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„Das Bundesverfassungsgericht muss aufgrund seiner Praxis als Kontrahent der Volkssouveränität bezeichnet werden.“ Ingeborg Maus’ scharfe Analyse klingt zunächst radikal, trifft jedoch einen wunden Punkt der heutigen demokratischen Realität. Sie wirft ein Schlaglicht auf eine Entwicklung, die sich schleichend vollzieht, aber tiefgreifende Folgen für die politische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger hat. [1] Von Detlef Koch. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. In den letzten Jahrzehnten ist eine zunehmende Verrechtlichung demokratischer Entscheidungsprozesse zu beobachten. Immer häufiger nehmen Gerichte Einfluss auf politische Beschlüsse, ja, sie definieren mitunter sogar die Grenzen dessen, was politisch überhaupt möglich ist. Was zunächst als Schutz von Minderheiten und Grundrechten erscheint, entpuppt sich auf den zweiten Blick als Problem: Politische Entscheidungen werden zunehmend juristisch-technokratisch legitimiert, nicht mehr demokratisch. [1] Die Politikwissenschaftler Lea Elsässer, Svenja Hense und Armin Schäfer zeigen in einer viel beachteten Studie, dass der Bundestag politische Entscheidungen in Deutschland immer häufiger zugunsten der Interessen wohlhabender Bürger trifft, während die Anliegen einkommensschwacher Gruppen systematisch ignoriert werden. Die Demokratie gerät so in Schieflage: „Politische Gleichheit wird systematisch verletzt, da vor allem Personen mit höherem Einkommen Gehör finden.“ Damit verliert die Volkssouveränität – das Grundprinzip der Demokratie – ihren Kern. [1] Jürgen Habermas, der wohl bekannteste lebende deutsche Philosoph, beschreibt diesen Prozess als systematische Entkoppelung der „Lebenswelt“ der Bürger vom technokratisch-juristischen „System“ politischer Eliten und Institutionen. Für Habermas ist Demokratie nur dann intakt, wenn Bürgerinnen und Bürger aktiv und wirksam am politischen Prozess teilnehmen können. Er warnt seit Jahrzehnten davor, dass „die in ihre autonomen Bezirke zurückgezogene kulturelle Moderne geschmeidig gemacht werden müsse, um sie einer Lebenspraxis zuzuführen, die gleichzeitig vor Zumutungen eines unvermittelten Zugriffs der Experten behütet wird.“ [2] Genau diese Zumutung aber findet derzeit statt. Politische Streitfragen wie Klimaschutz, Mieten oder soziale Gerechtigkeit landen vermehrt vor Gerichten. So erklärte das Bundesverfassungsgericht 2021 Teile des deutschen Klimaschutzgesetzes für verfassungswidrig. Was als juristischer Erfolg für den Klimaschutz gefeiert wurde, hat jedoch auch eine Schattenseite: Das Gericht setzte klare politische Vorgaben und entzog damit der demokratischen Auseinandersetzung entscheidende Gestaltungsspielräume. [1] Ähnlich beim Berliner Mietendeckel: Mehrheitsbeschlüsse des demokratisch gewählten Senats wurden gerichtlich kassiert. Die Berliner mussten erfahren, dass ihre politische Willensbildung rechtlichen Einschränkungen unterworfen ist, die nicht von gewählten Vertretern, sondern von juristischen Instanzen definiert wurden. [1] Ingeborg Maus sieht hierin eine gefährliche Verschiebung: „Die einstigen Menschenrechtssubjekte finden sich als Objekte einer Menschenrechtsverwaltung wieder.“ Durch juristische und supranationale Institutionen, wie beispielsweise in der EU, werde Demokratie de facto ausgehöhlt. Maus’ Diagnose ist radikal, aber in der Substanz zutreffend. Wenn politische Prozesse zunehmend von technokratischen Eliten und Juristen kontrolliert werden, entsteht ein neuer Typus der Herrschaft – eine „Verrechtlichung“, die demokratische Souveränität verdrängt. [3] Der britische Historiker Tariq Ali spricht sogar von einer „extremen Mitte“, einer politischen Klasse, die weder links noch rechts eindeutig einzuordnen ist, sondern deren gemeinsames Merkmal eine technokratische, kapitalorientierte und zunehmend autoritäre Regierungsweise darstellt. Diese technokratischen Regierungen, so Ali, verschaffen Konzernen und wirtschaftlichen Eliten Vorteile auf Kosten der breiten Bevölkerung. [4] Ein markantes Beispiel für diese Tendenz ist das deutsch-französische Rüstungsabkommen (DFA), dessen demokratische Kontrolle nach einem Gutachten von Greenpeace massiv eingeschränkt ist. Entscheidungen über Waffenausfuhren werden demnach außerhalb parlamentarischer Kontrolle gefällt, wodurch die politische Verantwortlichkeit verschleiert wird. [5] Welche Konsequenzen hat diese Entwicklung langfristig für unsere Gesellschaft? Wenn die Bürger zunehmend das Gefühl bekommen, dass ihre politische Stimme nicht zählt, wächst die Gefahr von Politikverdrossenheit und einer weiteren Spaltung der Gesellschaft. Gleichzeitig nimmt die Macht von Gerichten und technokratischen Instanzen zu, deren Entscheidungen kaum demokratisch legitimiert sind. Der Weg zurück zu mehr Demokratie führt über eine Revitalisierung der politischen Teilhabe. Maus und Habermas stimmen überein, dass die Stärkung einer partizipativen Demokratie, in der Bürgerinnen und Bürger tatsächlich über wesentliche politische Fragen entscheiden können, notwendiger ist denn je. [2] [4] Eine lebendige Demokratie braucht nicht nur juristische Schutzmechanismen, sondern vor allem den Raum zur demokratischen Gestaltung. Es ist Zeit, die Demokratie aus ihrer juristisch -technokratischen Umklammerung zu befreien und sie wieder als das zu verstehen, was sie eigentlich sein sollte: „Herrschaft des Volkes, durch das Volk und für das Volk.“ Titelbild: WESTOCK PRODUCTIONS / shutterstock.com ---------------------------------------- Verwendete Online-Quellen: Greenpeace: Rechtsfragen des deutsch-französischen Abkommens über Ausfuhrkontrollen im Rüstungsbereich vom 23. Oktober 2019 [https://www.greenpeace.de/sites/default/files/publications/20200226_rechtsfragen_des_deutsch-franzosischen_abkommens.pdf] Bock, Stefanie (2017): Zurechnung im Völkerstrafrecht. In: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik, Heft 7-8/2017, S. 410 ff. Online: https://zis-online.com/dat/artikel/2017_7-8_1121.pdf [https://zis-online.com/dat/artikel/2017_7-8_1121.pdf] ---------------------------------------- Fußnoten: [«1] Maus, Ingeborg (2018): Justiz als gesellschaftliches Über-Ich. Zur Position der Rechtsprechung in der Demokratie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. [«2] Habermas, Jürgen (1981): Philosophisch-politische Profile. Erweiterte Ausgabe. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. [«3] Maus, Ingeborg (2011): Über Volkssouveränität. Elemente einer Demokratietheorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. [«4] Ali, Tariq; Flassbeck, Heiner; Mausfeld, Rainer; Streeck, Wolfgang; Wahl, Peter (2020): Die extreme Mitte. Wien: Promedia Verlag. [«5] Boysen, Sigrid (2020): Rechtsfragen des deutsch-französischen Abkommens über Ausfuhrkontrollen im Rüstungsbereich vom 23. Oktober 2019.

Abdullah Öcalan, der seit Jahrzehnten inhaftierte Kurdenführer, hat die Entscheidung für die Auflösung der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) begrüßt. Auch nach über einem Vierteljahrhundert in türkischer Haft bleibt dieser Mann die heimliche Inspirationsquelle seiner einst streng marxistischen Anhängerschaft. Von Ramon Schack. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. „Ich begrüße die auf dem historischen 12. Kongress [der PKK] gefassten Beschlüsse“, hieß es in einer gestern von der prokurdischen Partei DEM verbreiteten Erklärung Öcalans. Die PKK hatte ihre Auflösung beschlossen, nachdem Öcalan dazu aufgerufen hatte. Ein Vorgang von geopolitischer Dimension Bei der Mitteilung der militanten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), ihre Waffen niederzulegen und sich aufzulösen, handelt es sich um eine Zäsur. Hoffnungen werden geweckt auf ein Ende eines seit fast einem halben Jahrhundert anhaltenden Konflikts mit dem türkischen Staat, der über 40.000 Menschenleben gefordert hat. Wichtig ist hierbei, ob Ankara nur den „Sieg“ über die PKK sucht oder auch den Willen hat, die Kurdenfrage zu lösen. Zur Stunde ist noch ungewiss, ob alle PKK-Kämpferinnen und -Kämpfer dem Aufruf folgen werden und was die neue Entwicklung für die Zukunft der kurdischen Minderheit in der Türkei bringt. Die Auflösung der PKK wäre nicht nur ein Vorgang von militärischer Tragweite, sondern hätte umfassende geopolitische Dimensionen über die Türkei hinaus. Eine innenpolitische Stabilisierung, vor allem in den kurdischen Gebieten im Südosten des Landes, wäre im Bereich des Möglichen. Allerdings müssten neben der PKK auch andere kurdische Gruppierungen und Akteure integriert werden, betonen Experten. Ob dies unter der Führung eines zunehmend autoritär regierenden Präsidenten Erdogan geschehen kann, ist aktuell fraglich. Öcalan – Triumph und Tragödie Der phänomenale Aufstieg der 1978 von Abdullah Öcalan gegründeten PKK vollzog sich nur deshalb so rasant, weil die rund 16 Millionen Kurdinnen und Kurden in der Türkei seit der Staatsgründung diskriminiert wurden. Bis in die 1980er-Jahre war der Begriff „Bergtürken“ geläufig, und es war ihnen verboten, Kurdisch zu sprechen, kurdische Bücher zu lesen oder kurdische Musik zu hören. Bis heute gibt es Meldungen über Diskriminierungen. Die PKK vollzog in jüngster Zeit eine dramatisch anmutende ideologische Transformation. Die Forderung nach einem unabhängigen kurdischen Staat wurde zugunsten einer Forderung nach weitgehender Autonomie aufgegeben, inklusive der Anerkennung des Kurdischen als Nationalsprache oder der Änderung des Verfassungsartikels, der besagt, dass jeder türkische Staatsbürger Türke ist. Eine weitere zentrale Forderung der kurdischen Seite ist ein Ende der Einsetzung von regierungsnahen Zwangsverwaltern. Hoffnung auf Amnestien Besonders im überwiegenden kurdischen Südosten der Türkei wurden immer wieder gewählte Bürgermeister durch solche Zwangsverwalter ersetzt. Einige wurden inhaftiert. Auch der ehemalige Präsidentschaftskandidat und ehemalige Chef der prokurdischen Partei DEM, Selahattin Demirtas, sitzt seit 2016 im Gefängnis, obschon der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Freilassung angeordnet hat. Das Schicksal von Öcalan selbst ist ungewiss. [https://www.nachdenkseiten.de/wp-content/uploads/2025/05/shutterstock_151404920.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/wp-content/uploads/2025/05/shutterstock_151404920.jpg Bild1: Kurden feiern mit Bildern von PKK-Gründer Öcalan ihr traditionelles Newroz-Fest, was auf Diyarbakir, Türkei – Quelle: Shutterstock / Sadik Gulec Aber ausgerechnet der Chef von Erdogans ultranationalistischem Regierungspartner MHP, Devlet Bahceli, bisher eigentlich ausgesprochener Gegner einer Aussöhnung mit der PKK, hatte Öcalans Freilassung ins Spiel gebracht, sollte die PKK ihre Waffen niederlegen und sich auflösen. Das aber hatte Erdogan bisher ebenso vehement abgelehnt wie Amnestien für all die anderen politischen Gefangenen. Ersatz für PKK? Eine Zukunft ohne die PKK – also ohne ihren bewaffneten und organisatorischen Einfluss – wäre ein tiefgreifender Einschnitt für die kurdische Bewegung in der Türkei und darüber hinaus. Diesbezüglich ist es von großer Bedeutung, was die PKK ersetzt. Ohne Zugeständnisse an die kurdische Minderheit könnte es zu neuen, radikaleren Bewegungen oder einer Wiederaufnahme des Konflikts unter anderen Vorzeichen kommen. Die Frage, wie ehemalige PKK-Kader entwaffnet und in die Gesellschaft reintegriert werden, ist hierbei von existenzieller Bedeutung. Die PKK plädiert diesbezüglich dafür, dass der Auflösungsprozess von Öcalan selbst geführt werden soll. Ob das umgesetzt werden kann, ist zur Stunde noch fraglich. Kenner der Region gehen davon aus, dass der Irak, wo die PKK in den Kandil-Bergen heute ihr Hauptquartier hat, dabei eine wichtige Rolle spielen wird. Der Präsident der autonomen Kurdenregion im Irak, Nedschirwan Barsani, lobte die Entscheidung der PKK. Diese ebne „den Weg für einen Dialog, der das Zusammenleben und die Stabilität in der Türkei und der Region fördert“, sagte Barsani. Er hoffe auf einen „dauerhaften Frieden, der der jahrzehntelangen Gewalt ein Ende setzt“. Vorläufiger Erfolg für Erdogan Für Recep Erdogan stellt die Auflösung der PKK einen vorläufigen Erfolg dar. In einem Social-Media-Beitrag ließ Ömer Celik, ein Sprecher von Erdogans regierender AKP, verlautbaren, die Ankündigung der PKK sei ein wichtiger Schritt in Erdogans Bemühen, eine „terrorfreie Türkei“ zu gewährleisten. Was die innenpolitische Dimension betrifft, so sehen Experten die Auflösung der PKK auch als Vehikel Erdogans zur „Konsolidierung seiner Macht“ und weiteren Spaltung der Opposition. Folgen für Syrien und den Irak Unklar ist, inwieweit sich eine Auflösung der PKK auf den Konflikt zwischen der Türkei und den Kurden in Syrien sowie auf die autonome Region Kurdistan im Nordirak auswirkt. Was Syrien angeht, so spricht einiges dafür, dass Ankara und Damaskus hier an einem Strang ziehen. Der islamistische Übergangspräsident Syriens, Ahmed al-Scharaa, einigte sich unlängst auf eine vollständige Eingliederung in die staatlichen Institutionen des sezessionistischen kurdischen Siedlungsgebietes. Außenminister Asaad al-Schaibani gratulierte der türkischen Regierung zu einem „Schritt von entscheidender Bedeutung“ für die „Stabilität unserer gesamten Region“. Titelbild: Shutterstock / thomas koch Mehr zum Thema: Demokratie wagen in Kurdistan [https://www.nachdenkseiten.de/?p=45809] Ein Beitrag von Willy Wimmer zum Wunsch nach dem eigenen Staat der Kurden und den Folgen für die Türkei [https://www.nachdenkseiten.de/?p=31583] Alte Freunde, neue Feinde – Die Türkei am geopolitischen Scheideweg [https://www.nachdenkseiten.de/?p=45919] Wieso kritisiert Bundesregierung die Repression gegen Oppositionspolitiker in der Türkei, aber nicht in Rumänien? [https://www.nachdenkseiten.de/?p=130853]

Jetzt ist die Katze aus dem Sack: 225 Milliarden Euro jährlich für Panzer, Waffen, Raketen. Die deutsche Regierung geht in die Vollen. Außenminister Johann Wadephul sprach sich öffentlich für das sogenannte „Fünf-Prozent-Ziel“ aus. Fünf Prozent vom Bruttoinlandsprodukt für die Verteidigung? Das ist durch nichts mehr zu rechtfertigen. Der Verteidigungshaushalt ist zu Wachs in den Händen einer Politik geworden, die den Friedensauftrag des Grundgesetzes zunehmend als Auftrag zur Aufrüstung versteht. Ein Kommentar von Marcus Klöckner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Diese Politik ist verantwortungslos. 225 Milliarden Euro jährlich für Aufrüstung und noch mehr Aufrüstung? Rund 50 Prozent vom Bundeshaushalt für das Hochrüsten gegen einen herbeiimaginierten Feind? Die deutsche Politik will es möglich machen. Bei einem NATO-Treffen der Außenminister äußerte sich Johann Wadephul ganz im Sinne des Militärbündnisses. Die deutsche Regierung folge der Einschätzung von US-Präsident Donald Trump, wonach fünf Prozent vom Bruttoinlandsprodukt für die Verteidigung ausgegeben werden sollten. So äußerte sich Wadephul laut Medienberichten [https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/wadephul-verteidiungsausgaben-100.html]. Diese Position ist durch nichts zu rechtfertigen. Sie basiert auf einer Politik, die den Bruch mit der Realität vollendet. Deutschland müsse sich auf einen Krieg vorbereiten, damit es nicht zu einem Krieg komme – so lautet der Tenor, mit dem die Politik versucht, den Bürgern die Aufrüstung schmackhaft zu machen. Das ist: Endstation Orwell. Eine verantwortungsbewusste Politik, die sich an der Realität ausrichtet, würde nach allen Regeln und mit allen Mitteln der Diplomatie versuchen, wieder ein anständiges Verhältnis zu Russland herzustellen. Das wäre billiger und in Anbetracht der großen Gefahren, die aus einer Politik der Aufrüstung für Land und Bürger entstehen, auch dringend geboten. Stattdessen hat Unvernunft die Vernunft ersetzt, stattdessen herrscht Feindbilddenken vor, wo der Freundschaftsgedanke im Vordergrund stehen sollte. Diese Politik beschreitet einen zerstörerischen Weg. Dringend an anderer Stelle benötigtes Geld – Stichwort Armutsbekämpfung (!) – will die Politik in Panzer, Waffen und Raketen investieren. Viel offensichtlicher kann ein politischer Offenbarungseid nicht ausfallen. Schon jetzt gibt Deutschland für seine Verteidigung um die zwei Prozent aus. Die Zahlen, von Politik und Medien beschönigenderweise als „Zielvorgaben“ benannt, unterliegen einer irrationalen Willkür. Heute zwei Prozent, morgen fünf Prozent und übermorgen? Sieben oder acht oder gleich zehn oder fünfzehn Prozent? Schließlich: Wenn heute der „russische Feind“ schon so „bedrohlich“ ist, wird er, wenn die NATO immer weiter aufrüstet, nicht tatenlos bleiben und auch aufrüsten. Also müsste Russland dann ja noch „bedrohlicher“ werden? Oh ja! Die Abwärtsspirale der Aufrüstung wird gut geschmiert. Wadephul sagte weiter, eigentlich sollten 3,5 Prozent auch reichen – sofern 1,5 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt in die militärisch nutzbare Infrastruktur investiert würden. Sprich: Brücken stabil machen, damit Panzer darüberrollen können. Das ist zum einen: ein Taschenspielertrick. Unterm Strich kommen auch so fünf Prozent raus. Und zum anderen ist es politisch zutiefst beschämend, denn über deutsche Brücken sollten besser keine Panzer mehr rollen. Der Verteidigungshaushalt ist zu Wachs in den Händen einer Politik geworden, die den Friedensauftrag des Grundgesetzes zunehmend als Auftrag zur Aufrüstung versteht. Die Katastrophe ist vorprogrammiert. Titelbild: gopixa / shutterstock.com Mehr zum Thema: Der Ausdruck „3,6 Prozent des BIP“: Eine Masche zur Verniedlichung einer radikalen Politik [https://www.nachdenkseiten.de/?p=128907] [http://vg07.met.vgwort.de/na/62e603ad62414a18a1a174e595614ab1]

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert, wird wohl das Motto der undurchsichtigen wie mächtigen Ursula von der Leyen heißen. Die deutsche EU-Kommissionspräsidentin verlor zwar gerade im Pfizer-Gate-Fall vor dem Europäischen Gerichtshof. Doch freut sie sich sicher sogleich auf eine besondere Ehrung: Ursula von der Leyen erhält den Internationalen Karlspreis von Aachen. Ein Zwischenruf von Frank Blenz. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. In der Begründung der Verleiher des Internationalen Karlspreises wird hervorgehoben, Ursula von der Leyen habe besondere Verdienste für Europa erbracht. Gemeint sind nicht (oder doch?) ihr Gebaren während der Corona-Pandemie und ihr ehrgeiziges wie rücksichtslos-unzivilisiertes Projekt „Rearm Europe“, übersetzt „Europa wiederbewaffnen“ (wobei Europa doch schon seit zig Jahren hochgerüstet ist!?). Ursula von der Leyens Ziel ist es, ein viele Milliarden Euro schweres „Programm“ (Ende offen) zur flächendeckenden Militarisierung der Europäischen Union durchzusetzen. Das geschieht mit den ihr bekannten Mitteln der Intransparenz, der Mauschelei, der Ignoranz demokratischer Spielregeln und/oder mittels ihrer Schauspielkunst in einer Art Demokratie-Show. Die beherrscht sie sehr gut. Man folge nur einmal eine Rede von der Leyens im Europäischen Parlament oder ihre stets stoisch ruhige Nichtreaktion auf Gegenreden der Opposition im hohen Haus zu Brüssel. ‚Ihr könnt sagen, was ihr wollt, ich mache dennoch, was mein Plan ist‘, wird sie sich denken. Nun bekommt sie auch noch den Karlspreis, alles richtig gemacht. Doch Einspruch: von wegen verdienstvoll agieren für Europa. Verdienstvoll handelt von der Leyen einzig und konsequent für die Rüstungsindustrie, für die Nutznießer aus der politischen Klasse. Von der Leyen verdient dafür keine Preise. Wie sie handelt, dafür dürfte sie nicht an der Spitze der EU, von uns Bürgern stehen. Doch sie ist dort wie einbetoniert hingestellt, inzwischen schon in der zweiten Amtszeit, die lange noch bis 2029 dauern soll. Sie verriet lächelnd: „Nein!“ – Und ja: kalte Machtpolitik wird belohnt Denke ich an die EU-Kommissarin Ursula von der Leyen, erinnere ich mich an eine legendäre Episode im deutschen Unterhaltungsfernsehen. Die TV-Sendung „Extra 3“ des NDR [https://www.youtube.com/watch?v=8g3S_vxQAIs] nahm ein kurzes wie entlarvendes Zitat der Politikerin aufs Korn. Vor ihrer Zeit in Brüssel war von der Leyen Verteidigungsministerin der Bundesrepublik und wurde bei der ARD mal gefragt: „Ist jemand von ihren Kindern bei der Bundeswehr?“ Ihre Antwort (mit einem Lächeln): „Nein!“ Die vielsagende Aussage der Chefin der Bundeswehr steht für mich für eine feige Haltung, andere in die Schlacht zu schicken und selbst auf dem Sofa sitzen zu bleiben. Von der Leyen bewies ihr elitäres Denken und Tun in nur einer einzigen Sekunde. Nun fällt der Name Ursula von der Leyen einmal mehr negativ auf: zum einen in Sachen Pfizer-Affäre. Während der Corona-Pandemie verhandelte von der Leyen direkt und „diskret“ mit dem Pfizer-Boss Albert Bourla per SMS über milliardenschwere Beschaffungsaktivitäten von überteuerten Corona-Impfstoffen. Sie tat es sicher nicht, wie sie beteuert, der Gesundheit für viele wegen. Sie tat es, weil damit enorm viel Geld verdient wurde. Die EU-Chefin wollte die heiklen Informationen über ihr Gebaren bis heute nicht öffentlich machen, obwohl die Bürger, für die sie ja die EU anführt, darauf ein Recht haben. Nun hat ein EU-Gericht gegen von der Leyens Sturheit und Arroganz geurteilt – wenngleich diese Justiz dazu viel zu lange brauchte –, dass von der Leyens Handeln ein klarer Rechtsbruch sei. Die EU-Kommission habe „keine plausible Erklärung dafür geliefert, warum sie die angeforderten Dokumente nicht besitzt“. Von der Leyens Wirken während der Pandemie wurde vom Gericht und der Öffentlichkeit endlich zu Recht kritisiert und entlarvt. Doch paradoxerweise wird die EU-Chefin nun gerade wegen dieses Handelns auch noch geehrt … Stichwort Karlspreis Von der Leyens Miene wird sich aufhellen, sie kann sich auf die baldige Ehrung, auf den Internationalen Karlspreis 2025 und eine Menge Geld (eine Million Euro) freuen. Die Kurzbegründung auf der Seite www.karlspreis.de [https://www.karlspreis.de/de/]: > Die Präsidentin der Europäischen Kommission Dr. Ursula von der Leyen wird 2025 mit dem Internationalen Karlspreis zu Aachen ausgezeichnet. Für ihre Verdienste um die Einheit der Mitgliedstaaten, die Eindämmung der Pandemie, die Geschlossenheit des Verteidigungswillens gegen Russland und die Impulse zum Green Deal einerseits sowie zur Ermutigung gegenüber den anstehenden Aufgaben ehrt das Direktorium der Gesellschaft für die Verleihung des Internationalen Karlspreises die Präsidentin der Kommission der Europäischen Union. Warum hören die Aachener Preisverleiher nicht auf Kritiker? Der Internationale Karlspreis von Aachen wurde 1950 erstmals vergeben. Das hehre Anliegen: Persönlichkeiten oder Institutionen zu würdigen, die sich um Europa und die europäische Einigung verdient machen. Wenn diese Intention richtig interpretiert würde, hieße das, sich wirklich und fern von Machtinteressen für die Menschen des Kontinents, für die verschiedenen Völker (dazu gehören auch die Völker im Osten des Kontinents, z.B. Russland) und ihre Nachbarn weltweit mit all ihren Interessen und Besonderheiten einzusetzen und diese dennoch zu einen. Das gelänge, wenn sozial, ökonomisch und kulturell Frieden, Ausgleich, ein Miteinander sowie Fairness herrschten und Krisen engagiert angegangen würden. Seit 2019 ist Ursula von der Leyen am Ruder, und an dieses gelang sie, nebenbei erwähnt, nicht etwa durch eine Wahl … Und ja: Sie verdiente den Preis, handelte sie wie gerade besprochen. Doch finden Kritiker bei ihr anderes, und die hellwache Öffentlichkeit schüttelt ebenso mit dem Kopf ob der Persönlichkeit von der Leyen. Ein Kritiker, Martin Sonneborn, EU-Parlamentarier von Die Partei, sagte in einem Interview für Cicero [https://www.cicero.de/kultur/kritik-am-eu-parlament-interview-martin-sonneborn] (nebenbei: Das Magazin wurde einst vom neuen deutschen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gegründet.): > Seit Frau von der Leyen die Kommission führt, vertritt diese mehr denn je die Interessen großer US-Konzerne und der Nato – aber nicht die ihrer Bürger. Das Magazin Politico hat sie als „die amerikanische Präsidentin der EU“ betitelt. Jetzt hat sie angedroht, europäische Waffenkäufe nach dem Vorbild der Impfstoffbeschaffung zu organisieren. Ich sehe weitere 35 Milliarden verschwinden. Ein Preis für die hohe Vertreterin der EU-Kommission, die einen schlechten Ruf hegt und pflegt und so tut, als hätte sie einen guten Ruf Um die Ecke gedacht: Würde von der Leyen, die EU-Kommission, ja das EU-Parlament Europa nah an den Menschen, ihnen wirklich verbunden, dabei verbindend agieren, hätten all die Genannten keinen schlechten Ruf. Stattdessen haben sie einen „guten Ruf“ eben nur bei denen, die über die wirklichen Aufgaben und Erfordernisse zum Wohl der Bürger hinwegsehen, weil sie anderes im Sinn haben. Die Eliten feiern sich halt gern. Zynischerweise winken sie eben fortdauernd unsoziales, aggressives, spaltendes Verhalten durch und verkaufen das Ganze dem Fußvolk noch als verdienstvoll, als fürsorglich, klug und richtig – nicht zu vergessen als alternativlos. Warum erhält von der Leyen diesen Preis dafür, dass sie wie ihre anderen bellizistischen Mitstreiter Europa aufrüsten will? Ich wäre sehr dafür, würde ihr Programm „Peace for Europe“ heißen statt „Rearm Europe“. Beinah unfreiwillig tragikomisch klingt „rearm“ in den Ohren von der englischen Sprache nicht so mächtigen Menschen: Meint die Frau etwa das „Wiederverarmen Europas“? Karlspreis für eine Frau, die Europa zur Festung macht und den Kontinent damit spaltet Ursula von der Leyen ist eine entscheidende Kraft bei den Plänen für eine EU-weite wie beispiellose Aufrüstung und bekommt dafür also noch den Karlspreis. Summen sind im Gespräch, die einfache Leute sprachlos werden lässt: 800 Milliarden Euro extra (neben den Jahresbudgets europäischer Länder) sollen in die europäische und weitere internationale Rüstungsindustrie fließen – unser aller Geld. Munition, neue Rüstungsfabriken, die Umwandlung von zivilen Produktionsstätten in Waffenschmieden. Genaueres gibt von der Leyen nicht preis. Kritiker sagen, es fehlt dazu ebenfalls die umfangreiche öffentliche, transparente Diskussion. Da kommt dann noch ein Zauberwort ins Spiel: Schuldenbremse. Diese gibt es auch in Brüssel, sie wurde bisher stets konsequent (alternativlos halt) angezogen, wenn es um die echten Interessen der Bürger ging – Stichwort Soziales. Von der Leyen ist mit ihrem unverdienten Karlspreis nicht allein Der Internationale Karlspreis von Aachen gilt als der älteste und bekannteste Preis, mit dem Persönlichkeiten oder Institutionen ausgezeichnet werden, die sich um Europa und die europäische Einigung verdient gemacht haben, heißt es auf karlspreis.de. Die Liste der bisherigen Preisträger liest sich für mich jedoch nicht durchgängig überzeugend. Ich lese Namen wie Bill Clinton, Tony Blair, Jean Claude Juncker, Donald Tusk, Angela Merkel, Wolfgang Schäuble oder Emmanuel Macron. Bei diesen Namen fallen mir lose einige politische Leistungen ein, die ich nicht verbindend und im vollen Interesse Europas empfinden kann und nicht für preisverdächtig halte. Clinton? Nur einer der vielen mächtigen wie rücksichtlosen US-Präsidenten. Blair? Der Ex-Premierminister Großbritanniens zündelte heftig mit den US-Amerikanern in Sachen Irakkrieg. Tusk? Der aktuelle polnische Regierungschef hetzt tagtäglich gegen Russland, lässt sein Land wahnwitzig aufrüsten und schlägt schon mal vor, Landminen und Streumunition wieder zuzulassen [https://www.tagesschau.de/ausland/europa/polen-landminenverbot-militaertraining-100.html]. Schäuble? Der zog kalt und hart alle Register neoliberalen Wirkens bei der schlimmen Staatsschuldenkrise Griechenlands. Merkel? In diesem Beitrag auf den NachDenkSeiten [https://www.nachdenkseiten.de/?p=126416] schreibe ich über Merkels Buch „Freiheit“. 2008 erhielt Merkel den Karlspreis. Über eine Phase in ihrer Macht-Ära fand ich dazu einen Text über Syrien. Diese Zeilen lesen sich ganz anders als ‚EU als verbindende Kraft‘, die Bundesregierung eingeschlossen, also konkret Merkel. Zitat: > Seit dem Frühsommer 2011 hatten die Bundesregierung und die Europäische Union mit einseitigen wirtschaftlichen Strafmaßnahmen gegen Syrien zum wirtschaftlichen Mangel des Landes beigetragen und einen Wiederaufbau verhindert. Die USA setzten mit dem „Caesar-Gesetz“ noch eins drauf und drohten Einzelpersonen, Unternehmen und Staaten mit Sanktionen, sollten sie mit Syrien Handel treiben oder dort Investitionen tätigen. Seit fast 10 Jahren halten US-Truppen die syrischen Ölquellen im Nordosten des Landes besetzt und kontrollieren – in Koordination mit den Truppen der Verbündeten Türkei, Jordanien und Israel – nahezu alle Grenzen des Landes. > (Quelle: Globalbridge [https://globalbridge.ch/syrien-in-truemmern-und-was-die-medien-verschweigen/]) Und Macron? Der französische Präsident wurde 2018 mit dem Karlspreis geehrt, in der Begründung steht u.a.: > „… Seine Leidenschaft und sein europäisches Engagement, sein Eintreten für Zusammenhalt und Gemeinsamkeit und sein entschiedener Kampf gegen jede Form von Nationalismus und Isolationismus sind zur Überwindung der europäischen Krise vorbildhaft, wegweisend und im positiven Sinne ansteckend.“ > (Quelle: Karlspreis [https://www.karlspreis.de/de/preistraeger-innen/alle-preistraeger]) Doch steht Macron, siehe sein Heimatland, siehe auch den gegenwärtigen Konflikt mit Russland, eben nicht als ein Politiker da, der sich für Zusammenhalt und für die Überwindung der Krise in Europa und darüber hinaus wirklich engagiert. Warum wohl? Die Krise ist das Geschäftsmodell der Eliten. Macron ist Elite. Eine Vision? Von der Leyen – EU-Kommissionschefin gibt neues Ziel: Peace for Europa, peace for the World Was wäre das für eine lobenswerte Sache, würde Frau von der Leyen sagen, dass Europa sich in eine neue Phase der Entspannung, Abrüstung, Verständigung und Zusammenarbeit begeben wird. Europa wird sich aktiv und unnachgiebig einsetzen, Krisenherde zu befrieden. In den Medien wird von den zahlreichen Reisen der Politikerin und ihrer Kollegen zu lesen sein. Wo sie auftauchen, zeigen ihre Präsenz, ihre Worte, ihre Forderungen, ihre Angebote positive Wirkung. Abrüstung, Waffenstillstände, Entwicklungsprogramme haben Vorfahrt. Und im Jahr 2029 wird dort stehen, dass die Rüstungsausgaben um 60 Prozent zurückgegangen sind, dass im Nahen Osten spürbare Fortschritte gemacht wurden, dass die Zusammenarbeit mit Russland sich zunehmend normalisiert. Dafür erhält von der Leyen den Karlspreis 2029. Titelbild: Shutterstock / Alexandros Michailidis Mehr zum Thema: Karlspreis für Ursula von der Leyen – Gratulation! [https://www.nachdenkseiten.de/?p=127321] Karlspreis für das Kriegs-Maskottchen (und noch mehr Preis-Propaganda …) [https://www.nachdenkseiten.de/?p=96498] Karlspreis – Kriegswütiger Namensgeber und gegründet von einem elitären Zirkel ehemaliger NSDAP- und SA-Mitglieder [https://www.nachdenkseiten.de/?p=97458] Alle Friedenspreise erobert! [https://www.nachdenkseiten.de/?p=118746]

Ulrike Guérot war jahrelang eine der angesehensten Politikwissenschaftlerinnen in Deutschland. Doch nachdem sie die Coronamaßnahmen und den Stellvertreterkrieg in der Ukraine kritisiert hatte, wurde sie wie eine Staatsfeindin behandelt. Der italienisch-britische Journalist Thomas Fazi präsentiert, anlässlich der nächsten Gerichtsverhandlung von Guérot am 16. Mai 2025 vor dem Landesarbeitsgericht Köln, einen persönlichen Blick auf die „Causa Guérot“ mit einigen brisanten neuen Einblicken zu den Hintergründen ihrer Verfolgung – aus dem Englischen übersetzt von Maike Gosch. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Anmerkung der Redaktion: In diesem Artikel gibt Thomas Fazi einen Überblick über die Vorgeschichte und den Verlauf der „Causa Guérot“. Der Text erschien im englischen Original auf seinem Substack-Kanal [https://www.thomasfazi.com/p/enemy-of-the-state-the-political] und ist für ein internationales Publikum geschrieben, das mit der Angelegenheit und der Person Ulrike Guérot vielleicht noch nicht so vertraut ist. Die Ankündigung seines Textes stieß auf großes Interesse auf X [https://x.com/battleforeurope/status/1921909349741412612] – mit bisher über 128.000 Ansichten – und wurde von vielen prominenten englischsprachigen Aktivisten und Journalisten, wie der U.S.-amerikanischen Journalistin Kim Iversen, geteilt. Aber auch für die deutsche Leserschaft enthält Fazis Artikel nicht nur eine gute Übersicht über die Ereignisse, sondern bietet persönliche Beobachtungen und vor allem brisante neue Hinweise auf die Hintergründe der politischen Verfolgung und Diffamierung ihrer Person. Viele Leserinnen und Leser haben vielleicht noch nie von Ulrike Guérot gehört – aber am Ende dieses Artikels werden sie sich fragen, wie das möglich ist, wo sie doch im Mittelpunkt eines der erstaunlichsten Fälle von politischer Verfolgung in Europa in der jüngsten Geschichte steht. Noch vor wenigen Jahren wurde Guérot als eine der angesehensten Politikwissenschaftlerinnen Deutschlands – und Europas – und als führende Stimme zur europäischen Integration gefeiert. Wer die Debatte über die Zukunft der EU in den letzten zwei Jahrzehnten verfolgt hat, kam an Guérot und ihren Ideen zur „Europäischen Republik“ kaum vorbei. Als produktive Wissenschaftlerin und öffentliche Intellektuelle wurde sie oft eingeladen, um über verschiedene Aspekte der EU-Politik zu sprechen. Ich traf Guérot zum ersten Mal im Jahr 2018 in Helsinki, wo wir vor Publikum eine leidenschaftliche Debatte über die Europäische Union führten. Wir waren uns zwar einig, dass die EU in ihrer jetzigen Form Mängel aufweist, doch bei der Lösung des Problems lagen unsere Positionen weit auseinander: Ich plädierte für die Auflösung der EU und die Rückkehr zu souveränen Nationalstaaten, während Guérot für eine radikale Demokratisierung der Union eintrat. Guérots Vision war inspirierend, aber sie passte auch genau in die lange Tradition des progressiven Europäismus – eine Perspektive, die insbesondere in akademischen Kreisen lange Zeit den Mainstream repräsentiert hat. Tatsächlich war Guérot während eines Großteils ihrer Karriere fester Bestandteil des intellektuell-politischen Establishments in Deutschland (und Europa). In den Neunzigerjahren arbeitete sie zunächst unter der Schirmherrschaft von hochrangigen Politikern wie Karl Lamers, dem damaligen außenpolitischen Sprecher der CDU, und Jacques Delors, dem ehemaligen Präsidenten der EU-Kommission. Ab Anfang der 2000er-Jahre übernahm sie zunächst die Rolle der außenpolitischen Direktorin des German Marshall Fund und dann die des Direktors des European Council on Foreign Relations – zwei der wichtigsten transatlantischen Denkfabriken (think tanks) in Europa. Im Jahr 2013 war Guérot sogar Teil der offiziellen Delegation des deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck bei seinem Staatsbesuch in Frankreich. Mitte der 2010er-Jahre, als sie das European Democracy Lab mitbegründete, das der European School of Governance in Berlin angegliedert ist, hatte sich Guérot als eine der führenden Expertinnen für europäische Angelegenheiten etabliert. Sie veröffentlichte zahlreiche Artikel in deutschen und europäischen Zeitungen und trat häufig in Talkshows in ihrem Heimatland auf. Nach unserer Begegnung in Helsinki tauschten Guérot und ich uns weiterhin von Zeit zu Zeit über Europa aus – bis die Corona-Pandemie zuschlug. Während ich mich bemühte, den Wahnsinn, der die Welt im Jahr 2020 erfasste, zu begreifen, stellte ich fest, dass ich mich von der europäischen (Des-)Integrationsdebatte, die meine Arbeit lange Zeit bestimmt hatte, innerlich entfernte. Als linker Schriftsteller, der dem Covid-Regime sehr kritisch gegenüberstand, bedeutete diese Erfahrung zudem einen endgültigen Bruch mit der politischen Gemeinschaft, die ich einst als die meine betrachtet hatte. In der hyperpolarisierenden Atmosphäre der Pandemie wurden alle Gemeinsamkeiten, die ich noch mit der Mainstream-Linken teilte – und die den Dialog mit liberalen Progressiven wie Guérot ermöglicht hatten –, endgültig weggefegt. In der Tat muss ich, etwas verlegen, zugeben, dass ich einfach davon ausgegangen war, dass Guérot sich auf die Seite der Covid-Orthodoxie geschlagen hatte – wie praktisch alle ihre Kollegen im intellektuellen und akademischen Establishment. Deshalb war ich, als sie mich vor zwei Jahren aus heiterem Himmel anrief, erstaunt über die Geschichte, die sie zu erzählen hatte, und etwas beschämt, dass diese völlig an mir vorbei gegangen war. Sie erzählte, wie sie, seit wir das letzte Mal miteinander gesprochen hatten, zu einer der meistgeschmähten Persönlichkeiten Deutschlands geworden war – von ihrem Universitätsposten entlassen, in den Medien verleumdet, vom akademischen Establishment geächtet und sogar als Staatsfeindin bezeichnet. Ich war sprachlos. Wie konnte das einer der anerkanntesten Intellektuellen des Landes passieren? Guérots „Sündenfall“ begann im Oktober 2020, als sie öffentlich die Pandemiemaßnahmen, das wachsende Klima der ideologischen Konformität und die damit einhergehende alarmierende Verengung der akzeptablen Meinung kritisierte – ein Kontext, in dem jeder, der die Corona-Politik in Frage stellte, schnell vom politischen und medialen Establishment angefeindet wurde. Aus Guérots liberal-progressiver Perspektive vertrat sie – vielleicht etwas naiv – lediglich die Habermas’schen Prinzipien des offenen Diskurses: die Überzeugung, dass sich die öffentliche Meinung aus der Kraft des besseren Arguments bilden sollte. Anfangs war sie, wie sie es beschreibt, sich nicht einmal des Ausmaßes der autoritären „neuen Normalität“ bewusst, die durch die Pandemie eingeleitet wurde – oder, dass sie mit ihrer Infragestellung der Pandemiebeschränkungen und ihrer Warnung vor einem Abbau der Demokratie eine unsichtbare rote Linie überschritten hatte. Fast über Nacht wandelte sich ihre öffentliche Persona in den Augen der Institutionen, der Medien und großer Teile der Öffentlichkeit – von einer gefeierten Denkerin zu einer „problematischen Person“. Nach ihren kritischen Kommentaren und Aufsätzen wurde Guérot zur Zielscheibe intensiver Medienaufmerksamkeit und Empörung in den sozialen Medien. In den Artikeln wurde nicht mehr auf ihre Argumente eingegangen, sondern sie wurde persönlich angegriffen, als „umstritten“ bezeichnet und als „Verschwörungstheoretikerin“ abgetan. Die Tatsache, dass ihre prinzipientreue Haltung sie bei den Gegnern der Lockdowns und anderer Corona-Maßnahmen, die im Sommer 2020 große Demonstrationen in Berlin und anderen Städten organisierten und die von den etablierten politischen Medien schnell als „rechtsextrem“ gebrandmarkt wurden, immer beliebter machte, verstärkte nur die feindseligen Reaktionen gegen sie. In den Augen vieler war Guérot jetzt eine „Rechtsextreme qua Kontaktschuld“ geworden. Dennoch schien ihr akademisches Ansehen Anfang 2021 noch intakt zu sein. Im Frühjahr 2021 wurde sie von der renommierten Universität Bonn eingestellt – die Krönung ihrer jahrelangen akademischen Forschung zu europapolitischen Themen. Trotz der Kontroverse um ihre Haltung zu Corona wurde Guérot von ihren Kollegen an der Universität herzlich empfangen, die sich sichtlich freuten, eine so hochkarätige und versierte Persönlichkeit in ihren Reihen begrüßen zu dürfen. In diesem Jahr, während der Weihnachtsferien, brachte Guérot ihre Kritik an der Coronapolitik zu Papier. Das Ergebnis war „Wer schweigt, stimmt zu“, das im März 2022 veröffentlicht wurde. Das Buch, das die Unverhältnismäßigkeit der Corona-Maßnahmen der Regierung scharf kritisiert und eine dringende soziale und öffentliche Aufarbeitung fordert, war ein großer Erfolg. Es stand wochenlang auf der Bestsellerliste, und Guérot wurde mit Briefen und E-Mails von Menschen überhäuft, die ihr dafür dankten, dass sie einem großen Teil der deutschen Gesellschaft eine Stimme gegeben hatte, der im offiziellen öffentlichen Diskurs zum Schweigen gebracht oder verleumdet worden war. Die akademische Welt hingegen wandte sich scharf gegen Guérot: Es ist eine Sache, Artikel zu schreiben oder Interviews zu geben – aber ein ganzes Buch zu veröffentlichen, noch dazu einen Bestseller, in dem sie diejenigen offen kritisiert, die, wie sie sagt, „bereit sind, die Demokratie einem Virus zu opfern und ihre Freiheit für vermeintliche Sicherheit aufs Spiel zu setzen“, ist etwas ganz anderes. Sie hatte eine weitere unsichtbare rote Linie überschritten. Prominente Akademiker griffen sie auf Twitter an. Die Einladungen zu Konferenzen wurden immer seltener. Selbst an ihrem noch relativ neuen Arbeitsplatz an der Universität Bonn begannen Studenten und Kollegen, sie zu meiden – oder aktiv gegen sie zu mobilisieren. Die Pandemie hatte eine wachsende Kluft zwischen der akademischen Welt und der breiten Öffentlichkeit aufgedeckt, und Guérot drohte in diese zu stürzen. Kurz vor der Veröffentlichung des Buches war Russland in die Ukraine einmarschiert, was die öffentliche Debatte weiter vergiftet und militarisiert hatte. Das manichäische Denken und der moralische Absolutismus, die die Corona-Ära geprägt hatten, verstärkten sich noch weiter. Die Unterstützung der Ukraine wurde zu einem staatsbürgerlichen Lackmustest; Kritik an der Regierungspolitik wurde nicht mehr als „Bedrohung der öffentlichen Gesundheit“ angesehen, sondern grenzte nun an Hochverrat. Guérot befand sich wieder einmal im Zentrum all dieser Ereignisse. In der ersten Jahreshälfte 2022 rief sie in einigen – immer seltener werdenden – Fernsehauftritten zu Frieden, Dialog und Diplomatie auf – und erntete in den Sendungen hysterische Reaktionen von den anderen Gästen, die alle kategorisch dem Kriegslager angehörten. Erneut sah sich Guérot im Fadenkreuz der Medien – und erneut in eine Rolle gedrängt, die sie sich nicht ausgesucht hatte, diesmal als sogenannte „Putin-Apologetin“. Dies löste eine weitere massive Welle von Angriffen gegen sie aus, auch von hochrangigen Politikern. Zunehmend richteten sich die Vorwürfe gegen Guérot in den sozialen Medien auch gegen die Universität Bonn – ein klarer Versuch, nicht nur sie, sondern auch ihren Arbeitgeber öffentlich zu blamieren und unter Druck zu setzen. Verschiedene Fakultäts- und Studentengruppen in Bonn gaben Erklärungen gegen Guérot ab. Guérot ließ sich jedoch nicht entmutigen. Im Gegenteil, sie begann mit der Arbeit an einem Buch über den Russland-Ukraine-Krieg und war entschlossen, es so schnell wie möglich zu veröffentlichen. Im Sommer 2022 tauchten in den Medien die ersten Plagiatsvorwürfe auf. Obwohl sie für Schlagzeilen sorgten, handelte es sich dabei um relativ geringfügige Vorwürfe, die paraphrasiertes oder nur teilweise zitiertes Material in zwei Büchern von ihr betrafen. In einigen Fällen hatte sie die Fehler in späteren Ausgaben des Buches sogar eingeräumt. Die in den Artikeln beschriebenen Muster – verstreute Fußnoten, vage Quellenangaben und lose paraphrasierte Ideen – deuten schlimmstenfalls auf Versehen aufgrund von Zeitmangel hin, nicht auf Betrug. Weitaus beunruhigender ist die Tatsache, dass einige deutsche Medien beträchtliche Ressourcen darauf verwendet haben, Guérots gesamtes Werk Zeile für Zeile einer forensischen Untersuchung zu unterziehen, in dem verzweifelten Versuch, jeden noch so kleinen Fehler oder jede noch so kleine Unstimmigkeit aufzudecken. Das war kein Journalismus mehr, dies ähnelte mehr und mehr einer organisierten Rufmordkampagne. In der Tat leitete die Universität Bonn fast sofort danach eine Untersuchung gegen Guérot wegen angeblichen wissenschaftlichen Fehlverhaltens ein. In der Zwischenzeit geschahen merkwürdige Dinge, die darauf hindeuteten, dass hinter dieser Verleumdungskampagne etwas Größeres steckte – mehr als nur das Werk einiger weniger Journalisten mit einer persönlichen Agenda. So wurde beispielsweise der erste Plagiatsvorwurf, der am 4. Juni in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien, bereits am Abend des 3. Juni auf Guérots Wikipedia-Seite verlinkt. Entweder hat jemand sehr genau aufgepasst, oder dies war Teil einer konzertierten Kampagne zur Zerstörung von Guérots Ruf – an der möglicherweise Elemente innerhalb des Geheimdienst- und Sicherheitsapparats beteiligt waren, wie sie inzwischen vermutet. Damals hätte Guérot selbst solche Behauptungen als paranoide Hirngespinste belächelt – bis sie, wie sie mir erzählte, Anfang August 2022 einen unerwarteten Anruf von einem alten Freund erhielt, der für den deutschen Auslandsgeheimdienst BND arbeitet. Er schlug ihr ein Treffen vor, wies sie aber an, ihr Telefon zu Hause zu lassen. Was er zu sagen hatte, klang wie aus einem Frederick-Forsyth-Roman. „Du musst vorsichtig sein, Ulrike“, sagte er ihr. „Man hat es auf dich abgesehen. Sie wollen dich zerstören.“ Er fuhr fort, dass die jüngsten Änderungen an ihrer Wikipedia-Seite zu einer Handvoll IP-Adressen zurückverfolgt werden konnten – die alle jenseits des Atlantiks, in Washington, liegen. Die Botschaft war unmissverständlich: Guérots Aktivismus hatte die Aufmerksamkeit hochrangiger Personen in NATO-Kreisen – in Deutschland und darüber hinaus – auf sich gezogen. Zunächst war Guérot skeptisch. „Warum sollten so mächtige Institutionen so viel Angst vor jemandem wie mir haben?“, fragte sie. „Ich habe keine Macht, kein politisches Amt.“ „Du hast Charisma, Ulrike, die Leute bewundern und respektieren dich“, antwortete ihr Freund. „In Zeiten wie diesen ist das genau das, was die öffentliche Meinung beeinflussen kann.“ Guérot verließ das Treffen schockiert, doch ein Restzweifel blieb: Vielleicht hatte ihr Freund übertrieben. Schließlich ist es nur natürlich, dass Geheimdienstmitarbeiter hinter jeder Ecke eine Verschwörung vermuten. Die Ereignisse sollten jedoch bald ihre letzten Illusionen – oder Hoffnungen – vernichten. Ende September, kurz nachdem sie das Manuskript für ihr Buch über den Russland-Ukraine-Krieg eingereicht hatte, wurde Guérots Einladung als Jurymitglied für den renommierten NDR-Sachbuchpreis – die am selben Morgen erst öffentlich bekannt gegeben worden war – innerhalb weniger Stunden abrupt widerrufen. Innerhalb weniger Tage wurde Ulrike Guérot von allen verbleibenden Vortragsterminen ausgeladen, darunter auch von seit Langem geplanten Vorträgen in Mailand, Brüssel und Wien. Offensichtlich war eine konzertierte Aktion im Gange, um Guérot aus dem öffentlichen Leben zu entfernen – nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. In einem Fall teilte ein Angestellter eines österreichischen Wirtschaftsverbands – einer der Organisatoren der Veranstaltungen – Guérot unter vier Augen mit, dass die Absage „auf einen Anruf von höherer Stelle“ erfolgt sei, wie sie berichtet. Guérot war nun gezwungen, sich mit der erschreckenden Möglichkeit auseinanderzusetzen, dass ihr Freund die Wahrheit gesagt hatte. Ihre Feinde waren dabei, um sie herum verbrannte Erde zu schaffen. Sie wurde selbst ein wenig paranoid und fragte sich, ob diese plötzliche Welle von Absagen absichtlich auf die bevorstehende Veröffentlichung ihres neuen Buches abgestimmt war, das nur wenige Tage später in den Regalen stand. Das gemeinsam mit Hauke Ritz verfasste Buch „Endspiel Europa“ kontextualisiert den Ukraine-Krieg als Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und Russland, der teilweise durch die Einmischung der USA in der Ukraine ausgelöst wurde. Diese Sichtweise wird heute zunehmend anerkannt, sogar von Donald Trump selbst – aber zum Zeitpunkt des Erscheinens des Buches war sie in Deutschland ein Anathema (und ist es größtenteils bis heute). Wie schon bei ihrem Corona-Text löste die Veröffentlichung des Buches eine neue Welle öffentlicher Verunglimpfungen gegen Guérot aus – diesmal intensiver und aggressiver als alles, was sie bisher erlebt hatte. Mit ihrer Kritik an der NATO hatte Guérot wahrscheinlich die letzte rote Linie überschritten. Ihre eigene Universität distanzierte sich in einer öffentlichen Erklärung sowohl von Guérot als auch von ihrem Buch – allerdings, ohne sie namentlich zu nennen. Kurz darauf meldete Guérot sich krank: Zwei Jahre unerbittlicher Angriffe – fast 200 böswillige Artikel, die seit Ende 2021 gegen sie geschrieben worden waren – und der zunehmende psychologische Druck hatten ihren Tribut gefordert. Man könnte argumentieren, dass die Kampagne ihr Ziel erreicht hatte: Sie war emotional und psychisch gebrochen. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich auch die meisten ihrer Freunde von ihr abgewandt. Und doch stand der letzte Akt des „Cancelns“ noch bevor. Nur wenige Monate später, im Februar 2023, wurde Guérot mitgeteilt, dass sie wegen Plagiats von der Universität Bonn entlassen worden war – ohne Abmahnung und ohne die Möglichkeit, etwaiges Fehlverhalten zu korrigieren, wie es in solchen Fällen üblich ist. Es gab Voruntersuchungen, von denen sie wusste, aber aufgrund ihrer Krankschreibung konnte sie sich nicht angemessen gegen diese verteidigen. Die Entscheidung war beispiellos: Nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands war ein Professor oder eine Professorin allein wegen Plagiats entlassen worden. Noch absurder war die Art der angeblichen Verstöße – geringfügige Zitierfehler, verstreut über ein Dutzend Seiten, die etwa ein Prozent des Gesamtinhalts von Werken ausmachten, bei denen es sich nicht einmal um wissenschaftliche Abhandlungen handelte, sondern um polemische Essays für ein breites Publikum. Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass es sich hierbei um eine politisch motivierte Entscheidung handelte, die nichts mit Guérots akademischen Qualifikationen oder ihrer wissenschaftlichen Integrität zu tun hatte. Ein Kommentator drückte es so aus [https://westendverlag.de/Der-Fall-Ulrike-Guerot/2085]: > „Wird hier nicht offensichtlich, dass die Vorwürfe, oftmals vorverurteilend als Plagiat bezeichnet und wenngleich sie in Teilen zutreffen, nur vorgeschoben sind? Tatsächlich soll eine Unbequeme bestraft werden – wohl auch in der Absicht, andere abzuschrecken.“ Dies wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass der Ombudsmann der Universität für mutmaßliche Fälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens, Prof. Dr. Klaus F. Gärditz, ein Verfassungsrechtler, während der Pandemie ein lautstarker Befürworter der Regierungsmaßnahmen war – und somit eindeutig voreingenommen gegenüber Guérots Positionen sein könnte. Es wäre jedoch irreführend, sich in dieser Geschichte auf eine einzelne Person zu konzentrieren, denn was Guérots Sturz so auffällig macht, ist die offensichtliche Koordination zwischen mehreren Akteuren – den Medien, der Universität und, wenn man ihrem Freund Glauben schenken darf, sogar Elementen des NATO-Geheimdienstapparats. Wenn man sich den Ablauf der Ereignisse ansieht, kommt man tatsächlich nicht umhin, sich zu fragen, ob der von den Medien aufgepeitschte „Plagiats-Skandal“ Teil einer umfassenderen Strategie war, um unter dem Deckmantel akademischen Fehlverhaltens den Boden für eine Entlassung zu bereiten. Während ich dies schreibe, bin ich mir der Ironie sehr bewusst: Ich versuche, Guérots Sturz zu verstehen, indem ich mich auf etwas berufe, das manche als „Verschwörungstheorie“ bezeichnen würden, um jemanden zu verteidigen, dessen Ruf zerstört wurde, weil sie angeblich selbst solche Theorien verbreitet hat. Aber genau aus diesem Grund sind wir es ihr – und der intellektuellen Integrität – schuldig, den Beweisen zu folgen, wohin sie auch führen mögen, unabhängig davon, wie sie in Mainstream-Kreisen aufgenommen werden. Und es gibt gute Gründe, zu glauben, dass es sich hierbei nicht nur um eine Hexenjagd handelte, sondern um einen Fall politischer Verfolgung – dass Guérot von mächtigen Kräften, darunter auch Elemente des deutschen Staates, ins Visier genommen wurde, weil sie eine einflussreiche öffentliche Intellektuelle war, die eine Bedrohung für den Status quo darstellte. Dafür musste sie nicht nur gecancelt, sondern vernichtet werden. Im Laufe von zwei Jahren wurde Guérot systematisch alles genommen, was sie sich über Jahrzehnte aufgebaut hatte: ihr Ruf, ihre Glaubwürdigkeit, ihre Freundschaften und schließlich ihre Stellung – zusammen mit ihrer Existenzgrundlage. Man könnte sogar argumentieren, dass ihre Strafe gerade deshalb so hart ausfiel, weil sie den größten Teil ihres Lebens Teil des Establishments gewesen war – und nun als Verräterin angesehen wurde, weil sie die ultimative Ketzerei begangen hatte: selbstständig zu denken. Ihr Fall ist ein erschreckendes Zeugnis für die autoritäre Entwicklung der deutschen Gesellschaft und der westlichen Gesellschaften im Allgemeinen, in denen abweichende Meinungen nicht mehr diskutiert, sondern bestraft werden – sogar bis hin zur Verfolgung von Professoren mit Lebenszeitvertrag, die früher fast unantastbar waren. Diese Geschichte sollte alle verbleibenden Illusionen über den wahren Zustand der westlichen liberalen Demokratie zerstören. Letztendlich braucht man jedoch keinen Beweis für eine Verschwörung, um über Guérots Behandlung entsetzt zu sein. Wenn alle Beteiligten tatsächlich unabhängig voneinander gehandelt haben, ist das Bild vielleicht noch beunruhigender – das eines Establishments, das Dissens und Widerspruch so intolerant gegenübersteht, dass es instinktiv versucht, ihn im Keim zu ersticken, wo immer er auftaucht. Tatsächlich hat eine aktuelle Studie [https://www.amazon.de/Wer-st%C3%B6rt-muss-weg-Universit%C3%A4ten/dp/3864894751/] einen starken Anstieg von Entlassungen von Professoren in Deutschland aufgezeigt, die Meinungen geäußert haben, die gegen den Mainstream gingen – oder, in den Worten der Autorinnen, wegen „ideologischer Insubordination“. Dies ist eine bemerkenswerte Veränderung im Vergleich zur früheren, fast unantastbaren Stellung von Professoren mit Festanstellung. Natürlich beschränkt sich das harte Durchgreifen nicht nur auf die akademische Welt – es ist Teil eines umfassenderen Musters von Stasi-ähnlicher Unterdrückung und Verfolgung, das sich in Deutschland etabliert hat. In den letzten Jahren wurden Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft – darunter Wissenschaftler, Ärzte, Anwälte, Richter, Beamte und normale Bürger – diffamiert, entlassen, mundtot gemacht oder sogar strafrechtlich verfolgt, weil sie abweichende Meinungen zu zwei der prägenden Krisen unserer Zeit geäußert haben: der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine. Ärzte wie Wolfgang Wodarg und Sucharit Bhakdi, die schon früh Fragen zur Verhältnismäßigkeit und wissenschaftlichen Grundlage der Pandemiepolitik stellten, wurden öffentlich diffamiert und institutionellen (und teilweise auch rechtlichen) Repressionen ausgesetzt. Der Versicherungsmanager Andreas Schöfbeck verlor seinen Arbeitsplatz, nachdem er Daten veröffentlicht hatte, die das Sicherheitsprofil von Impfstoffen in Frage stellten. Künstlerinnen wie Lisa Fitz und Eva Herzig mussten aufgrund kritischer Äußerungen mit Absagen von Auftritten und Vertragsauflösungen rechnen. Die renommierte Journalistin Gabriele Krone-Schmalz und der investigative Reporter Patrick Baab wurden angegriffen und beruflich ausgegrenzt, weil sie diplomatische Lösungen für den Ukraine-Konflikt forderten. Selbst Richter und Anwälte blieben nicht verschont. Christian Dettmar, Richter am Familiengericht, musste sich nach einer Entscheidung gegen Corona-Maßnahmen in Schulen vor Gericht verantworten. Schriftsteller wie C. J. Hopkins (über seinen Fall habe ich hier geschrieben [https://www.thomasfazi.com/p/the-persecution-of-cj-hopkins]), Künstler wie Simon Rosenthal und politische Aktivisten wie Michael Ballweg – Gründer der Anti-Lockdown-Bewegung „Querdenken“ – wurden ebenfalls unter Vorwänden, die zunehmend politisch motiviert wirken, strafrechtlich verfolgt oder inhaftiert. Dieses Muster der Unterdrückung zeigt kaum Anzeichen nachzulassen. Unter der Führung von Friedrich Merz dürfte es sich sogar noch verschärfen. Der neue deutsche Bundeskanzler, der für seinen entschiedenen Atlantizismus und seine aggressive Haltung gegenüber Russland bekannt ist, macht keinen Hehl aus seinem Wunsch, Deutschland als führende Militärmacht innerhalb der NATO zu positionieren. Seine Rhetorik deutet auf eine Hinwendung zu einer noch konfrontativeren Außenpolitik hin – einer Politik, die nicht nur militärische Aufrüstung, sondern auch eine ideologische Angleichung im eigenen Land fordert. In diesem Zusammenhang ist zu erwarten, dass abweichende Meinungen zunehmend als Bedrohung für die nationale Sicherheit dargestellt werden. Die Geschichte von Guérot – und anderen zeitgenössischen Dissidenten wie sie – ist jedoch nicht nur eine Geschichte der Unterdrückung. Es ist auch eine Geschichte von Widerstand und Standhaftigkeit. Nach eigenen Angaben wurde sie in eine schwere Krise getrieben und stand kurz vor dem Zusammenbruch, doch sie fand die Kraft, sich zu wehren. Diese Kraft speiste sich auch aus der Welle der Unterstützung, die sie von der sogenannten neuen deutschen Widerstandsbewegung erhielt: Millionen Menschen im ganzen Land, die etablierte Parteien ablehnen und sich für „populistische“ Alternativen wie die AfD und das BSW entscheiden. Tatsächlich führt Guérot derzeit ein Gerichtsverfahren gegen ihre Kündigung. Die nächste Verhandlung ist für den 16. Mai 2025 vor dem Landesarbeitsgericht Köln angesetzt. Es bleibt zu hoffen, dass die Richter endlich anerkennen, was längst offensichtlich ist: dass Guérots Entlassung politisch motiviert und ohne rechtmäßige Grundlage war. Ein Urteil zu ihren Gunsten würde nicht nur etwas Gerechtigkeit wiederherstellen für alles, was sie durchgemacht hat, sondern auch ein wichtiges Signal dafür senden, dass es in Deutschland noch eine unabhängige Justiz gibt und dass die demokratischen Grundlagen des Landes noch nicht vollständig ausgehöhlt sind. Titelbild: Gts / shutterstock.com | Komposition NDS Mehr zum Thema: Guérot-Prozess – „Die politische Dimension ist fast überall und zunehmend erdrückend zu spüren“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=114806] Neues im „Fall Guérot“ – Der Kampf um Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit geht in die nächste Runde [https://www.nachdenkseiten.de/?p=132848] Ulrike Guérot: „Dass auch Deutschland endlich umfassend mit einer Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen beginnt.“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=113182] Ulrike Guérot: „Dass auch Deutschland endlich umfassend mit einer Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen beginnt.“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=113182]
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