
Treffpunkt Klassik
Podcast by SWR
Hier dreht sich alles um Klassik: im Treffpunkt Klassik von SWR2 sprechen wir mit Künstler*innen, berichten über Konzerte und Festivals im Sendegebiet, kommentieren aktuelle Ereignisse im Musikleben, und stellen neue Musik vor. Zur ARD Audiothek: https://www.ardaudiothek.de/sendung/swr2-treffpunkt-klassik/8758432/
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Bei den Schwetzinger SWR Festspielen gibt es unter der neuen Leitung von Cornelia Bend einige Neuerungen. Zum Beispiel ein Besuch von Festivalkünstlerinnen und -künstlern an Schulen vor Ort unter dem Titel „Mittendrin“. Am Donnerstag gab es eine solche Mittendrin-Veranstaltung am Schwetzinger Hebel-Gymnasium. Dazu kamen rund 70 Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse im Alter von rund 16 Jahren. Also genauso alt wie der Müllergeselle aus Schuberts Liederzyklus, um den es geht. Julian Prégardien, lässig gekleidet, setzt sich erstmal auf den Bühnenrand und erklärt kurz das damalige Handwerkerwesen; insbesondere die Situation des jungen Mannes auf der Walz: „Er ist wie jeder 16- oder 17-Jährige dabei, sich von Zuhause loszulösen. Und er ist vor allem dabei, sich selbst zu entdecken.“ „DIE SCHÖNE MÜLLERIN“ ALS COMING-OF-AGE-STORY Julian Prégardien findet: „Die schöne Müllerin ist ja explizit eine Coming-of-Age-Story, wie wir sie alle von Netflix kennen. Wie wir sie alle von Songs kennen.“ Für ihn ist der besondere Vorteil der Gattung Lied, dass man nur zu zweit ist. Kein Autotune, keine elektronisch produzierten Sounds. Diese beiden Elemente, glaubt er, gehen mehr ans Herz oder haben zumindest das Potential dazu. Immer wieder wendet sich Julian Prégardien mit Fragen an die Schülerinnen und Schüler: Was, denkt ihr, erhofft sich der Müllergeselle vom Leben? An wen wendet ihr euch, wenn ihr Rat braucht in Sachen Liebe? Die Elftklässler sind anfangs noch etwa zurückhaltend, werden aber mit der Zeit etwas lebhafter. Insgesamt ist die Stimmung locker und konzentriert zugleich. Die Zeit vergeht so schnell, dass gar nicht alles besprochen werden kann. Musiktheoretische Erklärungen und Einordnungen gibt es keine, es ist die Geschichte, die im Mittelpunkt steht und natürlich die Musik. JULIAN PRÉGARDIEN SINGT SCHUBERT LIEDERZYKLUS „DIE SCHÖNE MÜLLERIN“ VERMITTLUNGSFORMATE SELBSTVERSTÄNDLICH MITDENKEN Julian Prégardien lässt sich gerne auf dieses Mittendrin-Format ein. Er wünscht sich, dass es noch flächendeckend mehr zum Job gehöre, Vermittlungsformate ganz selbstverständlich mitzudenken. > Ich glaube, dass vielleicht sogar das größte Problem der sogenannten klassischen Musik ist, dass man in der Bubble ausgebildet ist und für die Bubble weiterproduziert und denkt. > > > Quelle: Julian Prégardien, Tenor DIE SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER SIND BEEINDRUCKT Den Schülerinnen und Schülern hat es jedenfalls gut gefallen. Die Musik und Hintergrundinfos waren für sie spannende neue Eindrücke. Trotzdem wollen sie weiterhin lieber moderne Musik wie Rock und Pop hören. Für Sebastian Bauer, Verantwortlicher für Musikvermittlung bei den Schwetzinger Festspielen, ist das völlig in Ordnung. Mit einem Format wie „Mittendrin“ gehe es nicht direkt darum, für die Zuhörerschaft des klassischen Konzerts von morgen zu sorgen. Was die Schülerinnen und Schüler erlebt haben, die Eindrücke, die sie gewonnen haben, genau das sei schon das Ziel. JULIAN PRÉGARDIEN BEI DEN SCHWETZINGER SWR FESTSPIELEN IM FAQ MEHR SCHUBERT-FANS ALS TAYLOR-SWIFT-FANS Julian Prégardien ist auch davon überzeugt, dass bei all der vielen Musik, die aktuell auf den Markt kommt, ein Liederzyklus wie die „Schöne Müllerin“ weiterhin eine Zukunft hat: Schubert habe sich seit 200 Jahren pausenlos bewährt. > Unterm Strich gibt es mehr Schubert-Fans als Taylor-Swift-Fans. Das ist eine zeitlose Musik. In 20 Jahren wird man von Taylor Swift als ein Phänomen der 2010er-Jahre sprechen. > > > Quelle: Julian Prégardien, Tenor Aber wer weiß schon wirklich, welche Musik und welche Lieder überdauern werden oder nicht? Für den Augenblick allerdings kann man wohl sagen: ein Lied wie „Trockne Blümlein“ hat auch nach zweihundert Jahren nichts von seiner tiefen Traurigkeit und Schönheit verloren.

Am Staatstheater Stuttgart feiert diesen Sonntag Verdis „Otello“ Premiere – ein Werk, in dem aus heutiger Sicht jede Menge Zündstoff steckt: Manipulation, Rassismus und Femizid. Die neue Inszenierung von Regisseurin Silvia Costa will daher die Figur Otello auch aus einer postkolonialen Perspektive hinterfragen. Was das genau bedeutet und welche unlösbaren Probleme dabei aufkommen, erzählt Ulrich Wiederspahn.

Für sein Lebenswerk erhält Simon Rattle den Ernst von Siemens Musikpreis, der mit 250.000 Euro dotiert ist. Nicht zuletzt für das Musikleben in Deutschland war und ist Simon Rattle prägend. Als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker erweiterte Rattle das Repertoire des Spitzenorchesters nachhaltig und stieß mit einem großen Tanzprojekt für Berliner Schüler eine neue Art der Vermittlung klassischer Musik an. Danach war Rattle bis 2023 Chef des London Symphony Orchestra, heute leitet er das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in München.

Wie ein Lauffeuer musizieren Raphaël Pichon und sein Ensemble Pygmalion das Gloria aus Bachs h-Moll-Messe: Die Flammen schlagen empor, sie entfachen einen Flächenbrand, mit dem der heilige Geist sich ausbreitet. Sie rufen die frohe Botschaft hinaus in die Welt. Buchstäblich begeistert, sodass es gar nicht schnell genug gehen kann. Alle sollen es wissen! EIN KOLLEKTIV ENTFLAMMTER INDIVIDUEN Dabei führt Pichon weder das Orchester noch den mit 30 Stimmen schlank besetzten Chor wie einen Block. Man hört eher ein Kollektiv vieler entflammter Individuen: Jede Stimme zählt bei diesem unablässigen Rufen und Antworten. Es entsteht ein tänzerischer Strom rotierender Bewegungen. Das Musizieren wirkt frei und aktiv, es ist ereignisreich bis ins kleinste Detail. Und auf eine mitreißende Art beschwingt. KREUZIGUNG ALS HANDGREIFLICHES DRAMA Wie aber funktioniert das Konzept, wenn es brutal zur Sache geht? Pichon vergegenwärtigt das Crucifixus als handgreifliches Drama. Er führt uns das Einhämmern der Nägel und die qualvolle Prozedur der Kreuzigung drastisch vor Ohren. Auch der Lamento-Bass klingt wie eine gnadenlose Misshandlung, Schlag um Schlag. Der Chor ist dagegen auf das menschliche Mitgefühl ausgerichtet. Er bringt mit schmerzerfüllten Melodiebögen die Trauer und Empörung zum Ausdruck. Und doch erwächst aus der ohnmächtigen Qual neuer Trost: die Kraft der Mitmenschlichkeit. Die Gemeinde versammelt sich um das Kreuz im geteilten Leid. Ein humanes und solidarisches Musizieren. SCHWERELOSER AUFERSTEHUNGSJUBEL Aber dann fliegen sie davon. Als tönende Himmelfahrt gestaltet Pichon die Auferstehung im luftigen, schwerelosen Auftrieb. Die ganze Last der Hinrichtung Christi fällt in sich zusammen, nichts drückt die Musik jetzt mehr zu Boden. Und diese ausgelassene Unbeschwertheit übersetzt er in flotte, zündende Tempi. Pichon feuert die Sängerinnen und Sänger an, die selbst die schwierigsten Koloraturen so virtuos ausführen, dass alles schwerelos voraneilt. Der Auferstehungsjubel findet kein Halten mehr. Was zählt, ist das Wir. NICHT AUF ÜBERWÄLTIGUNG ANGELEGT Das Sanctus ist bei Pichon keine ferne himmlische Erscheinung, sondern verströmt Wärme und Zusammenhalt. Nichts ist hier auf Überwältigung angelegt. Die Musik geht von Herz zu Herzen, sie schwillt wellenartig an und ab, wie bei einem Reigen. Wir haken uns unter. Das Heilige wird nicht von oben verfügt, es entsteht als Graswurzelbewegung von unten. Und so endet alles im vollkommenen Glück. RAPHAËL PICHON GESTALTET DIE H-MOLL-MESSE WARM UND EINLADEND Eine unwiderstehliche Aufwärtsbewegung zieht uns mit bei dieser inständigen Bitte um Frieden. Raphaël Pichon gestaltet sie leuchtend, befreiend und warmherzig. Das Ideal bleibt der Gesang, bleibt das menschliche Maß. Und jeder kann mit einstimmen. Diese Deutung der h-Moll-Messe ist einladend und aufbauend. Man wird nicht eingeschüchtert oder unterworfen, sondern aufgerichtet. Was für ein Gewinn!

Pietari Inkinen war seit 2017 Chefdirigent bei der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern. Jetzt geht die Zusammenarbeit zu Ende und der Dirigent widmet sich seinen internationalen Verpflichtungen. Mit Mahler und Bruckner endet die Ära bei der DRP für ihn. Im Musikgespräch erzählt er über diese Zeit und was er vermissen wird.
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