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episode Vor zehn Jahren: Ukrainische Soldaten beschießen Demonstration zum 9. Mai und Polizei-Zentrale in Mariupol artwork
Vor zehn Jahren: Ukrainische Soldaten beschießen Demonstration zum 9. Mai und Polizei-Zentrale in Mariupol
Der Angriff ukrainischer Soldaten, Nationalgardisten und Asow-Mitglieder auf eine Demonstration zum Tag des Sieges über Hitler-Deutschland am 9. Mai 2014 in Mariupol und die Beschießung der örtlichen Polizeizentrale, wo sich meuternde Polizisten verbarrikadiert hatten, am gleichen Tag waren nach dem Brand des Gewerkschaftshauses in Odessa [https://www.nachdenkseiten.de/?p=114630] ein weiterer Zündfunken im ukrainischen Bürgerkrieg. In Mariupol starben am 9. Mai 2014 durch die Kugeln ukrainischer Sicherheitskräfte 26 Menschen. 35 Personen wurden verletzt. Aus Moskau berichtet Ulrich Heyden. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Die Gewalt in Mariupol war Folge des ukrainischen Bürgerkrieges, der nach dem Staatsstreich in Kiew am 22. Februar 2014 begann. Am 23. Februar wurde von der Werchowna Rada das Gesetz über die Regionalsprachen zurückgerufen. Nach dem Gesetz war die russische Sprache in den Regionen, in denen mehr als zehn Prozent der Einwohner russischer Abstammung waren, zweite offizielle Sprache. In die neue ukrainische Regierung wurden mehrere Minister der rechtsradikalen Partei Swoboda berufen. Im vorwiegend russischsprachigen Südosten der Ukraine kochten die Emotionen nach diesen Entscheidungen hoch. Am 6. April 2014 besetzten im Anschluss an große Demonstrationen Anti-Maidan-Aktivisten die Gebietsverwaltungen der Städte Charkow, Lugansk und Donezk. Am 12. April 2014 besuchte der CIA-Direktor John Brennan Kiew. Bei den Beratungen mit der ukrainischen Regierung wurde offenbar der Beschluss gefasst, eine Anti-Terror-Operation in der Südost-Ukraine zu starten. Am Tag darauf gab der geschäftsführende ukrainische Präsident, Aleksandr Turtschinow, den Beginn einer Anti-Terror-Operation im Südosten der Ukraine bekannt. Den 9. Mai 2014 wird man in Mariupol nie vergessen In Mariupol hatte es schon seit Mitte April 2014 gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der am 7. April ausgerufenen „Volksrepublik Donezk“ und ukrainischen Sicherheitskräften gegeben. Am 13. April besetzten Anhänger der Volksrepublik die Stadtverwaltung von Mariupol. Am 7. Mai eroberten ukrainische Sicherheitskräfte unter Einsatz von Tränengas die besetzte Stadtverwaltung zurück und verhafteten die Besetzer. Die Spannung in der Industriestadt Mariupol stieg von Tag zu Tag. In die Stadt waren ukrainische Militäreinheiten der 72. Brigade, Einheiten der Nationalgarde und des neu gegründeten rechtsradikalen Freiwilligenbataillons Asow eingerückt. Mariupol gehörte zum ukrainischen Verwaltungsgebiet Donezk. Für den 11. Mai 2014 hatten die Aufständischen, die in Donezk und Lugansk bereits Regierungsgebäude besetzt hatten, ein Referendum über die Unabhängigkeit der Volksrepublik Donezk und Lugansk angesetzt. Diese Referenden versuchte die Regierung in Kiew durch den Einsatz von Militär zu verhindern. Als am 9. Mai im Zentrum von Mariupol eine Demonstration zum Tag des Sieges über Hitler-Deutschland stattfand, schossen ukrainische Soldaten und Sicherheitskräfte wahllos auf unbewaffnete Demonstranten und Passanten, säuberten die Gebietsverwaltung, schüchterten die Anwohner der Stadt mit Gewehrsalven ein und jagten mit ihren Schützenpanzern über von Anwohnern errichtete Barrikaden. Anwohner versuchten, mit nackten Händen ukrainische Schützenpanzer aufzuhalten und Soldaten zum Rückzug zu überreden. Bereits am Morgen des 9. Mai hatten ukrainische Soldaten die Polizei-Zentrale von Mariupol mit schweren Waffen beschossen. Ukrainisches Militär brach mit gepanzerten Fahrzeugen Breschen in die Polizei-Zentrale. Das Gebäude geriet in Brand. Polizisten versuchten, sich mit einem Sprung aus dem Fenster zu retten. Das offizielle Kiew begründete die Beschießung damit, dass 60 Separatisten die Polizei-Zentrale angegriffen hätten [http://www.gazeta.ru/politics/2014/05/09_a_6024521.shtml]. Der wahre Grund für den Angriff auf die Polizeizentrale war jedoch, dass die Polizisten sich geweigert hatten, auf die Teilnehmer der Demonstration zum Siegestag zu schießen. Auslöser für die Beschießung der Polizeizentrale von Mariupol war der Hilferuf des städtischen Polizei-Chefs Waleri Andrustschik gewesen. Dieser war erst am 1. Mai 2014 von der Regierung in Kiew als neuer Polizei-Chef eingesetzt worden. Als er seinen Untergebenen befahl, auf „Provokateure“, die angeblich in großer Zahl an der Parade zum Siegestag teilnehmen, ohne Vorwarnung zu schießen, wollten seine Untergebenen den Befehl nicht ausführen. Um sich Respekt zu verschaffen, soll der Polizei-Chef dann angeblich einen seiner Untergebenen mit einem Schuss aus der Dienstwaffe verletzt und sich danach in seinem Dienstzimmer verbarrikadiert haben. Von dort rief er die ukrainischen Militärs um Hilfe. Die rückten mit Schützenpanzern sowie Angehörigen der Nationalgarde und Mitgliedern paramilitärischer Gruppen an und begannen, das Gebäude zu beschießen [http://www.youtube.com/watch?v=WExEvZYR6yU]. Die Anwohner von Mariupol waren empört. Sie riefen „fasst unsere Polizei nicht an!“, „verschwindet aus unserer Stadt“, „Faschisten“. Das Referendum fand trotzdem statt Trotz der tragischen Ereignisse in Mariupol fanden in den von Separatisten kontrollierten Gebieten der Verwaltungseinheiten Donezk und Lugansk Referenden über die Unabhängigkeit statt. Auf den Abstimmungszetteln stand in russischer und ukrainischer Sprache eine einzige Frage: „Unterstützen sie den Akt der staatlichen Unabhängigkeit der Volksrepublik Donezk?“ Die Beteiligung an den Referenden lag nach Angaben der Zentralen Wahlkommission im Gebiet Donezk bei 71 Prozent und im Gebiet Lugansk, wo ebenfalls abgestimmt wurde, bei 80 Prozent. Im Gebiet Donezk stimmten 89 Prozent, im Gebiet Lugansk 96 Prozent für die Unabhängigkeit. Privatarmee des Oligarchen Kolomoiski schoss in die Menge Nicht überall verlief das Referendum friedlich. In der Stadt Krasnoarmejsk im Gebiet Donezk blockierten Mitglieder einer bewaffneten Einheit aus Dnjepopetrowsk das in der Gebietsverwaltung untergebrachte Wahllokal. Weil die bewaffneten Männer mit gepanzerten Autos der „Privatbank“ gekommen waren, gingen Beobachter davon aus, dass es sich um Mitglieder der Sicherheitstruppe von Privatbank-Besitzer Igor Kolomoiski handelte. Als die unbewaffneten Bürger der Stadt den Mitgliedern der Spezialeinheit aus Protest gegen die Blockade des Wahllokals den Weg versperrten, schossen die Mitglieder der Spezialeinheit – offenbar in Panik – in die Menge. Wie der Korrespondent des westlich orientierten Radios Echo Moskwy per Twitter berichtete, wurde ein unbewaffneter Bürger getötet, mehrere Menschen wurden verletzt. Oligarch Achmetow forderte Einstellung der Militäroperationen Der damals reichste Mann der Ukraine, der Oligarch Rinat Achmetow, dem im Donbass zahlreiche große Betriebe gehörten, unter anderem auch die Stahlhütte in Mariupol mit 30.000 Mitarbeitern, rief die Regierung in Kiew Anfang Mai 2014 dazu auf, die Kiewer Militäroperation im Südosten der Ukraine abzubrechen. Der Oligarch argumentierte [http://www.metinvestholding.com/ru/press/news/show/2903], „weitere Militäroperationen auf dem Territorium des Donbass führen nur dazu, dass die Mehrheit der Bevölkerung das Vertrauen und die Achtung vor der Macht verliert“. Oligarch Achmetow gehörte zu den Förderern des gestürzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, wechselte aber später ins Lager der Kiewer Staatsstreich-Regierung. Bis zum Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine versuchte Kiew, die Stadt Mariupol zur „Hauptstadt“ des Gebiets Donezk auszubauen. In der Stadt wurden zahlreiche Militäreinheiten mit schwerer Bewaffnung stationiert. Als die russische Armee Mariupol Ende Februar 2022 angriff, verbarrikadierten sich ukrainische Militäreinheiten und Asow-Mitglieder – nach russischen Angaben – vorwiegend in Krankenhäusern, Schulen und Wohnhäusern. Das war offenbar einer der Gründe, warum ein großer Teil der Stadt bei den Kämpfen Anfang 2022 zerstört wurde. In den letzten zwei Jahren wurde zahlreiche Gebäude wieder instand gesetzt. Mariupol trägt noch die Zeichen des Krieges. In der Stadt ist es aber nach Berichten von Augenzeugen ruhiger als in Donezk und Lugansk. Von Ulrich Heyden erschien 2022 „Der längste Krieg in Europa seit 1945. Augenzeugenberichte aus dem Donbass“, tredition, Hamburg Titelbild: Sebastian_Photography / Shutterstock[https://vg01.met.vgwort.de/na/22290b437af74ab8a783bfd4b6f340c5]
I går - 9 min
episode „Kriegstüchtig“ – oder: Wie wäre das eigentlich vor 40 Jahren gewesen? artwork
„Kriegstüchtig“ – oder: Wie wäre das eigentlich vor 40 Jahren gewesen?
Verteidigungsminister Pistorius’ Direktive, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden, wurde von der betroffenen Bevölkerung mit bemerkenswerter Schicksalsergebenheit hingenommen. Der fällige Aufschrei blieb nicht nur aus, der forsche Minister wurde auch noch prompt zum beliebtesten Politiker gekürt. – Vor 40 Jahren wäre das etwas anders gewesen. Von Leo Ensel mit freundlicher Genehmigung von Globalbridge [https://globalbridge.ch/kriegstuechtig-oder-wie-waere-das-eigentlich-vor-40-jahren-gewesen/]. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Nein, natürlich war früher nicht alles besser! Aber stellen wir uns für einen Moment einmal vor, vor vier Jahrzehnten hätte der damalige Verteidigungsminister der alten Bundesrepublik, Manfred Wörner, – ausgerechnet im Herbst 1983 – in einem Fernsehinterview Folgendes postuliert [https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/boris-pistorius-krieg-europa-kommentar-100.html]: > „Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte. Und das heißt: Wir müssen kriegstüchtig werden. Wir müssen wehrhaft sein. Und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen.“ Was wäre anschließend hier losgewesen? * Bereits in der nächsten Ausgabe der ZEIT hätte die Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff einen Leitartikel mit der Überschrift „Verteidigung der Entspannungspolitik“ publiziert. * Anderthalb Wochen später wäre unter dem Titel „Sagt NEIN!“ in der Samstagsausgabe einer überregionalen Tageszeitung ein Appell prominenter Schriftsteller, Wissenschaftler, Künstler, Journalisten, Theologen, Gewerkschafter, aber auch einiger dissidenter Politiker aus dem Regierungslager, ja sogar von ein oder zwei Generälen a.D. und – besonders mutig – von aktiven Bundeswehrsoldaten der Gruppe „Darmstädter Signal“ veröffentlicht worden. Natürlich, wo sonst?, in der Frankfurter Rundschau! Den Erstunterzeichnern hätten sich kleingedruckt unter dem Text Hunderte Bürger aus der Bevölkerung mit ihrer Unterschrift angeschlossen – und selbstverständlich auf eigene Kosten. * Zwei Monate danach wäre in der Taschenbuchreihe „rororo-aktuell“ ein Reader „Kriegstüchtig?“ mit Texten u.a. von Günther Grass, Heinrich Albertz, Horst-Eber­hard Richter, Dorothee Sölle und Erhard Eppler erschienen und gleich auf Platz sieben der Spiegel-Bestsellerliste hochgeschnellt. Allein in den ersten drei Wochen wären 14.000 Exemplare des Bandes verkauft worden. * Ungefähr zur gleichen Zeit hätten an einem Samstag im Bonner Hofgarten Hunderttausende Menschen unter dem Motto „Sagt NEIN! – Nie wieder kriegstüchtig!“ demonstriert. Altkanzler Willy Brandt hätte seine Formel „Wir wollen ein Volk guter Nachbarn sein“ beschworen, Heinrich Böll gerufen: „Deutsche und Russen dürfen nie wieder aufeinander schießen!“ und Petra Kelly die Gesellschaft zur „Großen Verweigerung“ aufgefordert. Und für den Fall einer Mobilmachung damit gedroht, „unser Land unregierbar zu machen“. Alice Schwarzer hätte unter großem Applaus den Text „Sag NEIN! [https://www.nachdenkseiten.de/?p=113255]“ von Wolfgang Borchert vorgetragen. Und am Straßenrand hätten einige Jugendliche auf der Gitarre die Biermannsche Übersetzung von Boris Vians „Le Déserteur“ geklimpert: Sagt NEIN!, wenn sie euch ziehn Sagt NEIN! zum Exerzieren Sagt NEIN! zum Kriegeführen Sagt NEIN!, und geht nicht hin! * Die taz hätte Borcherts Text am selben Tag in einer Sonderausgabe auf die Titelseite gehievt und als Service für die Demonstranten nicht nur die einzelnen Routen für den Sternmarsch durch die Bonner Innenstadt abgebildet, sondern auch noch ein Demo-Gadget in Gestalt eines Doppelblattes mit der Losung „SAGT NEIN!“ in fetten Großbuchstaben mitgeliefert. * In der Folgezeit hätten viele Universitäten interdisziplinäre Ringvorlesungen wie „Von der schleichenden zur offenen Militarisierung der Gesellschaft“ über die Aufrüstung in der Armee und in den Köpfen angeboten. * An zahllosen Autohecks hätte sich nun neben dem Aufkleber „Atomkraft? – Nein danke“ auch noch ein anderer mit einem verknoteten Panzerrohr und dem Slogan „Sagt NEIN!“ befunden. * Der Spiegel hätte eine dreiteilige Serie „Die (un)heimlichen Profiteure“ über die atemberaubende Performance der Aktienkurse der deutschen Rüstungsindustrie und deren clandestine Verbündete in Politik und Medien veröffentlicht. * Die Bundestagsfraktion der GRÜNEN hätte während der Sitzung über die Genehmigung eines milliardenschweren Sondervermögens für die Bundeswehr geschlossen T-Shirts mit der Aufschrift „Sagt NEIN!“ getragen, dieser Aufforderung gemäß abgestimmt und dabei ein Transparent „Kriegstüchtig? – Nie wieder!“ entrollt. * Berufsgruppen hätten Initiativen wie „Juristen, Lehrer, Psychologen, Journalisten etc. – und, ja auch: Soldaten – für den Frieden“ gegründet und die Öffentlichkeit aus ihrer jeweiligen Perspektive informiert. * In manchen Arztpraxen hätte ein Plakat mit dem Foto eines strahlenkranken Hiroshimakinds über dem Satz „Wir werden euch nicht helfen können! – Ärzte gegen den Atomkrieg“ gehangen. * Der Limburger Bischof Franz Kamphaus hätte im sonntäglichen Hochamt gepredigt: „Der Gott, an den wir glauben, ist kein Kriegsgott, kein Gott einer bestimmten Armee, kein Gott nur einer Nation. Er ist der Gott und Vater aller Menschen in Ost und West, in Süd und Nord, in Russland, in Deutschland und in Amerika. Wir alle sind seine Geschöpfe. Niemand soll sich daher auf Gott berufen, wenn er zum Krieg rüstet.“ (Und sich dafür prompt einen schweren Rüffel aus Rom und von einigen NATO-treuen Amtsbrüdern eingefangen.) * Unsichtbare Sprayer hätten auf Bauzäunen und Häuserwänden folgenden Spruch herbeigezaubert: „Oldenburg (wahlweise: Bielefeld, Aschaffenburg, Castrop-Rauxel oder Goslar …) ist eine schöne Stadt. Das war Hiroshima auch!“ * An Schultafeln hätte plötzlich immer wieder der Satz „Sagt NEIN!“ – manchmal auch einfach nur „NEIN!“ – gestanden. 17-Jährige mit „Sagt NEIN!“-Stickern wären, vor allem in Bayern, zum Direktor zitiert und mit Schulverweis bedroht worden. (Die eine oder andere Vertrauenslehrerin hätte sich öffentlich mit den aufsässigen Schülern solidarisiert, die GEW wiederum Solidarität mit den aufsässigen Lehrerinnen signalisiert.) * In den Altbaufenstern der Wohngemeinschaften in Bremen, Hamburg, Hannover und Westberlin hätte die Losung „Entrüstet Euch!“ geprangt. * Das Politmagazin „Monitor“ hätte in einem „Der Ernstfall – Operationsplan Deutschland [https://www.emma.de/artikel/operations-plan-deutschland-341027]“ genannten fiktiven Szenario den Alltag einer kriegstüchtigen Bundesrepublik bis hin zur geheimen Weisung „Panikpersonen – sofort eliminieren!“ akribisch durchexerziert. * Militante Kriegsgegner hätten Farbbeutel gegen die Wände und Eingangstüren der Kreiswehrersatzämter geschleudert, linksautonome Gruppen wie „Krieg dem Krieg!“ gar zu „MaNÖver-Störaktionen“ aufgerufen. * Die feministische Zeitschrift Emma hätte eine Serie über pazifistische Frauen von Bertha von Suttner, Margarete Selenka, Lida G. Heymann, Gertrud Baer bis zu Joan Baez publiziert. * An alten Weltkriegsbunkern und den Eingangsschleusen zu unterirdischen – angeblich atomwaffensicheren – Katastrophenkrankenhäusern hätte plötzlich der Satz „Die Überlebenden werden die Toten beneiden“ gestanden. * Öffentliche Rekrutenvereidigungen wären durch schrille Trillerpfeifkonzerte massiv gestört und behindert worden. * Grauhaarige Senioren hätten sich mit Plakaten wie „Kriegsgeneration gegen Kriegstüchtigkeit!“ oder „Omas für den Frieden“ vor die Kasernentore gesetzt und Militärtransporte blockiert. (Und wären später dafür wegen „Nötigung“ zu zig Tagessätzen amtsgerichtlich verurteilt worden.) * Udo Lindenberg schließlich hätte vor der Mauer am Brandenburger Tor ein Benefizkonzert „Wozu sind Kriege da?“ unter anderem für die aufsässigen Alten gegeben. Ja, so wäre das gewesen. Vor vierzig Jahren! PS: Ist es eigentlich ein Zufall, dass trotz weltweiter Rekordrüstungsausgaben von fast 2,3 Billionen Dollar 2023 das Wort „Rüstungswahnsinn“ längst so ausgestorben ist wie zu paläontologischen Vorzeiten die Dinosaurier? Titelbild: 21.11.1983: Abgeordnete der Fraktion Die Grünen halten aus Protest gegen den Nato-Doppelbeschluss während der Regierungserklärung von Bundeskanzler Helmut Kohl (rechts) Großfotos von Hiroshima-Opfern hoch.
I går - 9 min
episode Lex Wagenknecht – die Öffentlich-Rechtlichen sperren das BSW aus artwork
Lex Wagenknecht – die Öffentlich-Rechtlichen sperren das BSW aus
Wer sich gestern im ZDF die Debattensendung „Wie geht’s Deutschland“ [https://www.zdf.de/politik-gesellschaft/wie-gehts-deutschland-die-ungerechte-republik-100.html] angeschaut hat, hat sicher nicht schlecht gestaunt. Eingeladen waren Vertreter der sieben im Bundestag vertretenen Parteien. Sieben? Es sind aber doch seit der Gründung des BSW acht Parteien im Bundestag vertreten. Warum kein Vertreter des BSW? Das ist eine gute Frage, auf die auch das ZDF keine überzeugende Antwort hat. Die Öffentlich-Rechtlichen haben vielmehr klammheimlich die Regeln geändert, um das BSW nicht nur aus dieser, sondern wohl auch aus allen anderen politischen Debattensendungen herauszuhalten. Gerade für die Bundestagswahlen ist dies eine massive Behinderung, die sich zielgenau gegen das BSW richtet. Dass man damit der AfD hilft, scheint den Verantwortlichen egal zu sein. Bitte machen Sie Druck auf die Sender, um dieses unfaire Verhalten zu stoppen! Von Jens Berger. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Bislang galt die Regel, dass zu solchen Sendungen die Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien eingeladen werden. Nun ist das BSW mit 10 Abgeordneten im Bundestag vertreten und bildet dort, wenn auch keine Fraktion, so doch eine Gruppe. Das Gleiche gilt übrigens für die Linkspartei, die auch „nur“ als Gruppe im Bundestag sitzt. Warum lädt man also die Linkspartei, nicht aber das BSW ein? Die Erklärung der Öffentlich-Rechtlichen lässt aufhorchen. Man habe die Regeln kurzerhand geändert und lade nun nur die Parteien ein, die „in den Bundestag gewählt“ wurden. Diese Formulierung ist eine klare „Lex Wagenknecht“, die sich ausdrücklich und allein gegen das BSW richtet, da Abgeordnete keiner anderen Partei zwar als Gruppe im Bundestag vertreten sind, aber über die Listen einer anderen Partei gewählt wurden. Man will also das BSW draußen halten. So weit sind die Öffentlich-Rechtlichen nicht einmal bei der AfD gegangen. Aber es kommt noch schlimmer. Auf Nachfrage erklärten die Verantwortlichen, dass „sie das jetzt immer so handhaben wollen“. Das hieße, sämtliche Debatten im Vorfeld der Europa- und vor allem der Bundestagswahlen im Herbst 2025 und sämtliche sonstige Formate, die wie beispielsweise das Sommerinterview bislang Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien eingeladen haben, würden künftig unter Ausschluss des BSW stattfinden. Das ist eine gezielte einseitige Benachteiligung einer Partei, die immerhin nicht nur im Bundestag sitzt, sondern laut Umfragen auch sehr wahrscheinlich in den kommenden Bundestag einziehen wird. Die Sektkorken dürften ob dieser fragwürdigen Regel-Neudefinition vor allem bei der AfD knallen, gilt das BSW doch im Lager der „Unzufriedenen“ als großer Konkurrent der AfD. Es ist schon im höchsten Maße scheinheilig – während auch und gerade die Öffentlich-Rechtlichen die Umfrageerfolge der AfD als große Bedrohung für die Demokratie bezeichnen, tun sie gleichzeitig mit dem Ausschluss des BSW alles in ihrer Macht Stehende, um der AfD zu mehr Stimmen zu verhelfen. Wehren Sie sich! Lassen Sie sich das nicht gefallen! Wenn das ZDF mit seinem BSW-Boykott klaglos durchkommt, werden auch die ARD-Sender – mit denen diese Regelung wohl abgesprochen sein dürfte – die Regel-Neudefinition übernehmen und damit dem BSW und der Demokratie massiv schaden. Setzen Sie Protestschreiben auf, schreiben Sie die Sender an, nutzen Sie die Foren, beschweren Sie sich telefonisch, machen Sie Ihre Bekannten und Freunde auf dieses Unrecht aufmerksam. Noch ist es nicht zu spät. Anhang: Statement von Sahra Wagenknecht zu diesem Vorfall Titelbild: Screenshot ZDF[http://vg02.met.vgwort.de/na/27840a1f86b2486cb1be03d39c79bd68]
08. maj 2024 - 5 min
episode Einreiseverbot für Abu Sitta und Varoufakis – Bundesregierung erklärt sich für nicht verantwortlich artwork
Einreiseverbot für Abu Sitta und Varoufakis – Bundesregierung erklärt sich für nicht verantwortlich
Am 4. Mai sollte der Chirurg und Rektor der Universität von Glasgow, Ghassan Abu Sitta, bei einer Anhörung im französischen Senat über die humanitäre Lage im Gazastreifen sprechen. Eingeladen hatten die französischen Grünen. Allerdings wurde ihm die Einreise verwehrt mit der Begründung, Deutschland habe gegen ihn ein einjähriges Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum ausgesprochen. Ebenfalls am 4. Mai hatte der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis erklärt, dass die deutschen Behörden die Forderung seiner Anwälte abgelehnt hätten, ihm die Gründe für sein Einreiseverbot in die Bundesrepublik mitzuteilen. Die NachDenkSeiten wollten von der Bundesregierung wissen, auf welcher Rechtsgrundlage das geschilderte Vorgehen deutscher Behörden beruht. Von Florian Warweg. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Ghassan Abu Sitta, renommierter Chirurg und Rektor der Universität Glasgow (Schottland), ist britischer Staatsbürger und war ab Ende 2023 für 43 Tage im Rahmen einer humanitären Tätigkeit in Gaza als Arzt tätig, vorwiegend im Jabiliya-Flüchtlingslager und im Shifa-Krankenhaus. Über seine dortigen Erfahrungen sollte er auf Einladung sowohl in Deutschland (auf dem dann verbotenen Palästina-Kongress) am 12. April als auch in Frankreich am 4. Mai im Senat sprechen. In beiden Fällen haben bundesdeutsche Behörden diese Zeugenaussage über die humanitären Zustände in Gaza mit einem EU-weit geltendem Einreiseverbot unterbunden. (Über die Hintergründe der Einreiseverbote nach Deutschland und Frankreich hat unsere Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld ausführlich hier [https://www.nachdenkseiten.de/?p=113863] und hier [https://www.nachdenkseiten.de/?p=114849] berichtet.) In Paris sollte Abu Sitta auf Einladung der Grünen-Partei bei einer Anhörung im Senat mit dem Titel „Das Völkerrecht und der Krieg in Gaza“ sprechen und Zeugnis ablegen. Als Experten waren auch zahlreiche weitere Mediziner, Journalisten und Völkerrechtler mit Arbeitserfahrung in Gaza eingeladen. Wie kann Deutschland im gesamten Schengen-Raum Einreiseverbote gegen unliebsame Zeugen verhängen? Gegenüber der Nachrichtenagentur AP erklärten französische Beamte noch am selben Tag, das Einreiseverbot gehe auf eine Anordnung Deutschlands zurück. Berlin habe beantragt, dass Abu Sitta für mindestens ein Jahr in kein Land des Schengen-Bereichs einreisen dürfe. Die französische Tageszeitung Liberation ging dem Einreiseverbot ausführlich nach und berichtete noch am gleichen Tag [https://www.liberation.fr/checknews/pourquoi-ghassan-abu-sitta-medecin-de-guerre-a-gaza-a-t-il-ete-interdit-dentrer-en-france-20240505_BY2ROVY2EVDLHD6UGGXZ7QRK6M/], dass jeder Mitgliedsstaat der Schengen-Vereinbarung Personen, die aus einem Drittstaat kommen, die Einreise in den Schengen-Raum verweigern könnte. Möglich ist dies laut Schengener Einreisekodex [https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A02016R0399-20170407], wenn diese Personen eine „Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines der Mitgliedstaaten“ darstellen. Zudem müsse eine „Ausschreibung zur Einreiseverweigerung“ in den nationalen Datenbanken der Mitgliedsstaaten vorliegen. Der „ausschreibende Mitgliedsstaat“ – in diesem Fall Deutschland – müsse Informationen wie Identität, Fingerabdrücke, besondere körperliche Merkmale und die Gründe für die Ausschreibung in der Datenbank mitteilen. Aus französischen Regierungskreisen wurde in Folge mitgeteilt, man habe aufgrund des deutschen Einreiseverbots in das EU-Hoheitsgebiet „keinen Handlungsspielraum gehabt“. Die Grenzbehörden hätten lediglich „das europäische Recht und den Schengen-Grenzkodex angewendet“. Bundesregierung weiß angeblich von nichts Als die NachDenkSeiten vor diesem Hintergrund von der Bundesregierung wissen wollten, mit welcher konkreten rechtlichen Begründung dieses EU-weite Einreiseverbot gegen den Rektor einer renommierten europäischen Uni und Gaza-Augenzeugen ausgesprochen wurde, wies diese jegliche Verantwortung von sich: Deutsche Behörden verweigern auch Varoufakis Begründung für Einreiseverbot Ähnlich zweifelhaft verhielt sich die Bundesregierung im Falle des ehemaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis. Dieser hatte in direkter Reaktion auf das Einreiseverbot gegen Abu Sitta erklärt, dass die deutschen Behörden die Forderung seiner Anwälte abgelehnt hätten, ihm die Gründe für sein Einreiseverbot in die Bundesrepublik mitzuteilen. „(…) Die deutschen Behörden haben die Forderung meiner Anwälte abgelehnt, mir die Gründe für mein Einreiseverbot mitzuteilen. Also werde ich sie jetzt verklagen (…).“ > Equally curious. The German authorities refused my lawyers' demand to inform me of the rationale of banning me from Germany. So, I am taking them to court. Watch this space https://t.co/51HXu6VQhd [https://t.co/51HXu6VQhd] > > — Yanis Varoufakis (@yanisvaroufakis) May 4, 2024 [https://twitter.com/yanisvaroufakis/status/1786725065746202649?ref_src=twsrc%5Etfw] Auch in diesem Fall fragten die NachDenkSeiten nach und wollten von der Bundesregierung wissen, auf welcher Grundlage die verantwortlichen Bundesbehörden einem aktiven Politiker, der mit seiner paneuropäischen Partei DiEM25 auch bei den EU-Wahlen in Deutschland antritt, die Begründung verweigern, wieso ihm die Einreise nach Deutschland verboten wurde. Auch hier ist die „Antwort“ der Bundesregierung vielsagend: Es bleibt festzuhalten: Deutsche Behörden verhängen nachweislich Einreiseverbote gegen einen Zeugen der Auswirkungen der israelischen Kriegsführung gegen Zivilisten in Gaza und Rektor einer europäischen Universität sowie gegen einen aktiven Politiker eines EU-Staates, dessen Partei sogar in Deutschland bei den EU-Wahlen antritt. Das Ganze ist rechtlich hoch problematisch und wird von einem breiten internationalen Medienecho begleitet. Und was macht die Bundesregierung auf Nachfrage? Sie gibt vor, von den Vorfällen angeblich nichts zu wissen, und erklärt zudem, selbst wenn, wäre man dafür weder verantwortlich noch zuständig. Wer soll so einen Kommunikationsstil noch ernstnehmen? Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 6. Mai 2024 Frage Warweg Der Rektor der Universität von Glasgow (Ghassan Abu Sitta) wollte am Wochenende über die humanitäre Lage in Gaza im französischen Senat sprechen. Eingeladen hatten die französischen Grünen. Die Einreise wurde ihm verweigert mit Verweis darauf, dass Deutschland gegen ihn ein einjähriges Einreiseverbot im gesamten Schengenraum verhängt hätte. Da würde mich interessieren: Mit welcher Begründung und auf welcher rechtlichen Grundlage wurde dieses einjährige Einreiseverbot in den gesamten Schengenraum gegen ihn vonseiten der Bundesregierung verhangen? Kall (BMI) Ich kann Ihnen eine solche Maßnahme ausdrücklich nicht bestätigen. Wenn es einen solchen Einzelfall geben sollte, dürften wir uns dazu auch nicht äußern. Da müssten Sie sich, was mögliche Einreisefragen angeht, an das Bundespolizeipräsidium wenden, oder, was mögliche aufenthaltsrechtliche Maßnahmen angeht, an die Berliner Behörden, an die Berliner Ausländerbehörde. Wie gesagt, für das BMI kann ich Ihnen das nicht bestätigen. Zusatzfrage Warweg Jetzt haben die französischen Behörden das ja offiziell so bestätigt und gesagt: Wir lassen dich nicht einreisen, weil die Deutschen dieses entsprechende einjährige Einreiseverbot erteilt haben. Sie sagen, das stimme so nicht beziehungsweise können das für das BMI nicht bestätigen. Habe ich das richtig verstanden? Kall (BMI) Ich kann Ihnen erst einmal abstrakt juristisch sagen, dass das BMI solche Maßnahmen gar nicht verhängen könnte. Insofern sind wir auch nicht der richtige Ansprechpartner. Und an wen Sie sich, falls es eine solche Maßnahme geben sollte, wenden können, habe ich Ihnen ja genannt. Frage Warweg Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat am 4. Mai bekannt gegeben, dass die deutschen Behörden die Forderung seiner Anwälte abgelehnt hätten, ihm die Gründe für sein Einreiseverbot in die Bundesrepublik mitzuteilen. Mich würde interessieren, auf welcher Grundlage die verantwortlichen Bundesbehörden einem aktiven Politiker, der mit seiner paneuropäischen Partei DiEM25 auch hier bei den EU-Wahlen präsent ist, dieses Einreiseverbot für die Bundesrepublik erteilt haben. Kall (BMI) Herr Warweg, ich habe ja vorhin schon gesagt, dass wir uns zu Einzelfällen grundsätzlich nicht äußern können und dürfen. Dafür müssten Sie sich an die Bundespolizei oder gegebenenfalls an die Berliner Landesbehörden wenden. Zusatzfrage Warweg Aber das ist ja trotzdem etwas mit bundespolitischen Ausmaßen. Sie haben einem aktiven Politiker, dessen Partei hier auch zu den EU-Wahlen antritt, den Zutritt zur Bundesrepublik verweigert, dann wird ihm auch noch die Begründung dafür verweigert, und Sie erklären mir jetzt, das betreffe die Bundesregierung sozusagen nicht, das seien ausschließlich Dinge der Berliner Landesbehörden. Habe ich Sie da richtig verstanden? Kall (BMI) Herr Warweg, das behaupten erst einmal alles Sie. Davon mache ich mir nichts zu eigen. Wer die zuständigen Behörden für etwaige Maßnahmen sind, habe ich Ihnen gesagt, und dann gehört es sich so, dass Sie sich bitte an diese Behörden wenden. Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 06.05.2024 Mehr zum Thema: Der britisch-palästinensische Arzt Ghassan Abu Sitta darf nicht nach Frankreich einreisen [https://www.nachdenkseiten.de/?p=114849] Salman Abu Sitta – „Ein böser Terrorist“? [https://www.nachdenkseiten.de/?p=114755] Instrumentalisierung von „Antisemitismus“ und die Zunahme von repressiv-autoritären Tendenzen in Deutschland [https://www.nachdenkseiten.de/?p=114635] Beweise begraben, Zeugen zum Schweigen bringen [https://www.nachdenkseiten.de/?p=113863] [https://vg01.met.vgwort.de/na/3589ef3dde7944bab71eba259523fcb0]
08. maj 2024 - 9 min
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Am Tag der Befreiung ist die Fahne der Befreier verboten
An den Berliner Ehrenmälern für den Kampf der Sowjetunion gegen den Faschismus dürfen am Tag der Befreiung nicht die Fahnen der sowjetischen Befreier gezeigt werden. Diese anti-historische Haltung, um im aktuellen Konflikt gegen Russland ein paar Punkte zu machen, ist willkürlich, kleinlich und gefährlich. Ein Kommentar von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Ob manche aktuelle Vertreter des „offiziellen Deutschland“ den Sowjets wohl je verzeihen werden, dass Deutschland vor allem durch sie vom Nazi-Regime befreit wurde? Vorerst sieht es nicht danach aus – dementsprechend ist es am Tag der Befreiung verboten, an den (sowjetischen!) Berliner Ehrenmalen die Sowjetfahne zu zeigen und andere Symbole. Die Weigerung, zwischen historischen Verdiensten der Sowjets und der Roten Armee im monumentalen Kampf gegen den Faschismus (und daraus folgenden, andauernden Verpflichtungen für Deutschland) einerseits und aktuellen Konflikten mit Russland andererseits zu unterscheiden, ist nicht nur kleinlich, sondern es offenbart auch eine meiner Meinung nach gefährliche und skrupellose Willkür im Umgang mit der Geschichte. Laut Medienberichten [https://www.tagesschau.de/inland/regional/berlin/rbb-tag-der-befreiung-berliner-polizei-verbietet-russische-symbole-an-sowjetischen-ehrenmalen-100.html] gelten am Mittwoch und Donnerstag folgende Regelungen für die diversen sowjetischen Ehrenmale in Berlin: Es ist es verboten, auf diesen Arealen Symboliken wie Fahnen mit russischem Bezug, Sankt-Georgs-Bänder, Uniformen oder Uniformteile sowie Abzeichen, auch in abgewandelten Formen, zu zeigen. Auch Marsch- und Militärlieder sind untersagt, sowie Kennzeichen, die geeignet sind, den Russland-Ukraine-Krieg zu verherrlichen. Dies schließt zum Beispiel das „Z“-Symbol ein. Bei Versammlungen außerhalb der Ehrenmale und ihrer Umgebung gelten die Beschränkungen nicht – hier gelte das Versammlungsgesetz. Laut BerlinerZeitung [https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/8-mai-tag-der-befreiung-protest-gegen-verbot-der-sowjetfahne-offener-brief-an-berliner-senat-li.2213118] soll auch das Zeigen der Fahne der Sowjetunion verboten sein. Laut taz [https://taz.de/Gedenken-an-das-Kriegsende/!6005997/] hat die Polizei in ihrer Allgemeinverfügung der Flagge der UdSSR sogar den Spitzenplatz in der Verbotsliste eingeräumt, diese Liste trage den Titel: „Symbolik und Kennzeichen, die geeignet sind, den Russland-Ukraine-Krieg zu verherrlichen“. Russlands Botschaft in Berlin hat die Behörden der Hauptstadt am Dienstag dazu aufgefordert, das Verbot von russischen Flaggen und anderen Symbolen im Umfeld sowjetischer Ehrenmale aufzuheben, wie Medien berichten [https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/05/berlin-polizei-verbot-russische-flaggen-tag-der-befreiung-tag-des-sieges-sowjetische-ehrenmale-treptow-schoenholz.html]: > „Wir betrachten sie als Diskriminierung, die dem Geist der historischen Versöhnung zwischen den Völkern Russlands und Deutschlands in der Nachkriegszeit widerspricht. Wir halten die Entscheidung der Berliner Behörden für inakzeptabel.“ Bundesregierung plant keine Veranstaltungen zum Tag der Befreiung Die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch (LINKE) hat laut ND [https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182005.tag-der-befreiung-und-mai-in-berlin-heiliger-krieg-gegen-sowjetfahnen.html] mit einer schriftlichen Anfrage erfahren, dass die Bundesregierung selbst keine Veranstaltungen zum Tag der Befreiung plant und dass der Kanzler und die Minister auch nicht an Veranstaltungen anderer aus diesem Anlass teilnehmen werden. Sie fragt sich deshalb, ob die Befreiung aus dem Bewusstsein gelöscht werden soll. „Wird der Krieg Russlands instrumentalisiert, um die Verantwortung Deutschlands für den Zweiten Weltkrieg zu relativieren?“ Ähnliche Verbote gab es auch im letzten Jahr, wie Medien berichtet haben [https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/05/ovg-verbot-russische-fahnen-gedenktage-berlin.html]. Wird mit den selektiven Verboten von ausgewählten Symbolen bestimmter Länder also eine anti-historische Tradition begründet und fortgesetzt? Die Begründung des Gerichts lautete damals: > „Zur Begründung teilte das Oberverwaltungsgericht mit, die Prognose der Polizei, dass die Symbole angesichts des fortdauernden Angriffskrieges gegen die Ukraine geeignet seien, Gewaltbereitschaft zu vermitteln, treffe zu. ‚Denn sie könnten im aktuellen Kontext jedenfalls als Sympathiebekundung für die Kriegsführung verstanden werden‘, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts. (…) Ukrainische Fahnen dürfen dagegen gezeigt werden.“ Mit Bezug auf solche Entscheidungen hatte ich im letzten Jahr den Artikel „Empörender Umgang mit dem Tag der Befreiung: ‚Hier weht nur noch die Ukrainefahne’“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=97414] geschrieben. Folgende Aussage ist heute noch gültig: > „Der offizielle, mediale und juristische Umgang mit den Feierlichkeiten rund um den Tag der Befreiung von der Nazidiktatur ist skandalös. Man kann das Verhalten auch als vorläufigen Höhepunkt einer bereits laufenden Kampagne zur Geschichtsumdeutung interpretieren. Denn schon die offizielle Darstellung des Ukrainekriegs ist ja nur überlebensfähig, wenn gleichzeitig mit allen Mitteln die Vorgeschichte des russischen Einmarsches umgedeutet bzw. unterdrückt wird. Da sind Versuche, die sowjetischen (also auch russischen) Verdienste beim Kampf gegen die Nazis kleinzureden, nur folgerichtig.“ Der hier geschilderte Umgang mit dem Gedenken an die Länder, die die größten Opfer bei der Befreiung vom Nazi-Terror gebracht haben, passt in eine Zeit, in der nicht nur bezüglich des Ukrainekrieges die jüngere Geschichte vorsätzlich verschwiegen und verzerrt wird, um die Vorgänge der Gegenwart in einer gewünschten Richtung deuten zu können. Solche Manipulationen der Vergangenheit, um Weichen für die Zukunft zu stellen, passen auch indirekt zum Zitat in George Orwells Roman „1984“: > „Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft. Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.“ Titelbild: Lars-Goran Heden / Shutterstock [https://vg02.met.vgwort.de/na/50b6f8ba377945e7b34d93ec83c39630]
08. maj 2024 - 5 min

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