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Die Demokratie vor Gericht – Wie Juristen und Eliten die Volkssouveränität verdrängen

„Das Bundesverfassungsgericht muss aufgrund seiner Praxis als Kontrahent der Volkssouveränität bezeichnet werden.“ Ingeborg Maus’ scharfe Analyse klingt zunächst radikal, trifft jedoch einen wunden Punkt der heutigen demokratischen Realität. Sie wirft ein Schlaglicht auf eine Entwicklung, die sich schleichend vollzieht, aber tiefgreifende Folgen für die politische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger hat. [1 [https://www.nachdenkseiten.de/?p=133030#foot_1]] Von Detlef Koch. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. In den letzten Jahrzehnten ist eine zunehmende Verrechtlichung demokratischer Entscheidungsprozesse zu beobachten. Immer häufiger nehmen Gerichte Einfluss auf politische Beschlüsse, ja, sie definieren mitunter sogar die Grenzen dessen, was politisch überhaupt möglich ist. Was zunächst als Schutz von Minderheiten und Grundrechten erscheint, entpuppt sich auf den zweiten Blick als Problem: Politische Entscheidungen werden zunehmend juristisch-technokratisch legitimiert, nicht mehr demokratisch. [1] Die Politikwissenschaftler Lea Elsässer, Svenja Hense und Armin Schäfer zeigen in einer viel beachteten Studie, dass der Bundestag politische Entscheidungen in Deutschland immer häufiger zugunsten der Interessen wohlhabender Bürger trifft, während die Anliegen einkommensschwacher Gruppen systematisch ignoriert werden. Die Demokratie gerät so in Schieflage: „Politische Gleichheit wird systematisch verletzt, da vor allem Personen mit höherem Einkommen Gehör finden.“ Damit verliert die Volkssouveränität – das Grundprinzip der Demokratie – ihren Kern. [1] Jürgen Habermas, der wohl bekannteste lebende deutsche Philosoph, beschreibt diesen Prozess als systematische Entkoppelung der „Lebenswelt“ der Bürger vom technokratisch-juristischen „System“ politischer Eliten und Institutionen. Für Habermas ist Demokratie nur dann intakt, wenn Bürgerinnen und Bürger aktiv und wirksam am politischen Prozess teilnehmen können. Er warnt seit Jahrzehnten davor, dass „die in ihre autonomen Bezirke zurückgezogene kulturelle Moderne geschmeidig gemacht werden müsse, um sie einer Lebenspraxis zuzuführen, die gleichzeitig vor Zumutungen eines unvermittelten Zugriffs der Experten behütet wird.“ [2] Genau diese Zumutung aber findet derzeit statt. Politische Streitfragen wie Klimaschutz, Mieten oder soziale Gerechtigkeit landen vermehrt vor Gerichten. So erklärte das Bundesverfassungsgericht 2021 Teile des deutschen Klimaschutzgesetzes für verfassungswidrig. Was als juristischer Erfolg für den Klimaschutz gefeiert wurde, hat jedoch auch eine Schattenseite: Das Gericht setzte klare politische Vorgaben und entzog damit der demokratischen Auseinandersetzung entscheidende Gestaltungsspielräume. [1] Ähnlich beim Berliner Mietendeckel: Mehrheitsbeschlüsse des demokratisch gewählten Senats wurden gerichtlich kassiert. Die Berliner mussten erfahren, dass ihre politische Willensbildung rechtlichen Einschränkungen unterworfen ist, die nicht von gewählten Vertretern, sondern von juristischen Instanzen definiert wurden. [1] Ingeborg Maus sieht hierin eine gefährliche Verschiebung: „Die einstigen Menschenrechtssubjekte finden sich als Objekte einer Menschenrechtsverwaltung wieder.“ Durch juristische und supranationale Institutionen, wie beispielsweise in der EU, werde Demokratie de facto ausgehöhlt. Maus’ Diagnose ist radikal, aber in der Substanz zutreffend. Wenn politische Prozesse zunehmend von technokratischen Eliten und Juristen kontrolliert werden, entsteht ein neuer Typus der Herrschaft – eine „Verrechtlichung“, die demokratische Souveränität verdrängt. [3] Der britische Historiker Tariq Ali spricht sogar von einer „extremen Mitte“, einer politischen Klasse, die weder links noch rechts eindeutig einzuordnen ist, sondern deren gemeinsames Merkmal eine technokratische, kapitalorientierte und zunehmend autoritäre Regierungsweise darstellt. Diese technokratischen Regierungen, so Ali, verschaffen Konzernen und wirtschaftlichen Eliten Vorteile auf Kosten der breiten Bevölkerung. [4] Ein markantes Beispiel für diese Tendenz ist das deutsch-französische Rüstungsabkommen (DFA), dessen demokratische Kontrolle nach einem Gutachten von Greenpeace massiv eingeschränkt ist. Entscheidungen über Waffenausfuhren werden demnach außerhalb parlamentarischer Kontrolle gefällt, wodurch die politische Verantwortlichkeit verschleiert wird. [5] Welche Konsequenzen hat diese Entwicklung langfristig für unsere Gesellschaft? Wenn die Bürger zunehmend das Gefühl bekommen, dass ihre politische Stimme nicht zählt, wächst die Gefahr von Politikverdrossenheit und einer weiteren Spaltung der Gesellschaft. Gleichzeitig nimmt die Macht von Gerichten und technokratischen Instanzen zu, deren Entscheidungen kaum demokratisch legitimiert sind. Der Weg zurück zu mehr Demokratie führt über eine Revitalisierung der politischen Teilhabe. Maus und Habermas stimmen überein, dass die Stärkung einer partizipativen Demokratie, in der Bürgerinnen und Bürger tatsächlich über wesentliche politische Fragen entscheiden können, notwendiger ist denn je. [2] [4] Eine lebendige Demokratie braucht nicht nur juristische Schutzmechanismen, sondern vor allem den Raum zur demokratischen Gestaltung. Es ist Zeit, die Demokratie aus ihrer juristisch -technokratischen Umklammerung zu befreien und sie wieder als das zu verstehen, was sie eigentlich sein sollte: „Herrschaft des Volkes, durch das Volk und für das Volk.“ Titelbild: WESTOCK PRODUCTIONS / shutterstock.com ---------------------------------------- Verwendete Online-Quellen: Greenpeace: Rechtsfragen des deutsch-französischen Abkommens über Ausfuhrkontrollen im Rüstungsbereich vom 23. Oktober 2019 [https://www.greenpeace.de/sites/default/files/publications/20200226_rechtsfragen_des_deutsch-franzosischen_abkommens.pdf] Bock, Stefanie (2017): Zurechnung im Völkerstrafrecht. In: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik, Heft 7-8/2017, S. 410 ff. Online: https://zis-online.com/dat/artikel/2017_7-8_1121.pdf [https://zis-online.com/dat/artikel/2017_7-8_1121.pdf] ---------------------------------------- Fußnoten: [«1] Maus, Ingeborg (2018): Justiz als gesellschaftliches Über-Ich. Zur Position der Rechtsprechung in der Demokratie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. [«2] Habermas, Jürgen (1981): Philosophisch-politische Profile. Erweiterte Ausgabe. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. [«3] Maus, Ingeborg (2011): Über Volkssouveränität. Elemente einer Demokratietheorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. [«4] Ali, Tariq; Flassbeck, Heiner; Mausfeld, Rainer; Streeck, Wolfgang; Wahl, Peter (2020): Die extreme Mitte. Wien: Promedia Verlag. [«5] Boysen, Sigrid (2020): Rechtsfragen des deutsch-französischen Abkommens über Ausfuhrkontrollen im Rüstungsbereich vom 23. Oktober 2019.

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episode Interview mit der ukrainischen Historikerin Marta Havryshko: „Die Ukraine ist keine Demokratie. Die Menschen haben Angst, ihre Meinung zu sagen.“ artwork
Interview mit der ukrainischen Historikerin Marta Havryshko: „Die Ukraine ist keine Demokratie. Die Menschen haben Angst, ihre Meinung zu sagen.“

Die ukrainische Historikerin und Dissidentin Marta Havryshko ist eine unabhängige Stimme, die sich offen gegen die Verharmlosung rechtsextremer Strukturen und gegen die zunehmende Repression gegenüber Friedensaktivisten und Regierungskritikern stellt. Für ihr Engagement zahlt sie einen hohen Preis: Sie erhält regelmäßig Todesdrohungen, weil sie den autoritären Umbau unter Präsident Selenskyj kritisiert. Zugleich verurteilt sie den russischen Angriff. Havryshko lehrt als Assistenzprofessorin an der Clark University in Massachusetts (USA). Im Interview spricht sie über die Macht neonazistischer Gruppen, die zunehmende Unterdrückung der Opposition und die verbreitete Kriegsmüdigkeit in der ukrainischen Bevölkerung. Den westlichen Leitmedien wirft sie vor, die Politik der ukrainischen Regierung und die grausame Realität eines sinnlosen Krieges zu beschönigen. Das Interview führte Michael Holmes. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. ---------------------------------------- ---------------------------------------- Michael Holmes: Hallo! Heute ist es mir eine große Freude, mit Marta Havryshko zu sprechen. Marta, Sie sind eine ukrainische Historikerin. Heute arbeiten Sie als Assistenzprofessorin an der Clark University in Massachusetts, USA. Sie haben auch an den Universitäten von Lviv und Basel sowie am Holocaust Memorial Museum gearbeitet. Marta Havryshko: Hallo, ja. Ich war zeitweise an vielen Universitäten und Institutionen tätig, die sich mit dem Holocaust, der Erinnerung und der Geschichte befassen, unter anderem am Münchner Zentrum für Holocaust-Studien. Michael Holmes: Sie sind spezialisiert auf Holocaust- und Völkermordstudien sowie auf sexuelle Gewalt. Sie schreiben gerade ein Buch über sexuelle Gewalt während des Zweiten Weltkriegs in der Ukraine. Marta Havryshko: Ja, genau. Heute werden wir uns hauptsächlich auf die Gegenwart konzentrieren. Wir werden auch einen Blick auf die Geschichte werfen, weil sie für die Gegenwart relevant ist. Ich freue mich sehr, mit Ihnen zu sprechen, denn Sie sind eine ausgesprochene Kritikerin der Regierung Selenskyj. Sie haben Angst vor den zunehmend diktatorischen Tendenzen der Regierung, und Sie sind besonders besorgt über die Macht der extremen Rechten. In der Ukraine sprechen wir von Hardcore-Neonazi-Gruppen und Ideologen der weißen Vorherrschaft in der Armee, der Polizei und in der Politik. Um es klar zu sagen, es ist nicht so, dass die gesamte ukrainische Regierung eine faschistische Regierung ist. Das würde zu weit gehen, und natürlich sind Sie gegen die russische Invasion, und es steht Ihnen frei, über Ihre Gefühle in dieser Hinsicht zu sprechen. Aber ich denke, dass Stimmen wie die Ihre in den westlichen Medien nicht genug gehört werden. Sie geben dem Krieg in der Ukraine, der Situation in der Ukraine und der öffentlichen Meinung in der Ukraine viele Nuancen, die in den westlichen Medien fast immer untergehen. Es ist auch wichtig, zu erwähnen, dass Sie persönlich Morddrohungen von diesen rechtsradikalen Gruppen erhalten haben. Wer sind Sie? Wie sind Sie nach Massachusetts gekommen? Woher kommen Sie aus der Ukraine? Und warum werden Sie von Ihrer eigenen Regierung und der radikalen Rechten bedroht? Okay. Hallo, alle zusammen. Ich bin sehr froh, bei Ihnen zu sein. Ich bin ukrainische Staatsbürgerin. Ich wurde in Galizien geboren, in der Nähe der Stadt Lemberg, in einer Region, die sehr nationalistisch ist. Deshalb war der Nationalismus Teil meines gesamten Lebens. Ich wurde mit dem Nationalismus indoktriniert. Ich habe immer die ukrainische Sprache gesprochen. Ich bin also in einer Familie aufgewachsen, in der die ukrainische nationale Identität sehr, sehr präsent war, trotz des sehr unterschiedlichen ethnischen Hintergrunds in meiner Familie. Und dann verteidigte ich meine Dissertation über die öffentliche Meinung in Galizien, als die Nazis an die Macht kamen. Danach wandte ich meine Aufmerksamkeit den geschlechtsspezifischen Aspekten der ukrainischen Nationalisten zu. Und hier begann mein eigentliches Problem, denn zu dieser Zeit arbeitete ich an der Akademie der Wissenschaften der Ukraine, einer postsowjetischen Institution mit einer langen Tradition der Staatstreue. Als ich also begann, der Frage nach der geschlechtsspezifischen Dimension der ukrainischen Nationalisten nachzugehen, hatte ich dieses strahlende Bild von ukrainischen Frauen vor Augen, die bereit waren, ihr Leben für die Ukraine zu opfern, und die so patriotisch und enthusiastisch waren. Ich hatte diese romantische Vorstellung von ihrem Engagement. Aber als ich dann anfing, tiefer in dieses Thema einzutauchen, begriff ich, dass es im Grunde ein Mythos war, dass viele Frauen gezwungen wurden, vor Ort bestimmte Aufgaben für die ukrainischen Nationalisten zu erfüllen, und dass viele Frauen auch unter verschiedenen Arten von Gewalt durch die ukrainischen Nationalisten zu leiden hatten, einschließlich sexueller Gewalt. Als ich anfing, darüber zu sprechen – ich erinnere mich an meine erste Konferenz in Lviv im Jahr 2014 –, sagte mir einer der Professoren: „Sie setzen diese sowjetische Propaganda fort. Was Sie sagen, ist nicht wahr.“ Ich wurde von vielen meiner Kollegen angegriffen. Aber ich habe nicht aufgehört. Ich widmete mich voll und ganz meiner Arbeit und verbrachte viel Zeit damit, Interviews mit den weiblichen Mitgliedern der ukrainischen Nationalisten zu führen, und was ich von ihnen erfuhr, war augenöffnend. Viele von ihnen waren bereit, über sexuelle Gewalt zu sprechen, die sie nicht nur erlitten, als sie von den Sowjets verhaftet und als Teilnehmerinnen der ukrainischen Nationalisten verhört wurden, sondern auch durch die ukrainischen Nationalisten selbst. Die Beziehungen zwischen den Geschlechtern in der ukrainischen nationalistischen Bewegung waren sehr patriarchalisch, und die Frauen erlitten sehr viel Gewalt. (…) Dann habe ich meine Aufmerksamkeit auch auf die Behandlung jüdischer Frauen gelenkt, die von den ukrainischen Nationalisten gejagt wurden. Ich beschloss, ein Buch über den Holocaust in der Ukraine und die sexuelle Gewalt gegen jüdische Menschen zu schreiben. Dabei konzentriere ich mich vor allem auf die lokalen Täterinnen und Täter. Bei meinen Recherchen habe ich festgestellt, dass auch viele einheimische Männer in der von den Nazis besetzten Ukraine an sexueller Gewalt beteiligt waren. Viele der ukrainischen Nationalisten sind heute als Freiheitskämpfer bekannt. Wenn man über ihre Taten während der Nazi-Besatzung, ihre Kollaboration mit den Nazis, ihre Beteiligung am Holocaust und ihre verschiedenen Formen der Gewalt gegen jüdische Menschen spricht, entweiht man in den Augen vieler Patrioten in der Ukraine das Andenken an diejenigen, die für die Unabhängigkeit der Ukraine gekämpft haben. Deshalb bin ich seit Langem das Ziel vieler besorgter ukrainischer Bürger, vor allem derjenigen, die sehr konservative und rechte Ansichten haben, die versuchen, dieses sehr helle Bild der ukrainischen Nationalisten zu bewahren, vor allem in der Westukraine. Aus diesem Grund machen sie Jagd auf mich. Sie organisieren eine Mobbing-Kampagne gegen mich, Verleumdungskampagnen. Ich habe in der Ukraine antisemitische Angriffe erlebt. Als die russische Invasion begann, und nach dieser wütenden Rede Putins, verstand ich sofort, dass es für mich noch schwieriger werden würde, meine Forschung fortzusetzen. Ich hatte wirklich Angst vor dem Krieg, und ich hatte Angst vor russischen Panzern und der russischen Besatzung. Aber ich hatte auch Angst vor meinen ukrainischen Nachbarn, die diese Hexenjagd entwickeln werden, um ihre Frustration, ihre Wut zu kanalisieren. Und ich hatte recht, denn viele begannen, diese Diffamierungskampagne zu entwickeln und Jagd auf sogenannte innere Feinde zu machen. Deshalb habe ich zu Beginn des russischen Einmarsches 2022 meinen neunjährigen Sohn mitgenommen. Wir verbrachten eine Woche in Polen. Dann wurde ich an das Hamburger Institut für Sozialforschung eingeladen. Dann wechselte ich an die Universität Basel, wo ich einen Kurs über den Krieg in der Ukraine und Gender-Aspekte unterrichtete. Und dann wurde ich an die Clark University eingeladen. Kürzlich zeigte ich meinen Studenten Todesdrohungen von einem amerikanischen Neonazi, der jetzt in der Ukraine kämpft. Ich wurde von der örtlichen Polizei in Massachusetts und vom FBI kontaktiert. Wir versuchen, diesen Mann und das gesamte Netzwerk amerikanischer Neonazis, die jetzt in der Ukraine kämpfen, aufzuspüren. Jeder einzelne Krieg zieht all diese extremen Rechten an, weil sie nach militärischer Ausbildung dürsten, und viele von ihnen bereiten sich auf Terroranschläge vor, auf einen Krieg der Ethnien, wie sie es nennen. Die Ukraine wurde zu einem sicheren Paradies für viele Neonazis aus der ganzen Welt. Wir haben zum Beispiel deutsche Neonazis. Sie loben Hitler. Diese Leute werden in der Ukraine als Freiheitskämpfer gefeiert. Es sind Neonazis und Rassisten, die sich auf einen Rassenkrieg vorbereiten, und deshalb ist die Frage der Neonazis in der Ukraine nicht nur eine Frage der Sicherheit für die Ukraine, es ist eine Frage der Sicherheit für die ganze Welt, denn wir haben heute Neonazis aus verschiedenen Kontinenten in der Ukraine, auch aus Russland, denn die sind heute gespalten. Einige von ihnen unterstützen Russland, einige von ihnen unterstützen die Ukraine. Die Quintessenz ist, dass der Krieg in der Ukraine für alle Arten von weißen Rassisten sehr attraktiv geworden ist, und viele von ihnen sind jetzt in der Ukraine, wo sie militärisch ausgebildet werden und Unterstützung und finanzielle Vorteile erhalten, und einige von ihnen werden sogar von den ukrainischen Medien gefeiert, die sie als Freiheitskämpfer darstellen. Es ist sehr glaubwürdig, was Sie sagen. Es ist klar, dass es eine ernsthafte Bedrohung durch die extreme Rechte gibt. Aber Menschen könnten trotzdem entgegnen: Nun, die extreme Rechte gibt es in fast jedem Land. Warum soll das in der Ukraine anders sein? Können Sie uns also eine Vorstellung davon geben, wie stark die extreme Rechte ist, wie einflussreich sie ist? Und wie ist das Verhältnis zur Regierung? Denn viele lachen darüber und sagen: Ach, kommen Sie, Selenskyj ist doch selbst Jude! Das müssen Sie erklären! Außerdem: Fühlen Sie, Ihre Freunde oder andere Dissidenten sich auch von der ukrainischen Regierung bedroht? Ich habe eine ganze Vorlesung über Neonazis in Europa und den USA gehalten. Was aber anders ist: Viele dieser Gruppen werden von den Sicherheitsdiensten in ihren Ländern genau beobachtet, und viele von ihnen werden von den Regierungen verfolgt, die versuchen, ihre Netzwerke aufzuspüren, um diese Gruppen zu verbieten. In der Ukraine ist einer der prominenten Freiheitskämpfer Denis Nikitin, der den Spitznamen White Rex trägt. Er war an der Ausbildung deutscher Neonazis beteiligt. Er wurde aus Deutschland ausgewiesen und ist nun mit einem Schengen-Verbot belegt. Nachdem er dieses Verbot erhalten hatte, landete er in der Ukraine. Und jetzt ist er der Leiter des russischen Freiwilligenkorps und wird als Freiheitskämpfer gefeiert. Aber wenn man seine sozialen Medien verfolgt, ist er ein offener Neonazi und weißer Rassist. Er feiert Hitlers Geburtstag und macht aus seinen Ansichten keinen Hehl. Diese sogenannte russische Befreiungsarmee ist unter der Aufsicht des ukrainischen Militärgeheimdienstes organisiert. Letztes Jahr organisierten sie eine Konferenz in Lviv, an der Neonazis aus ganz Europa teilnahmen. Und warum? Die Ukraine ist auf der Suche nach Soldaten. Deshalb sind die Neonazis ein Instrument für die ukrainische Regierung, und sie nutzen ihre Kontakte und ihre Vernetzung mit Neonazis in Deutschland, in Frankreich, in Spanien, in Großbritannien, um sie in die Ukraine zu bringen und sie zum Kämpfen zu bringen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass ukrainische Neonazis in die öffentlichen Schulen eingeladen werden, wo sie eine sogenannte Erziehung zum Mut fördern sollen. Im Grunde genommen indoktrinieren sie also Kinder, zum Beispiel das Asow-Bataillon. Wir sollten die russische Freiwilligenarmee ein wenig erklären. Das sind russische Neonazis, die die russische Regierung mit Unterstützung der Ukraine bekämpfen? Ganz genau. Sie kämpften auch innerhalb Russlands. Und dann sprachen Sie über das Asow-Bataillon, das berühmteste und umstrittenste. Die westlichen Medien sagten oft: Ja, sie haben problematische nationalistische Ansichten. Sie behaupten, dass sie Hardcore-Neonazis sind, also: Hakenkreuze, Hitler. Sie sind nicht nur Nationalisten. Sie sind rechtsextrem, weiße Suprematisten? Ja, und sie wurden in die Nationalgarde und die ukrainischen Streitkräfte eingegliedert. Ihre Eingliederung bedeutet, dass sie zusätzliche staatliche Unterstützung und Schutz erhalten. Das bedeutet nicht, dass sie ihre Ideologie verloren oder irgendwie ihre politische Agenda aufgegeben haben. Nein, es bedeutet, dass sie jetzt ihre gewalttätigen extremistischen Ideen offen mit staatlichem Schutz verbreiten. Wenn wir ihre Äußerungen, ihre Ideologien verfolgen, sind sie ganz offen homophob. Sie sprechen von inneren Feinden, politischen Feinden der Ukraine, die verfolgt und ihrer politischen Rechte beraubt werden sollten, d.h. von Linken, von sogenannten pro-russischen Politikern. Sie rufen grundsätzlich zu Gewalt und politischem Terror gegen sie auf. C14-Mitglieder – eine weitere Neonazi-Organisation – sind prominente Kämpfer mit einem prominenten Kommandanten, die in einigen ukrainischen Städten Morde verübt haben. Der Grad der Unterstützung, den Asow heutzutage in der Ukraine genießt, ist unverantwortlich. Sie legitimieren rassistische Rhetorik. Sie sind offene Antisemiten. (…) Es ist nicht schwer, all diese Gruppen zu identifizieren. Es ist nicht schwer, sie zu verhaften. Für den Staat ist es nicht schwer, ihre Geschäfte zu unterbinden. Aber das tun sie nicht, denn sie haben ihnen freie Hand gelassen, und sie tun, was sie wollen, und sie diskutieren in ihren Gruppen offen darüber, wer mich zum Beispiel umbringen soll, weil ich sie bloßstelle. Ich schreibe ständig über sie. Sie fühlen sich so mächtig und so geschützt durch den Staat, dass sie in ihren Nachrichten an mich oft diesen Satz verwenden: Wir sind der Staat, wir sind der Sicherheitsdienst. Und das stimmt zum Teil, denn im ukrainischen Sicherheitsdienst gibt es viele Leute, die ihre Ansichten teilen, die Mitglieder von Neonazi-Gruppen sind. Wenn ich also in die Ukraine komme, werden sie sich um mich kümmern. Vielleicht haben einige unserer Zuschauer und Zuhörer von der Webseite Myrotvorets gehört. Sie wurde von einigen pensionierten Mitgliedern des ukrainischen Sicherheitsdienstes eingerichtet und ist eng mit diesem verbunden. Sie stellen auf dieser Webseite die Namen und persönlichen Daten derjenigen ein, die sie als Feinde des ukrainischen Volkes betrachten. Viele dieser Menschen sind dann Mobbingattacken und Verfolgungen ausgesetzt. In den Jahren 2015 und 2016 forderten das US-Außenministerium, europäische Länder und Human Rights Watch die Ukraine auf, diese Webseite zu untersuchen und abzuschalten. Aber diese Webseite ist immer noch in Betrieb. Und vor Kurzem, vor etwa sechs Monaten, tauchte mein Name auf. Ich war erschrocken. Sie haben einige meiner Artikel über ukrainische Staatsangehörige und einige meiner Beiträge in den sozialen Medien über sie auf die Webseite gestellt. Es ist also lächerlich. Ich stehe der ukrainischen Erinnerungspolitik sehr kritisch gegenüber. Sie benutzen meine Kritik als Beweis dafür, dass ich gegen die Ukraine bin, dass ich ein Feind des ukrainischen Volkes bin. Aber das Feiern von Nazi-Kollaborateuren, Nazi-Revisionismus und Nazi-Apologien ist nicht der beste Weg, unsere Jugend zu erziehen. Wir können nicht einerseits alle Denkmäler für Stalin und Lenin abschaffen, andererseits aber Bandera-Denkmäler errichten und Straßen nach Nazi-Kollaborateuren benennen, die am Holocaust und an der Gewalt gegen Polen, Roma und Tschechen beteiligt waren. Diejenigen, die versuchen, die Verfolgung russischsprachiger Menschen, die russenfeindliche Rhetorik und die Entmenschlichung anzusprechen, diejenigen, die die Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine im Zusammenhang mit der Zwangsmobilisierung ansprechen, werden zum Schweigen gebracht, sie werden verfolgt, und sie erzwingen eine Selbstzensur, weil es nicht einfach ist. Erst sprachen Sie von der Bedrohung durch die extreme Rechte. Jetzt sprechen Sie auch davon, dass die Regierung Andersdenkende zensiert? Ja, ich werde keine Namen nennen, weil ich sie nicht in Gefahr bringen möchte. Einer meiner Kollegen aus Lemberg zum Beispiel kritisierte öffentlich das harte Vorgehen gegen die orthodoxe Kirche in der Ukraine, die dem Moskauer Patriarchat angehört, und am nächsten Tag stattete ihm der ukrainische Sicherheitsdienst einen Besuch ab. Er ist aus der Ukraine geflohen, weil er Angst hatte, dass er ins Gefängnis kommen würde. Wir haben noch einen anderen Kollegen, der sich ebenfalls sehr kritisch zur Erinnerungspolitik in der Ukraine äußert. Ihm steht ein Prozess bevor, und alle Beweise werden vom Sicherheitsdienst der Ukraine vorgelegt. Sie sind also Wachhunde, diese Mitglieder des Sicherheitsdienstes. Sie versuchen, die Menschen einzuschüchtern. Sie wollen ihr Eigentum beschlagnahmen. Sie wollen sie entlassen. Eine Professorin wurde entlassen. Und was war der Grund dafür? Nicht ihre freie Meinungsäußerung, sondern die ihrer Tochter, die ein Video auf ihrem TikTok veröffentlicht hat, in dem sie das harte Vorgehen gegen die ukrainisch-orthodoxe Kirche kritisiert, und man hat ihr zusätzlich vorgeworfen, dass dieses Video auf Russisch aufgenommen wurde und nicht in unserer ‚patriotischen Sprache’. Das ist lächerlich. Diejenigen, die in der ukrainischen akademischen Welt sehr mächtig sind und sich selbst als Liberale bezeichnen, die angesehene Fachleute und Entscheidungsträger sind, sind in Wirklichkeit Teil des Problems. Zunächst einmal leugnen sie das Problem mit den Neonazis in der Ukraine und den wachsenden Einfluss der extremen Rechten. Aber sie zetteln auch Gewalt gegen diejenigen an, die sich offen gegen sie aussprechen – wie ich. Ich habe sogar meine ukrainischen Kollegen gefragt: „Werdet ihr euch um meinen Sohn kümmern, der jetzt zwölf Jahre alt ist, wenn ich von denen getötet werde, die eurer Darstellung nach gar nicht existieren?” Und viele von ihnen sagten: „Nein, wir werden uns nicht um deinen Sohn kümmern.” Letztes Jahr wurde eine ukrainische Professorin ermordet. Sie war Professorin in meiner Heimatstadt, am Polytechnikum. Es gibt viele Hinweise darauf, dass sie von einem russischsprachigen Mann getötet wurde, der vielen Neonazi-Gruppen in den sozialen Medien folgte. Einige Studien zeigen, dass Menschen, die diesen Neonazi-Gruppen folgen, zur Gewalt indoktriniert werden. Dieser Mann war Mitglied des Rechten Sektors, einer rechtsextremen Gruppe. Er folgte auch anderen sehr rassistischen, neonazistischen Social-Media-Kanälen. Er hat sie letztes Jahr getötet. Das war zwei Wochen nach meinem Besuch in der Ukraine letztes Jahr. Jetzt habe ich wegen ihres Todes wirklich Angst, in die Ukraine zurückzukehren. Sie war in der Ukraine sehr beliebt. Sie war eine Nationalistin, ein ehemaliges Mitglied des Parlaments in Lviv, ihrer Heimatstadt. Sie hat sich sogar daran beteiligt, mich zu schikanieren. Sie nannte mich „linkes Gesindel”, „Gendergesindel”. Aber als sie umgebracht wurde, war ich wirklich bestürzt. Monate zuvor hatte sie einen öffentlichen Streit mit Mitgliedern der Asow-Bewegung über die russische Sprache. Viele Mitglieder der Asow-Bewegung kommen nicht aus der Westukraine, sondern aus Charkiw, Odessa, Cherson und anderen hauptsächlich russischsprachigen Regionen. Sie begann sie zu kritisieren und sagte: „Ihr seid keine wahren Patrioten, wenn ihr nicht zum Ukrainischen wechselt.” Es war eine sehr öffentliche Diskussion. Danach erhielt sie eine Menge Drohungen. Das Problem ist, dass diese Kommandeure – die Asow-Kommandeure – berühmte Kommandeure sind. Wenn Sie einen Beitrag über sie schreiben, fangen die Leute, die ihnen gegenüber loyal sind oder ihre Loyalität zeigen wollen, sofort an, etwas zu unternehmen. Ich erinnere mich, dass ich von der Surda-Solo-Brigade angegriffen wurde, als ich letztes Jahr ihre Fotoausstellung kritisierte. Sie feierten Galizien, indem sie Fotos rekonstruierten und sich im Grunde mit Nazi-Kollaborateuren gleichsetzten. Sie stellten das alte Foto neben das neue und setzten sich so mit Menschen gleich, die Hitler die Treue geschworen und den Zielen des Dritten Reiches gedient hatten. Als ich diese Methode der Selbstdarstellung kritisierte, begannen sie, mich öffentlich zu schikanieren. Sie nannten mich unpatriotisch. Und aufgrund ihres Status in der Gesellschaft begannen Leute, die sie bewunderten, mich ebenfalls zu bedrohen. Im Grunde haben sie also diese Gewalt gegen mich angezettelt. Sie haben eine Menge Veröffentlichungen und YouTube-Videos über mich gemacht und behauptet, ich sei ein russischer Agent und würde die sowjetische Propaganda gegen ukrainische Nationalisten und Freiheitskämpfer fortsetzen. Das ist wahnsinnig. Wenn man sagt, dass man für die Demokratie gegen die russische Autokratie kämpft, kann man keine Nazi-Kollaborateure feiern. Das ist Holocaust-Leugnung und Verdrehung. Viele Nationalisten haben tatsächlich am Holocaust teilgenommen. Sie waren willige Henker. Sie profitierten vom Mord an ihren jüdischen Nachbarn. Und warum? Weil sie antisemitisch waren. Sie glaubten, dass die Ukraine ein Ethnostaat ohne Juden sein sollte. Sie glaubten an den Judenbolschewismus – dass die Juden mit den Sowjets verbunden und für die sowjetischen Verbrechen verantwortlich waren, darunter dem Holodomor, Stalins Hungersnot und andere Gräueltaten gegen die Ukraine. Lassen Sie uns nun zur ukrainischen Regierung kommen. Ich meine, Sie haben deutlich gemacht, dass es einen starken Einfluss der extremen Rechten gibt. Aber wie groß ist er? Was ist mit der Regierung selbst? Ist sie eine Diktatur oder noch nicht? Als Trump diese Behauptung aufstellte, waren natürlich viele Menschen in der Ukraine verärgert. Sie begannen, Selenskyj zu verteidigen. „Oh, Selenskyj ist kein Diktator.” Aber Selenskyj ist auf dem Weg zur Diktatur. Er ist auf dem Weg dorthin. Ich glaube, Selenskyj will keine Wahlen, auch aus Sicherheitsgründen. Wahlen sind nur möglich, wenn man das Kriegsrecht aufhebt. Und wenn man das Kriegsrecht aufhebt, sollte man die Grenzen öffnen. Sobald man die Grenzen öffnet, werden viele Menschen – vor allem Männer im wehrfähigen Alter – das Land verlassen. Viele Männer versuchen, der Einberufung zu entgehen. Sie wollen keine posthumen Helden werden. Aber Selenskyj hat auch eine Menge Parteien in der Ukraine verboten. Alle linken Parteien sind jetzt verboten. Und viele von ihnen wurden bereits vor der umfassenden russischen Invasion verboten. Selenskyj behauptete, sie seien pro-russisch und würden die politischen Interessen Russlands unterstützen. Außerdem gibt es in der Ukraine keine freie Presse. Das Kriegsrecht ist in dieser Hinsicht sehr hilfreich für die ukrainische Regierung und die ukrainischen Behörden, weil sie all diesen Druck auf die ukrainischen Medien mit Sicherheitsgründen rechtfertigen. Sie sagen: Darüber kann man nicht schreiben, weil es die westliche Unterstützung untergräbt. Denn wir, die Ukraine, stehen in den Augen der westlichen Politiker, der westlichen Bevölkerung und der einfachen Menschen im Westen schlecht da. Also tun Sie das bitte nicht. Und wenn Sie das tun, müssen Sie mit Konsequenzen rechnen. Ein weiterer Grund ist die Selbstzensur. Warum es sie gibt? Zunächst einmal, weil viele, wirklich viele Journalisten glauben, dass sie jetzt patriotischer sein sollten. Sie sollten mehr Aktivisten als Profis sein. Deshalb unterstützen sie im Grunde all diese Ideen, dass es in der Ukraine keine Neonazis und keine Rechtsextremen geben darf. Sie unterstützen diesen Diskurs und tragen zu diesem Diskurs bei, indem sie verschiedene Dokumentarfilme entwickeln, indem sie verschiedene Videos mit Asow-Kommandeuren oder anderen produzieren. Sie machen ihre Arbeit nicht. Sie stellen keine schwierigen Fragen. Sie fragen Asow-Führer Bilensky nie nach seiner Rassentheorie und seinen antisemitischen Behauptungen – nie; denn sie haben Angst, dass die Antwort nicht sehr angenehm ausfallen wird, und das können sie nicht zulassen. Und viele von ihnen sind im Grunde in die ukrainische Armee eingebettet. Um Zugang zu exklusivem Material zu erhalten, üben viele ukrainische Journalisten Selbstzensur aus. Und sie glauben, dass sie einige Informationen verbergen sollten. Aus diesem Grund gibt es in der Ukraine keine freie Meinungsäußerung. Ich glaube nicht an die freien Medien. Wir haben politische Verfolgung in der Ukraine. Es gibt viele Anzeichen für politische Unterdrückung. Sogar Poroschenko, der ehemalige Präsident – er steht heute unter Sanktionen –, und viele politische Gegner, Mitglieder seiner Partei zum Beispiel, sehen sich oft mit Hindernissen konfrontiert, wenn sie ins Ausland reisen, um mit verschiedenen Politikern zu sprechen. Und das ist ein Zeichen von politischer Verfolgung, denn Selenskyj ist nicht glücklich darüber, dass Poroschenko im Ausland über die entstehende Diktatur in der Ukraine spricht. Das ukrainische politische Regime ist keine Demokratie. Als ich vor zwei Jahren in der Ukraine war, haben mir zwei oder drei Ukrainer deutlich gesagt, dass sie gegen den Krieg sind. Und sie denken, dass die Regierung zu einer Diktatur wird. Und sie sagten, sie würden das nicht öffentlich sagen, weil es zu gefährlich wäre. Und sie sagten, sie würden nur mit Freunden darüber sprechen und so weiter. Sie haben mich auch gewarnt: Stell diese Fragen nicht – du kannst getötet werden. Ganz genau. Das ist eines der Zeichen dafür, dass es sich nicht um eine Demokratie handelt, denn die Menschen haben Angst, ihre Meinung zu sagen. Vor allem vor der Kamera, sogar vor westlichen Journalisten. Denn die ukrainische Regierung beobachtet genau, wie westliche Medien über die Ukraine berichten und wie sie sie darstellen. Und im Grunde können diese Menschen in Gefahr geraten – auch ihre Familienangehörigen. Sie können verhaftet werden, sie können bedroht werden, sie können entlassen werden. Wir saßen in einem Zug, und dieser junge Mann schaute sich immer um, bevor er mit mir sprechen konnte. Und er sagte: „Ich werde Ihnen meinen Namen nicht sagen.” Als Journalist weiß ich, wann ich mich in einer Diktatur befinde und wann nicht. Ich weiß nicht, ob es sich um eine vollständige Diktatur handelt, aber die Ukraine ist auf dem Weg dorthin. Ja, sie ist auf dem Weg. Wenn Sie sehen, wer die ukrainische Regierung kritisiert – diese Leute haben die Ukraine größtenteils verlassen. Sie sind jetzt in westlichen Demokratien, denn in der Ukraine ist es für sie zu gefährlich. Und ich könnte mir nicht vorstellen, dass ich in der Ukraine so offen sein würde. Das ist unmöglich. Und ein weiteres Zeichen der Diktatur in der Ukraine und der Menschenrechtsverletzungen – massiver Menschenrechtsverletzungen – ist mit der Zwangsmobilisierung verbunden. Das ist eines der schmerzhaften Themen. Denn, wissen Sie, viele Menschen – einige Menschen im Westen – sind im Grunde Opfer der ukrainischen Kriegspropaganda. Sie glauben, dass ukrainische Männer einfach nur Verrückte sind und dass sie nur an den glorreichen Tod auf dem Schlachtfeld denken. Das ist Blödsinn. Meine Freunde, meine Bekannten, Freunde von Freunden – sie verkaufen ihre Autos, ihre Wohnungen, um Bestechungsgelder zu zahlen, um Ausnahmeregelungen zu erhalten oder um aus der Ukraine zu fliehen. Und sie zahlen heutzutage 20, 30, 40, sogar 50.000 Dollar, um dieser Mission zu entkommen. Und was wir heutzutage beobachten – Selenskyj sagte kürzlich in einem Interview mit Ben Shapiro, dass die Fälle von gewaltsamer Mobilisierung, von erzwungener Mobilisierung, nur gelegentlich vorkommen. Es handele sich nicht um ein systematisches Problem. Und jeder einzelne Fall werde genau überwacht und untersucht. Das ist nicht wahr, denn jeden Tag gibt es Dutzende von Videos, die von einfachen Menschen gemacht werden, die versuchen, diese Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren. Menschen werden von der Straße gezerrt und wie Fleisch in Militärtransporter gestopft. Menschen mit schweren Krankheiten – wie Tuberkulose oder Krebs – werden an die Front geschickt. Und das ist eine klare Menschenrechtsverletzung. Schrecklich. Auch sehr alte Menschen. Ich glaube also, dass die Ukraine sogar wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden kann. Denn ein weiteres Problem ist, dass viele dieser Menschen, die im Grunde genommen entführt und gezwungen werden, in diesen Militärstationen zu bleiben, unmenschlichen Bedingungen ausgesetzt sind. Sie werden geschlagen. Sie werden gezwungen, die Einberufungspapiere zu unterschreiben. Medizinische Hilfe wird ihnen verweigert – auch denen, die zum Beispiel aus der ukrainischen Armee desertiert sind und verhaftet wurden. Sie werden in Haftanstalten untergebracht, in Kellern. Wir sprechen von unmenschlicher Behandlung. Die Ukraine ist ein sehr korruptes Land. Und die Korruption blüht in diesem Bereich der Zwangsmobilisierung. Sie blüht einfach auf. Deshalb, wissen Sie, gibt es in der Ukraine so viele soziale Spannungen. Es gab so viele Skandale über die „goldene Jugend” der Ukraine – sie fährt schicke Autos und lebt komfortabel –, während diejenigen, die mit der Härte des Krieges konfrontiert sind, vor allem an der Front, meist aus der Arbeiterklasse stammen. Warum? Weil sie nicht genug Geld haben, um für eine Ausnahmegenehmigung zu bezahlen oder aus diesem sogenannten Paradies, dieser sogenannten Demokratie unter Beschuss zu fliehen. Deshalb wird das Problem immer größer und größer. Aber die westlichen Medien – und vor allem die westlichen politischen Eliten – verschließen die Augen vor diesem Problem. Ein Grund ist sehr egoistisch: Niemand möchte in Echtzeit sehen, wie ein Sohn, Bruder oder Ehemann von einer russischen Drohne getötet wird. Und wir wissen, dass in diesem technologischen Krieg viele Opfer durch Drohnen und Artillerie verursacht werden – es ist kein Kampf von Angesicht zu Angesicht mehr. Man wird einfach von diesen technischen Geräten getötet. Und das will niemand. Diese Videos zur Zwangsrekrutierung – ich empfehle, sich mindestens ein oder zwei anzusehen – sind sehr schockierend. Man sieht sehr junge Menschen, manchmal fast noch Kinder, etwa 20 Jahre alt. Und man sieht, wie sie zwangsmobilisiert werden, tiefe Angst in ihren Augen. Denn sie wissen, dass sie in einen sogenannten Fleischwolf kommen. Sie wissen, dass ihre Überlebenschancen sehr gering sind – in einem Krieg, der, so leid es mir tut, aber… sagen wir es so: Sie werden ihn nicht gewinnen. Ganz genau. Für nichts. Ich meine, wenn ich Ukrainer wäre und einen Sohn hätte, würde ich alles tun, um ihn nicht in diesen Krieg ziehen zu lassen. Und ich glaube nicht, dass ich ein Verräter oder ein Feind des Volkes sein würde. Aber wissen Sie, wenn man in der Ukraine so offen darüber spricht, vor allem als Mutter … Ich habe ein Kind. Ich kann mir nicht vorstellen, mein einziges Kind in diesen Fleischwolf zu schicken. Denn die Frage ist oft: Wofür? Und dann: Wie geht es weiter? Die Ukraine gewinnt diesen Krieg nicht, und jeden Tag wird die Position der Ukraine schwächer. Das Friedensabkommen, das im Frühjahr 2022 auf dem Tisch lag, war viel besser als das, was heute auf dem Tisch liegt. Die Bedingungen sind jetzt viel schlechter. Jeden Tag verlieren wir Menschen, verlieren wir Territorium. Und die europäischen Länder sagen: „Oh, es ist schwer, auch nur 25.000 Soldaten zu entsenden.” Wirklich? Glauben Sie, dass 25.000 Soldaten etwas gegen eine komplette russische oder ukrainische Armee ausrichten können? Niemals. Und diese Truppen werden nicht über die gleiche Erfahrung verfügen wie die russischen Truppen. Können Sie sich vorstellen, dass Särge nach Berlin, nach Hamburg, nach Paris zurückkommen? Wir dürfen nicht vergessen, dass wir es mit einer Atommacht zu tun haben. Deshalb kann dieser Krieg nicht so behandelt werden wie zum Beispiel der Zweite Weltkrieg. Wir haben es mit Atomwaffen zu tun. Es ist also sehr gefährlich, zu eskalieren. Aber dieses ganze Gerede – „Putin ist Hitler”, „die bösen Horden aus dem Osten”, „Russen sind unmenschlich”, „mit ihrem Blut stimmt etwas nicht” – dieser rassistische Diskurs … Ich finde es erstaunlich, dass Sie das so sagen. Dass Sie immer noch Mitgefühl und Verständnis aufbringen. Sie rechtfertigen nichts. Ja, denn wenn wir versuchen, unseren Feind zu entmenschlichen, verlieren wir unsere eigene Menschlichkeit. Ich verstehe, warum viele Ukrainer die Russen entmenschlichen – vor allem die Soldaten. Denn man kann einen Menschen nicht töten, wenn man ihn als Mutter, als Vater, als jemanden, der Träume hatte, als jemanden, der vielleicht auch zwangsmobilisiert wurde, ansieht. Wir wissen, dass die Russen auch Menschen zwangsmobilisieren, sogar einige Ukrainer in den besetzten Gebieten. Man weiß nie genau, wer diese Person ist. Vor allem für Scharfschützen, die eine Person durch ein Zielfernrohr direkt ansehen müssen, hat diese Arbeit ihre eigenen Besonderheiten. Um ihren Verstand zu bewahren, müssen Sie den Feind entmenschlichen. Also wiederholst du: „Sie sind Bastarde”, „Sie verdienen keine Gnade”, „Sie sollten alle getötet werden”. Aber ich glaube, das ist sehr schädlich für die Psyche eines jeden Menschen. Und es ist gefährlich, weil es nicht dem Ziel des Friedens dient. Man wird das Blutvergießen niemals stoppen, wenn man die andere Seite als unmenschliche Monster bezeichnet. Jeder Krieg endet mit einer Verhandlung. Deshalb bin ich zutiefst besorgt über die entmenschlichende Rhetorik auf beiden Seiten – auf der russischen und auf der ukrainischen Seite. Ich weiß, warum sie sie verwenden. Ich verstehe die Propaganda von Gräueltaten im Krieg. Aber sie führt zur Eskalation. Und es gibt keinen Weg, jemals Frieden zu erreichen, wenn wir diesen Weg der gegenseitigen Entmenschlichung weitergehen. Und selbst wenn Sie gewinnen könnten – was sehr unwahrscheinlich erscheint, vor allem im Hinblick auf die Rückgewinnung aller verlorenen Gebiete –, hätte ich große Angst, dass Putin tatsächlich Atomwaffen einsetzen würde. Ich bin sehr neugierig auf Ihre Einschätzung der öffentlichen Meinung in der Ukraine. Denn im Westen haben wir dieses sehr vereinfachte Bild, dass alle Ukrainer Patrioten sind, geeint, hoch motiviert, und alle wollen die Russen bis zum Sieg bekämpfen. Aber nach dem, was Sie sagen, ist es viel komplizierter. Haben Sie ein Gefühl dafür – vor allem angesichts der Zensur –, was die Ukrainer wirklich denken? Vor allem im Osten, wie dem Donbass, und anderen Gebieten unter russischer Besatzung? Wie viele Menschen wollen Frieden? Wie viele sind kritisch gegenüber der Regierung Selenskyj – gegenüber der NATO und dem Westen? Ich bin sicher, dass die große Mehrheit Russland gegenüber kritisch eingestellt ist – aber das bedeutet nicht, dass sie in allen anderen Fragen einer Meinung sind. Das ist tatsächlich eine sehr interessante Frage. Wegen des Kriegsrechts, der Zensur und der Selbstzensur ist es nicht einfach, die öffentliche „Temperatur” zu messen. Es ist schwierig, zu wissen, was tatsächlich vor sich geht. Und wenn wir uns Umfrageergebnisse ansehen, müssen wir immer bedenken, dass derzeit mindestens sieben Millionen ukrainische Flüchtlinge in Europa leben. Das sind Menschen, die nach 2022 gegangen sind und in diesen Umfragen nicht berücksichtigt werden. Die meisten von ihnen stammen aus der Ost- oder Südukraine – Regionen, die traditionell Janukowitsch unterstützten, der sehr pro-russisch eingestellt war und die Maidan-Bewegung ablehnte. Viele von ihnen standen der Revolution skeptisch gegenüber. Ihre Stimmen fehlen jetzt. Eine weitere große Gruppe, die ausgeschlossen ist, ist natürlich die Region Donbass, die seit 2014 faktisch vom Rest der Ukraine getrennt ist. Wir wissen wirklich nicht, was die Menschen dort denken oder erleben. Wenn behauptet wird, Russland begehe einen Völkermord oder wolle die gesamte Ukraine annektieren oder beabsichtige, die Bevölkerung auszuhungern und alle in den Gulag zu schicken, dann sind solche Darstellungen höchst problematisch. Nach 2022 sind nach UN-Schätzungen – nicht nach ukrainischen oder russischen Quellen – mindestens 1,2 Millionen Ukrainer nach Russland gegangen. Dabei handelt es sich nicht um Flüchtlinge im herkömmlichen Sinne. Es sind ukrainische Bürger, die sich für die Flucht nach Russland entschieden haben. Und warum? Weil sie dort Verwandte haben. Weil ihnen die Kultur nahe ist. Weil viele von ihnen den westlichen Werten skeptisch gegenüberstehen. Die ukrainische Gesellschaft ist nach wie vor sehr patriarchalisch, und die Skepsis gegenüber LGBT+-Rechten ist weit verbreitet. Homosexuelle Partnerschaften sind immer noch nicht legal, und das ist ein heftig diskutiertes Thema – vor allem jetzt, wo schwule Männer und lesbische Frauen an der Front für die Ukraine kämpfen und sterben. Sie können immer noch nicht die volle Staatsbürgerschaft genießen. Ihre Rechte sind eingeschränkt. Sie können nicht legal heiraten. Das schafft ernsthafte Hindernisse, etwa wenn ein Partner verwundet oder getötet wird und die Angehörigen keinen Zugang zu staatlicher Entschädigung haben. Dies sind nicht nur moralische oder religiöse Fragen; sie haben reale, konkrete Folgen für die Menschen. Und doch sind große Teile der ukrainischen Gesellschaft nach wie vor gegen die gleichgeschlechtliche Ehe. Viele dieser Stimmen sind in rechtsextremen Gruppen zu finden. Die Asow-Bewegung zum Beispiel ist offen gegen LGBT. In meiner Heimatstadt Lviv wurde kürzlich eine von einer LGBT+-Gruppe organisierte Veranstaltung von rechtsextremen Demonstranten gewaltsam aufgelöst. Es handelte sich nicht einmal um eine Parade, sondern um eine geschlossene, private Veranstaltung. Aber das war ihnen nicht genug. Sie vermummten ihre Gesichter, skandierten Parolen und zeigten Symbole wie die Schwarze Sonne und den Totenkopf. Sie verhielten sich gewalttätig und schafften es, die Veranstaltung zu beenden. Nach dem, was ich in Gesprächen mit Freunden und Familienangehörigen höre, sind die Menschen müde – erschöpft, um genau zu sein. Nach der gescheiterten Gegenoffensive wurde klar, dass sich die Ukraine auf einen Zermürbungskrieg eingelassen hatte. Selbst der ehemalige Oberbefehlshaber des ukrainischen Militärs, eine weithin angesehene und erfahrene Persönlichkeit, war skeptisch. Er warnte, dass die Ukraine in einem langwierigen Zermürbungskrieg keine Chance auf einen Sieg hätte. Und er hatte recht. Es ist illusorisch, zu glauben, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen wird – vor allem jetzt. Es gibt mindestens 100.000 Deserteure aus der Armee. Das sind Menschen, die genug von den Kämpfen, genug vom Tod haben. Sie haben den Glauben an den Traum vom Sieg verloren. Und jetzt, mit der wahrscheinlichen Rückkehr von Trump und seiner Rhetorik über die Ukraine, ist es klar, dass die USA möglicherweise nicht mehr bereit sind, diesen Krieg zu finanzieren. Und seien wir ehrlich: Die USA waren nicht nur der größte Partner der Ukraine, sie waren auch der wichtigste Entscheidungsträger, der Hauptlieferant. Die Ukraine kann diesen Krieg ohne Waffen, Geheimdienstinformationen und Unterstützung aus den USA nicht überleben. Drohnen, Starlink-Zugang, Informationen zum Schlachtfeld – all das hängt von der amerikanischen Unterstützung ab. Wenn die USA sich zurückziehen, wird das eine Katastrophe sein. Die europäischen Länder sind nicht bereit, einzugreifen. Sie haben weder den Willen noch die Truppen noch die wirtschaftlichen Mittel – vor allem, nachdem sie den Zugang zu billigem russischen Öl und Gas verloren haben. Ihre Volkswirtschaften leiden. Die europäischen Staats- und Regierungschefs sprechen zunehmend offen über ihre Absichten: Sie wollen die ukrainischen Männer instrumentalisieren. Sie wollen sie benutzen, um Russland zu schwächen, Zeit zu gewinnen, um aufzurüsten und sich auf ihre eigenen künftigen Kriege vorzubereiten. Sie wollen Russland ausbluten lassen – auf Kosten von ukrainischen Menschenleben. Dieser Gedanke – dass die Ukraine als Stellvertreter benutzt wird – wird in der Ukraine immer populärer. Für die Ukrainer ist dies ein existenzieller Krieg. Es geht um Souveränität, Demokratie und die Zukunft. Aber für den Westen geht es darum, Russland einzudämmen. Es geht um Strategie und Eigeninteresse. Deshalb finde ich es absurd, wenn westliche Politiker Dinge sagen wie: „Wenn wir keine Waffen schicken, werden die Ukrainer mit Schaufeln kämpfen.” Das ist nicht wahr, und es ist eine Beleidigung. Länder wie Polen und die baltischen Staaten haben verständlicherweise Angst vor Russland. Sie haben auch allen Grund dazu. Aber diese Angst ist der Grund, warum sie wollen, dass die Ukraine weiterkämpft. Deshalb wiederholen sie diese Märchen, dass die Ukrainer zum Kämpfen geboren sind und lieber sterben würden, als ihr Land aufzugeben. Und das ist auch der Grund, warum sie zu Menschenrechtsverletzungen wie der Zwangsmobilisierung schweigen. Das ukrainische Volk ist ihnen egal. Sie interessieren sich für sich selbst, ihre Wirtschaft, ihre nationale Sicherheit. Sie benutzen ukrainische Leben, um ihre eigenen politischen und militärischen Interessen durchzusetzen. Manchmal habe ich ukrainische Freunde gewarnt: „Mit solchen Freunden”, und damit meine ich die USA und Europa, „braucht man keine Feinde mehr.” Ich habe sie gewarnt: „Traut dem Westen nicht. Das sind eure Entscheidungen. Es ist euer Land. Ich will euch nicht sagen, was ihr tun sollt, aber ich würde dem Westen keine Sekunde lang vertrauen. Schaut euch seine Geschichte an.“ Aber ich möchte auf die öffentliche Meinung zurückkommen. Ich verstehe, dass es sehr schwer zu sagen ist. Aber es klingt so, als ob die Mehrheit der Ukrainer diesen Krieg beenden will, aber wir unterstützen eine Diktatur. Und wir haben sogar Waffen an rechtsradikalen Gruppen geliefert – die USA haben das getan, und Kanada hat das getan, dafür gibt es einige Beweise –, die es unmöglich machen, diese Meinung zu äußern. Das wäre eine absurde und zynische Situation. Ganz genau! In den letzten Wochen sprachen beispielsweise alle von Verhandlungen und Friedensabkommen, aber die russische Regierung hat verschiedene Wohngebiete angegriffen. Natürlich behaupteten sie, es handele sich um ein legitimes Ziel, da sich dort Kommandeure und Soldaten versammelt hätten. Vielleicht, wir wissen es nicht. Aber das Problem ist, wenn man das Stadtzentrum angreift und der Spielplatz ganz in der Nähe ist, kann man davon ausgehen, dass es zivile Opfer geben wird. Auf diese Weise helfen die Russen den Rechtsextremen in der Ukraine und all diesen Kriegsfanatikern. Sie sagen: „Siehst du, mit denen kann man nicht reden. Sie werden nie aufhören, Zivilisten zu töten.” Das hilft also den Rechtsextremen und der Kriegspropaganda in der Ukraine. Sie spielen ständig mit dieser Angst, und die Angst ist sehr real. Ich erinnere mich, dass letztes Jahr, als ich in der Ukraine war, eine Rakete etwa einen Kilometer vom Haus meiner Eltern entfernt einschlug. Es war ein Raketenangriff, ich hatte wirklich Angst. Es ist sehr beängstigend, denn jedes Mal, wenn Russland Drohnen und Raketen in die Ukraine schickt, schaue ich ständig nach meinen Verwandten. Fast alle von ihnen sind in der Ukraine. Sie haben kleine Kinder. Jeder einzelne Mensch in der Ukraine weiß also, dass dies der letzte Tag seines Lebens sein könnte. Wir haben dies in der Region Sumy beobachtet. Eine ganze Familie wurde getötet. Wir sahen die Leiche eines 17-jährigen Jungen und acht weitere Kinder, die getötet wurden. Deshalb ist diese Angst real. Viele dieser Menschen sind russischsprachig. Viele haben wahrscheinlich für pro-russische Parteien gestimmt. Viele waren vielleicht gegen den Maidan, weil sie ihn für einen Putsch hielten. Aber Russland bringt viele dieser Menschen, die vor 2022 loyal zu Russland standen, gegen Russland auf, indem es Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht, indem es Zivilisten tötet, Kinder tötet und Vergewaltigung als Kriegswaffe einsetzt. In Bucha zum Beispiel gibt es Zeugenaussagen von zahlreichen Kindern und Frauen, die vergewaltigt wurden. Dies sind keine anonymen Aussagen. Wir haben mutige Frauen, die ihre Geschichte offen erzählen, die über ihr Trauma und das, was sie während der russischen Besatzung ertragen mussten, sprechen. Wir haben die Videos von Panzern gesehen, die Autos beschossen, die aus belagerten Städten fliehen wollten. Deshalb hat Russland einen großen Teil zu diesen Ängsten beigetragen. Viele Menschen haben wirklich Angst. Deshalb sind für viele Ukrainer die Rechtsextremen das geringere Übel. Sie glauben, dass diese verrückten Neonazis sie beschützen. Deshalb haben wir diese verrückte Situation, dass viele feministische Gruppen und einige selbsternannte Linke sich auf die Seite der Neonazis schlagen, weil sie sich auf deren Schutz verlassen. Sie fühlen sich bedroht, und die Kriegspropaganda in der Ukraine schürt diese Angst ständig. Sie bedient sich der Gräuelpropaganda und behauptet ständig, die Russen wollten die Ukrainer töten, die Ukrainer auslöschen. Dies ist ein existenzieller Krieg. Die Menschen haben wirklich Angst vor möglichen Repressionen, vor möglichen Tötungen. Während der Besetzung von Bucha zum Beispiel und bei der Befreiung der Region Charkiw hatte man viele Leichen mit gefesselten Händen gefunden. Sie wurden gefoltert. Einige der Männer wurden ohne Geschlechtsorgane gefunden. Sie waren sexueller Gewalt ausgesetzt. Das ist die Realität. Das sind keine Gerüchte. Die Berichte von Männern, die in russischer Gefangenschaft gefoltert wurden, sind echt. Deshalb ist diese Angst real, und diese Angst wird von der russischen Propaganda genährt. Ich verstehe das nicht. Jedes Mal, wenn Russland Raketen und Bomben auf dicht besiedelte Wohngebiete schickt, halte ich das für nicht sehr klug – nicht einmal aus ihrer eigenen Sicht. Ich weiß nicht, was ihr Kalkül ist. Aber wenn sie wirklich wollen, dass das ukrainische Volk seine Rhetorik und seine Wahrnehmung von Russland ändert, sollten sie aufhören, Zivilisten zu töten und zu foltern, vor allem Kinder. Das ist nicht der Fall. Ich denke, eine frühere Version von Putin, eine weniger böse Version von vor einigen Jahren, hätte verstanden, dass sich die Menschen um die Flagge scharen werden, wenn man in ein Land wie die Ukraine einmarschiert. Das radikalisiert die Menschen nur und bringt sie gegen Russland auf. Ein klügerer, weiserer Putin hätte das begriffen. Aber jetzt – ich weiß nicht, was in ihm vorgeht. Ich glaube, sie wurden Opfer ihrer eigenen Propaganda. Sie haben unterschätzt, was passieren würde. Vor allem in der Region Kiew und anderen Regionen glaubten viele russische Soldaten wirklich, dass sie Kiew in drei Tagen einnehmen würden. Sie glaubten, die Einheimischen würden sie feiern und sie in ihre Häuser einladen. Viele Soldaten waren wütend. Sie konnten nicht verstehen, warum die Menschen sich nicht von diesem sogenannten Nazi-Regime befreit fühlten. Aber das Regime war kein Nazi. Das ganze Gerede über Entnazifizierung ist ein Märchen. Ich glaube sogar, dass Putin maßgeblich zur sogenannten Nazifizierung der Ukraine beigetragen hat. Der Krieg war wie ein Geschenk für die rechtsextremen Gruppen. Viele von ihnen wurden aus den Gefängnissen befreit, viele kehrten in die Ukraine zurück, sie wurden ermächtigt und durften Geschäfte eröffnen. Sie sind frei von Verfolgung. Sie können ihre Ideologie ungehindert verbreiten. Sie genießen die Unterstützung der Medien, der Diplomatie und der Politik. Sie bauen sich politische Karrieren auf. Ihre Erklärungen sind politisch, nicht nur militärisch. Sie haben eine klare Agenda. Für sie war die russische Invasion ein Geschenk. Und sie blühen auf. Deshalb sind ausländische Gruppen stark an der Fortsetzung dieses Krieges interessiert. Deshalb gibt es Drohungen gegenüber Selenskyj – Drohungen, nicht zu kapitulieren, kein Gebiet abzutreten. Und warum? Weil diese Leute Drogenhändler, Kriminelle, Fußball-Hooligans, Freaks und Neonazis waren. Jetzt sind sie Freiheitskämpfer. Sie sind Helden. Als Selenskyj das erste Mal gewählt wurde, wurde er als Friedensstifter gewählt. Er sagte: „Lasst uns mit den Russen reden und die Sache in Ordnung bringen.” Er wollte damals auch mit den Separatistenführern sprechen. Aber dann hat er es nicht getan. Er hat die Minsker Vereinbarungen nicht eingehalten. Er hat die Verhandlungen in Istanbul nicht zu Ende gebracht. Ich meine, er hat es versucht – aber dann haben ihn die Amerikaner und Briten aufgehalten. Es gibt also viele Spekulationen: Warum hat er aufgehört, Frieden zu stiften? War es wegen der radikalen Rechten? Ja, das ist einer der Gründe, die radikale Rechte. Es gibt ein sehr berühmtes Video, in dem Selenskyj an die Front geht und mit Asow-Kommandanten konfrontiert wird. Sie zeigten ganz offen Ungehorsam. In diesem Moment sagte er diesen berühmten Satz: „Ich bin kein Idiot. Warum behandeln Sie mich so? Ich bin der Präsident. Ich bin der Oberbefehlshaber.” Ihm wurde klar, dass es keine Möglichkeit gab, mit diesen Leuten fertig zu werden. Sie waren schwer bewaffnet, schwer ausgebildet – und sie hatten politische Rückendeckung. Zu dieser Zeit wurde Asow von Kolomojskyj selbst finanziert. Wie konnte Selenskyj also gegen Asow vorgehen, wenn derjenige, der sie finanzierte, auch der wichtigste Unterstützer seiner Präsidentschaftskampagne war? Vielleicht war Selenskyjs größter Fehler, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht standhaft geblieben ist. Er hätte sagen können: „Ich wurde vom ukrainischen Volk gewählt. Ihr seid jetzt demobilisiert. Ich bin hier der Boss.” Aber er tat es nicht. Ganz genau. Anstatt sie zu entwaffnen, hat er sie gestärkt. Wenn die Leute also sagen: „Oh, sie sind unsere Verteidiger, unsere Helden” – nein. Sie sind Teil des Problems. Wenn wir zulassen, dass die extreme Rechte in der Ukraine weiter wächst, droht uns ein ewiger Krieg mit Russland – und sogar mit anderen Nachbarn. Sie haben diese gefährliche Vorstellung von einer „Großukraine”. Sie haben sogar Anstecknadeln und Aufkleber mit Karten gedruckt, auf denen Teile Polens, Russlands, Weißrusslands und Ungarns eingezeichnet sind. Sie träumen davon, dass die Ukraine eine dominierende Regionalmacht wird und alle „ethnisch ukrainischen” Gebiete zurückerobert. Und jetzt sind sie auch noch schwer bewaffnet. Die ukrainische Armee ist heute die wohl erfahrenste Armee in Europa. Deshalb sollte der Westen es sich zweimal überlegen, bevor er weitere Waffen schickt – denn einige dieser Waffen gehen an rechtsextreme Gruppen. Einer der Gründe, warum der US-Kongress die Lieferung von Waffen an Asow ursprünglich untersagt hat, war, dass es sich um Neonazis handelt. Sie haben zwischen 2014 und 2016 zahlreiche Kriegsverbrechen im Donbass begangen. Aber es gab noch einen weiteren Grund zur Sorge: Sie bildeten amerikanische Neonazis aus – und tun es immer noch. Asow ist zu einer Drehscheibe für Extremisten geworden: weiße Rassisten, Antisemiten, Homophobe und Frauenfeinde. Es zieht „verrückte Typen” aus der ganzen Welt an. Die Regierung Biden hat vor Kurzem das Verbot der Bewaffnung von Asow aufgehoben. Jetzt hat Asow nicht nur eine, sondern zwei Brigaden, darunter die 3. Angriffsbrigade, die Teil der größeren Asow-Bewegung ist. Außerdem gibt es die Kraken-Einheit, die unter der Aufsicht des militärischen Geheimdienstes unter Budanow steht. Vor Kurzem haben beide Brigaden angekündigt, dass sie zu Armeekorps umgewandelt werden. Das bedeutet, dass jede von ihnen bald Zehntausende zählen könnte. Dies ist eine direkte Folge des Krieges. Anstatt die Extremisten zu entwaffnen, stärken wir sie. Diese Gruppen rekrutieren neue Mitglieder und geben ihnen eine ideologische Ausbildung, die im ethnischen Nationalismus und im Erbe der ukrainischen Nationalisten aus dem Zweiten Weltkrieg wurzelt – Menschen, die von einem ethnisch reinen Nationalstaat träumten. Sie töteten Polen – ganze Familien – ebenso wie politische Gegner und sogar rivalisierende nationalistische Gruppierungen. Heute rufen sie ganz offen zu einer Militärdiktatur in der Ukraine auf. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Gruppen – unterstützt von Selenskyj und seinem inneren Kreis – einen Militärputsch inszenieren, Selenskyj ermorden und ihren eigenen Führer einsetzen könnten – vielleicht jemanden wie Biletsky. Diese Bedrohung ist sehr real – und wird vom Westen und von den ukrainischen Behörden selbst ernsthaft unterschätzt. Das ist sehr faszinierend. Sie sagen, dass die extreme Rechte die Regierung bereits erpresst – vielleicht nicht mit schriftlichen Drohungen, aber mit ständigem Druck, dieser allgegenwärtigen Gefahr. Und die Regierung gibt immer wieder nach. Sie sagen, es besteht eine reale Chance, dass sie die Macht komplett übernehmen und die Ukraine mit einer faschistischen Regierung endet? Ganz genau. Was dann? Was wird der Westen tun? Was wird Russland tun? Ganz genau. Das ist die Frage. Außerdem ist die ukrainische nationalistische Bewegung stark von russischen und weißrussischen Neonazis durchdrungen. Viele von ihnen sind aus Russland geflohen, weil Putin hart gegen sie vorging. Diese Extremisten schaffen ethnische Spannungen, was für ein multiethnisches Land wie Russland gefährlich ist. Daher ist es für Putin besser, wenn sie das Land verlassen und woanders kämpfen. Die Ukraine ist ethnisch homogener. In meiner Heimatstadt zum Beispiel waren vor dem Einmarsch der Deutschen 1941 mehr als 30 Prozent der Bevölkerung Juden. Heute beträgt der Anteil der jüdischen Bevölkerung in der Ukraine etwa 0,2 Prozent. Viele Krimtataren haben die Krim nicht verlassen, sie haben russische Pässe und sind geblieben. Die Ukraine ist zwar immer noch multiethnisch, hat aber nicht die gleichen ethnischen Spannungen wie Russland. Aber die extreme Rechte ist immer noch davon besessen, das zu bewahren, was sie als „reines” ukrainisches Blut bezeichnet. Aufgrund des Krieges herrscht in der Ukraine ein großer Mangel an Arbeitskräften. Viele Männer haben aufgehört zu arbeiten, um der Einberufung zu entgehen – sie haben Angst, auf der Straße oder bei der Arbeit überfallen zu werden. Jetzt wird darüber diskutiert, Arbeiter aus Ländern wie Bangladesch und Mexiko ins Land zu holen. Und das löst natürlich Empörung bei rechtsextremen Gruppen aus. Sie wollen keine Einwanderer. Sie wollen eine „reine” ukrainische Nation bewahren – diesen idealen slawischen Staat, um die Mehrheit der Slawen und Weißen zu erhalten. Ja, ihre Rhetorik ist sehr einwanderungsfeindlich und sehr rassistisch. Deshalb bezweifle ich, dass sie der ukrainischen Regierung erlauben werden, diese Leute zu holen. Was sie tun können, ist, Druck auf die ukrainische Regierung auszuüben, um ukrainische Flüchtlinge zu zwingen, ihre sicheren Länder im Westen zu verlassen und in die Ukraine zurückzukommen. Eines der Instrumente dafür ist, dass die ukrainische Regierung ukrainischen Männern die Pässe verweigert. Tatsächlich haben viele ukrainische Männer Probleme, wenn sie eine Erneuerung ihres ukrainischen Passes beantragen. Und was kann man ohne einen ukrainischen Pass tun? Es gibt viele Verhandlungen mit Polen oder der Tschechischen Republik oder sogar mit Deutschland, um Menschen zurückzubringen, denn die Ukraine braucht Arbeitskräfte. Aber ich hoffe, dass Deutschland die Menschen, die nicht in die Ukraine zurückkehren wollen, nicht aufgibt, denn viele von ihnen könnten in echter Gefahr sein – politische Verfolgung, vor allem, wenn sie sich über Zwangsmobilisierung oder andere Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine geäußert haben. Wir müssen hier zum Schluss kommen. Es war sehr interessant. Ich wünsche Ihnen, dass Sie sicher bleiben – Sie und Ihre Familie. Wir haben viel gelernt. Und es ist eine ganz andere Perspektive als die, die wir normalerweise bekommen. Ich muss sagen, dass ich jetzt wirklich das Gefühl habe – auch wenn ich über westliche Politiker nachdenke – dass sie erstens keine Ahnung haben, wovon sie reden, und zynisch mit den Ukrainern umgehen. Ich habe nicht das Gefühl, dass sie wirklich an der Ukraine oder den Ukrainern interessiert sind. Das macht mich traurig und auch ein bisschen wütend. Ich denke, die Ukraine und die Ukrainer brauchen bessere Freunde. Aber es ist nicht an mir, das zu sagen. Danke, dass ich hier sein durfte. Ich danke Ihnen für Ihre Bereitschaft, unbequeme Stimmen zu hören, denn viele Menschen haben wirklich Angst, offen darüber zu sprechen, was vor sich geht. Und ich glaube, dass Sendungen wie die Ihre den Zuschauern eine andere Perspektive vermitteln werden. Wir können uns gemeinsam dafür einsetzen, diesen Krieg zu beenden, denn er ist schrecklich. Er sollte enden. Titelbild: Screenshot NDS Mehr zum Thema: Interview mit Scott Horton zu den vergessenen Stellvertreterkriegen zwischen dem Westen und Russland [https://www.nachdenkseiten.de/?p=132111] Chronik eines unnötigen Krieges: Wie der Westen Russland provozierte und den Frieden verspielte [https://www.nachdenkseiten.de/?p=130861] „Die Ukraine war von Anfang an eine geopolitische Figur auf dem weltpolitischen Schachbrett“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=118458] „Diese Umfrage belegt, dass es eine andere Ukraine gibt“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=103421]

17 mei 2025 - 54 min
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Neuanfang in Kurdistan? Die PKK löst sich auf

Abdullah Öcalan, der seit Jahrzehnten inhaftierte Kurdenführer, hat die Entscheidung für die Auflösung der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) begrüßt. Auch nach über einem Vierteljahrhundert in türkischer Haft bleibt dieser Mann die heimliche Inspirationsquelle seiner einst streng marxistischen Anhängerschaft. Von Ramon Schack. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. „Ich begrüße die auf dem historischen 12. Kongress [der PKK] gefassten Beschlüsse“, hieß es in einer gestern von der prokurdischen Partei DEM verbreiteten Erklärung Öcalans. Die PKK hatte ihre Auflösung beschlossen, nachdem Öcalan dazu aufgerufen hatte. Ein Vorgang von geopolitischer Dimension Bei der Mitteilung der militanten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), ihre Waffen niederzulegen und sich aufzulösen, handelt es sich um eine Zäsur. Hoffnungen werden geweckt auf ein Ende eines seit fast einem halben Jahrhundert anhaltenden Konflikts mit dem türkischen Staat, der über 40.000 Menschenleben gefordert hat. Wichtig ist hierbei, ob Ankara nur den „Sieg“ über die PKK sucht oder auch den Willen hat, die Kurdenfrage zu lösen. Zur Stunde ist noch ungewiss, ob alle PKK-Kämpferinnen und -Kämpfer dem Aufruf folgen werden und was die neue Entwicklung für die Zukunft der kurdischen Minderheit in der Türkei bringt. Die Auflösung der PKK wäre nicht nur ein Vorgang von militärischer Tragweite, sondern hätte umfassende geopolitische Dimensionen über die Türkei hinaus. Eine innenpolitische Stabilisierung, vor allem in den kurdischen Gebieten im Südosten des Landes, wäre im Bereich des Möglichen. Allerdings müssten neben der PKK auch andere kurdische Gruppierungen und Akteure integriert werden, betonen Experten. Ob dies unter der Führung eines zunehmend autoritär regierenden Präsidenten Erdogan geschehen kann, ist aktuell fraglich. Öcalan – Triumph und Tragödie Der phänomenale Aufstieg der 1978 von Abdullah Öcalan gegründeten PKK vollzog sich nur deshalb so rasant, weil die rund 16 Millionen Kurdinnen und Kurden in der Türkei seit der Staatsgründung diskriminiert wurden. Bis in die 1980er-Jahre war der Begriff „Bergtürken“ geläufig, und es war ihnen verboten, Kurdisch zu sprechen, kurdische Bücher zu lesen oder kurdische Musik zu hören. Bis heute gibt es Meldungen über Diskriminierungen. Die PKK vollzog in jüngster Zeit eine dramatisch anmutende ideologische Transformation. Die Forderung nach einem unabhängigen kurdischen Staat wurde zugunsten einer Forderung nach weitgehender Autonomie aufgegeben, inklusive der Anerkennung des Kurdischen als Nationalsprache oder der Änderung des Verfassungsartikels, der besagt, dass jeder türkische Staatsbürger Türke ist. Eine weitere zentrale Forderung der kurdischen Seite ist ein Ende der Einsetzung von regierungsnahen Zwangsverwaltern. Hoffnung auf Amnestien Besonders im überwiegenden kurdischen Südosten der Türkei wurden immer wieder gewählte Bürgermeister durch solche Zwangsverwalter ersetzt. Einige wurden inhaftiert. Auch der ehemalige Präsidentschaftskandidat und ehemalige Chef der prokurdischen Partei DEM, Selahattin Demirtas, sitzt seit 2016 im Gefängnis, obschon der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Freilassung angeordnet hat. Das Schicksal von Öcalan selbst ist ungewiss. [https://www.nachdenkseiten.de/wp-content/uploads/2025/05/shutterstock_151404920.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/wp-content/uploads/2025/05/shutterstock_151404920.jpg Bild1: Kurden feiern mit Bildern von PKK-Gründer Öcalan ihr traditionelles Newroz-Fest, was auf Diyarbakir, Türkei – Quelle: Shutterstock / Sadik Gulec Aber ausgerechnet der Chef von Erdogans ultranationalistischem Regierungspartner MHP, Devlet Bahceli, bisher eigentlich ausgesprochener Gegner einer Aussöhnung mit der PKK, hatte Öcalans Freilassung ins Spiel gebracht, sollte die PKK ihre Waffen niederlegen und sich auflösen. Das aber hatte Erdogan bisher ebenso vehement abgelehnt wie Amnestien für all die anderen politischen Gefangenen. Ersatz für PKK? Eine Zukunft ohne die PKK – also ohne ihren bewaffneten und organisatorischen Einfluss – wäre ein tiefgreifender Einschnitt für die kurdische Bewegung in der Türkei und darüber hinaus. Diesbezüglich ist es von großer Bedeutung, was die PKK ersetzt. Ohne Zugeständnisse an die kurdische Minderheit könnte es zu neuen, radikaleren Bewegungen oder einer Wiederaufnahme des Konflikts unter anderen Vorzeichen kommen. Die Frage, wie ehemalige PKK-Kader entwaffnet und in die Gesellschaft reintegriert werden, ist hierbei von existenzieller Bedeutung. Die PKK plädiert diesbezüglich dafür, dass der Auflösungsprozess von Öcalan selbst geführt werden soll. Ob das umgesetzt werden kann, ist zur Stunde noch fraglich. Kenner der Region gehen davon aus, dass der Irak, wo die PKK in den Kandil-Bergen heute ihr Hauptquartier hat, dabei eine wichtige Rolle spielen wird. Der Präsident der autonomen Kurdenregion im Irak, Nedschirwan Barsani, lobte die Entscheidung der PKK. Diese ebne „den Weg für einen Dialog, der das Zusammenleben und die Stabilität in der Türkei und der Region fördert“, sagte Barsani. Er hoffe auf einen „dauerhaften Frieden, der der jahrzehntelangen Gewalt ein Ende setzt“. Vorläufiger Erfolg für Erdogan Für Recep Erdogan stellt die Auflösung der PKK einen vorläufigen Erfolg dar. In einem Social-Media-Beitrag ließ Ömer Celik, ein Sprecher von Erdogans regierender AKP, verlautbaren, die Ankündigung der PKK sei ein wichtiger Schritt in Erdogans Bemühen, eine „terrorfreie Türkei“ zu gewährleisten. Was die innenpolitische Dimension betrifft, so sehen Experten die Auflösung der PKK auch als Vehikel Erdogans zur „Konsolidierung seiner Macht“ und weiteren Spaltung der Opposition. Folgen für Syrien und den Irak Unklar ist, inwieweit sich eine Auflösung der PKK auf den Konflikt zwischen der Türkei und den Kurden in Syrien sowie auf die autonome Region Kurdistan im Nordirak auswirkt. Was Syrien angeht, so spricht einiges dafür, dass Ankara und Damaskus hier an einem Strang ziehen. Der islamistische Übergangspräsident Syriens, Ahmed al-Scharaa, einigte sich unlängst auf eine vollständige Eingliederung in die staatlichen Institutionen des sezessionistischen kurdischen Siedlungsgebietes. Außenminister Asaad al-Schaibani gratulierte der türkischen Regierung zu einem „Schritt von entscheidender Bedeutung“ für die „Stabilität unserer gesamten Region“. Titelbild: Shutterstock / thomas koch Mehr zum Thema: Demokratie wagen in Kurdistan [https://www.nachdenkseiten.de/?p=45809] Ein Beitrag von Willy Wimmer zum Wunsch nach dem eigenen Staat der Kurden und den Folgen für die Türkei [https://www.nachdenkseiten.de/?p=31583] Alte Freunde, neue Feinde – Die Türkei am geopolitischen Scheideweg [https://www.nachdenkseiten.de/?p=45919] Wieso kritisiert Bundesregierung die Repression gegen Oppositionspolitiker in der Türkei, aber nicht in Rumänien? [https://www.nachdenkseiten.de/?p=130853]

16 mei 2025 - 7 min
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Wadephul lässt Katze aus dem Sack: Hälfte des Bundeshaushalts für Aufrüstung

Jetzt ist die Katze aus dem Sack: 225 Milliarden Euro jährlich für Panzer, Waffen, Raketen. Die deutsche Regierung geht in die Vollen. Außenminister Johann Wadephul sprach sich öffentlich für das sogenannte „Fünf-Prozent-Ziel“ aus. Fünf Prozent vom Bruttoinlandsprodukt für die Verteidigung? Das ist durch nichts mehr zu rechtfertigen. Der Verteidigungshaushalt ist zu Wachs in den Händen einer Politik geworden, die den Friedensauftrag des Grundgesetzes zunehmend als Auftrag zur Aufrüstung versteht. Ein Kommentar von Marcus Klöckner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Diese Politik ist verantwortungslos. 225 Milliarden Euro jährlich für Aufrüstung und noch mehr Aufrüstung? Rund 50 Prozent vom Bundeshaushalt für das Hochrüsten gegen einen herbeiimaginierten Feind? Die deutsche Politik will es möglich machen. Bei einem NATO-Treffen der Außenminister äußerte sich Johann Wadephul ganz im Sinne des Militärbündnisses. Die deutsche Regierung folge der Einschätzung von US-Präsident Donald Trump, wonach fünf Prozent vom Bruttoinlandsprodukt für die Verteidigung ausgegeben werden sollten. So äußerte sich Wadephul laut Medienberichten [https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/wadephul-verteidiungsausgaben-100.html]. Diese Position ist durch nichts zu rechtfertigen. Sie basiert auf einer Politik, die den Bruch mit der Realität vollendet. Deutschland müsse sich auf einen Krieg vorbereiten, damit es nicht zu einem Krieg komme – so lautet der Tenor, mit dem die Politik versucht, den Bürgern die Aufrüstung schmackhaft zu machen. Das ist: Endstation Orwell. Eine verantwortungsbewusste Politik, die sich an der Realität ausrichtet, würde nach allen Regeln und mit allen Mitteln der Diplomatie versuchen, wieder ein anständiges Verhältnis zu Russland herzustellen. Das wäre billiger und in Anbetracht der großen Gefahren, die aus einer Politik der Aufrüstung für Land und Bürger entstehen, auch dringend geboten. Stattdessen hat Unvernunft die Vernunft ersetzt, stattdessen herrscht Feindbilddenken vor, wo der Freundschaftsgedanke im Vordergrund stehen sollte. Diese Politik beschreitet einen zerstörerischen Weg. Dringend an anderer Stelle benötigtes Geld – Stichwort Armutsbekämpfung (!) – will die Politik in Panzer, Waffen und Raketen investieren. Viel offensichtlicher kann ein politischer Offenbarungseid nicht ausfallen. Schon jetzt gibt Deutschland für seine Verteidigung um die zwei Prozent aus. Die Zahlen, von Politik und Medien beschönigenderweise als „Zielvorgaben“ benannt, unterliegen einer irrationalen Willkür. Heute zwei Prozent, morgen fünf Prozent und übermorgen? Sieben oder acht oder gleich zehn oder fünfzehn Prozent? Schließlich: Wenn heute der „russische Feind“ schon so „bedrohlich“ ist, wird er, wenn die NATO immer weiter aufrüstet, nicht tatenlos bleiben und auch aufrüsten. Also müsste Russland dann ja noch „bedrohlicher“ werden? Oh ja! Die Abwärtsspirale der Aufrüstung wird gut geschmiert. Wadephul sagte weiter, eigentlich sollten 3,5 Prozent auch reichen – sofern 1,5 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt in die militärisch nutzbare Infrastruktur investiert würden. Sprich: Brücken stabil machen, damit Panzer darüberrollen können. Das ist zum einen: ein Taschenspielertrick. Unterm Strich kommen auch so fünf Prozent raus. Und zum anderen ist es politisch zutiefst beschämend, denn über deutsche Brücken sollten besser keine Panzer mehr rollen. Der Verteidigungshaushalt ist zu Wachs in den Händen einer Politik geworden, die den Friedensauftrag des Grundgesetzes zunehmend als Auftrag zur Aufrüstung versteht. Die Katastrophe ist vorprogrammiert. Titelbild: gopixa / shutterstock.com Mehr zum Thema: Der Ausdruck „3,6 Prozent des BIP“: Eine Masche zur Verniedlichung einer radikalen Politik [https://www.nachdenkseiten.de/?p=128907] [http://vg07.met.vgwort.de/na/62e603ad62414a18a1a174e595614ab1]

16 mei 2025 - 5 min
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EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen wird mit dem Karlspreis geehrt – wegen ihrer Verdienste?

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert, wird wohl das Motto der undurchsichtigen wie mächtigen Ursula von der Leyen heißen. Die deutsche EU-Kommissionspräsidentin verlor zwar gerade im Pfizer-Gate-Fall vor dem Europäischen Gerichtshof. Doch freut sie sich sicher sogleich auf eine besondere Ehrung: Ursula von der Leyen erhält den Internationalen Karlspreis von Aachen. Ein Zwischenruf von Frank Blenz. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. In der Begründung der Verleiher des Internationalen Karlspreises wird hervorgehoben, Ursula von der Leyen habe besondere Verdienste für Europa erbracht. Gemeint sind nicht (oder doch?) ihr Gebaren während der Corona-Pandemie und ihr ehrgeiziges wie rücksichtslos-unzivilisiertes Projekt „Rearm Europe“, übersetzt „Europa wiederbewaffnen“ (wobei Europa doch schon seit zig Jahren hochgerüstet ist!?). Ursula von der Leyens Ziel ist es, ein viele Milliarden Euro schweres „Programm“ (Ende offen) zur flächendeckenden Militarisierung der Europäischen Union durchzusetzen. Das geschieht mit den ihr bekannten Mitteln der Intransparenz, der Mauschelei, der Ignoranz demokratischer Spielregeln und/oder mittels ihrer Schauspielkunst in einer Art Demokratie-Show. Die beherrscht sie sehr gut. Man folge nur einmal eine Rede von der Leyens im Europäischen Parlament oder ihre stets stoisch ruhige Nichtreaktion auf Gegenreden der Opposition im hohen Haus zu Brüssel. ‚Ihr könnt sagen, was ihr wollt, ich mache dennoch, was mein Plan ist‘, wird sie sich denken. Nun bekommt sie auch noch den Karlspreis, alles richtig gemacht. Doch Einspruch: von wegen verdienstvoll agieren für Europa. Verdienstvoll handelt von der Leyen einzig und konsequent für die Rüstungsindustrie, für die Nutznießer aus der politischen Klasse. Von der Leyen verdient dafür keine Preise. Wie sie handelt, dafür dürfte sie nicht an der Spitze der EU, von uns Bürgern stehen. Doch sie ist dort wie einbetoniert hingestellt, inzwischen schon in der zweiten Amtszeit, die lange noch bis 2029 dauern soll. Sie verriet lächelnd: „Nein!“ – Und ja: kalte Machtpolitik wird belohnt Denke ich an die EU-Kommissarin Ursula von der Leyen, erinnere ich mich an eine legendäre Episode im deutschen Unterhaltungsfernsehen. Die TV-Sendung „Extra 3“ des NDR [https://www.youtube.com/watch?v=8g3S_vxQAIs] nahm ein kurzes wie entlarvendes Zitat der Politikerin aufs Korn. Vor ihrer Zeit in Brüssel war von der Leyen Verteidigungsministerin der Bundesrepublik und wurde bei der ARD mal gefragt: „Ist jemand von ihren Kindern bei der Bundeswehr?“ Ihre Antwort (mit einem Lächeln): „Nein!“ Die vielsagende Aussage der Chefin der Bundeswehr steht für mich für eine feige Haltung, andere in die Schlacht zu schicken und selbst auf dem Sofa sitzen zu bleiben. Von der Leyen bewies ihr elitäres Denken und Tun in nur einer einzigen Sekunde. Nun fällt der Name Ursula von der Leyen einmal mehr negativ auf: zum einen in Sachen Pfizer-Affäre. Während der Corona-Pandemie verhandelte von der Leyen direkt und „diskret“ mit dem Pfizer-Boss Albert Bourla per SMS über milliardenschwere Beschaffungsaktivitäten von überteuerten Corona-Impfstoffen. Sie tat es sicher nicht, wie sie beteuert, der Gesundheit für viele wegen. Sie tat es, weil damit enorm viel Geld verdient wurde. Die EU-Chefin wollte die heiklen Informationen über ihr Gebaren bis heute nicht öffentlich machen, obwohl die Bürger, für die sie ja die EU anführt, darauf ein Recht haben. Nun hat ein EU-Gericht gegen von der Leyens Sturheit und Arroganz geurteilt – wenngleich diese Justiz dazu viel zu lange brauchte –, dass von der Leyens Handeln ein klarer Rechtsbruch sei. Die EU-Kommission habe „keine plausible Erklärung dafür geliefert, warum sie die angeforderten Dokumente nicht besitzt“. Von der Leyens Wirken während der Pandemie wurde vom Gericht und der Öffentlichkeit endlich zu Recht kritisiert und entlarvt. Doch paradoxerweise wird die EU-Chefin nun gerade wegen dieses Handelns auch noch geehrt … Stichwort Karlspreis Von der Leyens Miene wird sich aufhellen, sie kann sich auf die baldige Ehrung, auf den Internationalen Karlspreis 2025 und eine Menge Geld (eine Million Euro) freuen. Die Kurzbegründung auf der Seite www.karlspreis.de [https://www.karlspreis.de/de/]: > Die Präsidentin der Europäischen Kommission Dr. Ursula von der Leyen wird 2025 mit dem Internationalen Karlspreis zu Aachen ausgezeichnet. Für ihre Verdienste um die Einheit der Mitgliedstaaten, die Eindämmung der Pandemie, die Geschlossenheit des Verteidigungswillens gegen Russland und die Impulse zum Green Deal einerseits sowie zur Ermutigung gegenüber den anstehenden Aufgaben ehrt das Direktorium der Gesellschaft für die Verleihung des Internationalen Karlspreises die Präsidentin der Kommission der Europäischen Union. Warum hören die Aachener Preisverleiher nicht auf Kritiker? Der Internationale Karlspreis von Aachen wurde 1950 erstmals vergeben. Das hehre Anliegen: Persönlichkeiten oder Institutionen zu würdigen, die sich um Europa und die europäische Einigung verdient machen. Wenn diese Intention richtig interpretiert würde, hieße das, sich wirklich und fern von Machtinteressen für die Menschen des Kontinents, für die verschiedenen Völker (dazu gehören auch die Völker im Osten des Kontinents, z.B. Russland) und ihre Nachbarn weltweit mit all ihren Interessen und Besonderheiten einzusetzen und diese dennoch zu einen. Das gelänge, wenn sozial, ökonomisch und kulturell Frieden, Ausgleich, ein Miteinander sowie Fairness herrschten und Krisen engagiert angegangen würden. Seit 2019 ist Ursula von der Leyen am Ruder, und an dieses gelang sie, nebenbei erwähnt, nicht etwa durch eine Wahl … Und ja: Sie verdiente den Preis, handelte sie wie gerade besprochen. Doch finden Kritiker bei ihr anderes, und die hellwache Öffentlichkeit schüttelt ebenso mit dem Kopf ob der Persönlichkeit von der Leyen. Ein Kritiker, Martin Sonneborn, EU-Parlamentarier von Die Partei, sagte in einem Interview für Cicero [https://www.cicero.de/kultur/kritik-am-eu-parlament-interview-martin-sonneborn] (nebenbei: Das Magazin wurde einst vom neuen deutschen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gegründet.): > Seit Frau von der Leyen die Kommission führt, vertritt diese mehr denn je die Interessen großer US-Konzerne und der Nato – aber nicht die ihrer Bürger. Das Magazin Politico hat sie als „die amerikanische Präsidentin der EU“ betitelt. Jetzt hat sie angedroht, europäische Waffenkäufe nach dem Vorbild der Impfstoffbeschaffung zu organisieren. Ich sehe weitere 35 Milliarden verschwinden. Ein Preis für die hohe Vertreterin der EU-Kommission, die einen schlechten Ruf hegt und pflegt und so tut, als hätte sie einen guten Ruf Um die Ecke gedacht: Würde von der Leyen, die EU-Kommission, ja das EU-Parlament Europa nah an den Menschen, ihnen wirklich verbunden, dabei verbindend agieren, hätten all die Genannten keinen schlechten Ruf. Stattdessen haben sie einen „guten Ruf“ eben nur bei denen, die über die wirklichen Aufgaben und Erfordernisse zum Wohl der Bürger hinwegsehen, weil sie anderes im Sinn haben. Die Eliten feiern sich halt gern. Zynischerweise winken sie eben fortdauernd unsoziales, aggressives, spaltendes Verhalten durch und verkaufen das Ganze dem Fußvolk noch als verdienstvoll, als fürsorglich, klug und richtig – nicht zu vergessen als alternativlos. Warum erhält von der Leyen diesen Preis dafür, dass sie wie ihre anderen bellizistischen Mitstreiter Europa aufrüsten will? Ich wäre sehr dafür, würde ihr Programm „Peace for Europe“ heißen statt „Rearm Europe“. Beinah unfreiwillig tragikomisch klingt „rearm“ in den Ohren von der englischen Sprache nicht so mächtigen Menschen: Meint die Frau etwa das „Wiederverarmen Europas“? Karlspreis für eine Frau, die Europa zur Festung macht und den Kontinent damit spaltet Ursula von der Leyen ist eine entscheidende Kraft bei den Plänen für eine EU-weite wie beispiellose Aufrüstung und bekommt dafür also noch den Karlspreis. Summen sind im Gespräch, die einfache Leute sprachlos werden lässt: 800 Milliarden Euro extra (neben den Jahresbudgets europäischer Länder) sollen in die europäische und weitere internationale Rüstungsindustrie fließen – unser aller Geld. Munition, neue Rüstungsfabriken, die Umwandlung von zivilen Produktionsstätten in Waffenschmieden. Genaueres gibt von der Leyen nicht preis. Kritiker sagen, es fehlt dazu ebenfalls die umfangreiche öffentliche, transparente Diskussion. Da kommt dann noch ein Zauberwort ins Spiel: Schuldenbremse. Diese gibt es auch in Brüssel, sie wurde bisher stets konsequent (alternativlos halt) angezogen, wenn es um die echten Interessen der Bürger ging – Stichwort Soziales. Von der Leyen ist mit ihrem unverdienten Karlspreis nicht allein Der Internationale Karlspreis von Aachen gilt als der älteste und bekannteste Preis, mit dem Persönlichkeiten oder Institutionen ausgezeichnet werden, die sich um Europa und die europäische Einigung verdient gemacht haben, heißt es auf karlspreis.de. Die Liste der bisherigen Preisträger liest sich für mich jedoch nicht durchgängig überzeugend. Ich lese Namen wie Bill Clinton, Tony Blair, Jean Claude Juncker, Donald Tusk, Angela Merkel, Wolfgang Schäuble oder Emmanuel Macron. Bei diesen Namen fallen mir lose einige politische Leistungen ein, die ich nicht verbindend und im vollen Interesse Europas empfinden kann und nicht für preisverdächtig halte. Clinton? Nur einer der vielen mächtigen wie rücksichtlosen US-Präsidenten. Blair? Der Ex-Premierminister Großbritanniens zündelte heftig mit den US-Amerikanern in Sachen Irakkrieg. Tusk? Der aktuelle polnische Regierungschef hetzt tagtäglich gegen Russland, lässt sein Land wahnwitzig aufrüsten und schlägt schon mal vor, Landminen und Streumunition wieder zuzulassen [https://www.tagesschau.de/ausland/europa/polen-landminenverbot-militaertraining-100.html]. Schäuble? Der zog kalt und hart alle Register neoliberalen Wirkens bei der schlimmen Staatsschuldenkrise Griechenlands. Merkel? In diesem Beitrag auf den NachDenkSeiten [https://www.nachdenkseiten.de/?p=126416] schreibe ich über Merkels Buch „Freiheit“. 2008 erhielt Merkel den Karlspreis. Über eine Phase in ihrer Macht-Ära fand ich dazu einen Text über Syrien. Diese Zeilen lesen sich ganz anders als ‚EU als verbindende Kraft‘, die Bundesregierung eingeschlossen, also konkret Merkel. Zitat: > Seit dem Frühsommer 2011 hatten die Bundesregierung und die Europäische Union mit einseitigen wirtschaftlichen Strafmaßnahmen gegen Syrien zum wirtschaftlichen Mangel des Landes beigetragen und einen Wiederaufbau verhindert. Die USA setzten mit dem „Caesar-Gesetz“ noch eins drauf und drohten Einzelpersonen, Unternehmen und Staaten mit Sanktionen, sollten sie mit Syrien Handel treiben oder dort Investitionen tätigen. Seit fast 10 Jahren halten US-Truppen die syrischen Ölquellen im Nordosten des Landes besetzt und kontrollieren – in Koordination mit den Truppen der Verbündeten Türkei, Jordanien und Israel – nahezu alle Grenzen des Landes. > (Quelle: Globalbridge [https://globalbridge.ch/syrien-in-truemmern-und-was-die-medien-verschweigen/]) Und Macron? Der französische Präsident wurde 2018 mit dem Karlspreis geehrt, in der Begründung steht u.a.: > „… Seine Leidenschaft und sein europäisches Engagement, sein Eintreten für Zusammenhalt und Gemeinsamkeit und sein entschiedener Kampf gegen jede Form von Nationalismus und Isolationismus sind zur Überwindung der europäischen Krise vorbildhaft, wegweisend und im positiven Sinne ansteckend.“ > (Quelle: Karlspreis [https://www.karlspreis.de/de/preistraeger-innen/alle-preistraeger]) Doch steht Macron, siehe sein Heimatland, siehe auch den gegenwärtigen Konflikt mit Russland, eben nicht als ein Politiker da, der sich für Zusammenhalt und für die Überwindung der Krise in Europa und darüber hinaus wirklich engagiert. Warum wohl? Die Krise ist das Geschäftsmodell der Eliten. Macron ist Elite. Eine Vision? Von der Leyen – EU-Kommissionschefin gibt neues Ziel: Peace for Europa, peace for the World Was wäre das für eine lobenswerte Sache, würde Frau von der Leyen sagen, dass Europa sich in eine neue Phase der Entspannung, Abrüstung, Verständigung und Zusammenarbeit begeben wird. Europa wird sich aktiv und unnachgiebig einsetzen, Krisenherde zu befrieden. In den Medien wird von den zahlreichen Reisen der Politikerin und ihrer Kollegen zu lesen sein. Wo sie auftauchen, zeigen ihre Präsenz, ihre Worte, ihre Forderungen, ihre Angebote positive Wirkung. Abrüstung, Waffenstillstände, Entwicklungsprogramme haben Vorfahrt. Und im Jahr 2029 wird dort stehen, dass die Rüstungsausgaben um 60 Prozent zurückgegangen sind, dass im Nahen Osten spürbare Fortschritte gemacht wurden, dass die Zusammenarbeit mit Russland sich zunehmend normalisiert. Dafür erhält von der Leyen den Karlspreis 2029. Titelbild: Shutterstock / Alexandros Michailidis Mehr zum Thema: Karlspreis für Ursula von der Leyen – Gratulation! [https://www.nachdenkseiten.de/?p=127321] Karlspreis für das Kriegs-Maskottchen (und noch mehr Preis-Propaganda …) [https://www.nachdenkseiten.de/?p=96498] Karlspreis – Kriegswütiger Namensgeber und gegründet von einem elitären Zirkel ehemaliger NSDAP- und SA-Mitglieder [https://www.nachdenkseiten.de/?p=97458] Alle Friedenspreise erobert! [https://www.nachdenkseiten.de/?p=118746]

16 mei 2025 - 14 min
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