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episode Make Nostalgie Great Again - Historikerin Agnes Arnold-Forsters „Geschichte eines gefährlichen Gefühls“ artwork

Make Nostalgie Great Again - Historikerin Agnes Arnold-Forsters „Geschichte eines gefährlichen Gefühls“

Was haben Musik, Mode und Moral gemeinsam? Sie waren früher alle besser – angeblich. Sich zurückwünschen in vermeintlich sorglosere Zeiten erscheint harmlos, wenn es sich um Kindheitserinnerungen oder den Lieblings-Historienfilm handelt. Doch im politischen Diskurs ist Nostalgie oft kein bittersüßes Gefühl, sondern eher ein Vorwurf.  Die Historikerin Agnes Arnold-Forster meint, wir tun der Nostalgie unrecht, wenn wir sie lediglich zur Begleiterscheinung rechten Gedankenguts herabwerten. Sie möchte dem zwiespältigen und komplexen Gefühl historisch auf den Grund gehen und es rehabilitieren. Dazu nimmt sie uns mit auf eine Reise in die Vergangenheit - ganz ohne Verklärung.  DIAGNOSE: NOSTALGIE  Chronologisch führt uns die Autorin in zehn Kapiteln durch die Jahrhunderte. Dabei überrascht es, wie viele Narrative offensichtlich immer wiederkommen oder uns nie ganz verlassen:   > Nostalgie wird bereits seit Jahrhunderten empfunden, diagnostiziert und besorgt diskutiert […]. Auch die Kritik an populistischen Politikern und ihren als Dummköpfen gebrandmarkten Anhängern ist schon Jahrzehnte alt. Man denke nur an die Psychologen nach dem Zweiten Weltkrieg, die chronischen Nostalgikern vorwarfen, in ihrer Entwicklung stehengeblieben zu sein.  > > > Quelle: Agnes Arnold-Forster – Nostalgie Was unter „Nostalgie“ verstanden wurde, durchlief immense Verwandlungen. Doch ob als tödliche Krankheit, sentimentales Heimweh oder effektives Marketing-Tool: Stets ging es im Festhalten am Gestern vielmehr um den Umgang mit der Gegenwart, um die Suche nach dem eigenen Platz in einer sich ständig wandelnden Welt.   „DAS WAR SCHON IMMER SO!“  Arnold-Forster bringt den Lesenden durch zahlreiche Studien und ausführliche Anekdoten die fernsten Zeiten in einem wissenschaftlichen, aber zugänglichen Stil näher. In der Fülle an Material geht sie häufig jedoch so sehr ins Detail, dass die interessanten Fragen, Thesen und Beobachtungen – wie die folgende – des Öfteren untergehen:  > So etwas wie der Brexit oder Donald Trumps politischer Erfolg widersprechen der weitverbreiteten Vorstellung, dass sich die westliche Welt in eine ganz bestimmte Richtung entwickeln sollte – weg vom Nationalismus und hin zu internationaler Kooperation und politischem Liberalismus. Nostalgie bietet eine ziemlich einfache Erklärung, die es einem erspart, einigen dieser Annahmen und dem potentiellen Schaden, den sie anrichten können, wirklich auf den Grund zu gehen. > > > Quelle: Agnes Arnold-Forster – Nostalgie INTERDISZIPLINÄRER ANSATZ In ihrer historischen Rekonstruktion baut die Autorin auf einen interdisziplinären Ansatz - die große Stärke des Buches. Es werden nicht nur historische, sondern auch medizinische, kulturwissenschaftliche und psychologische Aspekte verhandelt, die sehr eindrücklich zeigen, wie unstet Welt- und Körperbilder doch eigentlich sind und dass die wenigsten Dinge „schon immer so“ waren.  > Deshalb benutzt dieses Buch das Gefühl gewissermaßen als Brennglas, unter dem man Vergangenheit und Gegenwart der Wissenschaft und Medizin genauer betrachten kann, aber auch gesellschaftlichen Wandel […]. Nostalgie ist eine Möglichkeit, unsere Sehnsucht nach der Vergangenheit, unsere Unzufriedenheit mit der Gegenwart, aber auch unsere Vorstellung von der Zukunft auszudrücken. > > > Quelle: Agnes Arnold-Forster – Nostalgie EIN ZEITLOSES THEMA  Das Buch zeigt: Nostalgie ist so vielfältig wie die Menschen, die sie verspüren. Mit ihrer „Geschichte eines gefährlichen Gefühls“ präsentiert Agnes Arnold-Forster einen Text, bei dem es gleichzeitig falsch und genau richtig ist zu sagen, dass er „gerade heute“ relevant ist.  Falsch, da es – wie sie darlegt – bei weitem kein Phänomen des 21. Jahrhunderts ist, dass Menschen sich nach Vergangenem sehnen.  Aber genau richtig, weil es gerade deswegen schließlich zu jeder Zeit von Bedeutung ist, diese Gefühle zu erkennen und sich differenziert mit ihnen auseinanderzusetzen.

14.12.2025 - 3 min
episode Tezer Özlüs Roman „Die kalten Nächte der Kindheit“: Der Schmerz des Stillstands | Buchkritik artwork

Tezer Özlüs Roman „Die kalten Nächte der Kindheit“: Der Schmerz des Stillstands | Buchkritik

Der Zufall will es, dass in diesem Jahr zwei türkische Autorinnen hierzulande wiederentdeckt werden, die ungefähr derselben Generation angehören. Sevgi Soysals „Vor dem Morgengrauen“ [https://www.swr.de/kultur/literatur/sevgi-soysal-vor-dem-morgengrauen-100.html], erstmals 1975 erschienen, ist eine Aufarbeitung der Repressionen, denen Intellektuelle und die Autorin nach dem Militärputsch in der Türkei 1971 ausgesetzt waren. Auch Tezer Özlüs Roman „Die kalten Nächte der Kindheit“ ist ein politisches Buch, aber auf indirekte Weise. Erzählt Soysal eindringlich eine autobiographisch grundierte Geschichte rund um den Militärputsch, besteht Özlüs memoirhafter Roman aus kleinen Fragmenten, die nicht-chronologisch eine Zeit von der Kindheit bis zum Ende der 70er Jahre umspannen. Ist bei Soysal der Terror in der Sprache und im Alltag präsent, so brodelt er im fast protokollierenden Ton Özlüs unter der Oberfläche.  > Mein Vater hat die Trillerpfeife aus seiner Zeit als Sportlehrer behalten. Noch bevor er morgens den übergroßen gestreiften Pyjama auszieht, bläst er in seine Pfeife:  > – Was willst du in der Armee, wenn du so empfindlich bist? Los, aufstehen! Aufstehen! Er klingt wie eine Trompete. > > > Quelle: Tezer Özlü – Die kalten Nächte der Kindheit So beginnt Özlüs Roman – mit einem Morgenappell. Die Ich-Erzählerin wächst in einer kemalistisch geprägten Welt und ihren strengen Ritualen und Werten auf, aber das Verlangen richtet sich auf etwas anderes, auf Nähe und Verständnis, aufs Offene und Unkonventionelle.    EINGESPERRTSEIN UND AUSBRÜCHE  Wir begleiten das Mädchen durch Kindheit und Pubertät. Die Sexualität spielt früh schon eine wichtige Rolle. Die Sehnsucht nach der Metropole Istanbul bestimmt das Denken; später folgt das Mädchen der Schwester aus der Provinz in die „sündige Stadt“. Der Besuch einer Nonnenschule – der Unterricht findet auf Deutsch statt – lehrt sie weniger Gottesfurcht, eher lernt sie etwas über Bigotterie. In den kleinbürgerlichen Vierteln beneidet man sie darum, eine internationale Schule zu besuchen – auch wenn sie vermutet, dass die Schwestern dort allesamt verrückt seien.  > In fast jedem deutschen Wort kommt ein o vor. Wir ziehen es in die Länge, um unsere Münder an das deutsche o zu gewöhnen. Danach erzählt [die Nonne] uns die Geschichte des Tages. Die Geschichte von Nietzsches Tod. Da er Gott verleugnet habe, sei Nietzsche bestraft worden, er sei wahnsinnig geworden und kläglich verreckt.  > > > Quelle: Tezer Özlü – Die kalten Nächte der Kindheit Durch Heirat versucht die Erzählerin dem Eingeschnürtsein zu entkommen. Landet aber in einer anderen Art von Gefängnis. Lieber tummelt sie sich in den Kreisen ihres Bruders, bei Theaterleuten, Künstlern, Aufbegehrenden. Diese Schizophrenie fordert Tribut. Sie hegt Selbstmordgedanken. Und landet immer wieder in Kliniken, einem Apparat unterworfen, der ihren Eigensinn brechen soll.   KÜHL UND ABGRÜNDIG  > Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt. Ich bin eine Frau. Ich erlebe das Nachspiel des euphorischen Wahns. Dazwischen lag der Schmerz des Stillstands. Jahre später begreife ich, dass sie mir nach der Narkose Elektroschocks verabreichten. Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus bin ich völlig durcheinander.  > > > Quelle: Tezer Özlü – Die kalten Nächte der Kindheit Tezer Özlü war Mitte 30, als sie diese Prosasplitter zusammenmontierte. In ihrem Roman herrscht eine klare, aber abgründige Sprache. Da ist eine Kühle der Darstellung, wie man sie bei Annie Ernaux bewundert. Unter dieser Schicht der präsentischen Nüchternheit aber spürt man jenen Tumult, der auch durch psychiatrische Disziplinierungsmaßnahmen nicht gebändigt werden kann. Allerdings weiß die Erzählerin sich zu behaupten, indem sie irgendwann Spielregeln befolgt, ohne sie zu akzeptieren.  Die Ereignisse rund um das Jahr 1971 sind präsent, nehmen bei Özlü aber keinen allzu großen Raum ein. Sie sind ein Spiegel ihres Aufbegehrens. Aber dass es in diesem Buch um den Kampf gegen das geht, was in jener Zeit geschieht und aus dem Normenspektrum ausscherenden Frauen angetan wird, das ist von Anfang an klar. Das Politische ist immer privat, das Private politisch.

10.12.2025 - 4 min
episode László Krasznahorkais neuer Roman „Zsömle ist weg“: Vom Wahnsinn der Herrscher und herrschendem Wahnsinn artwork

László Krasznahorkais neuer Roman „Zsömle ist weg“: Vom Wahnsinn der Herrscher und herrschendem Wahnsinn

Zsömle ist ein alter Hund. Er kann kaum noch den Kopf heben, und am Ende des ersten Kapitels ist er tot. Aber dann kommt ein neuer Zsömle ins Haus, der den Platz des alten einnimmt. Mit Hunden ist es wie in der Monarchie: Der König ist tot, es lebe der König. László Krasznahorkai hat diesen Hund zum Titelhelden seines neuen, irrlichternden Romans gemacht. Weil es in „Zsömle ist weg“ um die Wiedereinführung der Monarchie in Ungarn geht, ist er das völlig zurecht, auch wenn er die meiste Zeit an der Kette liegt. Zsömle gehört einem uralten, einundneunzig Jahre alten Herrn, der sich für einen Enkel des Enkels von Dschingis Khan und für einen Nachfahren der Arpaden-Dynastie und also den legitimen König von Ungarn hält. Er lebt zurückgezogen in einem heruntergekommen Haus auf einem Berg und hat eigentlich längst alles hinter sich. > … was zum Teufel hatte er hier noch zu suchen, sollte doch das Ende kommen, was kümmerte es ihn, er hatte genug gesehen, hatte genug gekämpft, und das Blut und die Lymphe, die Muskeln und Nerven in ihm hatten genug gearbeitet, der Himmelsvater sollte ihn hier und jetzt holen kommen, sie konnten ihm gut zureden, aber auch dann nicht, gut zureden, o Eure Majestät, … > > > Quelle: László Krasznahorkai – Zsömle ist weg DER KÖNIG UND DIE KÖNIGSTREUEN An das Hoftor klopft dann aber nicht der Himmelsvater, sondern eine Gruppe königstreuer Männer, die all ihre Hoffnungen darauf setzen, den Monarchen aufgespürt zu haben. Der verbittet sich zwar, mit „Majestät“ angesprochen zu werden. Er möchte lieber „Onkel Jozsi“ bleiben, während alle um ihn herum in der kalten Küche sitzen und aus vier Kaffeetassen trinken, weil er mehr Tassen nicht besitzt. Aus der Diskrepanz zwischen hinterwäldlerischer Dorfwelt und Königsträumen, zwischen Wirklichkeit und Wahn, entsteht eine Komik, die dem Roman seine Energie gibt. Dabei nimmt Krasznahorkai seine eher trottelhaften als revolutionären Protagonisten so ernst, dass man durchaus mit ihnen sympathisiert. Wäre die Monarchie nicht wirklich ein Schritt aus dem Schlamassel der verkorksten Gegenwart? Würde dann vielleicht endlich auch die Dorfstraße asphaltiert, unter deren schlechtem Zustand der „Drübennachbar“ so sehr leidet? > … und überhaupt, solange dieser Orbán an der Macht ist, und das sind noch zwei Jahre, wird in Wahrheit ohnehin nichts passieren, zwei Jahre, brummte der Professor und brummten auch die anderen und sahen einander fragend an, darunter zwei namhaft zu nennende Historiker, die sich als eine der Ersten den Besuchern angeschlossen hatten, … > > > Quelle: László Krasznahorkai – Zsömle ist weg KOMIK UND TRAUER Krasznahorkai schreibt, wie man das von ihm gewohnt ist, in langen, nahezu endlosen Sätzen, die wechselnde Figurenrede in sich aufnehmen und alles mit allem verbinden. Diesmal ist es nicht, wie zuletzt in „Herscht 07769“, ein einziger Satz, denn es gibt elf Kapitel, die jeweils mit einem Punkt enden. Doch das Prinzip ist dasselbe. Ging es in „Herscht 07769“ um eine Gruppe von Neonazis in Thüringen, erinnern die ungarischen Umstürzler in ihrer monarchischen Traumwelt an Reichsbürger. Sie können sogar auf ein eigenes Waffenlager zurückgreifen. Doch damit will Onkel Jozsi nichts zu tun haben. Auch auf Seiten des Staates gibt es offenbar zwei einander widerstreitende Strömungen. Die einen laden den Arpaden-Nachfolger zum Gespräch und bereiten die Inthronisierung vor, die anderen kommen mit Hubschrauber und Sondereinsatzkommando, um den schwächlichen Greis zu verhaften wie einen Mafiaboss. HAPPY END AUSGESCHLOSSEN „Zsömle ist weg“ ist ein so komisches wie trauriges Buch. Man kann es politisch oder psychologisch lesen, wobei Krasznahorkai niemals psychologisiert, sondern einfach nur die wirren Gedanken aufschreibt, als wären sie wahr. In jedem Fall ist es eine tragische Geschichte über den klaffenden Abgrund, der sich in der Gesellschaft und in der Wunschökonomie der Menschen auftut. Ein Happy End ist dabei von vornherein ausgeschlossen. Man braucht gute Nerven in dieser Welt, die vom Wahnsinn regiert wird.

10.12.2025 - 4 min
episode Verteidigung der Freiheit gegen Denkverbote artwork

Verteidigung der Freiheit gegen Denkverbote

Das Spektrum zeitgenössischer Krisen ist groß: Angesichts des Aufschwungs populistischer Parteien droht eine Krise der parlamentarischen Demokratie, die Klimakrise erzeugt apokalyptische Ängste, Künstliche Intelligenz stellt die menschliche Kreativität in Frage, und die Cancel Culture bedroht die Freiheit des Denkens und Sprechens. Der österreichische Philosoph Konrad Paul Liessmann geht all diesen Krisenphänomenen in seinem neuen Buch nach und fragt, wie man auf die diversen Herausforderungen unseres freiheitlichen Gemeinwesens reagieren kann. So empfiehlt er angesichts des Legitimationsverlustes demokratisch gewählter Parlamente durch rechtsextreme Parteien und außerparlamentarische Bewegungen, aber auch durch die zunehmende Zersplitterung der Öffentlichkeit durch soziale Medien – Stichwort Blasenbildung – ein Mehr an direkter Demokratie. Nach dem Modell von Schöffengerichten sollten mehr Bürger an Entscheidungen des Gemeinwesens beteiligt werden, auch ein Losverfahren könnte Menschen zur politischen Teilhabe verhelfen, die im parlamentarischen System nicht repräsentiert werden.   MIT KANT GEGEN SELBSTVERSCHULDETE UNMÜNDIGKEIT  Liessmanns philosophisches Grundmotiv geht dabei auf den Aufklärer Immanuel Kant [https://www.swr.de/kultur/literatur/joerg-huelsman-kant-vom-aufbruch-der-gedanken-100.html] zurück, der Unmündigkeit als selbstverschuldet ansah und eine liberale Kultur auf den Eigensinn selbstständigen Denkens gründen wollte. Vehement streitet Liessmann gegen alle Versuche, die gesellschaftliche Kommunikation durch Moralismus, Denk- und Redeverbote einzuschränken. Konformismus aus politischer Korrektheit bedrohe, wie er grimmig-polemisch formuliert, die Grundlagen freiheitlicher Gemeinwesen.   > Schmutzige Gedanken und Worte werden geächtet, unliebsame Autoren und Wissenschaftler gemobbt, Redner werden am Sprechen gehindert, Denkmäler wie das von Christoph Kolumbus in Chicago gestürzt, die Spielpläne von Theater- und Opernhäusern von vermeintlich rassistischen und sexistischen Stücken befreit, die Literatur vergangener Tage wird nach den moralischen Maßstäben der Gegenwart korrigiert und umgeschrieben. > > > Quelle: Konrad Paul Liessmann – Was nun? Eine Philosophie der Krise GEGEN CANCEL CULTURE ALS BEVORMUDNUNG  Cancel Culture gilt Liessmann als Bevormundung und Zensur, die die Autonomie von Wissenschaft und Kunst untergräbt und damit den Universalismus der Aufklärung. Eine prohibitive Gesellschaft werde leicht zur illiberalen. Auch irrtümliche Behauptungen, unsinnige und sogar extremistische Äußerungen müssten toleriert werden, allerdings mit der Einschränkung, dass deren Vertreter nicht zur Gewalt aufrufen, um ihre Positionen durchzusetzen.   > Darf man der Auffassung sein, dass ethnisch homogene Gesellschaften besser funktionieren als multikulturelle und dies in der Öffentlichkeit äußern? Selbstverständlich! Darf man dafür demonstrieren? Jederzeit! Darf man eine Organisation gründen, die mit Gewalt diese Ansicht durchsetzen will? Nein!  > > > Quelle: Konrad Paul Liessmann – Was nun? Eine Philosophie der Krise KRITISCHES DENKEN STATT REINER GESINNUNG  Liessmann plädiert in alteuropäisch-aufgeklärter Tradition für radikale individuelle Freiheit, die heute auch gegen neue Überwachungstechnologien verteidigt werden müsse: Gesichtserkennung kann zu Gesichtsverlust führen. Und durch Künstliche Intelligenz droht eine „Antiquiertheit des Menschen“, wie Liessmann in Bezugnahme auf den Philosophen Günter Anders schreibt. Die Unterwerfung unter die digitale Maschinerie berge die Gefahr einer neuen Unmündigkeit: „Was nun?“ – Angesichts der vielfältigen Krisen und Bedrohungen der Gegenwart empfiehlt Liessmann: Mehr Skepsis gegen herrschende Ideologien, trotzigen Eigensinn gegen autoritäre Bevormundungen, kritisches Denken statt reiner Gesinnung, Humor statt Moralismus. Wer sich einem illiberalen Zeitgeist entgegenstellen will, findet in Konrad Paul Liessmann einen engagierten und klugen Verbündeten.

09.12.2025 - 4 min
episode Hanif Kureishi ‒ Als meine Welt zerbrach artwork

Hanif Kureishi ‒ Als meine Welt zerbrach

Der zweite Weihnachtsfeiertag 2022 markiert einen tiefen Einschnitt im Leben von Hanif Kureishi: Gemeinsam mit seiner Frau verbringt er die Weihnachtstage in Rom. Nach einem Spaziergang durch die Gärten der Villa Borghese wird ihm schwindelig. Kureishi stürzt und wird in ein Krankenhaus gebracht. Dort sagen ihm die Ärzte, dass einige seiner Wirbel durch den Sturz eine Art Schleuder-Trauma erlitten haben. Kureishi ist größtenteils gelähmt. Er hat zwar etwas Gefühl in seinen Armen und Beinen, bewegen kann er sie aber nur sehr eingeschränkt. Schon im Krankenhaus beginnt er, seiner Familie kleine Zustandsberichte zu diktieren. Das Erzählen, das sein Leben bislang bestimmt hat, gibt ihm auch in dieser Situation Halt:  > Die Literatur als Kunstform ist, was ihr zur Ehre gereicht, ein schmutziger Bastard. Vom Vulgärsten und Skurrilsten bis zum Erhabensten und Poetischsten – alles kann man in ein Buch packen, formen und zu etwas Unvergesslichen machen. Ein Insekt, einen Helden, ein Gespenst oder Frankensteins Monster. […] Jeden Tag öffne ich beim Diktieren dieser Gedanken das, was von meinem zerstörten Körper übrig ist, um dem Chaos, in dem ich versinke, eine Form zu geben; um zu verhindern, dass ich innerlich sterbe.  > > > Quelle: Hanif Kureishi ‒ Als meine Welt zerbrach SPANNUNGSBOGEN VOM VULGÄREN BIS ZUM ERHABENEN  Auch Kureishis Berichte spannen den Bogen vom Vulgären bis zum Erhabenen: Er informiert ausführlich über seinen Stuhlgang und Urin. Darüber hinaus erzählt er von neu geschlossenen Freundschaften und Momenten, in denen er mit Pflegern aneinandergerät. Mit trockenem Humor bemerkt Hanif Kureishi: Er würde niemanden zu einem Unfall wie seinem raten. In seinen Einträgen hält er aber auch auf bewegende Weise fest, wie sich der Blick auf die Welt verändert, wenn sich diese auf die Zimmer eines Krankenhauses beschränkt:   > Als ich heute Nachmittag im Fitnessraum sah, wie all die anderen Patienten mit ihren lädierten und deformierten Körpern von Physiotherapeuten behandelt und gestreichelt wurden, veränderte sich etwas in mir. Wenn man nur die Nachrichten und Fernsehen schaut, dachte ich, gewinnt man den Eindruck, die Welt sei hart, bewohnt von geldgierigen und narzisstischen Verbrechern. Sieht man aber die gemeinschaftliche Arbeit im Fitnessraum, erscheint sie einem als Ort der Schönheit, der gegenseitigen Unterstützung und des Respekts voreinander.   > > > Quelle: Hanif Kureishi ‒ Als meine Welt zerbrach Im Original lautet der Titel des Buches Shattered, also Zerbrochen, und er ist Programm. Hanif Kureishi sortiert beim Erzählen das Leben, das in Scherben vor ihm liegt. Wiederholt kehrt er zu seiner Kindheit in den 1960er-Jahren zurück, zu seinen Erfolgen als Drehbuchautor und dem endgültigen Entschluss, Schriftsteller zu werden.   VOM DREHBUCHAUTOR ZUM ERFOLGSSCHRIFTSTELLER MIT DER BUDDHA AUS DER VORSTADT  Eine gewichtige Rolle spielten dabei der Erfolg von Salman Rushdies [https://www.swr.de/kultur/literatur/bestenliste-2024-06-02-102.html] preisgekrönten Roman „Mitternachtskinder“ und die Erkenntnis, dass noch niemand einen Roman aus Sicht der zahlreichen Einwanderer geschrieben hatte, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Großbritannien kamen. Die Geschichten, wie sie in Kureishis Debütroman „Der Buddha aus der Vorstadt“ vorkommen, sind dem Leben abgelauscht, berichtet er:  > Da in den 1960er-Jahren viele Pakistaner nach Großbritannien kamen, […] bekam ich damals viele faszinierende Geschichten über den multiethnischen Wandel Großbritanniens zu hören. Geschichten über Rassismus und Not, aber auch über arrangierte Ehen, indische Restaurants, kleine Läden an der Ecke, Fabrikarbeiter, Familien, die anfingen, Immobilien zu kaufen, und über die neuen Communitys, die damals rund um den damaligen London Airport, heute Heathrow, entstanden. > > > Quelle: Hanif Kureishi ‒ Als meine Welt zerbrach BERÜHRENDES BUCH ÜBER DIE WIDERSTANDSKRAFT DES ERZÄHLENS  Kureishi schreibt, dass er als Autor stets hofft, seine Geschichten mögen jemanden berühren. Indem er offen, schonungslos und mal mit sanftem, mal mit derbem Humor von seinem Schicksal berichtet, gelingt ihm mit „Als meine Welt zerbrach“ genau das. Das Buch ist ein bewegendes Zeugnis davon, welche Widerstandskraft sich aus dem Erzählen schöpfen lässt.

08.12.2025 - 4 min
Loistava design ja vihdoin on helppo löytää podcasteja, joista oikeasti tykkää
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Kiva sovellus podcastien kuunteluun, ja sisältö on monipuolista ja kiinnostavaa
Todella kiva äppi, helppo käyttää ja paljon podcasteja, joita en tiennyt ennestään.

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