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Bundesregierung: Sendeverbot von RT gut – von Al Jazeera schlecht
Am 5. Mai hatte die israelische Regierung verkündet, dass sie den staatlich finanzierten katarischen Sender Al Jazeera „mit sofortiger Wirkung“ schließen werde. Dieser stelle eine Gefahr für die Sicherheit Israels dar und sei ein „Sprachrohr der Hamas“. Die deutsche Bundesregierung verurteilte diesen Schritt und erklärte, eine vielfältige Presselandschaft sei ein „wichtiger Grundpfeiler jeder liberalen Demokratie“, gerade in Krisenzeiten sei es wichtig, „die Pressefreiheit besonders zu schützen“. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, wieso die Bundesregierung das Verbot von Al Jazeera verurteilt, aber das mit sehr ähnlichen Argumenten begründete Verbot von RT gutheißt und sogar aktiv vorangetrieben hat. Von Florian Warweg. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. „Sprachrohr der Hamas“ versus „Sprachrohr des Kremls“ Die angewandte Sprache und regierungsamtlichen Begründungen aus Tel Aviv zur Schließung von Al Jazeera und derjenigen aus Berlin und Brüssel zur Schließung von RT zwei Jahre zuvor ähneln sich sowohl in Form wie in Inhalt. Die einen wollen das angebliche „Sprachrohr der Hamas“ zum Verstummen bringen, die anderen das ebenso angebliche „Sprachrohr des Kremls“. Ebenso legten beide Seiten für ihre identischen Behauptungen wie „Verbreitung von Fake News“ keinerlei konkrete Belege in den Verbotsanträgen vor. > PM Netanyahu: "Al Jazeera correspondents have harmed the security of Israel and incited against IDF soldiers. The time has come to eject Hamas's mouthpiece from our country." > > — Prime Minister of Israel (@IsraeliPM) May 5, 2024 [https://twitter.com/IsraeliPM/status/1787104270824751203?ref_src=twsrc%5Etfw] Auch die damalige Begründung [https://www.deutschlandfunk.de/eu-verbot-rt-de-debatte-reaktionen-100.html] von EU-Vertretern, es handele sich bei RT und Sputnik „nicht um journalistische Medien, sondern um Waffen des Kremls in einem Informationskrieg“ und diese dürften „die Redefreiheit nicht zur Verbreitung von Kriegspropaganda missbrauchen“ (so etwa die EU-Kommissionsvize Vera Jourova), findet sich in nur leicht abgewandelter Form genauso in der Pressemitteilung [https://www.gov.il/en/pages/spoke-aj050524] des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu. Auch die vorgeschlagenen Wege zur Verhinderung des Empfangs der jeweiligen Sender sind identisch. Aus Israel heißt es dazu: „Verhinderung von Sendungen der Journalisten des Senders, Ausschluss des Senders von Kabel- und Satellitenanbietern, Sperrung seiner Website usw.“ Der einzige wirkliche Unterschied liegt darin, dass die Vertreter aus Berlin und Brüssel, im Gegensatz zu ihren israelischen Kollegen, das damalige RT-Verbot nicht mit Bibel-Stellen untermauert haben. Beim israelischen Kommunikationsminister Shlomo Karhi war die Verkündung des Al Jazeera-Verbots mit zahlreichen Tora-Zitaten angereichert [https://www.gov.il/en/pages/spoke-aj050524]: > „Es ist zu viel Zeit vergangen, und wir haben zu viele rechtliche Fallstricke überwunden, um diesen Moment zu erreichen, aber es ist gut, dass er gekommen ist. Die Entscheidung ist gefallen, und sie wird umgesetzt: „Gott wird für euch kämpfen, und ihr werdet schweigen“ [Exodus 14:14] – ihr werdet die Sprachrohre und die Aufwiegelung des Feindes zum Schweigen bringen.“ > > „Geh’ hin in dieser deiner Kraft und rette Israel. [Richter 6:14]“ Das Auswärtige Amt reagierte auf das Verbot des Senders aus Katar einen Tag später mit folgendem Tweet: > Eine freie & vielfältige Presselandschaft ist wichtiger Grundpfeiler jeder liberalen Demokratie. Gerade in Krisenzeiten gilt es, die Pressefreiheit besonders zu schützen. Die Entscheidung der israelischen Behörden, #AlJazeera [https://twitter.com/hashtag/AlJazeera?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw] in Israel zu schließen, ist das falsche Signal. > > — Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) May 6, 2024 [https://twitter.com/AuswaertigesAmt/status/1787414064378855613?ref_src=twsrc%5Etfw] „Eine freie & vielfältige Presselandschaft ist wichtiger Grundpfeiler jeder liberalen Demokratie. Gerade in Krisenzeiten …“ Angesichts solcher Äußerungen sollte man sich nochmals in Erinnerung rufen, wie die Bundesregierung in einem historisch einmaligen und zudem medienrechtlich sehr fragwürdigen Akt eine EU-Verordnung vom 1. März 2022 umsetzte, die das Verbot aller Angebote von RT und Sputnik zum Inhalt hatte. Das Verbot umfasst dabei nicht nur die Sender, sondern auch alle technischen Dienstleister – also Internet-Plattformen wie YouTube, Pay-TV-Sender oder Kabel-TV-Angebote wie Sky, Vodafone oder Kabel Deutschland. Ihnen ist es verboten, RT- sowie Sputnik-Inhalte „zu senden oder deren Sendung zu ermöglichen, zu erleichtern oder auf andere Weise dazu beizutragen, auch durch die Übertragung oder Verbreitung über Kabel, Satellit, IP-TV, Internetdienstleister, Internet-Video-Sharing-Plattformen oder -Anwendungen, unabhängig davon, ob sie neu oder vorinstalliert sind“, heißt es in der entsprechenden Veröffentlichung im EU-Amtsblatt vom 2. März. [https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L:2022:065:FULL&from=DE] Ebenso wurden alle Rundfunklizenzen oder -genehmigungen sowie Übertragungs- und Verbreitungsvereinbarungen ausgesetzt. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/240506-BPK-01.png]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/240506-BPK-01.png In diesem Zusammenhang ist auch die Aussage der Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann bei der aktuellen BPK vielsagend, die Verbotsentscheidungen zu RT und Al Jazeera seien nicht vergleichbar, denn Ersteres „war ja eine Entscheidung in Brüssel“. Abgesehen von dem damit verbundenen grundsätzlichen massiven Einschnitt in die Meinungs- und Pressefreiheit ist es bis heute fraglich, ob die EU überhaupt das Recht hatte, so in die Medienpolitik ihrer Mitgliedsländer einzugreifen. Denn zumindest Medienpolitik und -recht lagen bis dato eigentlich im ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der einzelnen Nationalstaaten, nicht der EU. In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags heißt es dazu [https://www.bundestag.de/resource/blob/414758/56625ce3f32429cedc2ca5def04f87a1/wd-10-029-07-pdf-data.pdf] beispielsweise:  > „In der Europäischen Union (EU) sind in erster Linie die Mitgliedstaaten für die Medienpolitik verantwortlich. In Deutschland sind es insbesondere die Bundesländer.“ Dies änderte sich erst zwei Jahre später mit der Verabschiedung des von Ursula von der Leyen initiierten sogenannten „Medienfreiheitsgesetzes“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=108537] am 13. März 2024. Der auf EU-Fragen spezialisierte Journalist Eric Bonse spricht in diesem Zusammenhang von einem „erheblichen Machtzuwachs für Brüssel“ und führt dies in einem Beitrag mit dem Titel  „Brüssel übernimmt Kontrolle über die Medien“ [https://lostineu.eu/die-eu-uebernimmt-kontrolle-ueber-die-medien/] auch weiter aus:  > „Bei ihrem Start hatte die von-der-Leyen-Behörde keine nennenswerten Kompetenzen in der Medienpolitik. Vier Jahre später verbietet sie unerwünschte Sender (RT und Sputnik), kontrolliert das Internet und Nachrichtenkanäle wie X / Twitter – und knöpft sich nun auch noch Presse, Funk und Fernsehen vor. Und all dies tun ungewählte EU-Beamte – natürlich im Namen der Demokratie und der Freiheit. Sie wollen nur unser Bestes, vor allem bei der Europawahl.“ Es ist davon auszugehen, dass Deutschland sehr wahrscheinlich auch ohne die Initiative der EU solche zutiefst der Presse- und Meinungsfreiheit widersprechenden Maßnahmen durchgeführt hätte. Das Vorgehen zeigt aber die ganze Fragwürdigkeit des Verbot-Konstruktes gegen RT auf. Die EU hat damit, ebenso wie jetzt die israelische Regierung mit Al Jazeera, einen Präzedenzfall geschaffen, der bei Bedarf unmittelbar auch auf andere Medien ausgeweitet werden kann, die aus Regierungs- und Kommissionsicht inhaltlich nicht auf Linie sind. Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 6. Mai 2024 Frage Taibi (Al Jazeera-Journalist) Frau Deschauer, die israelische Regierung hat gestern die Büros des Senders Al Jazeera Network im Land geschlossen. Dazu hätte ich gern Ihren Kommentar. Deschauer (AA) Wir haben uns auf X dazu geäußert. Ich kann es hier aber noch einmal unterstreichen. Pressefreiheit ist ein extrem hohes Gut. Das hatten wir gerade erst am Freitag in der Bundespressekonferenz besprochen und gewürdigt. Das gilt immer und zu jeder Zeit und gerade in Momenten wie diesen, wo wir regelmäßig von einer Konflikt- und Kriegssituation sprechen. Insofern ist der Schritt der Schließung kein Schritt in die richtige Richtung. Wir kritisieren das und werden das auch ansprechen. Ich verweise noch auf die Äußerungen, die Sie schriftlich nachlesen können. Frage Jessen (freier Journalist) Frau Deschauer, die Vereinten Nationen haben das ja auch als Eingriff in die Pressefreiheit kritisiert. In der Vergangenheit haben auch westliche Sender Material von Al Jazeera übernommen, vor allem solches, das die Schäden und Verwüstungen in Gaza und die Verletzungen und Toten bei den Palästinensern zeigt. Haben Sie eine Vorstellung davon, wo dieses Material in Zukunft herkommen könnte? Deschauer (AA) Das habe ich jetzt persönlich nicht. Aber Sie sprechen einen Aspekt an, den ich bereits erwähnt habe, dass eine freie und vielfältige Berichterstattung und der Zugang dazu ein oberstes Gebot für eine frei berichtende Presse ist und das gerade in Konflikt- und Kriegssituationen gilt. Frage Warweg Ich habe eine kurze Verständnisfrage. Israel argumentiert ja bezüglich der Schließung von Al Jazeera recht ähnlich, wie das die Bundesregierung bei dem Verbot von RT gemacht hat. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sehen Sie die Argumentation Israels bezüglich des Verbots von Al Jazeera als nicht sehr stichhaltig an. Könnten Sie kurz darlegen, wo da für Sie der qualitative Unterschied ist zwischen der Argumentation Israels und der Argumentation der Bundesregierung bezüglich des RT-Verbots? Deschauer (AA) Dann fange ich einmal an. Ich würde zunächst einmal verschiedene Aspekte nicht vermengen wollen. Ich glaube, wir hatten hier in der Vergangenheit auch schon, als die Frage rund um Al Jazeera aufkam, dargestellt, dass wir Al Jazeera als einen Sender vor Ort sehen, der in dieser Lage dazu beiträgt, Berichterstattung in einem Krisen- und Konfliktgebiet zu gewährleisten. Ich möchte mir, um noch einmal auf den Anfang zurückzukommen, die Prämissen jetzt in Ihrer Frage – und das war vielleicht auch eher ein Kommentar – nicht zu eigen machen, aber die Frage noch an das BPA abgeben. Vize-Regierungssprecherin Hoffmann Ich sehe da keine Vergleichbarkeit. Deshalb würde ich mich darauf auch gar nicht einlassen wollen. Im Übrigen war das ja eine Entscheidung in Brüssel. Deschauer (AA) Ich habe eine Ergänzung dazu, weil mich die Kollegen freundlicherweise noch auf einen nicht ganz unrelevanten Aspekt hingewiesen haben: Das ist natürlich auf klarer Rechtsgrundlage und auch sanktionsrechtlicher Grundlage aus Brüssel erfolgt, wie die stellvertretende Regierungssprecherin schon gesagt hat. Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 06.05.2024 Mehr zum Thema: „Medienfreiheitsgesetz“ – Ursula von der Leyen sichert sich Oberaufsicht über alle Medien in der EU [https://www.nachdenkseiten.de/?p=108537] Tagesschau ruft zum „Kampf gegen die Lüge“ auf und bringt „Strafverfolgung“ von RT-Journalisten ins Spiel [https://www.nachdenkseiten.de/?p=87109] Ohne RT Deutsch wären wir noch schlechter informiert [https://www.nachdenkseiten.de/?p=77382] Doppelmoral à la Ursula: EU-Kommission plant eigenes „Foreign Agent“-Gesetz – verurteilt aber ähnliche Gesetze in Georgien und Russland [https://www.nachdenkseiten.de/?p=95081] Bundesregierung: Nur Moskau betreibt Desinformation im Ukraine-Krieg – Kiew, Washington und London machen sowas nicht [https://www.nachdenkseiten.de/?p=93846] [https://vg01.met.vgwort.de/na/6a651efc70a54e4e87eb29f80056fa4a]
07. maj 2024 - 12 min
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Sind die NachDenkSeiten jugendgefährdend?
Staatliche Zensur und private Filtermaßnahmen zur Kontrolle des Informationsflusses im Internet sind große Probleme für die Informations- und Meinungsfreiheit. Besonders problematisch ist es, wenn die Filterung unsichtbar im Hintergrund geschieht, politisch motiviert ist und dem Nutzer nicht einmal klar ist, dass, geschweige denn warum, ihm bestimmte Internetangebote vorenthalten werden. Ein aktueller Fall dieser unsichtbaren politischen Filterung wurde uns von einem unserer Leser mitgeteilt. Im konkreten Fall geht es um einen freien Werbe- und Trackingblocker, dessen Filterlisten von Freiwilligen gepflegt werden. Seit dem letzten Update einer in Deutschland offenbar weitverbreiteten Filterliste finden sich dort die NachDenkSeiten auf der Liste jugendgefährdender Inhalte und können von Nutzern, die den Jugendschutz aktiviert haben, nicht mehr aufgerufen werden. Ein klarer Fall von politischer Filterung durch die Hintertür des Jugendschutzes. Von Jens Berger. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Es ist verständlich, dass viele erfahrenere Internetnutzer sich ungern von Dritten ausspionieren lassen wollen und keine Lust auf unerwünschte, nervige Werbung haben. Wer die dafür nötigen Computer- und Netzwerkkenntnisse hat, kann sich davor mit einem Tracking- und Werbeblocker schützen. Ein solches Programm ist das freie Pi-hole [https://pi-hole.net/], das auf Kleinstcomputern der Raspberry-Pi-Serie läuft, die man ins heimische Netzwerk integriert, von wo aus sie den Internetverkehr aller im Netzwerk befindlichen Rechner und Smartphones filtern. Die Technik als solche ist sicher sinnvoll. Leider gibt es dabei jedoch das Problem, dass solche Techniken nur dann funktionieren, wenn die dafür nötigen Filterlisten, also die Schwarzen Listen mit unerwünschten Internetadressen, regelmäßig gepflegt werden. Für Pi-hole erledigen verschiedene Communities von Freiwilligen diese Aufgabe. In Deutschland recht verbreitet ist dafür die RPiList [https://github.com/RPiList]. Auch der Leser, der uns auf das Problem aufmerksam gemacht hat, ist ein Nutzer dieser RPiList. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/240507-jugendgefaehrdend-01.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/240507-jugendgefaehrdend-01.jpg Die Filterlisten von RPiList Was ist geschehen? Eine der Listen, die von RPiList gepflegt wird, ist die sogenannte „Child-Protection“-Liste [https://raw.githubusercontent.com/RPiList/specials/master/Blocklisten/child-protection] – eine sehr lange Liste von Internetadressen, die jugendgefährdende Inhalte anbieten, vor denen die Eltern ihren Nachwuchs lieber fernhalten wollen. So weit, so gut. Doch seit dem letzten Update dieser Liste tauchen dort neben anderen alternativen Medien auch die NachDenkSeiten auf. Sind die NachDenkSeiten etwa jugendgefährdend? Diese Einordnung wäre dann doch überraschend. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/240507-jugendgefaehrdend-002.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/240507-jugendgefaehrdend-002.jpg Auszug aus der Child-Protection-Liste von RPiList Wie sind die NachDenkSeiten dann auf dieser Liste gelandet? Die RPiList-Community gibt in einer Art FAQ [https://github.com/RPiList/specials/blob/master/Copyright%20-%20Woher%20kommen%20unsere%20Listen.md] Auskunft über die Herkunft der Daten. So werden die allermeisten Einträge von anderen – meist internationalen – Filterlisten übernommen. Überflüssig zu erwähnen, dass dort die NachDenkSeiten nicht auftauchen. Am Ende der FAQs steht jedoch noch der Hinweis, dass Einträge auch durch „viele Einsendung per eMail“ kommen. Ob das so stimmt, ist offen. Wenn man sich Diskussionen der Community so anschaut [https://github.com/RPiList/specials/discussions/1464], sieht es vielmehr so aus, als seien die Verantwortlichen von einer politischen Agenda getrieben. So hat RPiList im Sommer 2023 eine zusätzliche Filterliste [https://github.com/RPiList/specials/discussions/1129] mit dem Namen „Supporting Russia“ [https://github.com/RPiList/specials/blob/master/Blocklisten/SupportingRussia] aufgesetzt, mit der die Internetadressen von Firmen blockiert werden, die Geschäfte mit Russland machen. Dazu kann man stehen, wie man will, da diese Liste zumindest mit offenen Karten spielt und jeder Nutzer selbst entscheiden kann, ob er sie nutzen will oder nicht. Bei der „Child-Protection“-Liste ist dies jedoch anders. Wer rechnet schon damit, dass sich auf dieser Liste Einträge von Medien befinden, deren Angebot offenbar den RPi-List-Verantwortlichen nicht gefällt? Das ist politische Filterung durch die Hintertür und eine Bevormundung der Nutzer. Man will die politische Debatte im eigenen Sinne steuern und nicht genehme Informationen blockieren. Das widerspricht dem Gedanken der Informationsfreiheit, der eigentlich gerade bei Machern freier Software ja sehr populär ist, diametral. Natürlich steht es den Machern und den Nutzern von RPi-List frei, nach dem Motto der drei Affen lieber nichts, das nicht in das eigene Weltbild passt, zu sehen, zu hören und zu sagen. Aber dann sollte man mit offenen Karten spielen und politisch unerwünschte Inhalte nicht unter dem falschen Deckmantel des Jugendschutzes, sondern offen als „nicht meiner Meinung entsprechend“ deklarieren. Dann könnte jeder Nutzer selbst entscheiden, ob auch er Inhalte gefiltert haben will, die nicht der Meinung der RPi-List-Verantwortlichen entsprechen. Wer die NachDenkSeiten schon sehr lange verfolgt, wird hier vielleicht ein Déjà-vu haben. 2009 gab es schon mal einen solchen Fall. Damals tauchten die NachDenkSeiten und andere alternative Medien unerklärlicherweise im Jugendschutzfilter JusProg auf. Ich berichtet damals [https://www.telepolis.de/features/Jugendschutz-und-politische-Zensur-3381316.html] noch für Telepolis davon und führte ein Interview [https://www.telepolis.de/features/Extrembereiche-der-Politik-3381374.html] mit dem JusProg-Chef. JusProg gibt es zwar immer noch, aber mittlerweile hat die staatliche Kommission für Jugendmedienschutz diesem Programm die Zulassung entzogen. Vergleichbar sind die beiden Fälle aber nur indirekt. Waren bei JusProg vor allem wild gewordene Algorithmen für das Overblocking verantwortlich, steht bei RPi-List ganz offensichtlich eine politische Agenda hinter der Filterung politisch nicht genehmer Internetseiten. So haben sich die Zeiten geändert.[http://vg02.met.vgwort.de/na/314d6a67284b42f3ad5a3ee749b702ff]
07. maj 2024 - 5 min
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Blog der Republik legt 50 Jahre alte Lügen neu auf
Vor 50 Jahren hat der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Herbert Wehner den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) mit der Behauptung, es zirkuliere eine ganze Liste mit Frauengeschichten Willy Brandts, dazu gebracht, zurückzutreten. Dieser Rücktritt war nicht nötig. Aber Willy Brandt hat wohl zu Recht befürchtet, dass er der Kampagne, die mit diesen Lügengeschichten arbeitet, nicht standhalten kann. 50 Jahre später kommt nun der Journalist Norbert Bicher beim Blog der Republik mit derselben Geschichte neu auf den Markt [https://www.blog-der-republik.de/die-nacht-von-muenstereifel-willy-brandts-ruecktritt-vor-50-jahren/]. Sie ist genauso gelogen wie 1974. Albrecht Müller. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Zunächst noch zur Information die einschlägige Passage in dem Artikel vom Blog der Republik, gefettet von mir: > Einige Tage zuvor war der DDR-Spion Günter Guillaume aufgeflogen und verhaftet worden. Brisant, dass ein DDR-Spion bis in die nächste Umgebung des Kanzlers aufgestiegen war. Noch brisanter, dass durch ihn eine Liste mit Brandts Frauengeschichten bekannt wurde. Verfassungsschutzpräsident Günter Nollau befürchtete, der Regierungschef sei erpressbar. Dringend soll er Wehner einen Tag vor dem Treffen in der Eifel geraten haben: Brandt muss zum Rücktritt aufgefordert werden. So etwas wird hierzulande am 4. Mai 2024, also 50 Jahre nach dem Geschehen, veröffentlicht. Lügen wie vor 50 Jahren. Ich war damals Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt und ich kannte Personen, die nach dem damaligen und jetzt neu aufgelegten Getuschel auf dieser Liste angeblich stehen sollten, persönlich und konnte deshalb mit ihnen über diese Vorwürfe sprechen. Deshalb weiß ich, dass die damalige wie auch die neu aufgelegte Behauptung eine Lüge ist. In diesem neueren Text von 2013 [https://www.berliner-zeitung.de/heli-ihlefeld-die-liebe-freundin-des-willy-brandt-li.28849] zum Thema wird die Lügengeschichte von der angeblichen Liste mit mehreren Namen sogar aufgedeckt. Dennoch greifen miese Journalisten wie Norbert Bicher die alte falsche Geschichte wieder auf. Hosen runter, Herr Bicher, Namen nennen! P. S.: Wegen der Neuauflage der alten Lügengeschichte habe ich vorgestern, also am 4. Mai, an den Blog der Republik geschrieben und eine ausgesprochen unbefriedigende Antwort erhalten. Hier der Schriftwechsel: An: redaktion@blog-der-republik.de Betreff: https://www.blog-der-republik.de/die-nacht-von-muenstereifel-willy-brandts-ruecktritt-vor-50-jahren/ Guten Tag, sehr geehrter Herr Bicher, in Ihrem Beitrag über Willy Brandts Rücktritt steht zu lesen: > Noch brisanter, dass durch ihn eine Liste mit Brandts Frauengeschichten bekannt wurde. Damit erwecken Sie den Eindruck, als würde es eine solche Liste geben. Wenn Sie diese Behauptung schon übernehmen, dann sollten Sie auch fähig sein, mir die Liste zur Einsicht zu überlassen. Der Hintergrund meiner Frage ist, dass es unerträglich ist, dass 50 Jahre nach dem angeblichen Geschehen immer noch solche Behauptungen verkündet werden und diese nicht belegt werden. Das war vor 50 Jahren schon so und war damals genauso Ausdruck eines üblen Schlüssellochjournalismus wie heute. Ich gehe davon aus, dass Sie mir bis kommenden Montag die Liste zuschicken können. Andernfalls werde ich mit diesem Vorgang als Beleg in den Nachdenkseiten einen Beitrag über diesen üblen Umgang mit einer Person der Zeitgeschichte schreiben. Mit freundlichen Grüßen Albrecht Müller ---------------------------------------- 5.5.2024 13:37 Uhr Sehr geehrter Herr Müller, der Autor Norbert Bicher empfiehlt die Lektüre des Buchs “ Willy Brandt, Visionär und Realist” von Peter Merseburger und darin insbesondere das Kapitel “Wehner, Guillaume und der Rücktritt”, Seite 657 bis 738. Freundliche Grüße Uwe Pöhls ---------------------------------------- 5.5.2024 14:15 Uhr Sehr geehrter Herr Pöhls, Das ist ja lustig. Statt eines präzisen Belegs bieten Sie 81 Seiten ohne Beleg. Große Klasse Mit freundlichen Grüßen Albrecht Müller Nachtrag: ich habe die Seiten 657-738 im Buch von Peter Merseburger quer gelesen und nichts gefunden, was als Beleg der Behauptung des Autors Bicher vom Blog der Republik gelten könnte. – Ja so soans!
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Angriff auf SPD-Politiker: Spalter beklagen die Spaltung
Die Attacke auf den Politiker Matthias Ecke ist scharf zu verurteilen. Sie ist Ausdruck einer bedenklichen gesellschaftlichen Verrohung, der entgegengetreten werden muss. Doch wo kommt sie her, die Verrohung? Und sind die, die jetzt die gesellschaftlichen Spaltungen beklagen, moralisch dazu berufen? Ein Kommentar von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Der Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke, über den Medien berichten [https://www.spiegel.de/politik/matthias-ecke-17-jaehriger-stellt-sich-nach-angriff-auf-spd-politiker-in-dresden-a-6f3a700d-3915-4d95-8861-1171a00e4172], ist scharf zu verurteilen: Die Vorstellung, dass Parteileute (egal aus welcher politischen Richtung) Angst haben müssen, wegen ihres Engagements auch körperlich verletzt zu werden, ist einfach nur gruselig. Ich denke, über diesen Punkt herrscht weitgehend Einigkeit. Fragen stellen sich zu den offiziellen Reaktionen auf die Attacke und zu den Ursachen der gesellschaftlichen Spaltungen und der Verrohung in der politischen Auseinandersetzung. Und: Viele der Stimmen, die nun die gesellschaftliche Spaltung beklagen, haben selber erheblich dazu beigetragen. Verurteilungen der Tat kommen aus allen Parteien, viele Politiker haben laut Medien [https://rdir.de/r.html?uid=F.hqJfY80CxKJfbAGiX23OABFX7aJfcs4ABY--ol9zzmY4VpuiX3XOAl5d0g.eT4befGz8x6n1SgD7zjRROC7jRZpbSFcBLzRBKitNN6l69JebQsW2jxhcrcmP5oUzFPnrzwWicFVOmWWSz1axg] die sogenannte „Striesener Erklärung“ unterschrieben, darunter die Parteichefs von SPD, Grünen und Linken sowie Abgeordnete der Union. Außerdem gab es Demonstrationen, etwa in Dresden, wie Medien berichten [https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/angriff-dresden-demo-100.html]. Der Partei- und Fraktionschef der AfD, Tino Chrupalla, schrieb: „Physische Angriffe gegen Politiker aller Parteien verurteilen wir zutiefst. Wahlkämpfe müssen inhaltlich hart und konstruktiv, aber ohne Gewalt geführt werden. Ich wünsche Herrn @MattEcke viel Kraft und rasche Genesung.“ Hasssprache von Oben Viele Stimmen stellen die Situation nun so dar, als sei die politische Gewalt eine alleinige Sache von Rechtsextremen, deren „Saat nun aufgehe“. Henning Homann und Kathrin Michel, die Vorsitzenden der SPD Sachsen, sagten laut Medien [https://www.morgenpost.de/politik/article242251392/Beim-Plakatieren-SPD-Politiker-in-Sachsen-attackiert.html]: „Die Saat, die AfD und andere Rechtsextreme gesät haben, geht auf.“ Ihre Anhänger seien mittlerweile „völlig enthemmt“ und betrachteten Demokraten beim Ausüben ihrer Grundrechte als „Freiwild“. Rechte Hetze und darauf folgende rechte Gewalt sind scharf zu verurteilen. Es muss aber auch wahrgenommen werden, dass AfD-Politiker und -Helfer selber am häufigsten Opfer körperlicher Angriffe werden. Das ist das Ergebnis einer Anfrage der AfD im Bundestag [https://dserver.bundestag.de/btd/20/101/2010177.pdf]. Zwar sind die Grünen häufiger Opfer von verbalen Angriffen, aber die AfD wird laut der Antwort der Bundesregierung öfter von Gewalt getroffen. In einigen Medienberichten der letzten Tage wurde das teils irreführend so dargestellt, als seien die Grünen momentan die größten Opfer politischer Gewalt. Das Ergebnis der Anfrage bezüglich der Gewaltdelikte im Jahr 2023 ist aber eindeutig: [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/240506_angriff.jpg] Dass die AfD mit diesem Hinweis nicht politisch in Schutz genommen wird, ist selbstverständlich, Die AfD ist für mich keine politische Alternative, das haben die NachDenkSeiten [https://www.nachdenkseiten.de/?p=101632] in zahlreichen Artikeln beschrieben. Das hat aber nichts mit prinzipiellen Beurteilungen von politischer Gewalt zu tun. Und auch nicht mit der Frage, wer die gesellschaftliche Spaltung vor allem auf dem Gewissen hat. Rechte Hetze ist, wie auch viele radikale Bürgerkommentare im Internet, real und sehr bedenklich. Ein Verweis auf rechte Hetze gibt aber keinen Freifahrtschein für „eigene Hetze“, es entlastet nicht davon, dass etwa Politiker der Bundesregierung oder Journalisten großer Medien Vorbild sein müssen, weil sie mit ihrer enthemmten Sprache von großen Bühnen herab viel mehr gesellschaftlichen Schaden anrichten als extremistische Bürgerkommentare in Internetforen. Mit der moralischen Selbstüberhöhung etwa der Politiker der Bundesregierung wächst außerdem die Verpflichtung, sich für eine sachliche Debatte ohne Emotionen und Hetze einzusetzen. Schließlich zählen sich die Politiker der Bundesregierung und die sie abschirmenden Journalisten ja zu „den Guten“ und daraus erwachsen Verpflichtungen, die politische Debatte nicht zuzuspitzen. Diese Verpflichtung wurde bei zahlreichen Themen verletzt – vor allem aber im Zusammenhang mit der Verteidigung der unangemessenen Corona-Politik und der Verteidigung der Verlängerung des Ukrainekriegs durch Waffenlieferungen und der Verweigerung von Diplomatie. Tabus wieder herstellen Die Debatten waren auch vor Corona teils giftig und von Verzerrungen und Meinungsmache geprägt. Dazu hatte auch die AfD einen großen Anteil beigesteuert, etwa in der Flüchtlingsdebatte. Die Härte im Umgang mit im Meinungskampf unterlegenen Andersdenkenden wurde aber in der Corona-Zeit von Journalisten, Politikern und Kulturschaffenden auf eine ganz neue, gefährliche Ebene gehoben: Wir spüren heute massiv die Folgen der zur Verteidigung der unangemessenen Corona-Maßnahmen begangenen Tabubrüche vonseiten der offiziellen Politik und vieler großer Medien. Zu betonen ist aber auch immer wieder, dass all diese Verfehlungen etwa in der Corona- oder Ukrainepolitik meiner Meinung nach keine gewalttätigen Angriffe auf Politiker oder Journalisten rechtfertigen. Eine Provokation ist andererseits, wenn ausgerechnet Karl Lauterbach in diesem aktuellen Video [https://twitter.com/tomdabassman/status/1786874729321677257/video/1] der AfD die gesamte Schuld an der Verrohung der aktuellen gesellschaftlichen Debatte gibt und damit seine eigene destruktive Rolle in der Corona-Debatte indirekt weißwaschen will. Neue Gesetze und Fantasiebegriffe wie „Verachtung der Demokratie“ braucht es wegen des aktuellen Vorfalls um den angegriffenen SPD-Politiker jetzt nicht. Bei körperlicher Gewalt ist die Sache juristisch eindeutig, die betreffenden Paragraphen existieren. Ebenso sollte klar sein, was jetzt zu tun ist: Zum einen müssen Sparkurse bei Polizei und Justiz beendet werden, um die Täter von Gewaltdelikten wirksam verfolgen zu können. Zum anderen: Gewalt folgt oft der Sprache. Darum muss die sprachliche Verrohung – und dabei auch die „Hasssprache von oben“ – umgehend von allen Seiten zurückgefahren werden und es müssen gebrochene Tabus im Umgang mit Andersdenkenden wieder errichtet werden. Titelbild: Visual3Dfocus / Shutterstock Mehr zum Thema: Die Hasssprache im Mainstream: Menschen sind „Ratten“, „Dünger“, „Schweine“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=90128] Gezielte Verrohung: Als gäbe es kein Morgen [https://www.nachdenkseiten.de/?p=79536] Ja: Ihr habt bei Corona #mitgemacht [https://www.nachdenkseiten.de/?p=82846] „Kriegstüchtigkeit“: Medien, Politiker und „Experten“ wie im Rausch [https://www.nachdenkseiten.de/?p=106135] [https://vg02.met.vgwort.de/na/b0a2bedf929944128e8753bdabdaf293]
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Guérot-Prozess – „Die politische Dimension ist fast überall und zunehmend erdrückend zu spüren“
Der Anwalt von Ulrike Guérot äußert sich im NachDenkSeiten-Interview zu dem Ausgang des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht zwischen der Professorin und ihrem Arbeitgeber, der Universität Bonn. Tobias Gall, der rund 30 Jahre als Arbeitsrechtler tätig ist, erhebt schwere Vorwürfe gegenüber dem Gericht und der Universität Bonn. Die Universität habe, so Gall, „derart maßlos Vorwürfe zusammengetragen und bewertet, dass sie nicht mehr zum Boden der Tatsachen zurückkehren konnte“. Und das Gericht? Die Rechtslage sei dort ins Gegenteil verkehrt worden. Das Gericht hatte die Kündigung gegen Guérot als rechtmäßig eingestuft. Gall hat Berufung angekündigt. Der Anwalt sagt im Interview, er sei von einer „hohen interessengeleiteten Aufladung“ des Falls ausgegangen. Die Entscheidung des Gerichts habe ihn dennoch erstaunt. Von Marcus Klöckner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Herr Gall, Sie vertreten Ulrike Guérot im Hinblick auf die Kündigung der Uni Bonn. Das Gericht hat entschieden, die Kündigung sei rechtens. Haben Sie mit diesem Ausgang gerechnet? Nein, das war ausnahmsweise mal wirklich überraschend für mich, wenn ich auch während der letzten vier Jahre in der Rechtsstaatskrise unglaubliche Erfahrungen gemacht und mir eine hohe Frustrationstoleranz angeeignet habe. Als Rechtsanwalt ist man ohnehin immer gut beraten, sich weder eine allzu eindeutige Prognose der gerichtlichen Entscheidung zu eigen zu machen noch den Mandanten in Siegesgewissheit oder Pessimismus zu wiegen. Das folgt allein schon aus dem Umstand, dass man ja selbst eine rechtliche Position formuliert hat und dementsprechend auch anstrebt. Man muss darum wiederholt gegen den Strich denken und auch alle möglichen Gegenpositionen immer wieder auf ihr Potential abklopfen. Dennoch bleibt stets eine Restgefahr, dass man gegenläufige Betrachtungswinkel unterbewertet. Hier war es aber anders: Vor mir haben schon zwei sehr fähige Rechtsanwälte die Rechtsauffassungen mitformuliert und auch auf hohem Niveau durchdacht. Und die waren alle zur Überzeugung gelangt, dass die Rechtslage völlig eindeutig ist. Auf gleich mehreren Argumentationsebenen sprach alles für eine unwirksame Kündigung. Auch wenn ich von einer hohen interessengeleiteten Aufladung des Falles ausging, kam ich zu dem Schluss, es könne hier nicht gelingen die Rechtslage in ihr Gegenteil zu verkehren. Vom Urteil war ich daher erstaunt und komme immer noch nicht aus dem Kopfschütteln heraus. Bitte erläutern Sie doch einmal näher, was bei dieser Gerichtsentscheidung aus Ihrer Sicht nicht stimmt? Die Universität Bonn hat das Arbeitsverhältnis von Prof. Guérot gekündigt. Ab zehn Beschäftigten ist eine Kündigung nur wirksam, wenn Kündigungsgründe vorliegen, die es dem Arbeitgeber unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis in Zukunft fortzusetzen. Zu diesen Gründen gehört eine sogenannte verhaltensbedingte Kündigung, auf die sich die Universität auch nur berufen hat. Dabei muss es im Arbeitsverhältnis zu Pflichtverletzungen gekommen sein, die die Prognose weiterer Pflichtverletzungen in der Zukunft rechtfertigen. Als Pflichtverletzungen hat die Universität Zitationsfehler in drei Büchern von Prof. Guérot angesehen, die so schwerwiegend seien, dass sie ein vorsätzliches (oder zumindest grob fahrlässiges) Sich-zu-eigen-Machen fremder wissenschaftlicher Leistung darstellten, was nach den Regeln der Universität arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte, wenn in diesem Sinne „wissenschaftliches Fehlverhalten“ nachgewiesen wurde. Waren denn die von der Universität beanstandeten Stellen so schwerwiegend? Alle Zitationsfehler in den drei Büchern zusammengenommen würden selbst in einer Dissertation keinen Plagiatsverdacht begründen. Zudem handelt es sich bei allen drei Büchern nicht um wissenschaftliche Werke, sondern sicher um essayistische Texte, die nach den Regeln der Universität gerade keinen Verdacht eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens begründen. Zu alldem kommt aber noch hinzu, dass nur eines der drei Bücher während des Vertrages mit der Universität entstanden ist (‚Wer schweigt, stimmt zu – Über den Zustand unserer Zeit. Und darüber, wie wir leben wollen‘). Der Titel klingt nicht nach einem wissenschaftlichen Buch. Im Gegenteil. Der Titel macht unmissverständlich deutlich, dass es sich nicht um eine wissenschaftliche Untersuchung handelt, sondern um ein sozialphilosophisches Essay. Dieses Buch war einerseits eine private Publikation und andererseits enthielt es nur ganz wenige kleinere Fehler, die sicher keine Plagiate darstellten. Das hat auch das Arbeitsgericht so gesehen und entsprechend früh im Kammertermin ausgeschlossen, dass dieses Buch zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden könne. Was blieb dann noch übrig? Das einzige Buch, in dem zweimal der Autor einer zitierten Textpassage versehentlich unerwähnt blieb, war aber nun ein Buch, das 2016, also lange vor der Berufung von Prof. Guérot, geschrieben und veröffentlicht wurde – eines ihrer wirkmächtigsten und erfolgreichsten Werke: ‚Warum Europa eine Republik werden muss. Eine politische Utopie‘ (wiederum mit einem nicht gerade wissenschaftlich anmutenden Titel). Wie konnte also ein Jahre zuvor veröffentlichtes Buch eine Verletzung der Vertragspflichten zur Universität Bonn darstellen, die erst ab September 2021 bestanden? Weshalb glaubt sich die Universität Bonn Anfang 2023 als Richter über Zitationsfehler eines sieben Jahre alten Buches aufschwingen zu dürfen und dabei auch noch ihre internen wissenschaftlichen Regeln zugrunde zu legen? Der Gipfel des Befremdlichen kommt aber noch. Nämlich? Der Richter am Arbeitsgericht Dr. Krämer sieht offenbar die zur Kündigung berechtigende Pflichtverletzung in einer Täuschung begründet – so jedenfalls seine bisher nur kurz mündlich vorgetragene Urteilsbegründung, die inhaltlich für mich schlicht nicht nachvollziehbar war. Prof. Guérot habe nämlich mit der Auflistung auch dieses Werkes vorgetäuscht, dass es nach wissenschaftlichen Regeln formuliert und eine „habilitationsgleiche Leistung“ darstelle sowie keinerlei Plagiate enthalte. Da darf man gespannt sein, wie der Richter das genau begründet. Nachvollziehen kann ich das aber definitiv nicht: Prof. Guérot hatte nämlich nur in einer E-Mail berichtet, ihr „in populärwissenschaftlicher Sprache“ formuliertes Buch sei von der Donau-Universität Krems als habilitationsgleich anerkannt worden. Vor allem aber hat die Universität Bonn das Buch anschließend selbst genauestens durch ihre Berufungskommission und drei externe Fachgutachter auf die sogenannte Habilitationsäquivalenz geprüft und entsprechend bewertet. Sie hat sich also offenbar zumindest nicht täuschen lassen. Weder eine Vertragspflichtverletzung ist insofern erkennbar noch gar eine Täuschung durch die kurz darauf mittels eines sorgfältigen Berufungsverfahrens berufene Prof. Guérot. Sehen Sie weitere Schwachstellen? Ehrlich gesagt, sehe ich noch viele weitere Fehler der Universität vor der Kündigung, die jeder für sich allein zur Unwirksamkeit der Kündigung geführt haben dürften. Ein Fehler überragt die anderen aber deutlich: Ich hatte ja schon erläutert, dass zur Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung eine negative Prognose für weitere Pflichtverletzungen erforderlich ist. Keine Pflichtverletzung kann eine Kündigung als Strafe rechtfertigen, sondern allenfalls einen Anhaltspunkt dafür bilden, dass mit zukünftigen vergleichbaren Pflichtverletzungen zu rechnen ist. Selbst wenn wir eine Pflichtverletzung einmal unterstellen, warum sollte mit einer Wiederholung zu rechnen sein? Während der Vertragslaufzeit war ja keine Pflichtverletzung vorgekommen. Eine negative Prognose könnte nur begründet werden, wenn die Arbeitnehmerin schon einmal abgemahnt worden war und anschließend wieder eine Pflichtverletzung vorgekommen ist. Dann könnte der Arbeitgeber argumentieren, seht her, liebes Arbeitsgericht, wir haben mit einer Kündigungsandrohung versucht, auf die Klägerin einzuwirken, sie möge ihr Verhalten ändern. Aber das hat nichts bewirkt, sie hat es wieder getan. Ohne Abmahnung sind nach der Rechtsprechung nur schwerste Pflichtverletzungen geeignet, das Vertrauen in eine vertragsgerechte Fortsetzung derart zu beseitigen, dass eine sofortige Kündigung wirksam sein kann. Prof. Guérot ist aber weder abgemahnt noch auch nur ermahnt worden. Allein deswegen muss die Kündigung unwirksam sein. Wie war denn die Situation im Gerichtssaal? Wie hat sich das Gericht verhalten? Am kleinen Arbeitsgericht Bonn herrschte große Aufregung wegen des „prominenten“ Kündigungsschutzprozesses, der Saal war voll mit am Ausgang des skandalösen Prozesses interessierten Zuschauern und Pressevertretern/Fotografen, und auch dem Richter Dr. Krämer war eine gewisse Nervosität anzusehen. Dennoch war er erfahren genug, um gefasst durch die Verhandlung zu führen. Zumindest mir fiel jedoch auf, dass er einen klaren argumentativen Fahrplan für den Fall, dass sich die Parteien nicht einigen würden, vor Augen hatte. Er hat zur Einführung in den Sach- und Streitstand vor allem auch der ehrenamtlichen Richter relativ strukturiert einige der von mir schon genannten Kernprobleme angesprochen – verhaltensbedingte Kündigung, Pflichtenmaßstab, vorvertragliche Bücher, behauptete Täuschung und fehlende Abmahnung – wobei es zur „Kunst“ der Verhandlungsführung im Kammertermin eines Kündigungsschutzprozesses gehört, beide Prozessparteien im Unsicheren darüber zu lassen, wie ein mögliches Urteil ausfällt. Den Parteien soll eine Einigung, ein Kompromiss weiter attraktiv erscheinen, weil sie ja beide auch noch verlieren könnten. Entsprechend hat sich der Richter bis zuletzt bemüht, neutral und noch unentschieden zu wirken, was er vor einer abschließenden Beratung mit den ehrenamtlichen Richtern auch zu tun verpflichtet ist. Nachdem sich die Parteien mit ihren Anwälten zweimal zu Beratungen zurückgezogen hatten und dennoch keine Einigung erzielt werden konnte, ging es aber dann ganz schnell. Die mündliche Begründung des klageabweisenden Urteils fiel dann aber so entschieden und auch einseitig aus, dass schon sehr der Eindruck entstehen musste, das Gericht bzw. vor allem natürlich der Berufsrichter Dr. Krämer war nur auf diesen Prozessausgang nach über einjähriger Verfahrensdauer vorbereitet. Können Sie sich erklären, wie das Gericht zu seiner Entscheidung gekommen ist? Was sind die juristischen Grundlagen? Für die ehrenamtlichen Richter kann man sich durchaus vorstellen, weshalb sie gegen Prof. Guérot eingenommen waren: Meine Mandantin ist eine prominente Professorin und erfolgreiche Buchautorin. Sie ist aus vielen Fernsehauftritten bekannt. Mit einem Mal gilt diese Frau als „umstritten“. Plötzlich listet die örtliche Universität auf hunderten von Seiten Prozessvortrag schwerste Vorwürfe wegen Plagiaten auf. Von Politikern wissen wir: Wenn solche Vorwürfe im Raum stehen, gilt das direkt als schwer verwerflich. Konnten die ehrenamtlichen Richter von einer derart aufgeladenen Situation unbefangen mit dem Fall umgehen? Die Gerichtshöfe der Moral kennen jedenfalls keine Prozessordnung. Aber Vorverurteilungen dürfen beim Arbeitsgericht keine Rolle spielen. Und sie spielen es in der Regel schon deshalb nicht, weil dort ganz normale Leute über Vorgänge miteinander streiten, die einem nicht fremd sind und bezüglich derer man die immer erforderlichen Wertungen aus eigener Anschauung vornehmen kann. Es gibt aber doch auch den Berufsrichter. Der verfügt doch über das notwendige juristische Wissen. Und der Berufsrichter muss in der Beratung nicht nur informieren, sondern auch die juristischen Grundlagen letztlich auch allein daraufhin beurteilen, ob sie das Ergebnis tragen können. Und wie war das hier? Das ist hier nach meiner Auffassung in besonders hohem Maße nicht der Fall gewesen. Meine knapp dreißigjährige Erfahrung als Arbeitsrechtler sagt mir ganz eindeutig, die Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung von Prof. Guérot lagen sicher nicht vor. Ihr wurden wissenschaftliche Pflichtverletzungen von hohem Ausmaß mit einer Begründung vorgeworfen, die die dadurch veranlasste Rufschädigung nicht im Entferntesten tragen konnten. Die Universität hat derart maßlos Vorwürfe zusammengetragen und bewertet, dass sie nicht mehr zum Boden der Tatsachen zurückkehren konnte. Die Rufschädigung von Prof. Guérot ist gewissermaßen Geschichte, aber durch ein Urteil zu Lasten der Universität wäre vor allem auch der wissenschaftliche Ruf der Universität schwer beschädigt worden. Dass der Richter am Arbeitsgericht Dr. Krämer nicht die Kraft, Souveränität und Unabhängigkeit gefunden hat, die offenkundige Rechtslage zu Lasten der örtlichen Universität festzustellen, ist alles andere als ein Ruhmesblatt. Aber es verrät viel über die Lage an den Universitäten und den Gerichten. Wie hätte Ihrer Ansicht nach das Verfahren ausgehen müssen? Zur Wiederherstellung der Reputation meiner Mandantin wäre eigentlich nur eine gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und damit ihre Rückkehr an die Universität angemessen gewesen. Das hätte übrigens nicht einmal durch ein Urteil erfolgen müssen. Sondern? Die Parteien hätten sich auch darauf einigen können, die Einschätzungen und Bewertungen von damals nach einer ausführlichen prozessualen Erörterung so nicht mehr teilen zu wollen. Dann hätten die beiden Parteien zum Ausdruck bringen können, dass im Interesse aller Beteiligten und vor allem auch im Sinne der gesellschaftlichen Bedeutung von Wissenschaft in unserer Zeit eine Fortsetzung des Wirkens von Prof. Guérot an der Universität Bonn einvernehmlich gewünscht wird. Wir haben jedoch auch andere, in gewissem Maße nachvollziehbare Interessen der Universitätsleitung an einer Gesichtswahrung eindringlich in Erwägung gezogen. Hätte dies auch für die Gegenseite in dem Sinne gegolten, dass man alles Notwendige zur Beseitigung der Rufschädigung meiner Mandantin tun wolle, so wäre auch beim Kammertermin im April 2024 eine Einigung von uns ermöglicht worden, weil wir in den wirtschaftlichen Fragen nicht so weit voneinander entfernt waren. Jedenfalls wäre eine einvernehmliche Regelung gerade in diesem Fall für alle Beteiligten interessengerechter gewesen, als den Entscheidungsprozess durch dieses – ich nenne es ganz bewusst so – Fehlurteil ebenso in die Länge zu ziehen, wie das Ausmaß der beiderseitigen Rufschädigung noch auszuweiten. Was bedeutet der Ausgang? Sie geben sich mit dem Ausgang nicht zufrieden, oder? Wie gesagt, der Ausgang durch dieses Urteil verstärkt vor allem die Rufschädigung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Anstatt mit einer vielleicht auch schmerzhaften Einigung den Blick nach vorn zu richten und im Übrigen auch zu erkennen, dass ihr zur Berufung von Prof. Guérot geführt habender guter Ruf einer wirkmächtigen und europaweit wahrgenommenen überaus klugen Stimme sicher als Schmuck der wissenschaftlichen Reputation der Fakultät wirken würde, will man sich lieber noch ein paar Jahre streiten und es riskieren, dass ein höheres Gericht die Kündigung für rechtswidrig und unwirksam erklärt. Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Zu unserem Vorgehen: Wir haben schon mit der Klageerhebung bekundet, dass diese Kündigung aus vielerlei Gründen inakzeptabel und die damit einhergehende (und auch beabsichtigte) Rufschädigung nicht hinnehmbar ist. Wenn die Gegenseite auf einem streitigen Urteil besteht und das Gericht mit nicht überzeugenden Gründen die Rufschädigung meiner Mandantin noch zu vertiefen in Kauf nimmt, so können wir nur dagegen in Berufung gehen. Wir bleiben jedoch weiter offen für Gespräche, die auf eine beiderseitige bessere Lösung gerichtet sind. Für wie realistisch halten Sie in der höheren Instanz eine Entscheidung zu Gunsten von Frau Guérot? Da komme ich wieder auf mein Ausgangsstatement zurück: Betrachtet man den sogenannten Streitstoff aus allen denkbaren Perspektiven und berücksichtigt man sowohl die unendlich sorgfältig ausdifferenzierten Strukturprinzipien des Kündigungsschutzes als auch die jahrzehntelange Fortentwicklung der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung, so vermag ich mir nicht vorzustellen, dass das Landesarbeitsgericht Köln zu einer anderen Beurteilung kommt als die Arbeitsrechtsexperten, die die Rechtslage für die Klägerin eingeschätzt haben – und das waren wirklich einige! Zumal dabei eben ein hoher Sorgfaltsmaßstab zur Anwendung kam, weil alle Beteiligten Prof. Guérot vor einer weiteren Beeinträchtigung ihres eigentlich glänzenden Rufs bewahren wollten. Ich will es im Übrigen mal so sagen: Mein Vertrauen in eine unabhängige Rechtsprechung, die gerade auch im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit von einer hohen fachlichen Qualität geprägt war, hat durch die teilweise befremdliche Corona-Rechtsprechung noch nicht in so hohem Ausmaße gelitten, dass ich mir ein weiteres Fehlurteil im Berufungsverfahren vorzustellen vermag. Ich halte deshalb eine Entscheidung zu Gunsten meiner Mandantin für ausgesprochen realistisch. Jedenfalls vor Gericht sind wir eben immer noch nicht nur in Gottes Hand, sondern können uns hoffentlich noch immer vertrauensvoll in die dortigen Hände der kritischen Rationalität begeben. Wie bewerten Sie das Verhalten der Uni Bonn als Arbeitgeber von Frau Guérot? Das Vertragsgefüge eines Arbeitsverhältnisses geht von wechselseitigen Rücksichtnahmepflichten aus, die beim Arbeitgeber auch Fürsorgepflichten genannt werden, was allerdings bei einer Universität etwas paternalistisch klingt. Diese Pflichten wurden ganz sicher nicht in ausreichendem Maße von der Universität Bonn beachtet. Selbst wenn man den Auftakt des Streits ausblendet, wo sich die Universität veranlasst sah, eine von Friedensbemühen gezeichnete politische Äußerung meiner Mandantin zum Ukraine-Krieg scharf zu verurteilen: Ich vermisse auf die von außen an die Universität herangetragenen sogenannten Plagiatsvorwürfe eine von Rücksichtnahme und Fürsorge geprägte Reaktion. Wie hat die Uni stattdessen gehandelt? Die Universität ist den scharfen öffentlichen Vorverurteilungen in keiner Weise entgegengetreten, sie hat sich ihnen in nicht sachgerechter Weise angeschlossen und sich dann zu einer völlig unangemessenen Kündigung entschlossen. Wer auch immer dort die wesentlichen Entscheidungen letztlich getroffen hat, sie waren zumindest kündigungsschutzrechtlich wenig informiert. Es blieb vor allem ein ganz wesentlicher Aspekt nach meinem Dafürhalten völlig unterbelichtet. Welcher? Es sind nicht etwa in erster Linie die Universitäten die Grundrechtsträger der Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG. Es sind vielmehr die Personen, die wissenschaftlich tätig werden oder werden wollen. Was meinen Sie damit? Die Universitäten sind demnach Horte der Wissenschaftsfreiheit und nicht staatliche Einrichtungen zur Sanktionierung einer formalen wissenschaftlichen Methodenlehre. Die Wissenschaftsfreiheit ist schrankenlos gewährleistet, d.h. nur gleichwertig grundrechtlich geschützte Interessen können mit ihr in Ausgleich gebracht werden. Derartige Rechtsverletzungen stehen hier aber nicht im Streit. Vielmehr verstärkt sich der Eindruck, dass vor allem Missverständnisse vom Schutz der Grundrechte von Prof. Guérot und von der verfassungsrechtlichen Bedeutung der staatlichen Neutralitätspflicht Leitlinie für die (mangelnde) Erfüllung von Rücksichtnahmepflichten geworden sind, die weit über diesen Fall hinausgehend den Ruf der Universitäten zunehmend beschädigen. Sehen Sie im Hinblick auf das Verfahren auch eine politische Dimension, die da reinspielt? Sprich: Halten Sie einen politischen Einfluss für möglich? Eine ähnlich komplexe Frage stellte Gretchen einst dem Faust, hätte ich fast gesagt, wenn ich Sie, lieber Herr Klöckner, nicht für so ziemlich das Gegenteil vom Gretchen in Sachen weltanschaulicher Naivität halten würde. Einen politischen Einfluss erkenne ich immer weniger in dieser Zeit, eine politische Dimension ist jedoch fast überall und zunehmend erdrückend zu spüren. Es muss aber kein Einfluss mehr ausgeübt werden, sondern die politische Dimension wirkt zunehmend und in einem unterschiedlichen Ausmaß des Bewussten in allen öffentlich wirksam handelnden Beteiligten. Und erdrückend oder häufig schon fast erstickend wirkt das Politische deshalb, weil es meist nicht mehr sachliche oder fachliche Interessen von Beteiligten an den öffentlichen Angelegenheiten zum Gegenstand der Erörterungen hat, sondern nur noch in pseudomoralischen wechselseitigen Bestätigungen gefangen ist. Zuerst erfolgt eine Einsortierung der Person in ein Gut-Böse-Raster, um das eigentliche Thema erörtern zu können. Dieser Diskurs fällt dann aber meist aus, weil die inhaltlichen Positionen der schon aussortierten Personen nicht mehr moralkonform gehört werden können. Der Diskurs braucht deshalb nur noch eine logische Sekunde meist in irgendeiner Redaktionsstube, in der das Urteil über die Gesinnung der Diskursteilnehmer festgelegt wird. Statt über das Thema wird dann nur noch von dem moralischen Urteil berichtet. Die älteste Vokabel, die die Verurteilung signalisiert, lautet „umstritten“, und wer sich der Verurteilung nicht sogleich anschließt, den ereilt die gleiche Beurteilung zumindest dann, wenn er nicht selbst zu den Gesalbten gehört, die selbst moralische Urteile fällen können. Wer sich aber anschließt, dem bleibt vorerst eine Gesinnungsprüfung erspart und: er gehört weiter dazu. Von manchen werden diese Diskursregeln als erdrückend empfunden. Viele oder vielleicht sogar die meisten haben Instinkte entwickelt, wie sie die richtige Haltung intuitiv erkennen und sogleich als ihre eigene Auffassung entdecken. Es werden zwar immer mehr, die diese dem postmodernen Denken entstammenden geistigen Mechanismen als Tribalismus empfinden, aber diese Dimension des Politischen wird uns wohl noch eine Zeit lang lähmen. Warum haben Sie den Fall angenommen? Wie könnte ich ihn nicht angenommen haben? Als ich Professorin Guérot fachlich empfohlen und bei mir vorgefühlt wurde, ob ich das übernehmen könne, habe ich keine Sekunde gezögert. Sie ist für mich eine Art Säulenheilige der offenen Gesellschaft und einer erfrischenden Streitkultur, die – so habe ich das zumindest bisher empfunden – niemals paradigmatische Werturteile ad hominem treffen würde. Ich habe gelegentlich das Gefühl, dass ich aus metapolitisch anderen Richtungen komme, aber sie unbedingt daran interessiert ist, sich auch mit diesen Ansichten auseinanderzusetzen. Man spürt stets ihr Bedürfnis an der Fortentwicklung ihrer eigenen Position, gleich ob im Sinne einer Schärfung oder Veränderung. Wenn der öffentliche Diskurs von solchen Denkern etwas mehr geprägt wäre, dann könnten die Gesalbten des politischen Moralismus einpacken. Und wir kämen wieder voran. Wie also könnte ich die Möglichkeit, zur Entfesselung dieser Entwicklung eine Kleinigkeit beizutragen, nicht annehmen? 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