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Des Thema Flucht hat mich so beschäftigt. Die einen flüchten vor Krieg zu uns, die andern vom Inland ins Ausland, vor der Realität in die Illusion und vor der Steuer in die Oase. Man flüchtet vor’m Fortschritt in die Nostalgie, vor der Ehefrau ins Bier und vor der Politik ins Pokalspiel. Vor der Verwandtschaft flüchtet man zum Stammtisch. Jeder flüchtet …, vor der Kälte nach Malle, vor der Hitze zum See. Vor der Globalisierung in die Nationalisierung und vor Problemen in den Suff. Von Lisa Fitz. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Die nächsten Auftrittstermine und das aktuelle Programm von Lisa Fitz erfahren Sie stets auf der Website lisa-fitz.de [https://www.lisa-fitz.de]. Titelbild: NachDenkSeiten

Auf die fragwürdige Rolle einiger sogenannter TV-Kabarettisten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss immer wieder hingewiesen werden. So wird etwa die ZDF-Heute-Show manchmal immer noch als „Kabarett“ oder „Satire“ bezeichnet – dabei ist die Sendung bei zentralen Themen oft nur ein weiterer Lautsprecher für die sowieso überall erklingende Propaganda für Militarismus. Aktuelles Beispiel: die Verstärkung der Drohnen-Hysterie in der letzten Sendung. Ein Kommentar von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Beispielhaft für viele Beiträge von angepassten TV-Komödianten soll hier die letzte „Heute-Show“ im ZDF [https://www.zdf.de/play/shows/heute-show-104/heute-show-vom-10-oktober-2025-100] betrachtet werden: Zwischen lauwarmen Witzen über die Auto-Lobby, die Veggie-Würste oder die Sozialstaats-Debatte wurde dort harte Drohnen-Propaganda geliefert. Ab Minute 12.40 werden von Moderator Oliver Welke zahlreiche aktuelle Mainstream-Behauptungen zur angeblichen Drohnen-Gefahr mit „Humor“ unterfüttert und dadurch noch einmal verstärkt. Es wird also nicht, wie es die eigentliche Aufgabe von politischem Kabarett wäre, die Strategie jener Mächtigen hinterfragt, die die dramatisierten Drohen-Sichtungen für politische Ziele nutzen wollen (Stichwort: „Spannungsfall“). Zu dem propagandistischen Effekt kommt das „humoristische“ Niveau: Angelehnt an die Wetterberichte und den Vornamen des russischen Präsidenten heißt es: „Das Tief Wladi ist im Anmarsch“. Angelehnt an Tierdokumentationen heißt es, wir würden jedes Jahr das gleiche Schauspiel erleben: „Schwärme von jungen Drohnen haben den langen Weg aus der russischen Tundra auf sich genommen.“ Am liebsten würden diese Drohnen dann über Kasernen und kritischer Infrastruktur verharren. „Kein Wunder: Denn bei uns sind sie völlig ungestört.“ Darauf folgt dann die (ernst gemeinte) Botschaft, die den TV-Konsumenten momentan von allen Seiten eingetrichtert werden soll: „Tatsächlich braucht es in Deutschland ein ganz neues Bedrohungs-Bewusstsein.“ Später heißt es noch, voll auf offizieller Linie: „Es braucht wirklich mehr Wachsamkeit – und dann wundern wir uns, dass der Putin uns nicht ernst nimmt.“ Laut Heute-Show sind nur „einige“ der Drohnenpiloten „irgendwelche Hobby-Idioten“. Denn: „Wenn Infrastruktur stundenlang vermessen wird“, dann sei das „natürlich“ ein „staatlicher Akteur“. Welke: „Und ich sag mal so: Der Holländer war es nicht.“ Es fällt die folgende Behauptung: „So langsam kippt auch die Stimmung in der Bevölkerung.“ Das mag sein – das ist aber auch kein Wunder, wenn neben Politikern und fast allen Mainstream-Journalisten auch die TV-„Kabarettisten“ in die Kerbe der Drohnen-Hysterie hauen, anstatt diese zu enttarnen. Dass die aktuell fabrizierte Drohnen-Hysterie weitgehend unseriös ist, hat Florian Warweg kürzlich im Artikel „Die medial angeheizte Drohnen-Hysterie fällt jeden Tag mehr in sich zusammen [https://www.nachdenkseiten.de/?p=140202]“ beschrieben. Dass damit trotzdem momentan erfolgreich eine „Strategie der Spannung“ umgesetzt wird, haben die NachDenkSeiten in diesem Artikel thematisiert [https://www.nachdenkseiten.de/?p=139864]. „Putins Filialen in Deutschland“ Die antirussische Polemik von Ursula von der Leyen wird in der Sendung selbstverständlich gelobt. Andere Kräfte in Deutschland bleiben laut Heute-Show dagegen „Putins Filialen in Deutschland“, etwa der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla. Dazu wird ein AfD-Logo eingeblendet: Das „f“ stehe dabei für „Verräter“. Später wird ein „satirisches“ Bild eines fiktiven „russischen Spions“ gezeigt. Der trägt nicht nur einen Button mit dem Slogan „FCK NATO“, sondern auch einen mit dem Konterfei von Sahra Wagenknecht. Einmal mehr nimmt diese Art der unterwürfigen „Satire“ nicht die Strategien der Mächtigen aufs Korn, sondern diffamiert auf billige Weise ihre Kritiker. Es kommt auf die Themen an: Während zur Debatte um Kürzungen im Sozialstaat durchaus auch Kritik an der Regierung und an ihr verbundenen Propagandisten anklingt, bleiben die Heute-Show und viele weitere TV-Komödianten bei den Themen Russland, selbstzerstörerischer Wirtschaftskrieg, exzessive Aufrüstung usw. meist „voll auf Linie“. Satire richtet sich eigentlich gegen die Mächtigen und ihre Propaganda – nur dann „darf sie alles“, meiner Meinung nach. Billige Polemik von der großen TV-Bühne herab, zum Beispiel gegen die Kritiker der mit unseriösen Bedrohungs-Behauptungen befeuerten Militarisierung, kann dagegen auch als Hetze bezeichnet werden. Über angepasste Meinungsmache im Dienste von im Meinungskampf ohnehin schon bevorzugt behandelten Stimmen haben die NachDenkSeiten im Artikel „Jämmerliches ‘Kabarett’: TV-Satiriker schützen die Kriegspolitik [https://www.nachdenkseiten.de/?p=94699]” geschrieben: > „Einige der von Bürgergebühren bezahlten TV-‚Satiriker’ haben die eigene Berufsbezeichnung nicht verstanden: Satire sollte sich eigentlich vornehmlich gegen Fehltritte von mächtigen Akteuren richten, nur dann ‚darf sie alles‘. Wer aber gemeinsam mit Regierung und großen Medien gegen die im Meinungskampf bereits schwer benachteiligte Friedensbewegung nachtritt, der macht Propaganda, keine Satire.“ Zu dieser Meinungsmache gehören auch offene Widersprüche und Wechselbäder sowie daraus gezogene falsche Schlüsse: Nachdem in der Heute-Show unseriös die bereits auf allen Kanälen befeuerte Drohnen-Panik nochmals bestärkt wurde, erklärt Welke dann plötzlich: „Natürlich sind die Sichtungen kein Grund für Hysterie oder Panik – genau das wünscht sich Putin ja von uns.“ Titelbild: Screenshot/ZDF Mehr zum Thema: Die medial angeheizte Drohnen-Hysterie fällt jeden Tag mehr in sich zusammen [https://www.nachdenkseiten.de/?p=140202] „Soweit man einen Kopf halt schütteln kann, der bis zum Hals im Arsch der Amerikaner steckt“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=98373] Jämmerliches „Kabarett“: TV-Satiriker schützen die Kriegspolitik [https://www.nachdenkseiten.de/?p=94699] Corona: Kabarett als Schutzschirm für Regierungskurs [https://www.nachdenkseiten.de/?p=63738] Wer solche Künstler hat, braucht keine Mitläufer mehr [https://www.nachdenkseiten.de/?p=98894] Bravo: Kabarettistin Christine Prayon steigt bei „Heute Show“ aus [https://www.nachdenkseiten.de/?p=100127] [https://vg09.met.vgwort.de/na/773ddf08217a4cc2bdf4786938d4995a]

Seit einiger Zeit entsteht in Dessau das Julian Assange Archiv. In Zusammenarbeit mit Wikileaks-Gründer Julian Assange und seinem Team werden dort Artefakte gesammelt, die mit seinem Weg vom gefeierten Enthüllungsjournalisten über das Botschaftsasyl und Hochsicherheitsgefängnis zurück in die Freiheit zusammenhängen. Eine zentrale Rolle im Archiv spielt die Protestbewegung, die mithalf, ihn vor einem Lebensende in einem US-Gefängnis zu bewahren. Von Moritz Müller. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251015-Assange-Archiv-01.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251015-Assange-Archiv-01.jpg Hinter dem Archiv steht ein Verein mit der Vorsitzenden Manja McCade [https://www.manjamccade.com/] und ihrer Stellvertreterin Carmen Goeddaeus. Eine sehr kurze Führung durch die Geschichte von Julian Assange Vor fast genau 19 Jahren, am 4. Oktober 2006, wurde die Enthüllungsplattform Wikileaks [https://wikileaks.org/] von Julian Assange und einigen Weggefährten gegründet. Die Plattform ist so gestaltet, dass man dort anonym Dokumente hochladen kann. Wikileaks publizierte Material über Banken und andere Unternehmen, Regierungen, Korruption, Kriegshandlungen und Verbrechen. Es wurden Einsatzregeln der US-Armee veröffentlicht und Dokumente über das militärische Vorgehen im Irak und Afghanistan. Das von Wikileaks so betitelte Video „Collateral Murder“ zeigt die Ermordung von zwölf Zivilisten in Bagdad durch die Besatzungen zweier US-Militärhubschrauber. Die US-Armee hatte die Existenz des Videos jahrelang geleugnet. Wikileaks-Redakteur Kristinn Hrafnsson reiste nach Bagdad, um das Video zu verifizieren. Wikileaks berichtete der Weltöffentlichkeit Details über das Gefangenenlager Guantánamo [https://www.andyworthington.co.uk], in dem die Gefangenen Jahre bis Jahrzehnte verbringen, ohne verurteilt worden zu sein. Julian Assange und Wikileaks wurden als Helden der Pressefreiheit gefeiert und mit Medienpreisen überhäuft. Es setzte aber auch sehr schnell eine unbarmherzige Verfolgung ein. Kreditkartenfirmen sperrten Wikileaks-Konten und entzogen dem Projekt somit die tagtägliche Finanzierung. Im August 2010 reiste Julian Assange nach Schweden, wo ihm zwei Frauen, bei denen er zu Gast war, dort strafbares sexuelles Fehlverhalten vorwarfen bzw. die Polizei dies so interpretierte. Eine Staatsanwältin stellte die Untersuchungen nach einigen Tagen ein, und ein paar Tage darauf nahm eine andere das Verfahren auf Anregung eines sozialdemokratischen Politikers wieder auf. Diese Staatsanwältin erlaubte Julian Assange die Ausreise aus Schweden, um dann, als er sich in London befand, einen internationalen Haftbefehl auszustellen und seine Auslieferung nach Schweden zu fordern. Nicht nur Julian Assange fürchtete eine Finte der schwedischen und der US-Behörden, und es folgte ein eineinhalbjähriges juristisches Tauziehen, welches während Julian Assanges Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London weiterging. Der damalige UN-Sonderbeauftragte für Folter Nils Melzer [https://www.nachdenkseiten.de/?p=53173] schrieb 2019: > „Seither haben sowohl Schweden als auch Großbritannien alles getan, um zu verhindern, dass sich Assange diesen Anschuldigungen hätte stellen können, ohne sich gleichzeitig einer Auslieferung an die USA auszusetzen und damit einem Schauprozess sowie lebenslänglicher Gefangenschaft.“ Es kam in dieser Sache nie zu einer Anklage. Auf engstem Raum verbrachte er fast sieben Jahre in der Botschaft, um dann von der Londoner Polizei mit Genehmigung der ecuadorianischen Regierung verhaftet und in das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh verschleppt zu werden. Plötzlich zogen die USA eine Anklage der Spionage in 17 Punkten und des Computereinbruchs in einem Fall aus dem Ärmel, nachdem jahrelang geleugnet worden war, dass eine solche Anklage überhaupt existiert. Von April 2019 bis Juni 2024 wurde der Auslieferungshäftling Julian Assange unter unmenschlichen Bedingungen [https://www.nachdenkseiten.de/?p=97372] in Belmarsh festgehalten, während vor Londoner Gerichten in mehreren Instanzen über seine Auslieferung in die USA verhandelt wurde. Ich war an 23 Tagen bei diversen Gerichtsverhandlungen anwesend, und nicht nur ich bekam den Eindruck, dass es sich hier um eine juristische Farce handelte. Julian Assange saß während der Verhandlungen wie ein Gewaltverbrecher hinter Panzerglas oder war gar nicht anwesend. Am 24. Juni 2024 kam er zum ersten Mal seit dem 7. Dezember 2010 wieder auf freien Fuß, nachdem er eine Vereinbarung mit den ihn verfolgenden US-Justizbehörden eingegangen war. Dies bewahrte ihn vor möglicher lebenslanger Isolationshaft im Gefängnissystem der USA. Im Oktober letzten Jahres bezeichnete die Parlamentarische Versammlung des Europarats Assange nachträglich als politischen Gefangenen. Mit Beginn der Verfolgung Julian Assanges begann sich eine Protestbewegung zu formieren, die seine Freilassung forderte. Schon bei den Gerichtsverhandlungen um die Auslieferung nach Schweden waren Unterstützer zugegen. Bei den Mahnwachen vor der Botschaft im Londoner Stadtteil Knightsbridge nahm die Zahl der Protestierenden weiter zu. Als Befürchtungen bestanden, dass die britische Polizei entgegen internationalen Gepflogenheiten die Botschaft stürmen würde, gab es dort rund um die Uhr Mahnwachen. Aus diesen entstand dann über die Jahre eine weltweite Bewegung, die nicht lockerließ – trotz andauernder Rufmordkampagnen, die Assange als frauenfeindlichen Narzissten, als schrecklichen Hausgast in der Botschaft und als Vergewaltiger darstellten. In diesem Artikel [https://www.graswurzel.net/gwr/2023/05/solidaritaet-mit-julian-assange/] finden sich weitere Informationen zu dieser tragischen Geschichte, die glücklicherweise mit Assanges Freilassung endete. Auch 16 Monate später erholt er sich noch von den körperlichen und psychischen Belastungen dieser Jahre. Es zeugt von großer Widerstandskraft, dass er diese lange Zeit überhaupt überstanden hat. Leider gibt es weltweit Millionen anderer Menschen, die zu Unrecht ihrer Freiheit beraubt sind. Das Julian Assange Archiv in Dessau Die Archivarin Carmen startete Anfang 2020 mit einigen Mitstreitern die FreeAssange-Mahnwachen in Leipzig. Aus den Anfängen mit einem kleinen Transparent und drei, vier Personen entwickelte sich eine beeindruckende Menge von Unterstützern. Nach einer Weile stieß auch Manja McCade dazu, die die Mahnwachen nicht nur in Leipzig mit ihrem „Belmarsh Live“ Projekt bereicherte. Dabei handelt es sich um einen Anhänger, auf dem die Gefängniszelle von Julian Assange mit ihrer Grundfläche von zwei mal drei Metern nachempfunden ist. Mahnwachende und Passanten können in ihr versuchen, einen Eindruck davon zu bekommen, wie es sich anfühlt, in so einer Zelle 23 Stunden am Tag eingesperrt zu sein. Auch das Assange Archiv in Dessau wird als Ausstellungsstück eine Zelle beinhalten, die auf- und abgebaut werden kann. Diesmal geschieht das mit Beratung durch Julian Assange, sodass auch das Interieur der Zelle dem entsprechen wird, wie es dort wirklich ausgesehen hat – komplett, ohne Matratze, denn Julian Assange schlief auf einer Yogamatte, über die er auf seinen Rundgängen in der Zelle „wandern“ konnte. Außerdem brauchte er Platz für die zahlreichen Bücher, die seine Unterstützer über den Gefängnisbuchhandel für ihn bestellten. Auch diese Bücher werden zurzeit archiviert. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251015-Assange-Archiv-02.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251015-Assange-Archiv-02.jpg Manja McCade und Carmen Goeddaeus waren nach Assanges Freilassung an sein Team herangetreten und hatten vom geplanten Archiv berichtet. Nach einigen Gesprächen über das Geplante und einem Besuch von Assanges Vertretern vor Ort in Dessau war man sich einig, dass dies eine gute und realisierenswerte Idee ist. Auf Basis eines Leihvertrags hat das Archiv auch einen Großteil der originalen Möbel aus der Zeit des Botschaftsasyls erhalten, und es ist geplant, diese Möbel im Archiv so aufzustellen, wie sie auch in der Botschaft standen. Interessierte können dieses Archiv nach Terminabsprache besuchen [https://julianassangearchive.org/archivbesuch]. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251015-Assange-Archiv-03.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251015-Assange-Archiv-03.jpg Des Weiteren sind alle Briefe – 45.000 bis 50.000 an der Zahl –, die Julian Assange nach Belmarsh geschickt wurden, Teil des Leihvertrags. Ein Teil dieser Briefe ist zwar geöffnet, aber nur von der Gefängnisleitung „gelesen“ und dann Julian Assange vorenthalten worden. Als ich mit Manja McCade sprach, war noch nicht ganz klar, wie mit diesen Briefen vorgegangen werden soll – eine weitere Entscheidung, die mit Julian Assange und Team abgesprochen werden wird. Diese Zusammenarbeit lässt das Vorhaben der Archivgründerinnen sehr authentisch wirken. Carmen Goeddaeus, quasi die „Chef-Archivarin“, sorgt dafür, dass alles nach den Regeln eines professionellen Archivs aufgenommen und katalogisiert wird. Es gibt dann auch noch die Briefe, mit denen Julian Assange im zuvor frankierten Rückumschlag geantwortet hat. Die Archivarinnen wären sehr dankbar, wenn die Menschen, die diese Briefe erhalten haben, eine Kopie an das Archiv schicken würden. Auch über praktische Hilfe und finanzielle Unterstützung freuen sie sich. Das Archiv hat somit einige Standbeine. Man kann sich mit den Enthüllungen von Wikileaks beschäftigen, die uns aufgeklärt haben über die Machenschaften der Machthabenden, die aber auch den Opfern dieser Machenschaften Beweise an die Hand gegeben haben, um sich gegen diese zu wehren. Außerdem kann man sich dort ein Bild davon machen, wie beengt Julian Assange für über zwölf Jahre leben musste, eben weil er den Mächtigen die Stirn geboten hat und dabei kaum Rücksicht auf seine eigene Situation nahm. Die Enthüllungen über die CIA und Hillary Clintons Machenschaften im Präsidentschaftswahlkampf 2016 fallen in die Zeit des Botschaftsasyls. Besonders auch aufgrund dieser Veröffentlichungen war Assange durchaus umstritten. Ein zentraler Punkt der US-Anklage war, dass er angeblich Quellen gefährdet habe. Dies haben die USA jedoch nie mit eindeutigen Beweisen untermauert. Assange selbst konnte aus der Haft nichts dazu sagen. Vielleicht kann das Archiv unter anderem dazu dienen, diese Themen zu erhellen, indem man sich offen mit der Materie auseinandersetzt. Assange musste ständig befürchten, verhaftet oder ausgeliefert zu werden. Er hat überlebt, ohne darüber bitter oder gebrochen [https://www.nachdenkseiten.de/?p=122414] zu sein. Auch das ist inspirierend, genauso wie das nächste Standbein des Archivs, nämlich die Dokumentation der Graswurzelbewegung aus Bürgerinnen und Bürgern weltweit. Diese Menschen haben jahrelang nicht lockergelassen, standen bei Wind und Wetter auf der Straße, vor der Botschaft, vor dem Gefängnis, in deutschen Innenstädten und vor dem Australia House in London, um die australische Regierung an ihre Pflichten gegenüber ihrem Bürger Assange zu erinnern. Vor allem dieser Teil soll die Besucher anregen, nicht den Mut zu verlieren, und daran erinnern, dass in diesem Fall gewaltfreier Protest und Druck von der Straße zum Ziel geführt hat. Der Archiv-Verein ist offen für Besuche von Schulklassen, damit Schülerinnen und Schüler aus der Nähe sehen können, dass es etwas bringen kann, sich für seine Ideale einzusetzen. Manja McCade erzählte mir auch vom Wunsch des Archiv-Teams, dass Menschen von ihren Begegnungen auf den Mahnwachen berichten und andere Menschen an diesen Anekdoten teilhaben lassen. Sie erzählte mir selbst von einem Liebespaar, dass sich auf der Berliner Mahnwache kennengelernt und dann später geheiratet hat. Von meinen Besuchen in London gäbe es auch einiges an zwischenmenschlichen Geschichten zu berichten. Ich habe in dieser Zeit einige großartige, engagierte Menschen getroffen. Es gab allerdings auch Meinungsverschiedenheiten und inkompatible Persönlichkeiten. Über den Umgang mit Covid und die Einschätzung der Maßnahmen hatte sich die dortige Unterstützergemeinde zeitweise auch gespalten. Das Archiv befindet sich gut gesichert in einem Lagerhaus. Derzeit laufen dort die Sichtung und Katalogisierung des Materials. Wer meint, auch noch Dinge oder Informationen zu haben, die zum Archiv passen, ist eingeladen, diese dem Archiv zukommen zu lassen, seien es Originale oder Kopien. Für den kommenden Sommer ist dann die erste große Ausstellung in der Dessauer Innenstadt geplant – hoffentlich auch im Beisein einiger der Akteure dieser bemerkenswerten Geschichte. Die Räumlichkeiten dafür sollen noch gefunden werden. Dort werden dann das Zimmer in der ecuadorianischen Botschaft und auch Julian Assanges Gefängniszelle in Belmarsh nachgebaut sein. Ein weiterer Raum wird der sogenannte „Aktionsraum“ sein, in dem die Aktionen der Unterstützer dokumentiert werden sollen. Es gab Konzerte, Menschenketten, Demonstrationen, Kunstaktionen, Mahnwachen und vieles mehr. Außerdem ist ein „Reflexionsraum“ geplant, in dem die Besucher ihre Eindrücke verarbeiten können. Das Archiv soll dazu ermutigen, diese Eindrücke in das tägliche (politische) Leben einzubinden. Für diesen künstlerisch-kreativen Teil zeichnet hauptsächlich Manja McCade verantwortlich. Im Gegensatz zu dem derzeitigen Lager, in dem man sich für einen Besuch anmelden muss, wird die Ausstellung im Sommer geregelte Öffnungszeiten haben, sodass Interessierte einfach vorbeikommen können. Nächstes Jahr wird in Dessau auch das hundertjährige Bestehen des Bauhauses [https://www.bauhaus-entdecken.de/das-jubilaeum/100-jahre] gefeiert, deshalb lohnt sich eine Reise dorthin umso mehr. Es ist bewundernswert, dass es den Archivarinnen gelungen ist, diese weltweit einzigartige Sammlung nach Dessau zu holen. Die Webseite des Archivs können Sie hier besuchen [https://julianassangearchive.org/home-de]. Dort finden sich auch Informationen darüber, wie man das Archiv unterstützen kann, wie man Fördermitglied im Verein wird, und weitere Details zur Zielsetzung des Vereins, wie es zur Gründung kam und wer noch an diesem Projekt mitwirkt. Titelbild: MMC/Assange Archiv

Wie tief will die Kirche noch sinken? Gerade haben sich die Bischöfe in die Debatte zum Wehrdienst eingeschaltet. In einer Erklärung [https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2025/2025-167a-Erklaerung-zur-Debatte-um-den-Wehrdienst-Wortlaut.pdf] positionieren sich die „Männer Gottes“ und erweisen sich als traurig-muntere Sekundanten der Politik. Aus Sicht der katholischen Friedensethik sei die Verteidigungsfähigkeit „legitim“. In ihrer Erklärung findet sich kein kritisches Wort zum Irrsinn der Aufrüstungspolitik. Stattdessen: Eine verengte Sichtweise, die der Komplexität der Situation zwischen NATO und Russland nicht gerecht wird. Falsche Prämissen führen zu falschen Schlüssen. Dass selbst Bischöfe nicht über den Rand der Tagesschau-Realität hinausschauen, ist erschreckend. Ein Kommentar von Marcus Klöckner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Die „Männer Gottes“ haben sich positioniert. Sie wollen sich einschalten in die Debatte um die Wehrpflicht. Hätten sie es besser gelassen. Am Montag dieser Wochen haben die Würdenträger eine entsprechende „Erklärung“ veröffentlicht [https://www.katholisch.de/artikel/64987-bischoefe-deutschland-muss-verteidigungsbereit-werden]. Herausgekommen ist dabei ein Dokument, das verdeutlicht: Wer auf falsche Prämissen baut, zieht auch falsche Schlüsse. Satz für Satz in der Erklärung ließe sich an dieser Stelle zerlegen. Verzerrte, propagandistisch kontaminierte Realitätsvorstellungen führen eben auch zu verzerrten, propagandistisch kontaminierten Positionen. Es ist traurig – wirklich traurig! –, dass man offensichtlich Bischöfen die Welt erklären muss. Politik mag nicht das Geschäft der Gottesdiener sein, aber wenn sie ihren Mund schon zur Politik aufmachen, dann darf, ja: muss! die Gesellschaft erwarten können, dass etwas Substanzielles zum Vorschein kommt. Propaganda wiederkäuende Bischöfe braucht eine Gesellschaft, in der Politiker immer weiter auf Konfrontationskurs mit Russland gehen, gewiss nicht. Doch genau das kommt – bei Lichte betrachtet – zum Vorschein. Da heißt es etwa in der Erklärung: > „Angesichts der gegenwärtigen sicherheitspolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen (…)“. Das ist der erste Satz in der Erklärung – ein Satz, der so auch hätte von der Bundesregierung, dem Verteidigungsministerium oder der NATO-Pressestelle formuliert werden können. Schon an dieser Stelle möchte man den Bischöfen entgegenrufen: Bitte, hört auf! Lasst es sein! Es reicht schon! Der ganze Komplex an falschen Vorstellungen, nicht sauber reflektierten Annahmen und Wahrnehmungen verdichtet sich in diesen Worten zum Eckstein einer hochgradig propagandistischen Politik. Die Bischöfe zeigen nicht die Realität auf, sondern agieren wie Politiker, die in einem Akt der Propaganda – durch einen Sprechakt – jene Realität erzeugen, die sie dann bekämpfen wollen. „Angesichts der gegenwärtigen sicherheitspolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen (…)“ – ja, was ist denn im Angesicht der politisch mutwillig und vorsätzlich hervorgerufenen „gegenwärtigen sicherheitspolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen“? Was haben die Bischöfe dazu zu sagen? Sie reden in der Erklärung so über die „gegenwärtigen sicherheitspolitischen und gesellschaftlichen Herausforderungen“, als seien diese vom Himmel gefallen oder genauer: als seien sie aus einem Akt Putin‘scher Selbstzeugung hervorgegangen. Sind Bischöfe wirklich so beschränkt, dass sie die einfachste Volksweisheit nicht begreifen? „Ein Bock stößt nie allein.“ Anders formuliert: Die Situation in der Ukraine ist eben nicht nur durch das Verhalten Russlands zu verstehen. Muss man Bischöfen wirklich erklären, was Tiefenpolitik ist? Muss man Bischöfen wirklich erklären, wie Geopolitik funktioniert? Muss man Bischöfen wirklich erklären, seit wann die CIA in der Ukraine agiert und was sie dort getan hat und tut? Da heißt es weiter in der Erklärung: > Bereits mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat sich seit 2014 die sicherheitspolitische Lage für Deutschland, die EU und die NATO grundlegend gewandelt. Bei diesen Zeilen könnte einem leicht der Geduldsfaden reißen. Um es sich vor Augen zu führen: Wir reden über Bischöfe und nicht über Äußerungen von Stammtischbrüdern. Bischöfe sind ziemlich kluge Menschen. Sie haben ein großes Wissen, einen ausgeprägten Verstand. Und das Denken in komplexeren Zusammenhängen ist ihnen vertraut. Schließlich: Die Bibel samt ihrer vielfältigen, weitverzweigten Geschichte bringt eine gewisse Komplexität mit sich. Doch der Respekt vor dem Wissen der klugen Kirchenköpfe hilft an der Stelle ja auch nicht weiter. Wie kommen die Bischöfe dazu, einen solchen Satz zu veröffentlichen, der die Intelligenz jedes auch nur halbwegs versierten politischen Beobachters beleidigt? In der Sinnenklave der bischöflichen Politikwahrnehmung scheinen sich Ursache und Wirkung im Rausch der Medienpropaganda zu verlieren. Da ist der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands und da ist eine sicherheitspolitische Lage, die sich – wir achten auf die Formulierung – gewandelt hat. Wir alle wissen: Schon Kinder machen sich bisweilen Gedanken darüber, was denn nun zuerst da war: Das Huhn oder das Ei? Das ist eine unterhaltsame Frage. Sie basiert auf menschlichem Erkenntnisinteresse. Gut, dass es das gibt. Wo aber ist das Erkenntnisinteresse der Bischöfe geblieben? Die Ursache allen Übels, mit dem „wir“ es nun zu tun haben, scheint durch den Angriff Russlands auf die Ukraine entstanden zu sein. Der Westen als „Player“, als handelnder Akteur: Er kommt in den Worten – wie auch in der gesamten Erklärung – nicht vor. Das Agieren westlicher Staaten in einem Stellvertreterkrieg, die Verbrennung von Menschen im Gewerkschaftshaus in Odessa, die Todesschüsse auf dem Maidan, der Coup d’État, die 14.000 Toten im Kampf zwischen dem ukrainischen Militär und den Rebellen, die Erkenntnisse des ehemaligen US-Sicherheitsberaters Brzezinski zur Ukraine usw. usw. usw.: In der Sinnwelt der bischöflichen Erklärung ist die Realität bemerkenswert eindimensional – so eindimensional, wie sie Politik und Medien unaufhörlich zeichnen. Da reden die Bischöfe von einem „völkerrechtswidrigem Angriffskrieg Russlands“ (Sprachregelung Medien) und benennen einen handelnden Akteur klar und eindeutig: Russland. Aber die anderen handelnden Akteure im Ukraine-Krieg bleiben ungenannt – während die Würdenträger ins Vage gleiten. Die sicherheitspolitische Lage hat sich in der Wahrnehmung der Bischöfe „gewandelt“. Erinnert sei an dieser Stelle daran, wie im Zuge der neoliberalen Revolution die Globalisierung zum unangreifbaren Subjekt wurde, das „verantwortlich“ für gewisse Verhältnisse gemacht wurde, während in der Realität konkret benennbare Gruppen und Akteure die Verursacher der Globalisierungspolitik waren. Hier lassen die Bischöfe – wunderbar entsubjektiviert – eine sicherheitspolitische Lage sich wandeln, ganz so, als ob nicht die katastrophale Haltung, die verheerenden Entscheidungen westlicher Politiker zu diesem Wandel der sicherheitspolitischen Lage geführt hätten. Und so geht es weiter – Zeile für Zeile, Gedanke für Gedanke. Da bieten die Bischöfe die „katholische Friedensethik“ auf, um zu dem Schluss zu kommen, dass „die Sicherstellung der militärischen Verteidigungsfähigkeit unter bestimmten Bedingungen (Verhältnismäßigkeit, Ausrichtung auf den Erhalt des Friedens etc.) legitim“ sei. Meine Güte! Es bedarf doch keiner katholischen Friedensethik, um zu dem Schluss zu kommen, dass unter bestimmten Bedingungen eine militärische Verteidigungsfähigkeit in Ordnung ist. Diese Feststellung geht doch völlig am Kern des Problems vorbei. Das Problem ist, dass Bischöfe sich für eine militärische Verteidigungsfähigkeit in einer Zeit aussprechen, in der Politiker eben keine Friedenspolitik betreiben, sondern die Losung „kriegstüchtig“ ausgeben. Indem die Bischöfe hier das Selbstverständliche mit ihren wohlgesalbten Worten untermauern und sich nicht in der Lage zeigen, sich kriegsvorbereitender Propaganda entgegenzustellen, spielen sie der Politik in die Karten. Bemerken die Bischöfe das wirklich nicht? Schließlich geht es ans Eingemachte: die neue Wehrpflicht. Kein Wort zu den brutalen, unmenschlichen Zwangsrekrutierungen auf offener Straße in der Ukraine – dafür ein bischöflicher Eiertanz. Da setzen sich die Bischöfe dafür ein, dass es einen „umfassenden“ Diskurs gibt, „der gleichermaßen die militärischen, politischen, ökonomischen und nicht zuletzt sozialpsychologischen Dimensionen von Sicherheit und Verteidigung miteinbezieht und zugleich eine langfristige Friedensperspektive entwickelt“. Dann könnten „erforderliche Abwägungen sachgerecht getroffen werden.“ Schließlich heißt es: > Auch eine mögliche Wiedereinsetzung der allgemeinen Wehrpflicht würde wesentlich davon abhängen, dass weite Teile der Bevölkerung von der Notwendigkeit dieser Maßnahmen überzeugt werden können – dies gilt im Übrigen auch für alle Versuche, die Attraktivität eines freiwilligen Wehrdienstes zu erhöhen, wie für Überlegungen zu einem verpflichtenden Gesellschaftsdienst. Ohne eine überzeugende politische Kommunikation wird man nicht jenes Vertrauen in der Bevölkerung schaffen, das für das Mittragen weitgehender Einschnitte in die persönlichen Freiheitsrechte vor allem junger Menschen erforderlich ist. Wer diesen Zeilen liest, wer diese Gedanken erfasst, kann nur zu einer Auffassung gelangen: Sie werden es mittragen. Die Bischöfe, die Kirche: Sie werden, wenn es hart auf hart kommen sollte, selbst einen Krieg mittragen. Das einzige Problem, das die Kirchenmänner hier erkennen lassen, ist, dass es noch an Überzeugung in der Gesellschaft für die angestrebten Maßnahmen im Rahmen des politischen Großprojekts Kriegstüchtigkeit fehlt. Damit stellen sie sich in die Reihen der Politik und all jener, die die Gesellschaft kriegstüchtig machen wollen – und dazu braucht es eben auch die Überzeugung in der Bevölkerung. In der Erklärung der Bischöfe steckt noch viel mehr drin, das näher zu betrachten wäre, doch es soll an dieser Stelle reichen. Besser wird die Stellungnahme ohnehin nicht. Ist es zu viel verlangt von deutschen Bischöfen, in der gegenwärtigen Situation in einer Erklärung zu sagen: „Die Waffen nieder!“? Auch dieser Satz kommt in der Erklärung nicht vor. Leider kann hier nicht geklärt werden, ob die Bischöfe der Propaganda auf den Leim gehen oder was genau der Grund für ihre Positionierung ist. Es fällt schwer, für dieses Elaborat „Pech beim Denken“ als Entschuldigung anzuführen. Die Lage ist tatsächlich ernst – aber anders, als Bischöfe es meinen. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, sich der vorherrschenden desaströsen Politik entgegenzustellen. Stattdessen gerät die Erklärung zum Kitt einer Politik, die in den Abgrund führt. Titelbild: BalkansCat / Shutterstock[http://vg01.met.vgwort.de/na/310a5a9f4a9546beb1614baaa6d080f8]

Heute erschien der oben abgebildete Artikel als Aufmacher auf der ersten Seite der Regionalzeitung Die Rheinpfalz. Wenn so etwas in der Kanzler-Zeit von Helmut Schmidt oder Willy Brandt passiert wäre, dann hätten die Puppen getanzt. Ich war bei Brandt und Schmidt insgesamt zwölf Jahre lang Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt und habe damit auch jeden Werktagmorgen an der morgendlichen Lagebesprechung teilgenommen. Der Regierungssprecher – bei Helmut Schmidt die meiste Zeit Klaus Bölling – berichtete jeweils zu Anfang der Sitzung kurz über bemerkenswerte Ereignisse und Meldungen in den Medien. Wenn er von einer ähnlichen Meldung wie der oben abgebildeten berichten hätte müssen, dann wäre vom Chef des Bundeskanzleramts mit Zustimmung der gesamten Runde eine deutliche Rüge an die Dienste und die Weisung ergangen, solche Eingriffe in die Außenpolitik künftig zu unterlassen. Albrecht Müller. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Der für die Geheimdienste zuständige Kollege hätte keinerlei Rechtfertigungsversuch unternommen, er hätte die Rüge sofort nach der Sitzung an die Dienste weitergegeben. Wahrscheinlich können die heutigen Geheimdienste davon ausgehen, dass der jetzige Bundeskanzler Merz die oben beschriebene Medienarbeit seiner Geheimdienste eher wohlwollend betrachtet und schon deshalb eine Rüge nicht zu befürchten ist. Dass das so ist, zeigt die Schwäche der jetzigen Bundesregierung. Außerdem ist der Vorgang im Blick auf den Regierungspartner SPD interessant. Die in dem Artikel deutlich erkennbare Stimmungsmache gegen Russland ist das Gegenteil dessen, was mit der von der SPD in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts begonnenen und dann umgesetzten Entspannungspolitik betrieben worden ist. 1963 verlautbarten Willy Brandt und Egon Bahr bei der Evangelischen Akademie in Tutzing „Wandel durch Annäherung“, sie versprachen damit unserem Volk, im damaligen kommunistischen Osten einschließlich der DDR könne ein innerer Wandel in Gang gesetzt werden, wenn die Konfrontation zwischen West und Ost abgebaut wird. Wie recht sie hatten! – In seiner ersten Regierungserklärung im Oktober 1969 erklärte der neu gewählte Bundeskanzler Brandt (SPD): „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein“. Dass der heutige Bundesverteidigungsminister, ausgestattet mit dem SPD-Parteibuch, in diesen Zeiten erklären kann, wir sollten kriegstüchtig werden, ist allerdings ein Zeichen dafür, dass neue, schlimme Zeiten angebrochen sind. Mir scheint, die Rüstungslobby ist jetzt auf die Ministersessel geklettert. Armes Deutschland! Die Geheimdienste prägen die Außenpolitik. Und die Rüstungswirtschaft bestimmt über den Rüstungsetat. Die Behauptung, Russland plane einen Angriff auf den Westen, auch jenseits der Ukraine, ist eine dieser durchschlagenden Behauptungen, die die Rüstungsindustrie braucht, um ihre Auftragsbücher zu füllen. Titelbild: Die Rheinpfalz

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