine parlamentarische Anfrage, dass sie „vor dem Hintergrund der Komplexität der Tatausführung“ von einem „staatlichen Akteur“ [https://dserver.bundestag.de/btd/20/047/2004758.pdf] als Täter ausgeht. Bundesregierung zeigt null Komma null Aufklärungsinteresse Doch danach hüllte sich die Bundesregierung für fast zwei Jahre in Schweigen, entsprechende Anfragen der Opposition (nur AfD und Linkspartei stellten überhaupt entsprechende Anfragen; nach seinem parlamentarischen Aktivwerden später auch das BSW) wurden ebenso mit Verweis auf „Staatswohl“ abgewehrt wie die Fragen der NDS in der Bundespressekonferenz. Dort jedoch zumeist mit dem Verweis auf die alleinige Zuständigkeit der Generalbundesanwaltschaft. Sinnbildlich für die Haltung der Ampelkoalition in den letzten zwei Jahren ist die Aussage des SPD-Bundestagsabgeordneten Timon Gremmels, der am 28. September 2022 im Namen der Koalition anlässlich einer einberufenen „Aktuellen Stunde“ wegen der Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines erklärte: > „Es ist völlig gleichgültig, ob Nord Stream 1 und Nord Stream 2 nun Lecks haben, wie diese Lecks entstanden sind, ob das Anschläge waren, wer hinter den Anschlägen steckt, weil aus der einen Pipeline noch nie Gas gekommen ist und es aus der anderen seit Wochen kein Gas mehr gegeben hat. – Das ist völlig irrelevant.“ Das muss man erstmal sacken lassen. Der Vertreter der größten Regierungspartei erklärt im Rahmen einer extra einberufenen Aktuellen Stunde im Bundestag wegen eines Terroranschlags gegen zivile Infrastruktur wortwörtlich: > „Es ist völlig gleichgültig, wer hinter den Anschlägen steckt.“ Eines der teuersten Energie-Infrastrukturprojekte aller Zeiten Diese völlig indifferente Haltung der Ampel erfolgt(e) wohlgemerkt angesichts eines Terroranschlags, der auf eines der teuersten und größten Energie-Infrastrukturprojekte Europas zielte. Allein der Bau von Nord Stream 1 schlug mit 7,4 Milliarden Euro zu Buche, der jüngere Pipelinebruder Nord Stream 2 mit 10 Milliarden. Beide Pipelines mit ihren je zwei Strängen erstrecken sich über je 1.224 Kilometer. Im Falle von Nord Stream 1 trugen rund die Hälfte der Bauinvestitionen (51 Prozent) der russische Erdgaskonzern Gazprom und zu je 24,5 Prozent die beiden deutschen Konzerne BASF (Wintershall) sowie E.ON (Ruhrgas). Zumindest Nord Stream 1 gilt folglich als ein rein russisch-deutsches Projekt. Bei Nord Stream 2 wurden die Beteiligungen etwas breiter gestreut, hier waren neben den genannten Konzernen noch die niederländisch-britische Shell, die französische Engie-Gruppe sowie der österreichische Gaskonzern OMV, wenn auch mit weniger Anteilen, involviert. Alle genannten westeuropäischen Konzerne haben durch das Ende von Nord Stream nach eigenen Angaben mindestens je eine Milliarde Euro verloren. Mit einer Transportkapazität von jährlich bis zu 110 Milliarden Kubikmetern Erdgas hätten allein die vier Stränge von Nord Stream 1 und 2 ausgereicht, den gesamten Erdgasverbrauch Deutschlands als Industrienation zu sichern. 2021 betrug der gesamte bundesdeutsche Erdgasverbrauch 90,5 Milliarden Kubikmeter. Das bis heute andauernde Desinteresse der Bundesregierung an der Aufklärung erklärt sich über die mutmaßlichen Täter dieses Terroranschlags. Denn wie der SPIEGEL am 25. September berichtete [https://www.spiegel.de/politik/nord-stream-sprengung-sabotagekommando-bestand-aus-ex-agenten-und-zivilen-tauchern-a-362eb112-4b20-4849-941b-31a3b4f89ebb], gehen die deutschen Geheimdienste und Ermittlungsbehörden mittlerweile davon aus, dass es sich um eine ukrainische Kommandoaktion handelte, abgesegnet vom damaligen Oberbefehlshaber der Ukraine, Walerij Saluschny. Die USA seien über die Operation informiert gewesen: [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/240925-BPK-Screen1.png] Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 25. September 2024 Frage Warweg Am 26. September jährt sich ja zum zweiten Mal der Terroranschlag gegen die zivile Energieinfrastruktur Nord Stream. Mich würde interessieren: Geht die Bundesregierung, wie bisher schon mehrmals kundgetan, nach wie vor von einem staatlichen Akteur dieses Angriffs aus? Regierungssprecher Hebestreit Wenn ich es richtig weiß, haben wir uns zu den Akteuren hier überhaupt nie erklärt, sondern zu Ihrer Frustration habe ich immer wieder auf den Generalbundesanwalt verwiesen, der die Ermittlungen in diesem Fall führt. Das würde ich auch in diesem Fall tun, ohne mir hier irgendetwas von dem, was Sie in Ihrer Frage angesprochen haben, zu eigen zu machen. Zusatzfrage Warweg So viel war das ja nicht. Aber das hat die Bundesregierung – nicht hier, sondern in Antworten auf Kleine Anfragen – durchaus zu verstehen gegeben. Dann zu meiner Nachfrage: Seit August 2024 wissen wir ja, dass die Beweislage – Sie haben ja gerade vom Generalbundesanwalt gesprochen – nach zwei Jahren intensiver Ermittlungen zumindest so klar ist, dass ein Richter am Bundesgerichtshof einen Haftbefehl gegen einen ukrainischen Staatsbürger und Profitaucher ausgestellt hat, der sich dann der Haft durch Flucht in die Ukraine entzogen hat – nach aktuellem Wissensstand in einem Auto mit diplomatischem Kennzeichen ebenfalls ukrainischer Provenance. Bei zwei weiteren Tatverdächtigen, die auch schon entsprechend vom Generalbundesanwalt kommuniziert wurden, soll es sich ebenfalls um ukrainische Staatsbürger handeln. Mich würde generell interessieren: Welche Schlüsse zieht der Kanzler aus diesem aktuellen Status quo in Bezug auf Rolle und Umgang der Ukraine in dieser Causa? Hebestreit Ich glaube, der Kanzler hat sich zum Sabotageanschlag auf die Nord-Stream-Pipeline immer einheitlich eingelassen, nämlich indem er gesagt hat, dass er wissen will, wer diejenigen sind, die diesen Anschlag verübt haben. Sie haben zu Recht darauf verwiesen, dass Haftbefehle ausgestellt worden sind. Das ist in einem Rechtsstaat so üblich. Dann muss es ein Verfahren geben. Am Ende dieses Verfahrens steht ein Urteil. Dann tut man gut daran, sich nach diesem Urteil dazu zu äußern. Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 25.09.2024 Mehr zum Thema: Ab wann war Scholz über BND-Erkenntnisse zur Rolle Kiews bei Nord-Stream-Anschlag informiert? [https://www.nachdenkseiten.de/?p=120145] Neue Erkenntnisse zu Nordstream und Rolle der USA? – „Ich weise das mit Abscheu und Empörung zurück“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=108744] Nordstream-Sprengung als Geburtstagsgeschenk für ukrainischen Oligarchen? Die neuste „Theorie“ im Mainstream [https://www.nachdenkseiten.de/?p=95004] Polen und Tschechien erklären Nord Stream zum legitimen Angriffsziel der Ukraine – Was sagt die Bundesregierung? [https://www.nachdenkseiten.de/?p=120414] Vortrag von Florian Warweg auf der Nürnberger Literaturmesse zum Nordstream-Anschlag und seinen Folgen [https://www.nachdenkseiten.de/?p=106291] Nord Stream als Kriegsgrund [https://www.nachdenkseiten.de/?p=96339] [https://vg07.met.vgwort.de/na/fbb72daa037b48259f645c1969a9cdae]
26. sep. 2024 - 10 min
episode Grünen-Dämmerung – der Zeitgeist-Partei ist der Zeitgeist abhandengekommen artwork
Grünen-Dämmerung – der Zeitgeist-Partei ist der Zeitgeist abhandengekommen
Der gestrige Tag war ein Paukenschlag für die Grünen. Und damit ist weniger der Rücktritt des Parteivorstands rund um Ricarda Lang und Omid Nouripour gemeint. Wie gestern Abend bekannt wurde [https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/gruenen-vorstand-ruecktritt-100.html], will offenbar auch der komplette Vorstand der Jugendorganisation Grüne Jugend nicht nur zurücktreten, sondern sogar geschlossen die Partei verlassen. Die Grünen verlieren die Jugend. Schon bei den Landtagswahlen in Brandenburg zeigte sich, dass die einstige Nummer Eins bei den Jungwählern bei der Jugend nicht mehr zieht. Doch die Probleme der Grünen sind grundlegender. Sie sind eine Zeitgeist-Partei, der der Zeitgeist abhandengekommen ist. Oder ist es zu früh für einen Abgesang? Von Jens Berger. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Jede Zeit hat ihre Themen. Die Bundestagswahl 2017 markierte wohl die erste Zäsur im deutschen Parteiensystem. Wir befanden uns in der späten Merkel-Ära, einmal mehr kam es trotz massiver Verluste der beiden Volksparteien zu einer Großen Koalition. Der große Gewinner der Wahl war die AfD, die mit einem sehr guten Ergebnis von 12,6 Prozent erstmals in den Bundestag einzog. Die Grünen lagen damals bei 8,9 Prozent – in einer Briefwahl konnte damals Cem Özdemir hauchdünn den Posten des männlichen Spitzenkandidaten vor Robert Habeck erkämpfen. Von einer grünen Volkspartei war damals noch nicht die Rede. Dann kam das Jahr 2018, das Jahr des „Grünen-Hypes“. Mit Annalena Baerbock und Robert Habeck übernahmen zwei damals noch unverbrauchte, moderne Grüne die Parteispitze und der Zeitgeist verlieh den Grünen Flügel. Zwei Themen bestimmten in diesem Jahr die Debatte: Die AfD und die Klimapolitik. In Berlin gingen 200.000 Menschen unter dem Motto #Unteilbar auf die Straße und demonstrierten gegen den Rechtsruck und für eine offene Gesellschaft. In jeder zweiten Talkshow ging es in diesem Jahr um die Erfolge der AfD und das AfD-Themenpotpourri „Islam, Migration, Asyl“. Wenn die Frage, wie man es mit der AfD hält, zur Gretchenfrage bei der Wahl wird, profitiert – neben der AfD selbst – freilich auch die Partei, die es schafft, sich in der Öffentlichkeit als Gegenspieler der AfD zu inszenieren. Und das waren damals die Grünen [https://www.nachdenkseiten.de/?p=46538]. Heute wählt man auch CDU oder SPD, um die AfD zu „verhindern“, damals war das noch anders. 2018 war auch das Jahr, in dem die Klimapolitik gerade bei Jungwählern zum bestimmenden Thema wurde. In Schweden demonstrierte die damals noch von den Medien bejubelte Aktivistin Greta Thunberg für eine klimafreundlichere Politik, in Deutschland gingen hunderttausende Kinder, Jugendliche und Sympathisanten unter dem Motto „Fridays for Future“ auf die Straße. Auch aus diesem Thema konnten vor allem zwei Parteien Kapital schlagen – die AfD, die den „Klimawahn“ pauschal ablehnt, und die Grünen, die sich zumindest damals noch als politischer Arm der Klimabewegung inszenieren konnten. Bei der Bayernwahl im Oktober 2018 [https://www.nachdenkseiten.de/?p=46532] waren dann auch die Grünen mit 17,5 Prozent neben der AfD die großen Gewinner, während auch hier die beiden Volksparteien die großen Verlierer waren. 2019 erreichte der grüne Hype dann seinen Höhepunkt, die Grünen konnten im Frühjahr bei den Europawahlen mit 20,5 Prozent ihr historisch bestes Ergebnis erzielen und wurden hinter der CDU die zweitstärkste Kraft. Im Sommer und Herbst 2019 lagen die Grünen in Umfragen sogar zeitweise vor der CDU und waren die stärkste politische Kraft im Lande. Die Medien kürten sie zur neuen Volkspartei, es galt schon fast als ausgemacht, dass sie auch den nächsten Kanzler stellen würden. Der Zeitgeist war grün. Rückblickend war 2019 wohl das letzte vergleichsweise sorgenfreie Jahr. Corona war noch fern, die Wirtschaft lief halbwegs rund, der Krieg in der Ukraine war ein regionaler innerstaatlicher Konflikt und die Gesellschaft hatte den Luxus, sich über „Wohlfühlthemen“ zu streiten. Neben einer offenen Migrationspolitik und Klimaschutz war dies vor allem die Identitätspolitik mit all ihren Schattierungen. Die Grünen lagen im Trend, sie waren die „Wohlfühlpartei“ schlechthin. Wer keine anderen Sorgen hatte, wählte grün und fühlte sich gut dabei. Those Were the Days my Friend, they thought they´ll never end … doch so langsam drehte sich der Wind und mit ihm der Zeitgeist. Aus der Identitätspolitik wurde ein Kulturkampf. Die Corona-Maßnahmen spalteten das Land und schädigten die Wirtschaft. Der Krieg in der Ukraine und die mit ihm begründeten Sanktionen gegen Russland spalteten das Land noch tiefer und führten zu Preissteigerungen, die immer mehr Bürgern das „Wohlfühlen“ abgewöhnten. Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Und da immer weniger Menschen sich den Luxus erlauben wollten, ihre Wahlentscheidung von „Wohlfühlthemen“ abhängig zu machen, nahm auch der Grünen-Hype ab. Bei der Bundestagswahl 2021 kamen die Grünen mit ihrer talent- und glücklosen Spitzenkandidatin Baerbock schon nur noch auf 14,7 Prozent – gegenüber 2017 zwar ein Gewinn, aber mehr als zehn Prozentpunkte weniger als in den Umfragen während des Höhepunkts des Grünen-Hypes. Schlimmer noch: Nun waren die Grünen als Teil der Ampel in der Regierungsverantwortung und wurden – nicht zu Unrecht – zum Symbol für die Spaltung und den Niedergang, die seit 2021 die gesellschaftliche Entwicklung kennzeichnen. Von nun an ging’s bergab. Die Grünen sind nicht nur eine Partei, deren Wahlergebnisse vom Zeitgeist beflügelt wurden – der Zeitgeist und die Regierungsverantwortung haben auch dafür gesorgt, dass die Partei sich selbst von innen heraus umgekrempelt hat. Die Widersprüche wurden immer offensichtlicher. Von ihren friedenspolitischen Wurzeln hatten die Grünen sich schon lange vor ihrem Höhenflug verabschiedet. Nun kamen jedoch auch eine konsequente Abkehr von den Grundsätzen einer progressiven Sozialpolitik, einer konsequenten Klimapolitik und einer offenen Migrationspolitik hinzu. Viele Wähler, die diese Partei entweder aus Überzeugung oder einfach deshalb gewählt hatten, um sich wohlzufühlen und zu „den Guten“ zu gehören, rieben sich nun erstaunt die Augen. Eine grüne Ministerin beerdigte die Kindergrundsicherung, ein grüner Minister verbockte ein klimapolitisches Projekt nach dem nächsten und am Ende exekutierten die Grünen gar eine – zumindest rhetorisch – migrationspolitische Wende, die auch von der AfD stammen könnte. Für was haben diese Menschen die Grünen gewählt? Der Niedergang der Grünen ist jedoch nicht nur eine Folge der immer offeneren Widersprüche zwischen Anspruch und Realität, Image und Wirklichkeit. Der Zeitgeist, der die Grünen einst zur Hype-Partei gemacht hatte, hat sich ganz offensichtlich gedreht. Wärmepumpen und E-Autos finden keine Käufer, aus den Klimaschutz-Kindern wurden verwirrte Aktivisten der letzten Generation, die in der Gesellschaft keinen Rückhalt haben. Eine offene Migrationspolitik gilt heute angesichts der Überlastung der Systeme als naiver Wunschgedanke, Kritik an der Migrationspolitik kommt nicht mehr nur von rechts, sondern ist selbst in den sonst so politisch korrekten Talkshows gang und gäbe. Und selbst beim Kulturkampf, der immer noch tobt, scheinen die Grünen Land verloren zu haben. Die Wirtschaft schwächelt, die Menschen ächzen unter Reallohnverlusten. Derweil wirkt die „wertegeleitete“ Außenministerin nur noch als schlechte Parodie ihrer selbst. Nicht Russland, sondern sie selbst und ihre Partei sind ruiniert. Es ist nicht mehr hip, die Grünen zu wählen, und die Ergebnisse der letzten Landtagswahlen zeigen das. Nur in Sachsen konnten die Grünen mit Müh’ und Not überhaupt noch in den Landtag einziehen. Für die Grünen dürfte jedoch problematischer sein, dass sie vor allem die jungen Wähler verloren haben. In Sachsen kamen die Grünen bei den Erstwählern auf 8 Prozent, in Thüringen auf 5 Prozent und in Brandenburg auf 6 Prozent – hier waren es bei der letzten Wahl noch 27 Prozent. Die Zeiten, in denen die Grünen die Partei der Jungwähler waren, sind vorbei – wahrscheinlich für eine sehr lange Zeit, vielleicht sogar für immer. Der kollektive Austritt des Vorstands der Grünen Jugend zementiert diese Entwicklung. Eine Jugendorganisation, die politisch klar links positioniert ist und neben sozialpolitischen Themen vor allem den Klimaschutz und eine offene Migrationspolitik zu ihren Kernthemen zählt, ist mit einer Partei, die sich nun im kommenden Wahlkampf als „Habeck-Partei“ inszenieren und vor allem „enttäuschten CDU-Wählern“ als eine Art Merkel-Partei 2.0 ein Angebot machen will [https://www.spiegel.de/politik/deutschland/robert-habeck-und-die-gruenen-rein-in-die-merkel-luecke-a-7b478e49-f649-4260-a176-c074a9f7e728], vollkommen inkompatibel. Stellt sich die Frage, mit wem die modernen Grünen überhaupt kompatibel sind. So richtig wohlfühlen können sich heute noch nicht einmal die Hardcore-Wähler aus Freiburg und den Berliner Innenstadt-Bezirken mit dieser Partei. Die Ex-Grüne Jutta Ditfurth sagte einst: „Alle Parteien machen ihren Wählern was vor, aber es gibt keine Partei, die eine so grandiose Differenz zwischen ihrem Image und ihrer Realität hat wie die Grünen“. Das ist zweifelsohne richtig, aber die Zahl derer, deren kognitive Dissonanzen derart hartnäckig sind, dürfte sich künftig auf eine Kernwählerschaft beschränken. Die Grünen werden natürlich nicht verschwinden. Aber ohne den passenden Zeitgeist sind die Grünen eben nur das – eine Klientelpartei für das progressiv-liberale bürgerliche Milieu, das sich vor allem in den Großstädten im akademischen Umfeld gebildet hat; eine Partei, für die mittel- bis langfristig die Fünf-Prozent-Hürde eine größere Bedeutung als die Frage eines „Kanzlerkandidaten“ haben wird. Und das ist gut so. Vermissen wird die Grünen niemand. Schon die unerträglich triefende Pathetik, die Selbsterhöhung und das messianische Sendungsbewusstsein, das gestern vor allem in der Rücktrittserklärung von Omid Nouripour aus dem Mikrofon quoll, zeigt, wie überflüssig diese Partei ist. Da haben nur noch die Geigen gefehlt. Wer braucht die modernen Grünen? Kriegsgeil ist die CDU auch. Wirtschaftsliberal ist auch die FDP und für das von den Grünen aufgegebene Themenpotpourri „Klima, offene Grenzen und Identitätspolitik“ bietet sich die siechende Linkspartei förmlich an. Der Zeitgeist hat sich gedreht und die Zeitgeistpartei steht nun nackt da. Aber wer weiß. Sollte das Land wider Erwarten die heutigen Krisen meistern und in eine neue Zeit voranschreiten, in der sich der Zeitgeist wieder ändert, könnte eine neue grüne Ära kommen. Wahrscheinlich ist das aber nicht. Good bye, Grüne! Titelbild: Wirestock Collection/shutterstock.com[http://vg02.met.vgwort.de/na/9bbe3593938f4897ad63c8a4425c078d]
26. sep. 2024 - 10 min
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