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„Räuberpistolen“ – Annullierung der Präsidentschaftswahl in Rumänien als Blaupause für die anstehende Bundestagswahl?

Im Dezember 2024 hatte das Verfassungsgericht die Präsidentschaftswahlen in Rumänien mit Verweis auf eine angeblich russische Beeinflussungskampagne auf TikTok annulliert. Jetzt haben Recherchen ans Licht gebracht, dass in Wirklichkeit nicht „russische Agenten“, sondern die NATO-freundliche Präsidenten- und Regierungspartei PNL höchstselbst die Kampagne initiiert und bezahlt hatte. Mutmaßlich, um ein Instrument zu haben, im Falle einer für sie schlecht laufenden Wahl diese rückgängig machen zu können. Völlig unbeeindruckt von diesen Erkenntnissen fordert derweil der EU-Kommissar a.D. Thierry Breton, „falls nötig“, auch die Bundestagswahl nach rumänischem Vorbild zu annullieren. Die NachDenkSeiten fragten nach der Bewertung der Bundesregierung. Diese sieht in den neuen Erkenntnissen nur „Räuberpistolen“. Von Florian Warweg. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Massenproteste und neue Erkenntnisse zu den Hintermännern der angeblich „russischen“ TikTok-Kampagne Am vergangenen Wochenende gingen in Rumänien tausende Menschen auf die Straße, um gegen die umstrittene Annullierung der Präsidentschaftswahlen vom 24. November 2024 zu demonstrieren und die Rücknahme dieser Entscheidung zu fordern. > In Rumänien wird der Rücktritt des amtierenden Präsidenten Klaus Johannis gefordert. Ihm wird vorgeworfen, mit konstruierten Manipulationsvorwürfen für die Annullierung der Präsidentschaftswahl gesorgt zu haben. Habt Ihr das in der @tagesschau [https://twitter.com/tagesschau?ref_src=twsrc%5Etfw] gesehen?pic.twitter.com/OJA5rtPx4M [https://t.co/OJA5rtPx4M] > > — Hirnschluckauf (@Hirnschluckauf) January 13, 2025 [https://twitter.com/Hirnschluckauf/status/1878731354348851542?ref_src=twsrc%5Etfw] Hintergrund der Proteste sind unter anderem Recherchen des renommierten Investigativportals Snoop. In dem bereits Ende Dezember veröffentlichten Bericht [https://snoop.ro/anaf-a-descoperit-ca-pnl-a-platit-o-campanie-care-l-a-promovat-masiv-pe-calin-georgescu-pe-tiktok/] wird detailliert dargelegt, dass die angeblich von russischen Geheimdiensten gesteuerte TikTok-Kampagne für den NATO-kritischen Präsidentschaftskandidaten Călin Georgescu in Wirklichkeit von der amtierenden liberalkonservativen Präsidenten- und Regierungspartei Partidul Național Liberal (PNL) initiiert und bezahlt worden sei. Mutmaßlich, um damit ein Instrument zu haben, um im Falle eines nicht genehmen Wahlausgangs diesen mit Verweis auf „russische Einflussnahme“ revidieren zu können. Was dann auch im Dezember mit Verweis auf „geheimdienstliche Erkenntnisse“ geschah. Die Recherchen von Snoop stehen damit diametral der offiziellen Behauptung des rumänischen Geheimdienstes SRI entgegen, welche die Grundlage für die Entscheidung des Verfassungsgerichts zur Annullierung der Wahl darstellte, der zufolge die TikTok-Kampagne von Russland gesteuert worden sei. Snoop zitiert in dem Bericht aus der von der Ständigen Wahlbehörde Rumäniens bei der Nationalen Steuerverwaltung beantragten vertraulichen Untersuchung des Sachverhalts. Laut der Untersuchung war die Wahlkampagne von einer Marketingfirma namens Kensington Communication organisiert und von der transatlantisch ausgerichteten Präsidentenpartei PNL mit mehr als einer Million Leu (entspricht rund 210.000 US-Dollar) bezahlt worden. Kensington nutzte in Folge eine Plattform namens Fameup, um rund 130 Influencer mit spezifischen Skripten und Richtlinien zur Unterstützung von Georgescu zu koordinieren. Nach einem ersten Dementi gab Kensington schlussendlich auch zu, für die Wahlkampagne verantwortlich zu sein. Man sei jedoch selbst Opfer eines Hackerangriffs geworden, der die Kampagne zugunsten von Georgescu verändert habe. Die Enthüllung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Präsidentenpartei hat den ihr unterstehenden Geheimdienst bewusst eingesetzt, um eine für sie schlecht laufende Wahl mit Hilfe von inszenierten und von ihr bezahlten Beweisen einer angeblich belegten „russischen Einmischung“ wiederholen zu können. Damit hat sie den einzig als NATO-kritisch geltenden Kandidaten Georgescu auch zunächst erfolgreich ausgebremst. Der aktuelle Präsident Johannis gilt hingegen als begeisterter NATO-Anhänger und hatte vor dem Rückzug seiner Kandidatur im Juni 2024 sogar versucht, Generalsekretär des Bündnisses zu werden. In seiner insgesamt zehnjährigen Amtszeit war eines seiner Hauptanliegen, den Luftwaffenstützpunkt „Mihail Kogalniceanu“ bei Constanta zur größten NATO-Basis Europas auszubauen. Eines der wenigen politischen Ziele, die er tatsächlich erfolgreich umgesetzt hat. Ex-EU-Kommissar Breton fordert „wenn nötig“ Annullierung der Wahl auch in Deutschland Von diesen Erkenntnissen völlig unbeeindruckt, erklärte [https://rmc.bfmtv.com/actualites/international/on-l-a-fait-en-roumanie-thierry-breton-reagit-aux-ingerences-de-musk-en-allemagne-avec-l-afd_AN-202501090232.html] derweil der ehemalige EU-Kommissar Thierry Breton am 9. Januar gegenüber dem französischen Fernsehsender RMC mit Verweis auf die von ihm als gut und notwendig befundene Annullierung der Präsidentschaftswahl in Rumänien: > „Bewahren wir einen kühlen Kopf und setzen wir die Gesetze in Europa durch. Wenn die Gefahr besteht, dass sie umgangen werden, und wenn sie nicht durchgesetzt werden, könnte dies zu Einmischung führen. Wir haben es in Rumänien getan und wir werden es offensichtlich, falls nötig, auch in Deutschland tun müssen.“ Als einer der wenigen, um nicht zu sagen als einziger deutscher EU-Abgeordneter, hatte Martin Sonneborn (Die Partei) bereits im Dezember 2024 auf die Verquickungen der rumänischen Regierungspartei und des US-State Departments in der Angelegenheit der angeblichen „russischen Wahleinmischung“ hingewiesen. Für Regierungssprecher Steffen Hebestreit fällt das alles natürlich unter die Rubrik „Räuberpistole“… > Im Dezember erläuterte @MartinSonneborn [https://twitter.com/MartinSonneborn?ref_src=twsrc%5Etfw], dass die Annullierung der Wahl in Rumänien nicht auf russischer Beeinflussung basiert, sondern aus den USA angestoßen wurde. Außerdem, dass TikTok schon länger eher unter US-Kontrolle steht. EU und etablierte Medien dienten als Helfer. >>> pic.twitter.com/T7QdIv3Qmv [https://t.co/T7QdIv3Qmv] > > — Mathias_M (@matze2001) January 12, 2025 [https://twitter.com/matze2001/status/1878586262522913169?ref_src=twsrc%5Etfw] Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 13. Januar 2025 Frage Warweg Nach der umstrittenen Annullierung der Präsidentschaftswahlen in Rumänien haben wir am Wochenende umfangreiche Demonstrationen gesehen, die die Rücknahme dieser Annullierung forderten. Einer der Gründe ist ja unter anderem, dass mittlerweile bekannt geworden ist, dass die angeblich russische Einflusskampagne tatsächlich von der noch amtierenden Regierungspartei initiiert und bezahlt wurde. Vor diesem Hintergrund würde mich interessieren, ob die Bundesregierung es immer noch als so unproblematisch und rechtsstaatlich fundiert ansieht, dass die Präsidentschaftswahlen im ersten Gang annulliert worden sind, weil das die Darstellung war [https://www.nachdenkseiten.de/?p=126117], als ich hier Mitte Dezember nachgefragt hatte. Da würde mich interessieren, wie die Bundesregierung mittlerweile diese Causa bewertet. Wagner (AA) Herr Warweg, ich habe keinen neuen Stand. Wir kommentieren innenpolitische Vorgänge bei unseren EU-Partnern ja hier normalerweise nicht, und insofern würde ich es jetzt auch hier so handhaben. Das ist ja ein Vorgang, der sozusagen die innenpolitischen Akteure in Rumänien und die dortige Justiz betrifft. Insofern habe ich da keinen weiteren Kommentar für Sie. Zusatzfrage Warweg Der EU-Kommissar a. D. Thierry Breton hat kürzlich erklärt, ich zitiere ganz kurz: Wir haben es in Rumänien getan, und wir werden es offensichtlich, falls nötig, auch in Deutschland tun müssen. – Er spielte dabei auf die bereits erwähnte Wahlrücknahme aufgrund von Einflusskampagnen in den sozialen Medien an. Da würde mich nur die allgemeine Rechtslage interessieren. Würde es tatsächlich jetzt à la Thierry Breton ausreichen, dass es eine ominöse TikTok-Kampagne gibt, bei der die Quelle nicht wirklich klar ist, um die Bundestagswahlen zurücknehmen zu können oder annullieren zu können? Ich weiß nicht, wer sich auf dem Podium sprechbereit zeigt. Regierungssprecher Hebestreit Vielleicht kann ich Ihrer Räuberpistole insoweit etwas entgegenhalten: Das war in Rumänien meines Wissens eine Entscheidung des dortigen obersten Gerichtshofes. Das war nicht eine Entscheidung eines früheren EU-Kommissionsmitgliedes. Insofern würde ich das dann auch klar dem juristischen Sachverstand des dortigen obersten Richters überlassen und auch keine anderen Thesen in den Raum stellen. Kall (BMI) In Deutschland entscheidet auch das Bundesverfassungsgericht, wenn die Gültigkeit einer Bundestagswahl bzw. generell von Wahlen angegriffen wird, insofern auch hier das höchste deutsche Gericht. Frage Jessen Das knüpft daran an. Was Thierry Breton sagte, bezog sich ja auf die Einmischung von Elon Musk in den deutschen Wahlkampf. Sieht die Bundesregierung da in irgendeiner Weise vergleichbare Strukturen, die dann auch eine vergleichbare Überlegung, nämlich eine Annullierung von Wahlen, in irgendeiner Weise rechtfertigen würden? Hebestreit Ich mache das kurz: Zum jetzigen Zeitpunkt absolut nicht, nein. Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 13.01.2025 Mehr zum Thema: Wie bewertet die Bundesregierung die komplette Annullierung der Präsidentschaftswahl in Rumänien? [https://www.nachdenkseiten.de/?p=126117] Deutsche Medien ignorieren weiterhin den Skandal von Rumänien [https://www.nachdenkseiten.de/?p=126102] Rumänien: NATO-Kritiker überrascht bei Präsidentschaftswahl [https://www.nachdenkseiten.de/?p=125269] Rumänien hat sich verwählt, weil ein paar bezahlte TikToker nicht richtig ticken [https://www.nachdenkseiten.de/?p=127031] [https://vg07.met.vgwort.de/na/1172ed53eab041908989b46325e4adfa]

Ayer - 10 min
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Das Zeitfenster für eine mögliche Sanierung von Nord Stream schließt sich

In einem gestern erschienenen Interview mit der Berliner Zeitung forderte der sächsische Ministerpräsident Kretschmer erneut [https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/kretschmer-will-neue-beziehungen-zu-russland-das-nord-stream-problem-muss-geloest-werden-li.2288977], aufgrund der hohen Energiepreise eine Wiederaufnahme der russisch-deutschen Gaslieferungen ins Auge zu fassen. Das Timing des Interviews mag dem Wahlkampf geschuldet sein, viel Zeit bleibt der Politik nämlich nicht. In der letzten Woche übergab [https://www.zentralplus.ch/wirtschaft/die-letzte-stundung-der-nord-stream-2-hat-geschlagen-2670870/] ein Schweizer Gericht die Entscheidungsgewalt, was mit Nord Stream 2 passieren wird, de facto fünf westeuropäischen Energiekonzernen, die als Großgläubiger Forderungen gegen die Gazprom-Tochter haben, der Nord Stream 2 noch gehört. Sollte es keine Einigung geben, werden die Pipelines wohl im Frühsommer im Rahmen eines Konkursverfahrens versteigert. Bislang gibt es nur einen Interessenten und der ist ausgerechnet ein US-Investor und Trump-Vertrauter, der die US-Kontrolle über den europäischen Gasmarkt sichern will. Wenn die Bundesregierung also die Option künftiger russischer Gaslieferungen über die Ostsee bewahren will, müsste sie bald handeln. Doch das ist unwahrscheinlich. Von Jens Berger. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Wenn über Nord Stream und die Zukunft der Ostseepipelines gesprochen wird, herrscht leider oft eine gewisse begriffliche Verwirrung, die vor allem darin begründet ist, dass die beiden Pipelineprojekte Nord Stream und Nord Stream 2 nicht separat betrachtet werden. Das ist aber in diesem Kontext wichtig, da es große Unterschiede sowohl bei der technischen, der ökonomischen, aber auch der rechtlichen Situation gibt. Nord Stream 1 Betrachten wir zunächst die Pipeline Nord Stream, manchmal auch Nord Stream 1 genannt. Nord Stream nahm 2011 seinen Betrieb auf und gehört der Nord Stream AG [https://de.wikipedia.org/wiki/Nord_Stream_AG], die im Schweizer Kanton Zug ansässig ist. Die Nord Stream AG gehört zu 51 Prozent dem russischen Unternehmen Gazprom AG, an dem wiederum der russische Staat mit 50 Prozent die Mehrheitsbeteiligung hält. Die restlichen 49 Prozent Besitz an der Nord Stream AG teilen sich heute nach einigen Umstrukturierungen die ehemals deutsche Wintershall Dea GmbH (15,5 Prozent), die ihrerseits im September 2024 von BASF an das britische Unternehmen Harbour Energy verkauft wurde [https://www.hessenschau.de/wirtschaft/zentrale-in-kassel-geschlossen-mitarbeiter-von-wintershall-dea-verlieren-job-v1,wintershall-dea-106.html]. Weitere 15,5 Prozent gehören dem deutschen Energiemulti E.ON AG. Das niederländische Staatsunternehmen Gasunie sowie die französische Engie, an der der französische Staat mit 24,1 Prozent beteiligt ist, sind mit jeweils 9,0 Prozent an der Nord Stream AG beteiligt. Der Nord Stream AG gehören die beiden Röhren der Nord-Stream-Pipeline. Beide Röhren wurden durch den Anschlag am 26. September 2022 schwer beschädigt und sind seitdem außer Betrieb. Die Nord Stream AG selbst ist jedoch nicht Gegenstand amerikanischer oder europäischer Sanktionen, und auch wenn sie derzeit nur die beschädigten Transportrohre verwaltet, ist sie auch nicht insolvent oder gar im Konkurs. Rechtlich und ökonomisch gäbe es also zunächst einmal keine zwingenden Gründe, warum die beiden Stränge von Nord Stream 1 nicht wieder in Betrieb gehen könnten. Technisch sieht dies jedoch anders aus. Über das Ausmaß der Schäden gibt es unterschiedliche Angaben, wobei zahlreiche Quellen eine Sanierung und Wiederinbetriebnahme technisch durchaus für möglich halten. Nur weil eine Sanierung technisch möglich ist, heißt dies jedoch nicht, dass dies auch rechtlich umsetzbar wäre. Wenn beispielsweise die Schäden so groß sind, dass man die beschädigten Rohre durch Umleitungen überbrücken müsste, wären dafür neue Zulassungsverfahren nötig, bei denen auch die Anrainerstaaten grünes Licht geben müssten. Sicher – wir bewegen uns hier vollends im Konjunktiv, aber nach Lage der Dinge stehen die Chancen für eine Wiederinbetriebnahme der Stränge von Nord Stream 1 derzeit selbst dann eher schlecht, wenn eine kommende Bundesregierung dieses Vorhaben unterstützen würde. Nord Stream 2 Vollkommen anders sieht die rechtliche und ökonomische Situation für das neue, nie in Betrieb genommene Pipelineprojekt Nord Stream 2 aus. Nord Stream 2 gehört der Nord Stream 2 AG, die ebenfalls im Schweizer Kanton Zug sitzt, aber anders als die Nord Stream AG eine 100-prozentige Tochter der russischen Gazprom AG ist und internationalen Sanktionen unterliegt. Die zu Nord Stream 1 unterschiedlichen Besitzverhältnisse sind übrigens Folge einer Entscheidung des polnischen Kartellamts, das eine „marktbeherrschende Stellung“ beteiligter europäischer Energiekonzerne verhindern wollte. Anstatt sich an der Nord Stream 2 AG zu beteiligen, haben die europäischen Partner (die österreichische OMV, die damals finnische und mittlerweile vom deutschen Staat verstaatlichte Uniper, die damals deutsche und heute britische Wintershall Dea, die britisch-niederländische Shell AG und die französische Engie) ihre „Beteiligung“ an dem Pipelineprojekt in Form von Krediten beigesteuert. Mit jeweils 950 Millionen Euro haben sie sich zu 50 Prozent an den Gesamtbaukosten in Höhe von 9,5 Milliarden Euro beteiligt. Die Kredite sind nach dem Anschlag mittlerweile von den fünf westeuropäischen Unternehmen abgeschrieben worden, zumal die Nord Stream 2 AG durch die Sanktionen de facto zahlungsunfähig ist und auch das Mutterunternehmen Gazprom aufgrund der Sanktionen die ausstehenden Kreditrückzahlungen selbst dann nicht leisten könnte, wenn es dies wollte. Die Nord Stream 2 AG ist also massiv verschuldet, verzeichnet keine Geschäftseinnahmen und ist daher Gegenstand eines im Kanton Zug vom Kantonsgericht verhandelten Konkursverfahrens. Ziel dieses Verfahrens ist es, eine Einigung zwischen den Gläubigern und der Nord Stream 2 AG zu erzielen. Wenn dies nicht gelingt, muss das Gericht den Konkurs eröffnen und sämtliche Aktiva der AG werden öffentlich versteigert – die einzigen wirklich nennenswerten Aktiva der Nord Stream 2 AG sind die beiden Pipelinestränge, von denen einer – ähnlich wie die beiden Nord-Stream-1-Stränge – beim Anschlag schwer beschädigt wurde und der andere nach öffentlich zugänglichen Informationen wohl nicht bzw. nur leicht beschädigt ist und zumindest theoretisch ohne große Sanierungsmaßnahmen in Betrieb genommen werden könnte. Doch auch wenn die Lage aus technischer Sicht bei Strang B von Nord Stream 2 wohl relativ positiv aussieht, steht einer denkbaren Betriebsaufnahme hier – anders als Nord Stream 1 – die rechtliche Lage im Weg. Bundeswirtschaftsminister Habeck stoppte am 22. Februar 2022 – zwei Tage vor dem russischen Angriff auf die Ukraine – das Zertifizierungsverfahren für die Nord Stream 2 AG. Im Rahmen der Zertifizierung wurde übrigens der über deutsches Hoheitsgebiet verlaufende Teil der Nord-Stream-2-Röhren an eine Schweriner Tochtergesellschaft übertragen, die im Januar 2023 aufgelöst wurde. Welchen Einfluss dies auf die Besitztitel der Röhren hat, ist unklar. Festzuhalten bleibt jedoch, dass eine Inbetriebnahme des intakten Stranges B von Nord Stream 2 nicht ausgeschlossen ist und – den politischen Willen vorausgesetzt – „lediglich“ am noch fehlenden deutschen Zertifizierungsverfahren und den laufenden Sanktionen der EU und der USA gegen die Nord Stream 2 AG scheitern würde. Dies sind keine Hindernisse, die auf alle Zeit bestehen müssen. Anders sieht es beim schwer beschädigten Strang A von Nord Stream 2 aus. Selbst wenn man diese Röhre sanieren könnte, ist es vollkommen ungewiss, ob diese Röhre auch rechtlich in Betrieb genommen werden könnte. Seit Inbetriebnahme von Nord Stream 1 haben sich nämlich auch die Richtlinien geändert und die EU hat Anrainerstaaten weitreichende Möglichkeiten gegeben, ihrerseits Einfluss auf das Genehmigungsverfahren zu nehmen. Dass Polen und die skandinavischen Anrainerstaaten einer möglichen Sanierung und Inbetriebnahme von Strang A von Nord Stream 2 ihre Zustimmung verweigern würden, darf als gesetzt angenommen werden. All diese Diskussionen könnten jedoch in wenigen Wochen ohnehin überflüssig sein. Wenn es vor dem Kantonsgericht in Zug nämlich zu keiner Einigung der Gläubiger mit der Nord Stream 2 AG kommt, werden beide Röhren versteigert. Russische Bieter dürften durch die Sanktionen de facto von der Versteigerung ausgeschlossen sein und dass europäische Konzerne ein gesteigertes Interesse daran haben, in der jetzigen Lage eine derart politisch explosive Entscheidung zu fällen, darf ebenfalls bezweifelt werden. Bleiben Glücksritter und strategische Investoren aus Ländern übrig, die selbstbewusster beim Energiepoker auftreten und deren Ziele nicht unbedingt mit niedrigen Energiepreisen in Deutschland im Einklang stehen. Die Rede ist vom US-Investor Stephen P. Lynch – der Kollege Florian Warweg berichtete dazu [https://www.nachdenkseiten.de/?p=125377]. Lynch ist ein Investor [https://www.montevalle.partners/], der sich auf „problematische“ Investitionen in Osteuropa, Zentralasien, Russland und der Ukraine spezialisiert hat und dabei im engen Kontakt mit der US-Regierung steht, die ihm für seine Investments, die gegen US-Sanktionen verstoßen, Ausnahmegenehmigungen erteilt. Lynch gilt als guter Vertrauter des kommenden US-Präsidenten Trump und hat sich bereits eine Ausnahmegenehmigung für den Kauf der von den USA sanktionierten Pipeline Nord Stream 2 besorgt. Wenn es keine anderen Bieter gibt, ist es sehr wahrscheinlich, dass die einst 9,5 Milliarden Euro teure Pipeline für einen Spottpreis von ihm ersteigert werden kann. Nun kann man munter über die Motive von Lynch spekulieren. Er selbst deutet dabei an, den Betrieb von Nord Stream 2 – gemeint ist wohl nur der intakte Strang B – später aufnehmen zu wollen. Warum Russland einem US-Investor, der sich – politisch von den USA flankiert – russisches Eigentum unter den Nagel gerissen hat, Gas liefern sollte, ist aber unklar. Genauso unklar ist, welchen Preis Lynch von seinen möglichen Kunden nehmen würde. Wahrscheinlicher ist es, dass es gar nicht darum geht, Nord Stream 2 wieder in Betrieb zu nehmen, sondern ganz im Gegenteil exakt dieses Vorhaben zu verhindern. Denn wenn der intakte Strang B erst einmal einem US-Investor gehört, liegt es weder in deutscher noch in russischer Hand, ob die Pipeline jemals in Betrieb gehen wird und was mit ihr passiert. Lynch könnte die Stahlröhren auch einfach demontieren lassen und an ein anderes Pipelineprojekt verkaufen. Deutschland würde dann in die Röhre schauen – so oder so. Das Zeitfenster schließt sich Auch wenn derzeit im Wahlkampf sowohl die Opposition vom BSW und der AfD sowie vereinzelte Unionspolitiker wie Michael Kretschmer eine mögliche Sanierung und Inbetriebnahme der Nord-Stream-Pipelines zu einem unbestimmten künftigen Zeitpunkt fordern, so werden die Weichen dafür nicht zu einem unbestimmten künftigen Zeitpunkt, sondern in den nächsten Wochen gestellt. Für eine Wiederinbetriebnahme von Nord Stream 1 sähe die Lage rein rechtlich gesehen gar nicht so schlecht aus, wenn denn tatsächlich eine Sanierung, die ohne ein neues Zulassungsverfahren auskommt, möglich wäre. Dies scheint vor allem eine politische Frage zu sein, die jedoch nicht nur in Deutschland getroffen wird. Wenn Sanierungsmaßnahmen durch die EU-Richtlinien auch von Anrainerstaaten bewilligt werden müssten, dürften die Chancen jedoch bei null stehen. Bei Nord Stream 2 sieht es noch schlechter aus. Für den schwer beschädigten Strang A gibt es wohl keine Hoffnung mehr, da hier nicht nur die Sanktionen, sondern auch der nicht vorhandene rechtliche Rahmen den Gegnern der Pipeline zahlreiche Einfallstore bieten. Strang B könnte durchaus ohne großen finanziellen und technischen Aufwand wieder in Betrieb genommen werden, wenn die Besitzverhältnisse dies zuließen. Hier schließt sich jedoch in diesen Wochen das Zeitfenster. Sollte die Pipeline erst einmal einem US-Investor gehören, können wir wohl sämtliche Hoffnungen auf preiswertes russisches Gas endgültig abschreiben. Freilich ließe sich dies verhindern. Über das reine Staatsunternehmen Uniper gehört der deutsche Staat schließlich selbst zu den Gläubigern der Nord Stream 2 AG. Die österreichische OMV dürfte auch ein Interesse an einer Wiederaufnahme der Gaslieferungen haben und die beiden britischen und den französischen Gläubiger könnte man sicher ausbezahlen, wenn man denn tatsächlich interessiert wäre. Aber genau das ist ja nicht der Fall. Die jetzige Bundesregierung vertritt die Position, man hätte mit der ganzen Sache nichts zu tun, dies sei eine rein privatwirtschaftliche Angelegenheit [https://www.nachdenkseiten.de/?p=125377] – eine fragwürdige Argumentation, da die Uniper ja – wie bereits erwähnt – ein reines Staatsunternehmen Deutschlands ist. Und selbst im Falle einer Versteigerung der beiden Nord-Stream-2-Röhren könnte Deutschland ja zumindest theoretisch selbst mitbieten und neuer Besitzer der Pipeline werden. Sicher, das ist angesichts der derzeitigen politischen Debatte extrem unwahrscheinlich. Dass Deutschland sich von den USA emanzipiert und eine eigene Energiepolitik zum Wohle der eigenen Wirtschaft und der eigenen Bürger betreibt, ist auszuschließen. Dumm nur, dass in diesen Wochen die Weichen gestellt werden und eine Korrektur dieser selbstzerstörerischen Politik nicht mehr möglich sein wird, wenn Nord Stream 2 erst einmal in amerikanischer Hand ist. Titelbild: Damnwell Media/shutterstock.com[http://vg04.met.vgwort.de/na/4edb13141ff44e18948b0103ca1aa91d]

Ayer - 13 min
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Wahlkampf: Die nächsten Wochen braucht es starke Nerven

Wahlkämpfe sind immer Höhepunkte der Heuchelei und der vorsätzlichen Verflachung aller Inhalte. Aber dieses Mal wird es besonders anstrengend. Die ersten Fotos und Slogans entfalten bereits ihre erbarmungslose Wirkung im Stadtbild – und es gibt kaum ein Entrinnen. Ein Kommentar von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Es ist wieder soweit: Die Konterfeis der Kandidaten werden nun die nächsten Wochen von ihren Plakaten auf die Bürger hinabsehen. Dabei fällt auf: Auch bei diesem Wahlkampf wurden, zumindest auf den meisten Plakaten, Inhalte weitgehend überwunden. Das ist nichts Neues, aber es ist in der momentanen Situation schon besonders dreist: Schließlich erleben wir eine an drängenden Inhalten besonders reiche Zeit des Umbruchs und der „multiplen Krisen“, die unter anderem durch die Energie-, Sanktions- und Kriegspolitik der letzten Jahre sehenden Auges und voraussehbar zugespitzt wurden. Dieser Text ist keine Analyse der verschiedenen Wahlprogramme, er ist nur eine kurze und subjektive Reaktion auf eine als übergriffig empfundene Ästhetik der nun plötzlich das Stadtbild prägenden Plakate. Einfach mal das Gegenteil behaupten Viele der nun plakatierten Slogans folgen dem Motto: „Einfach mal das Gegenteil behaupten“. So versprechen im hier genutzten Titelbild ausgerechnet die Grünen „Zuversicht“ – also die Partei, die am härtesten für Kriegsverlängerung, Hochrüstung, US-Unterwerfung und für eine von vielen Bürgern als eiskalte Schocktherapie empfundene Wirtschafts- und Außenpolitik steht. Welche Gruppe hat in den letzten Jahren wohl mehr „Zuversicht“ bei vielen Bürgern zerstört als die Grünen? Weitere Wahlsprüche: Das BSW sagt: „Unser Land verdient eine bessere Politik“ [https://bsw-vg.de/bundestagswahl2025/]. Die SPD verspricht: „Mehr für Dich. Besser für Deutschland.“ [https://www.spd.de/service/pressemitteilungen/detail/news/mehr-fuer-dich-besser-fuer-deutschland/17/12/2024]. Die CDU fordert: „Wieder nach vorne“ [https://www.cdu.de/aktuelles/cdu-deutschlands/wieder-nach-vorne/]. Bei der AfD heißt es: „Zeit für Deutschland“ [https://www.afd.de/]. Die Grünen versprechen: „Ein Mensch. Ein Wort“ [https://www.gruene.de/]. Die FDP sagt: „Alles lässt sich ändern“ [https://www.fdp.de/bundestagswahl-2025-alles-laesst-sich-aendern]. Die LINKE meint: „Du verdienst mehr“ [https://www.die-linke.de/bundestagswahl-2025/]. Verflachung, Personenkult und Ablenkungen vom Wesentlichen, das ist alles nichts Neues, so sind Wahlkämpfe eben – zumal es neben den Plakaten ja die jeweiligen Programme und Inhalte gibt. Dieses Mal erscheint es aber doch anders, wegen der kürzeren und darum konzentrierteren Zeit, wegen der politischen Unsicherheiten und wegen der in den letzten Jahren entfalteten und nochmals gesteigerten Verrohung im Umgang mit jeweils Andersdenkenden vor allem vonseiten „etablierter“ Parteien und Medien. Die nächsten Wochen braucht es also starke Nerven. [https://vg01.met.vgwort.de/na/1c245a292f904e8884bb73eb73106a96]

Ayer - 3 min
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Schwierigkeiten mit der Wahrheit: Die „verschluckte Drahtbürste“ der NATO

Die Aussage des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Interview mit dem US-Podcaster Lex Fridman am 5. Januar hat mich zu diesem Thema inspiriert: „Jeder, der die Ukraine gezwungen hat, das sogenannte Budapester Memorandum zu unterzeichnen, gehört ins Gefängnis.“ [https://kyivindependent.com/zelensky-rebukes-budapest-memorandum-signatories/] Am 5. Dezember 1994 war ich bei der Unterzeichnung des Memorandums über die nukleare Abrüstung in der Ukraine anwesend. Da ich mich seit Jahrzehnten mit den Prozessen im postsowjetischen Raum beschäftige und mein sicherheitspolitisches Wissen nicht an einer Theaterhochschule erworben habe, halte ich es nicht für fair, den Krieg in der Ukraine vor drei Jahren denen in die Schuhe zu schieben, die damals überhaupt etwas getan haben, um Europa sicherer zu machen, um die Welt zu einer atomwaffenfreien Welt zu machen. Die Verbindung zwischen dem Budapester Memorandum, dem Krieg und der Frage nach der Verantwortung ist sehr offensichtlich, wenn wir das Thema unter dem Aspekt der Fakten und nicht der „Bekämpfung der russischen Desinformation“ betrachten. Ein Kommentar von Botschafter a. D. György Varga, aus dem Ungarischen übersetzt von Éva Péli. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Warum habe ich meinem Artikel den oben genannten Titel gegeben? Der Krieg in der Ukraine hat die wissenschaftlich-theoretischen Zusammenhänge und Prinzipien, die einem Arzt, Ingenieur, Historiker, Politikwissenschaftler, der gerade sein Doktorat begonnen hat, in den ersten Wochen des Doktoratsstudiums beigebracht werden, nur noch verstärkt: Es gibt exakte und nicht exakte Wissenschaften. Grob gesagt sind die exakten Wissenschaften die Naturwissenschaften wie Physik, Mathematik und allgemein die Wissenschaften, die auf beweisbaren Thesen beruhen. Zu den nicht exakten Wissenschaften gehören die Sozialwissenschaften, in denen die subjektive Bewertung, die selektive Erfassung und die Berücksichtigung von Zusammenhängen eine sehr wichtige Rolle spielen. Diese subjektive und sehr selektive Erfassung von Fakten und Zusammenhängen können wir bei der internationalen Bewältigung des Ukraine-Konflikts ab 2014 und des Krieges ab 2022 beobachten. Stellen Sie sich vor, ein Mann wird ins Krankenhaus gebracht, weil er große Schmerzen hat. Die Behandlung wird eingeleitet, Medikamente werden verabreicht, aber die Angehörigen verschweigen das eigentliche Problem: die Person hat eine kleine Drahtbürste verschluckt. Sie tun es aus moralischem Selbstschutz, da es solche Idioten in ihrer Familie nicht geben kann. Ich denke, es ist klar: Solange die Ärzte nicht mit den Instrumenten der exakten Wissenschaften zur Erkenntnis der Grundsituation kommen, hat der Patient keine Chance auf Überleben oder Genesung, während er selbst und seine Angehörigen aus moralischen Gründen die Grundsituation nicht beleuchten wollen. Wir sehen diese Situation heute in der Ukraine, wo die Wurzeln des Problems schon seit vielen Jahren nicht behandelt werden. Was ist das Grundproblem der Ukraine? Es ist einfach so, dass die NATO im Jahr 2008 die staatliche Souveränität und die immerwährende Neutralität der Ukraine verletzt hat. Jeder falsche Schachzug, der seitdem gemacht wurde, basiert auf diesem strategischen Fehler. Die NATO ist „ein kranker Mann“ (er hat eine Drahtbürste verschluckt), der die Europäische Union mit sich in den Abgrund reißt; sie führt einen Krieg um die Ukraine in mehreren Dimensionen, indem sie jeden Monat in Ramstein (Deutschland) neue „Behandlungen“ beschließt, sich aber weigert, sich der grundlegenden Situation zu stellen. Natürlich erfordert es ein verantwortungsbewusstes Urteilsvermögen, solche Behauptungen niederzuschreiben. Denn die gesamte NATO-Kommunikationsmaschinerie sowie Hunderte von Forschungsinstituten und Zehntausende von Journalisten aus 32 NATO-Mitgliedstaaten arbeiten daran, dass niemand zu Schlussfolgerungen kommt, die dem vom kollektiven Westen seit Jahren erzählten Narrativ „Russlands unprovozierte Aggression gegen die Ukraine“ nicht nur widersprechen, sondern es auch im Kern widerlegen. Der ukrainische Präsident hält die Unterzeichnung des Budapester Memorandums für einen Fehler und nimmt eine ähnliche Haltung gegenüber der Unterzeichnung der Minsker Vereinbarungen ein, deren Umsetzung er während seiner Präsidentschaft ab 2019 ignoriert und dann offen abgelehnt hat, obwohl der UN-Sicherheitsrat dies – die friedliche Wiedereingliederung der Separatistengebiete – im Jahr 2015 einstimmig beschlossen hatte. Mit anderen Worten: Die Ukraine kämpft heute mit Unterstützung der NATO-Länder um die Rücknahme von Gebieten, deren friedliche Wiedereingliederung sie im Zeitraum von 2014 bis 2022 abgelehnt hat. Damit hielt Kiew Zustände für Millionen seiner ethnisch russischen Bürger aufrecht, die Russland als Mutterland nicht länger dulden wollte. (Wir kennen solche Beispiele: Die NATO drückte auch ihre Unzufriedenheit mit dem Schicksal der Kosovo-Albaner in Serbien aus, indem sie das Land 1999 ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrats bombardierte). Welche Argumente sprechen für die Verletzung der Souveränität und Neutralität der Ukraine durch die NATO 2008? Schauen wir uns die konkrete, nachweisbare Vorgeschichte des Ukraine-Krieges an, die mit den Mitteln der (nicht exakten) Sozialwissenschaften untersucht werden. 1. Am 16. Juli 1990 verabschiedete das Parlament der Ukraine (der Oberste Sowjet der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik) eine Erklärung über die staatliche Souveränität der Ukraine. [https://static.rada.gov.ua/site/postanova_eng/Declaration_of_State_Sovereignty_of_Ukraine_rev1.htm] In Punkt IX der Erklärung heißt es : „Die Ukraine erklärt feierlich ihre Absicht, sich als Staat der ständigen Neutralität nicht an Militärblöcken zu beteiligen und sich an die drei Grundsätze der Nichtverbreitung von Kernwaffen zu halten: keine Kernwaffen zu erhalten, herzustellen oder zu erwerben.“ 2. Das Parlament der Ukraine (immer noch der Oberste Rat der Ukrainischen SSR) verabschiedete am 24. August 1991 die Unabhängigkeitserklärung der Ukraine [https://static.rada.gov.ua/site/postanova_eng/Rres_Declaration_Independence_rev12.htm]. In der Präambel der Erklärung heißt es, dass die Unabhängigkeitserklärung die am 16. Juli 1990 angenommene Erklärung über die staatliche Souveränität der Ukraine, auf die in Punkt 1 Bezug genommen wird, in die Praxis umsetzt. Mit anderen Worten: Die ständige Neutralität der Ukraine und ihr Status außerhalb von Blöcken als Hauptmerkmale eines unabhängigen souveränen Staates werden bestätigt. 3. In der Ukraine wurde in einem Referendum am 1. Dezember 1991 die Unabhängigkeitserklärung der Ukraine bestätigt. Nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE (ihrer Vorgängerorganisation Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa KSZE) [https://www.csce.gov/wp-content/uploads/2016/06/120191UkraineReferendum.pdf] nahmen 84 Prozent der Wahlberechtigten an dem Referendum teil, und über 90 Prozent stimmten für die in den vorangegangenen Erklärungen (16. Juli 1990, 24. August 1991) beschriebene staatliche Unabhängigkeit. Mit anderen Worten: Das Referendum bestätigte auch die dauerhafte Neutralität der Ukraine und ihren blockfreien Status. 4. Der Status der Ukraine als neutral und außerhalb von Militärblöcken, der wiederholt bestätigt wurde, wurde durch die Erklärung über die staatliche Souveränität von 1990 zu einer freiwilligen Verpflichtung auf einen atomwaffenfreien Status. Das Budapester Memorandum [https://treaties.un.org/doc/Publication/UNTS/Volume%203007/Part/volume-3007-I-52241.pdf], das am 5. Dezember 1994 in Budapest von US-Präsident Bill Clinton, dem russischen Präsidenten Boris Jelzin, dem ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma und dem britischen Premierminister John Major unterzeichnet wurde, war vor Kurzem Gegenstand eines ausführlichen Berichts zum 30-jährigen Jubiläum auf den NachDenkSeiten [https://www.nachdenkseiten.de/?p=125695], auf den ich hier nicht näher eingehen werde. In dem Memorandum verzichtet die Ukraine auf ihre Atomwaffen, im Gegenzug bekräftigen die Unterzeichnerstaaten ihre Achtung der Unabhängigkeit, Souveränität und der bestehenden Grenzen des Landes. 5. Am 28. Juni 1996 nahm das Parlament der Ukraine die Verfassung der Ukraine an. In der Präambel der Verfassung heißt es, dass das Parlament die Verfassung auf der Grundlage der Unabhängigkeitserklärung von 1991 und der Ergebnisse des Referendums vom 1. Dezember 1991 erstellt hat [https://www.refworld.org/ru/legal/legislation/natlegbod/1996/ru/42875]. Mit anderen Worten: Die Verfassung der Ukraine bestätigt sowohl die ständige Neutralität als auch den Status außerhalb von nichtmilitärischen Blöcken. Die formale Logik der Leser reicht aus, um die Ursachen und Folgen zu klären, um die Fragen zu beantworten: * Wurde hinreichend häufig und mit ausreichender Legitimität im Völkerrecht bekräftigt, dass das ukrainische Volk in einem souveränen Staat leben möchte, in dem die Ziele der Gesellschaft nicht von externen Akteuren bestimmt werden? * Wurde bei genügend Gelegenheiten und auf den höchsten Ebenen der Volkssouveränität bekräftigt, dass das ukrainische Volk in einem neutralen Staat außerhalb von Militärblöcken leben möchte? * Ist es nachvollziehbar, dass die Unterzeichner des Budapester Memorandums 1994 zusammen mit einer neutralen und blockfreien Ukraine unterzeichneten, dass sie „ihre Unabhängigkeit, Souveränität und bestehenden Grenzen respektieren“? Was hat die NATO ignoriert? Ist es vor diesem Hintergrund verständlich, dass die NATO mit ihrer am 3. April 2008 in Bukarest verabschiedeten Erklärung [https://www.nato.int/cps/en/natolive/official_texts_8443.htm] (Punkt 23), wonach die Ukraine (und Georgien) NATO-Mitglieder werden sollen, die souveräne Staatlichkeit der Ukraine verletzt hat? Denn: * Sie respektierte nicht die 1990, 1991 und 1996 angenommenen Erklärungen über die Neutralität und den nichtmilitärischen Status der Ukraine sowie die geltende ukrainische Verfassung. * Sie respektierte nicht die Tatsache, dass die damals 52 Millionen Einwohner der Ukraine in einem Referendum am 1. Dezember 1991 mit über 90 Prozent Ja-Stimmen ebenfalls die Neutralität und Blockfreiheit bestätigt hatten. * Die NATO hat einen strategischen Fehler begangen, indem sie die Budapester Erklärung bereits 2008 gebrochen hat: Sie hat die Souveränität der Ukraine nicht respektiert, ihr Recht, ihre Zukunft als neutraler und blockfreier Staat in einem sehr komplexen geopolitischen Umfeld zwischen Ost und West selbst zu bestimmen. * Ebenso wenig hat die NATO den Willen des ukrainischen Volkes respektiert. Meine Aussage wird auch durch die Position von Zoltán Sz. Bíró, ungarischer Historiker und Russlandexperte, bestätigt, der sechs Monate nach dem NATO-Beschluss in seiner Publikation Die Rückkehr von Russland [https://www.russianstudies.hu/docs/biroz.vissz.pdf] (S. 61) im November 2008 feststellte, dass die Unterstützung und die Wünsche der ukrainischen Gesellschaft bei dem unüberlegten Schritt der NATO völlig ignoriert wurden: > „Es ist bezeichnend, dass Anfang 2008 nur ein Viertel bis höchstens ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung die Mitgliedschaft des Landes in der NATO unterstützte. […] Diese Zurückhaltung gegenüber einer NATO-Mitgliedschaft in der Ukraine ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Mehrheit der ukrainischen Gesellschaft befürchtet, dass der Beitritt zur militärischen Organisation der westlichen Welt die russisch-ukrainischen Beziehungen stark belasten wird. So schwerwiegend, dass die Folgen direkte Auswirkungen auf das tägliche Leben eines bedeutenden Teils der politischen Gemeinschaft haben werden.“ Die Zeit hat Zoltan Sz. Bíró recht gegeben: Der Krieg in der Ukraine dauert nun schon drei Jahre an und sein Ende ist nicht abzusehen, aber der denkende Mensch kann seine Ursachen entdecken, auch wenn die Mainstream-Medien davon ablenken. Wie hat die NATO die Eskalation weiter vorangetrieben? In der auf dem NATO-Gipfel in Washington im Juli 2024 verabschiedeten Erklärung [https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_227678.htm] wurde bekräftigt, dass der euro-atlantische Integrationsprozess der Ukraine, einschließlich der NATO-Mitgliedschaft, unumkehrbar ist. (Sprich: Wir sagen dem Arzt immer noch nicht, dass wir die Drahtbürste verschluckt haben.) Ähnlich wie bei der Bukarester NATO-Erklärung von 2008 geht es auch bei der Washingtoner NATO-Erklärung von 2024 nicht um die europäische Stabilität und die Beendigung des europäischen Krieges, der die globale Sicherheit bedroht. Die NATO hat mit dem ersten Beschluss 2008 einen Fehler begangen und ihn mit dem zweiten 2024 noch übertroffen. Am 22. Februar 2014 fand ein verfassungswidriger Machtwechsel in der Ukraine statt, der vom Westen unterstützt, koordiniert und niemals sanktioniert wurde. (Der Grund ist klar: Die Führungsmacht der NATO hatte kein Interesse an einem Staatsoberhaupt, einer Regierung und einem Parlament, die die Neutralität der Ukraine unterstützten.) Wenn wir die Fakten zusammentragen und sie systematisch darstellen, können wir zu dem Schluss kommen, dass die NATO zu dem Zeitpunkt, als Russland die Krim nach dem Referendum vom 16. März 2014 als russisches Hoheitsgebiet anerkannte (und damit gegen das Budapester Memorandum über die Achtung der ukrainischen Staatsgrenzen verstieß), die Souveränität der Ukraine bereits in zwei Fällen nicht respektiert hatte. Die NATO hat die Souveränität der Ukraine 2008 nicht respektiert, als sie die Ukraine als künftiges NATO-Mitglied trotz aller gegenteiligen Argumente als neutrales und bündnisfreies Land bezeichnete, und sie hat sie 2014 nicht respektiert, als NATO-Länder an der verfassungswidrigen Übernahme eines demokratisch gewählten Staatsoberhaupts, einer Regierung und eines Parlaments beteiligt waren. Präsident Wolodymyr Selenskyj beschimpfte die Verfasser und Unterzeichner des Budapester Memorandums in einem am 5. Januar veröffentlichten Interview, das erhebliche Gegenreaktionen hervorrief. Es waren jedoch die Dokumente und Rechtsnormen vorhanden, die es der Ukraine ermöglichten, als souveränes, neutrales und nichtmilitärisches Land ihre Rolle als Brücke zwischen Ost und West effektiv zu nutzen, und zwar nach einem Entwicklungsmodell, das die Väter der ukrainischen Staatlichkeit in Unabhängigkeitserklärungen und eine Verfassung verankerten und das vom ukrainischen Volk in einem Referendum im Jahr 1991 mit einer Mehrheit von über 90 Prozent bestätigt wurde. Sind die Gründe für den Krieg im Budapester Memorandum zu finden? Die Ursachen des Krieges liegen nicht in der ukrainischen Unabhängigkeitserklärung, der ukrainischen Verfassung, dem Budapester Memorandum oder den Minsker Vereinbarungen, die vom UN-Sicherheitsrat gebilligt wurden, sondern bei den Politikern, die diese Dokumente und die wiederholt geäußerte Meinung des ukrainischen Volkes ignorieren. Diese Politiker leben in NATO-Ländern und in der Ukraine. Um den Krieg in der Ukraine zu beenden und die europäische Sicherheitsarchitektur wieder aufzubauen, wäre es ratsam, zu den Grundlagen zurückzukehren (dem Arzt gestehen, dass wir eine Drahtbürste verschluckt haben). Dies ist für viele eine schwierige oder unmögliche Aufgabe, da es erfordern würde, Fehler zuzugeben, die die Kräfte des sektiererischen Atlantizismus in der westlichen Welt schwächen würden. Diese Politiker und Experten können nicht akzeptieren, dass die buchstäbliche Kernfunktion der NATO die kollektive Verteidigung ist und nicht die kollektive Provokation anderer geopolitischer Akteure oder ein kontinuierlicher militärischer Vormarsch gegen andere, egal wie tränenreich die moralischen Argumente sind, die wir um das Ziel herum führen. Europäische Stabilität, die von allen europäischen Akteuren gefordert wird und nur kollektiv aufrechterhalten werden kann, und die geopolitische Expansion eines ausschließlich globalen Akteurs durch die permanente Erweiterung der NATO sind unvereinbar und können nicht als parallele Ziele ohne Krieg erreicht werden. Titelbild: Shutterstock / Rokas Tenys Mehr zum Thema: 30 Jahre Budapester Memorandum: Die nukleare Abrüstung der Ukraine im Rückblick [https://www.nachdenkseiten.de/?p=125695] Botschafter a. D. György Varga: Raketen der „lahmen Ente“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=125106] Exklusiv-Beitrag von Botschafter a. D. Varga: Falsche Argumente im Dienste von Angstmacherei und Krieg [https://www.nachdenkseiten.de/?p=121160] Stimmen aus Ungarn: Deutsche Außenpolitik ohne Rückhalt in der Bevölkerung [https://www.nachdenkseiten.de/?p=122328] [https://vg06.met.vgwort.de/na/120124de2061475f8d17736e8218c5ab]

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Elon Musk und seine Wahlbeeinflussung

Ein Oligarch mischt sich in die Politik ein. Der Multimilliardär Elon Musk hat die Kanzlerkandidatin der AfD Alice Weidel am 9. Januar 2025 auf seinem Nachrichtendienst X interviewt und die Partei mit den Worten „Nur die AfD kann Deutschland retten“ zur Wahl empfohlen. [1 [https://www.nachdenkseiten.de/?p=127155 #foot_1]] Dasselbe hatte er bereits am 29. Dezember 2024 in einem Gastbeitrag in der Welt am Sonntag geschrieben. Empörung in Politik und Medien: Musk habe damit in unzulässiger, womöglich rechtswidriger Weise Einfluss auf die Wahlen zum Deutschen Bundestag genommen, so heißt es. [2 [https://www.nachdenkseiten.de/?p=127155 #foot_2]] Der Deutsche Bundestag und die EU prüfen, ob sich Musk strafbar gemacht hat. Von Wolfgang Bittner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hält die Aussagen von Musk in dem Welt-Artikel für „übergriffig und anmaßend“. In einem Interview sagte er: „Ich kann mich nicht erinnern, dass es in der Geschichte der westlichen Demokratien einen vergleichbaren Fall der Einmischung in den Wahlkampf eines befreundeten Landes gegeben hat. … Stellen wir uns einen kurzen Augenblick die – berechtigte – Reaktion der Amerikaner auf einen vergleichbar einseitigen Beitrag eines namhaften deutschen Unternehmers in der New York Times zugunsten der Wahl eines Außenseiters im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf vor.“ [3] Ähnlich verhalten sich die Die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken. Klingbeil verglich Musk mit Putin: „Elon Musk versucht nichts anderes als Wladimir Putin. Beide wollen unsere Wahlen beeinflussen und unterstützen gezielt die Demokratiefeinde der AfD. Sie wollen, dass Deutschland geschwächt wird und ins Chaos stürzt.” Er wandte sich gegen Desinformation und forderte „rechtliche Instrumente gegen Fake-News“: „Wir müssen noch viel offensiver werden und die Macht der großen Internet-Plattformen wie Musks Kurznachrichtendienst X wirksam begrenzen. Hier versucht ein Tech-Milliardär, seinen Einfluss zu nutzen, um den Gang der Weltpolitik zu beeinflussen.“ [4] Unzulässige Wahlbeeinflussung Es ist zwar ist richtig, dass es sich bei den Aktivitäten Musks um eine anmaßende, unzulässige Wahlbeeinflussung handelt. Ein Oligarch, in diesem Fall der reichste Mensch der Welt, der in erster Linie seine eigenen Interessen verfolgt, mischt sich in innerstaatliche Angelegenheiten Deutschlands ein. Aber geschieht das nicht ständig durch Kapitalgeber, Nichtregierungsorganisationen sowie durch die CIA und NSA, die spitzeln, abhören und intervenieren? Haben sich die genannten Politiker jemals darum gekümmert? Insofern mutet ihre Empörung heuchlerisch und verlogen an. Esken sprach von einer „wehrhaften Demokratie“, die „nicht käuflich“ sei. Und weiter: „Wer unsere Wahl von außen zu beeinflussen versucht, wer eine antidemokratische, menschenfeindliche Partei wie die AfD unterstützt, sei die Einflussnahme staatlich organisiert aus Russland oder durch die geballte Geld- und Medienmacht von Elon Musk und seinen Milliardärsfreunden im Konzernvorstand von Springer, der muss mit unserem harten Widerstand rechnen.“ [5] Dass jeweils ein gehässiger Seitenhieb auf Russland erfolgt, ist in der Berliner Politik inzwischen gang und gäbe. Esken lobte das Verhalten von Welt-Redakteurinnen und -Redakteuren, die gegen die Veröffentlichung des Artikels protestiert hatten: „Die Debatte und die teils harten Reaktionen, die die Veröffentlichung dieses Gastbeitrags auch in den Redaktionen ausgelöst hat, sind ein Hoffnungszeichen für die Widerstandskraft unserer unabhängigen Medien und unserer Demokratie.“ Angriffe Musks gegen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz verurteilte Esken als „niveaulose Angriffe“. Sie seien „eine würdelose Grenzüberschreitung“ und zeigten Musks „Respektlosigkeit gegenüber unserer Demokratie“. [6] Offensichtlich hatte Esken vergessen, dass sie in der Corona-Krise Impfverweigerer als „Covidioten“ bezeichnet hat. Viele Politiker wenden sich gegen Hass und Hetze im Internet, aber nicht gegen Diffamierungen, Hass und Hetze, soweit es gegen Russland, kritische Menschen und die AfD geht. Der russische Präsident Wladimir Putin darf Verbrecher, Mörder oder Autokrat genannt werden, Andersdenkenden dürfen Bankkonten gesperrt und bei einer Demonstration selbsternannter Verteidiger der Demokratie durfte skandiert werden „Ganz Berlin hasst die AfD“. [7] Wissenschaftler und Gewerkschafter melden sich zu Wort Auf der ersten Seite meiner Tageszeitung vom 11. Januar 2025 lautet die Überschrift eines Artikels: „Hochschulen legen ihre X-Accounts still“. Ich lese: „Zu viel Hass, Desinformation und Manipulation – mehr als 60 Hochschulen und Forschungsinstitute deutschlandweit legen ihre Accounts auf der Plattform X still. Die aktuelle Ausrichtung der Plattform sei nicht vereinbar mit den Grundwerten der beteiligten Institutionen wie Weltoffenheit, Transparenz und demokratischer Diskurs.“ [8] Weiter heißt es in dem Artikel: „Die jüngsten Veränderungen auf X von der algorithmischen Verstärkung rechtspopulistischer Inhalte bis zur Einschränkung der Reichweite seien für die Organisationen unvertretbar. ‚Die Werte, die Vielfalt, Freiheit und Wissenschaft fördern, sind auf der Plattform nicht mehr gegeben.‘ Der gemeinsame Austritt solle ein Zeichen ‚für eine faktenbasierte Kommunikation und gegen antidemokratische Kräfte‘ setzen.“ Ja werden denn diese beschworenen Werte auf anderen Plattformen gepflegt? Verstärken und propagieren sie nicht auch populistische und ideologische Inhalte, wenn auch mit anderer Zielsetzung? Ich würde gerne wissen wollen, was sich diese Leute denken, die als „wissenschaftliche Experten“ das große Wort führen und meinen, die Wahrheit zu vertreten, während sie willfährig nachbeten, was ihnen von der zumeist aus Washington gesteuerten Politik vorgesagt wird. In der Corona-Krise hat sich gezeigt, wie bescheiden es um ihre Wissenschaftlichkeit und ihr Demokratieverständnis steht. Nach einschlägigen Erfahrungen wundere ich mich auch nicht, dass die Gewerkschaft Verdi und die Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ihre X-Accounts gekündigt haben. In einer Mitteilung vom 9. Januar 2025 ist zu lesen, X sei ein „Forum für die Verbreitung von rechtsextremistischen Positionen, von Hass und Hetze, von Demokratiefeindlichkeit und Desinformation“. [9] Anlass war das Livegespräch zwischen Musk und Weidel. Parteiverbot für die AfD? Wieder wird von einigen Politikern ein Verbot der AfD ins Gespräch gebracht. Aber über diese Partei mag man denken, was man will, die AfD ist eine zugelassene Partei, die nur durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts verboten werden kann. Soweit das nicht geschieht, gilt das Parteienprivileg des Artikels 21 des Grundgesetzes auch für die „mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitende parteioffizielle Tätigkeit der Funktionäre und Anhänger“, wie das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom 21. März 1961 festgestellt hat. [10] Weiter führte das BVerfG aus: „Ihre Tätigkeit ist durch das Parteienprivileg auch dann geschützt, wenn ihre Partei durch eine spätere Entscheidung des BVerfG für verfassungswidrig erklärt wird… Die Anhänger und Funktionäre einer solchen Partei handeln, wenn sie die Ziele ihrer Partei propagieren und fördern, sich an Wahlen beteiligen, im Wahlkampf aktiv werden, Spenden sammeln, im Parteiapparat tätig sind oder gar als Abgeordnete sich um ihren Wahlkreis bemühen, im Rahmen einer verfassungsmäßig verbürgten Toleranz. Das Grundgesetz nimmt die Gefahr, die in der Gründung oder Tätigkeit einer solchen Partei bis zur Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit besteht, in Kauf.“ Diese Entscheidung, die in der Vergangenheit von manchen Gerichten aus ideologischen Gründen ignoriert wurde, betraf seinerzeit die KPD, aber sie hat selbstverständlich auch für jede andere Partei Geltung. Denn für die rechtliche Bewertung der Zulassung einer Partei und für deren Tätigkeit ist es unerheblich, ob sie dem rechten oder linken Spektrum angehört. [11] Zweierlei Maß Die Angriffe gegen Elon Musk, der sich in innerstaatliche Angelegenheiten nicht nur in Deutschland einmischt, entbehren jeglicher politischen Stringenz, sie sind scheinheilig. Sollten Merz, Klingbeil, Esken und andere wirklich nicht wissen, dass der Multimilliardär Bill Gates seit Längerem Einfluss auf die deutsche Politik nimmt, indem er willfährige Medien wie Spiegel Online und Die Zeit, aber auch Forschungsinstitute und Unternehmen sponsert? [12] Gates durfte sogar im deutschen Fernsehen auftreten. Ebenfalls sehr aktiv in politischer Einflussnahme – um nur einen weiteren Fall von vielen zu nennen – ist der US-amerikanische Investor und Multimilliardär George Soros mit seinen Stiftungen. Aber soweit die ideologische Ausrichtung stimmt, nimmt im sogenannten Wertewesten niemand Anstoß daran. Vergessen ist, dass die Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel in US-Medien Wahlkampf gegen Donald Trump betrieb und dass zahlreiche deutsche Politiker und Politikerinnen Propaganda für Hillary Clinton, Joseph Biden und Kamala Harris machten. Gelassenheit ist angesagt Wenn allerdings Alice Weidel, die hin und wieder gute Reden im Bundestag hält, Hitler „kommunistisch“ nennt, Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel als „Sozialistin“ bezeichnet und von einer „Sowjetischen Europäischen Union“ spricht, [13] zeugt das von einer grundlegenden politischen Verwirrtheit. Insofern hat sie sich und ihrer Partei mit ihrem spektakulären Auftritt keinen Gefallen getan. Erfreulich, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki wie auch einige andere Politiker zur Gelassenheit rieten. [14] Scholz sagte, Meinungsfreiheit gelte auch für Multimilliardäre, und „dass man Dinge sagen kann, die nicht richtig sind und keinen guten politischen Ratschlag beinhalten“. Kubicki ist der Ansicht, dass sich die Tesla-Fahrer in Deutschland nicht „von dieser Meinungsäußerung in ihrer Wahlentscheidung beeinflussen lassen“. Eventuell könnte das auch auf die ehemaligen Montagsdemonstranten, die Covid-Verweigerer und manch andere kritische Bürger zutreffen. Von Wolfgang Bittner ist kürzlich das Buch „Niemand soll hungern, ohne zu frieren – So wie es ist, kann und wird es nicht bleiben“ im Verlag zeitgeist erschienen. Siehe auch: Im Gespräch Wolfgang Bittner Niemand soll hungern, ohne zu frieren [https://www.youtube.com/watch?v=jMvwn947Jxc&t=2402s] ---------------------------------------- Quellen und Anmerkungen: [«1] Siehe: https://www.tagesschau.de/inland/weidel-musk-100.html [https://www.tagesschau.de/inland/weidel-musk-100.html]. Das Interview in deutscher Übersetzung: https://www.youtube.com/watch?v=bY-KmcP64hE [https://www.youtube.com/watch?v=bY-KmcP64hE] [«2] Vgl. https://www.n-tv.de/politik/Bundestag-prueft-ob-sich-Musk-zu-sehr-in-Wahlkampf-einmischt-article25477786.html [https://www.n-tv.de/politik/Bundestag-prueft-ob-sich-Musk-zu-sehr-in-Wahlkampf-einmischt-article25477786.html] [«3] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bundestagswahl-uebergriffig-und-anmassend-merz-kritisiert-elon-musks-afd-empfehlung-01/100097558.html [https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bundestagswahl-uebergriffig-und-anmassend-merz-kritisiert-elon-musks-afd-empfehlung-01/100097558.html] [«4] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-12/elon-musk-gastbeitrag-welt-afd-wahlaufruf-spd-kritik [https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-12/elon-musk-gastbeitrag-welt-afd-wahlaufruf-spd-kritik] [«5] https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/musk-wahlkampf-esken-merz-100.html [https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/musk-wahlkampf-esken-merz-100.html] [«6] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/musk-beschimpft-steinmeier-x-wahlkampf-100.html [https://www.zdf.de/nachrichten/politik/musk-beschimpft-steinmeier-x-wahlkampf-100.html] [«7] https://rp-online.de/info/consent/ [https://rp-online.de/info/consent/] [«8] Göttinger Tageblatt, 11./12.1.2025, S. 1. [«9] https://www.gew.de/presse/pressemitteilungen/detailseite/verdi-und-gew-verlassen-twitter-nachfolger-x [https://www.gew.de/presse/pressemitteilungen/detailseite/verdi-und-gew-verlassen-twitter-nachfolger-x] [«10] BVerfG E 12, 296, 306 [«11] Dazu Wolfgang Bittner mit weiteren Hinweisen: „Niemand soll hungern, ohne zu frieren“, Verlag zeitgeist 2024, S. 178. [«12] Dazu Wolfgang Bittner, „Deutschland – verraten und verkauft“, Verlag zeitgeist 2021, S. 220. [«13] Vgl. https://www.tagesschau.de/inland/weidel-musk-100.html [https://www.tagesschau.de/inland/weidel-musk-100.html], sowie https://www.youtube.com/watch?v=bY-KmcP64hE [https://www.youtube.com/watch?v=bY-KmcP64hE] [«14] https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/musk-deutscher-wahlkampf-100.html [https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/musk-deutscher-wahlkampf-100.html]

13 ene 2025 - 12 min
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