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Versorgung, Prävention und Systemfehler – Wie Armut das Gesundheitssystem spiegelt. Serie zu Kinderarmut (Teil 3)
Wenn man die Zahlen nebeneinanderlegt, wirkt das deutsche Gesundheitswesen wie ein tragischer Widerspruch: teuer, technisch perfekt – und dennoch sozial ungerecht. Es ist eines der teuersten Systeme der Welt, ausgestattet mit modernster Technik, hohem Fachkräfteanteil und einer Dichte an Arztpraxen, die (zumindest in den Städten) in Europa ihresgleichen sucht – und doch existieren darin Kinder, die zu spät diagnostiziert, zu selten behandelt und zu oft übersehen werden. Von Detlef Koch. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Die bisherigen Teile dieser Serie finden Sie hier [https://www.nachdenkseiten.de/?p=141366] und hier [https://www.nachdenkseiten.de/?p=141705]. Die in dieser Serie auftretende „Lina“ ist eine fiktive Person – die Lebensumstände und Geschehnisse haben aber einen sehr realen Hintergrund. > Lina[1] gehört zu dieser Gruppe. Ihre Mutter ist gesetzlich versichert, wechselte in den letzten Jahren mehrfach zwischen Krankenkassen, Minijobs und Arbeitslosengeld-II-Bezug. Jedes Mal musste sie neue Anträge stellen, Nachweise erbringen, Fristen einhalten. Sie lernte schnell, dass der Zugang zur Gesundheitsversorgung in Deutschland zwar formal universal ist, praktisch aber von Zeit, Wissen und Durchhaltevermögen abhängt. Die Zwei-Klassen-Medizin beginnt im Wartezimmer Ein Experiment des RWI Essen und der Cornell University brachte 2020 ans Licht, was viele Eltern längst ahnten: Privat versicherte Kinder erhalten im Schnitt doppelt so schnell einen Facharzttermin wie gesetzlich Versicherte. Zwölf Tage Wartezeit für Privatpatienten gegenüber 25 Tagen für Kassenpatienten – bei identischen Symptomen, identischem Anliegen. Diese strukturelle Bevorzugung ist kein Zufall, sondern folgt einer ökonomischen Logik: Privat Versicherte bringen Praxen höhere Erstattungen, also werden sie bevorzugt behandelt. Für arme Familien, deren Kinder fast ausnahmslos in der gesetzlichen Versicherung sind, bedeutet das faktisch längere Krankheitsverläufe, mehr unbehandelte Beschwerden und höhere Risiken für Chronifizierungen. Besonders drastisch zeigt sich das bei Fachrichtungen mit hoher Nachfrage: Kinder- und Jugendpsychiatrie, Kieferorthopädie, Logopädie. In manchen Regionen beträgt die Wartezeit auf einen Therapieplatz mehr als sechs Monate. Für ein Kind in akuter psychischer Krise ist das eine Ewigkeit. Armut verzögert nicht nur den Zugang zur Versorgung – sie beeinflusst auch ihre Qualität. Untersuchungen zeigen, dass arme Kinder häufiger in Praxen behandelt werden, die über weniger Personal, geringere Ausstattung und schlechtere räumliche Bedingungen verfügen. Medizinische Versorgung ist damit Teil des sozialen Gefälles, nicht dessen Korrektiv. Wenn Prävention zur Privatsache wird Deutschland verfügt über ein umfassendes System an Früherkennungsuntersuchungen (U1–U9), Impfungen, zahnärztlichen Prophylaxen und Schuluntersuchungen. Auf dem Papier ist Prävention flächendeckend, in der Praxis sozial selektiv. Die KiGGS Welle 2 zeigte: Nur rund 74 Prozent der Kinder aus niedrigen Statusgruppen nehmen alle U-Untersuchungen wahr – in der hohen Statusgruppe sind es über 87 Prozent. Die Ursachen sind vielfältig: fehlende Zeit, Scham, sprachliche Barrieren, Unkenntnis über Fristen oder Angst vor Behörden. Oft scheitert Prävention schlicht an den Bedingungen des Alltags. Auch bei Impfungen zeigt sich ein Muster. Insgesamt liegen die Impfquoten in Deutschland zwar hoch, doch sozialräumlich differenziert: In benachteiligten Vierteln finden sich häufiger Impflücken, weil Familien weniger regelmäßig ärztliche Kontakte pflegen. Während in gut situierten Haushalten manchmal impfskeptische Haltungen den Ausschlag geben, sind es in ärmeren Milieus vor allem Informationsdefizite. Zahngesundheit ist ein weiteres Beispiel: Die Studie von Nicole Stasch und anderen über die Karieshäufigkeit bei Schulkindern in Vorarlberg – auf Deutschland übertragbar – zeigte, dass Kinder aus sozial benachteiligten Regionen ein um 75 Prozent höheres Risiko für unbehandelte Karies haben als Gleichaltrige aus wohlhabenden Gegenden. In Deutschland gilt das Gleiche: Trotz insgesamt rückläufiger Kariesraten bleibt der soziale Gradient stabil. Kinder aus armen Familien putzen seltener regelmäßig ihre Zähne, besuchen seltener Zahnärzte und profitieren weniger von Individualprophylaxe-Programmen. Das System der kleinen Schwellen Was aus Sicht der Verwaltung rational wirkt – Nachweise, Terminfristen, Bewilligungen –, bedeutet für viele arme Familien eine kaum zu überwindende Hürde. Die Gesundheitssoziologin Claudia Spahn bezeichnet das als „administrative Exklusion“: Ein System, das auf Eigeninitiative, digitaler Kompetenz und formaler Sprache basiert, schließt jene aus, die all das nicht leisten können. Im Klartext: Wer seine Rechte nicht kennt, verliert sie. Ein verpasster Antrag auf eine Brille oder ein Sprachtherapieplatz, eine Frist, die übersehen wird – und das Kind bleibt ohne Versorgung. > Lina musste monatelang auf eine Ergotherapie warten, die Schule hatte sie wegen motorischer Probleme empfohlen. Doch die Krankenkasse verlangte erst eine ärztliche Überweisung, dann eine Stellungnahme, dann eine Bewilligung. Nach drei Monaten gab die Mutter auf. „Sie sagen immer, sie melden sich“, sagte sie. „Aber das tun sie nicht.“ Diese Bürokratisierung trifft besonders jene, die ohnehin überlastet sind. Das Gesundheitssystem reproduziert so ungewollt soziale Unterschiede – nicht durch offenen Ausschluss, sondern durch Erschöpfung. Psychische Versorgung: Die unsichtbare Not Psychische Erkrankungen bei Kindern haben in den letzten Jahren stark zugenommen, nicht erst seit der Pandemie. Doch der Zugang zu Therapie ist ungleich verteilt. Das Deutsche Jugendinstitut berichtete 2025, dass nur 65 Prozent der Kinder mit diagnostizierten psychischen Störungen tatsächlich eine Behandlung erhalten. Die Wartezeiten betragen im Durchschnitt zehn Wochen für ein Erstgespräch und 25 Wochen für den Beginn einer Therapie. Für Kinder wie Lina, deren Symptome nicht spektakulär sind, sondern diffus – Schlafprobleme, Rückzug, Gereiztheit –, bleibt oft nur die Hoffnung auf eine Lehrerin, die aufmerksam genug ist. Doch die Schulsozialarbeit wurde gekürzt, die Klassen sind groß, die Zeit fehlt. Die Kosten dieser Unterversorgung sind langfristig: unbehandelte Depressionen, Schulabbrüche, Suchtverhalten, Arbeitslosigkeit. Psychische Erkrankungen sind kein Randphänomen, sondern ein zentraler Mechanismus sozialer Vererbung. Sie zerstören nicht nur Wohlbefinden, sondern Lernfähigkeit, Bindung, Motivation – jene Fähigkeiten, die eine Gesellschaft für ihre eigene Zukunft braucht. Wenn der Wohnort über die Lebenserwartung entscheidet Die gesundheitliche Ungleichheit in Deutschland ist geografisch sichtbar. Ein Kind, das in Bremen-Osterholz, Dortmund-Nord oder Berlin-Neukölln aufwächst, hat im Durchschnitt eine vier bis sechs Jahre geringere Lebenserwartung als ein Kind aus München-Schwabing oder Hamburg-Blankenese. Solche Unterschiede gab es früher zwischen Ländern, heute existieren sie zwischen Stadtteilen. Medizinisch lässt sich das leicht erklären: Armut bedeutet höhere Belastung durch Feinstaub, schlechtere Luft, weniger Grünflächen, beengtes Wohnen, schlechtere Ernährung. Aber die eigentliche Erklärung ist politisch: Gesundheit folgt der Infrastruktur. Dort, wo Kitas unterbesetzt sind, Schulen verfallen und Nahversorgung fehlt, wächst keine Resilienz – sondern Erschöpfung. > Lina lebt in einem Viertel, das euphemistisch „sozialer Brennpunkt“ heißt. Hier kostet eine Wohnung wenig, aber sie verbraucht Gesundheit: Feuchtigkeit, Schimmel, Lärm, fehlende Spielplätze, unsichere Wege. Was in Bauausschüssen als „Investitionsrückstand“ firmiert, bedeutet im Alltag verkürzte Kindheit. Der Preis des Nichtstuns Die OECD hat mehrfach berechnet, dass jeder in Prävention investierte Euro langfristig das Fünf- bis Zehnfache an Sozial- und Gesundheitskosten spart. Trotzdem macht Prävention in Deutschland nur etwa drei Prozent der Gesundheitsausgaben aus. Das System verdient am Kranken, nicht am Gesunden. Diese ökonomische Schieflage ist kein Betriebsunfall, sondern Struktur: Kassenärzte werden nach Behandlungsfällen bezahlt, nicht nach verhinderten Krankheiten. Präventive Hausbesuche, Ernährungsberatung oder aufsuchende Elternarbeit gelten als „freiwillige Leistungen“ und sind damit haushaltspolitisch jederzeit streichbar. Dabei wäre genau das nötig: niedrigschwellige, kontinuierliche Begleitung – Hausbesuche nach der Geburt, Kita-Gesundheitsprogramme, Schulpsychologinnen, die nicht fünf Schulen gleichzeitig betreuen müssen. Was fehlt, ist nicht Wissen, sondern Wille. Eine stille Selektion Das deutsche Gesundheitswesen hat keine formelle Zugangsbeschränkung. Aber es selektiert leise – durch Zeit, Bürokratie, Sprache und Scham. Diese Selektion beginnt im Wartezimmer und endet oft in der Statistik, die dann nüchtern vermerkt, dass Kinder aus niedrigen Statusgruppen „signifikant häufiger chronisch krank“ sind. In Wahrheit handelt es sich um eine institutionalisierte Form sozialer Diskriminierung – nicht intendiert, aber wirksam. Sie wird von der Politik selten benannt, weil sie nicht an einem Ort greifbar ist, sondern in den Routinen des Alltags: im überfüllten Jugendamt, in der unbesetzten Praxis, im anonymen Callcenter der Krankenkasse. Das Ergebnis ist ein Gesundheitssystem, das Ungleichheit nicht heilt, sondern stabilisiert. Lina erlebt das täglich – in Wartezeiten, in Formularen, in der leisen Botschaft: „Dein Leben zählt, aber nicht so viel wie das der anderen.“ Titelbild: nimito / Shutterstock Quellen 1. Robert Koch-Institut (RKI): Gesund aufwachsen – Welche Bedeutung kommt dem sozialen Status zu? GBE kompakt 1/2015 [https://www.gbe-bund.de/pdf/gbe_kompakt_01_2015_gesund_aufwachsen.pdf]. Berlin: RKI. 2. Kuntz, B., Rattay, P., Poethko-Müller, C. et al.: Soziale Unterschiede im Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Ergebnisse aus KiGGS Welle 2 [https://www.gbe-bund.de/pdf/johm_2018_03_kiggs_welle_2_focus_soziale_untersch_d.pdf]. Journal of Health Monitoring, 3 (3), 2018. Robert Koch-Institut. 3. Lampert, T., Prütz, F., Rommel, A., Kuntz, B.: Soziale Unterschiede in der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Ergebnisse aus KiGGS Welle 2. Journal of Health Monitoring [https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/Journal-of-Health-Monitoring/GBEDownloadsJ/Focus/JoHM_04_2018_Soziale_Unterschiede_Inanspruchnahme_KiGGS-Welle2.pdf?__blob=publicationFile&v=2], 3 (4), 2018. Robert Koch-Institut. 4. Biesalski, H. K.: Ernährungsarmut bei Kindern [https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/a-1553-3202.pdf] – Ursachen, Folgen, COVID-19. Aktuelle Ernährungsmedizin, 46 (2021), 317–332. Georg Thieme Verlag, Stuttgart. DOI: 10.1055/a-1553-3202 5. Castiglioni, L.: Armut gefährdet die psychische Gesundheit. [https://www.dji.de/ueber-uns/themen/psychische-gesundheit/armut-gefaehrdet-die-psychische-gesundheit.html] Deutsches Jugendinstitut (DJI), Themenportal Psychische Gesundheit, 2025. 6. Röhling, M. et al.: Diabetes- und kardiovaskuläre Gesundheitskompetenz im Kindes- und Jugendalter [https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/a-1960-1587.pdf] – Ein 12-Jahres-Follow-up. Deutsche Medizinische Wochenschrift, 148 (2023), e1–e7. DOI: 10.1055/a-1960-1587 7. Stasch, N., Ganahl, K., Geiger, H.: Soziale Ungleichheit in der Zahngesundheit von Kindern [https://doi.org/10.1007/s11553-021-00929-7] – Behandlungsbedürftige Karies der 6- bis 12-jährigen Volksschulkinder in Vorarlberg (Österreich) in Bezug zu regionalen sozioökonomischen Determinanten und Migration. Prävention und Gesundheitsförderung, 18 (2023), 87–92. Springer Medizin Verlag. DOI: 10.1007/s11553-021-00929-7 8. RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung / Cornell University: Cream Skimming by Health Care Providers and Inequality in Health Care Access [https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0167268121002146?via%253Dihub] – Evidence From a Randomized Field Experiment. Journal of Economic Behavior & Organization Paper #188, 2021. 9. Bregenz/aks Gesundheit GmbH: Kinder von Grund auf gegen Armut sichern [https://www.kas.de/documents/d/guest/kinder-von-auf-grund-auf-gegen-armut-sichern] – Ursachen, Auswirkungen, Auswege. Konrad-Adenauer-Stiftung e. V., 2023. 10. Walper, S., Ulrich, C., Kindler, H. (Hrsg.): Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen stärken [https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bulletin/d_bull_d/bull134_d/DJI_1_24_Impulse_web.pdf] – Ergebnisse und Perspektiven aus der Forschung des DJI. Deutsches Jugendinstitut, München 2023. ---------------------------------------- [«1] Lina ist eine fiktive Person, die Lebensumstände und Geschehnisse haben einen realen Hintergrund.
„Friedensratschlag“: Um die Welt zu retten, muss die Menschheit das Militär abschütteln
Der bundesweite Friedensratschlag am 8. und 9. November mit über 500 Teilnehmern beinhaltete teils heftige Debatten über Auswege aus den Eskalationsspiralen, die der Militarismus auslöst. Die Veranstaltung war eine wichtige Vorbereitung auf die Aktionen der Friedensbewegung im Jahr der geplanten Stationierung nuklearfähiger US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Von Bernhard Trautvetter. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Der Friedensratschlag ist wie jedes Jahr das wichtigste Forum zur Verständigung von Kräften der Friedensbewegung mit befreundeten Spektren. Hier folgt auf der Basis von Mitschriften ein erster Bericht: Ingar Solty von der Rosa-Luxemburg-Stiftung wandte sich gegen die Militarisierung der Wirtschaft. Die Kriegswirtschaft mit ihren Rekordsprüngen an den Börsen bringt Arbeitsplatzverluste, da die Rüstungsproduktion besonders hoch automatisiert ist. Rüstung ist toter Konsum, da die Kriegswaffen nach dem Verkauf an den Staat nur herumliegen, außer sie kommen in einem Krieg zum Einsatz. Um die damit verbundene Ressourcenvernichtung zu legitimieren, zeichnet die Militärlobby wie in den Zeiten vor den großen Kriegen der Vergangenheit ein möglichst bedrohliches Feindbild, das sie mit ständig neuen Gefahrennarrativen dramatisiert. Die Schuldenaufnahme, die für den Staat mit der Hochrüstung verbunden ist, macht ihn abhängiger vom Finanzkapital, das aus seinem Rendite-Interesse heraus Forderungen an den Schuldner (den Staat) richtet, der die Interessen des Kapitals bedient, und das zum Nachteil der lohnabhängigen Mehrheit der Bevölkerung. Das Schüren von Angst vor dem dämonisierten Feind lenkt die Sorgen infolge einer wachsenden Perspektivlosigkeit der Jugend sowie der Not vieler Familien auf den schuldigen Feind im Osten. Hier ein Kern-Zitat aus Ingar Soltys Rede: > „Insofern die USA den hochgradig monopolisierten Weltmarkt für Rüstungsgüter dominieren – die fünf größten Rüstungskonzerne der Welt sind alles US-amerikanische –, bedeuten die Hochrüstungsmaßnahmen letzten Endes, dass die europäischen Arbeiterklassen mit ihren Steuergeldern die Profite von Raytheon, Lockheed-Martin, Boeing und Co. und die Dividende-Ausschüttungen an deren Aktionäre finanzieren. Sie bedeuten, dass die europäischen Staaten, ja alle US-Verbündeten, ein militärkeynesianisches Rüstungsprogramm finanzieren, aber nicht für sich selbst, sondern in weiten Teilen für die USA. Wirtschaftspolitisch betrachtet könnte man genauso gut Milliardensummen ohne Gegenleistung an Donald Trump überweisen.“ Michael von der Schulenburg (BSW-Abgeordneter im EU-Parlament, Diplomat mit OSZE- und UNO-Erfahrung) verdeutlichte die globale Schädlichkeit der NATO schon ohne Kriegshandlungen damit, dass die NATO-Staaten mit nicht einmal 10 Prozent der Weltbevölkerung deutlich mehr als die Hälfte der Weltrüstungsausgaben mit verursachen. Die NATO-Lobby arbeitet dabei mit doppelten Standards und Feindbild-Narrativen. Sie tut dies auch, um ihre gefährliche Strategie nach außen hin zu legitimieren. So hat sie Gegner, gegen die NATO-Staaten auf dem Balkan, in Libyen, im Irak und in Russland vorgehen, immer wieder mit einer Gut-Böse-/Schwarz-Weiß-Propaganda als Dämonen gekennzeichnet, gegen die sie – so die Propaganda – im Interesse des Rechts vorzugehen haben. Helga Baumgarten berichtete aus Jerusalem und kritisierte den Siedlerkolonialismus, der Palästinenser rechtloser und gewaltsamer Willkür aussetzt. Sie berichtete vom kürzlichen Gaza-Tribunal in Istanbul; in diesem Zusammenhang zitierte sie Bertrand Russel mit den Worten, wenn sie das Gesetz zum Schweigen bringen, hat unser Gewissen die Aufgabe, zum Tribunal für die Verbrechen zu werden. Sie fand für die Gesetzesbrüche klare Begriffe: Systematische Unterbrechung der Nahrungsversorgung und der Wasserzufuhr, Zerstörung der Wohngebiete, der Gesundheitsversorgung, der Bildung, der gesamten Lebenskultur der Bevölkerung; systematische Verfolgung und Ermordung von Journalisten, die über diese Verbrechen aufklären. Wer Israels Regierung in der Situation stützt, unterstützt Verbrechen, er wird wissentlich zum indirekten Mitttäter. Die Straflosigkeit gegenüber Willkür, Entrechtung und Gewalt wird nur enden, wenn die Solidaritätsbewegung die Verfolgung und das Ende der Gesetzlosigkeit erzwingt. Die Gewerkschafterin Ulrike Eifler aus Würzburg (IG Metall) erläuterte, dass erst eine in den Gewerkschaften breit verankerte Friedensbewegung die notwendigen Erfolge erzielen kann. Wie stark Friedensfragen mit der Sozialpolitik zusammenhängen, das kann man gut an der Offensive gegen den Sozialstaat ablesen, die den Widerstand gegen die Hochrüstung lähmen soll. Die Kombination aus Maßnahmen zur Kriegsvorbereitung und Angriffen auf Gewerkschaften sowie auf gewerkschaftliche Rechte, das hat eine lange Tradition: Schon vor dem Ersten Weltkrieg war die Hochrüstung mit Sozialabbau und mit der Diskreditierung von Friedenskräften verbunden. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden zuerst die Gewerkschaften verboten und dann folgte die Militarisierung. Die Wirtschaftskrise, die zum sogenannten ›Schwarzen Freitag‹ führte, zog eine Rekordrüstung in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg nach sich. Militarisierung ist auch mit einer Rechtsentwicklung verbunden, wie man auch an den Worten des CSU-Politikers Manfred Weber nachvollziehen kann, der einforderte, dass ein Umschalten auf Kriegswirtschaft ‚notfalls mit Stimmen von rechts‘ beschlossen werden müsse. Die Tarnung der Hochrüstung im schuldenfinanzierten sogenannten 500-Milliarden-‚Sonderfonds‘ als Investitionsprogramm für „Infrastruktur“ soll auch den gewerkschaftlichen Widerstand präventiv abwenden. Unterirdische Lazarette und panzertaugliche Brücken dienen allerdings in erster Linie der Kriegsvorbereitung und nicht den Menschen. Sie sollen schon früh an die Tötungsmaschinerie gewöhnt werden, was zu solchen Projekten führt, wie der Herstellung von Handgranaten-Attrappen, damit junge Bürger damit Krieg üben können. Diese Programme werden auf Kosten der Infrastruktur aufgelegt, mit dem Resultat, dass Arbeitslose zur Not zu Jobs im Bereich der Militarisierung greifen, um irgendwie doch über die Runden zu kommen. Die Planung von über 150 Milliarden Euro für den Militäretat in vier Jahren ist ein Angriff auf die Interessen der Menschen und der Gewerkschaften in diesem Land. Die Werbung für den Dienst an der Waffe ist eine weitere Verletzung der Lebensinteressen der Menschen. Arbeitslose, die in der Krisenlage einen schlechten Job ablehnen, müssen mit dem kompletten Entzug von Bürgergeld rechnen. Die damit verbundene Einschüchterung schwächt die Kampfkraft der Gewerkschaften weiter. Die Friedenskräfte sind in einer Interessengemeinschaft mit den Gewerkschaften, sie stehen vor der Aufgabe, die Gewerkschaften in die Abwehr der Angriffe des militärisch-industriellen Komplexes möglichst federführend einzubeziehen. Der langjährige Friedensaktivist Reiner Braun warnte vor der immer massiveren Hetze gegen die Friedensbewegung, mit der die Menschen in unserem Land in einen Krieg gegen Russland gedrängt werden. Er forderte den Aufbau einer Friedensordnung in gemeinsamer Sicherheit, die nicht gegen, sondern nur mit Russland und auch China aufgebaut werden muss. Er warnte vor antidemokratischen Entwicklungen in die Richtung eines neuen Faschismus als Ergebnis der Militarisierung. Er verwies darauf, dass die Kriegsstrategie der USA und damit auch von NATO-Partnern nicht alleine auf Europa begrenzt ist. Er forderte auf zur Solidarität mit Venezuela und Kuba, die im Visier der globalen Kriegsstrategie der USA liegen. Diese Strategie bricht mehrfach internationales Recht, auch durch die Aufrechterhaltung der Sanktionen und Blockaden gegen Kuba, mit denen die USA die erdrückende Mehrheit der UNO übergehen, die diese imperiale Politik als völkerrechtswidrig geißelt. Die Stationierung neuer US-Raketen in Deutschland ist für den Zeitraum ab September 2026 geplant. Mit diesen Offensivsystemen, über deren Einsatz alleine die USA entscheiden – und nicht das Stationierungsland – gerät Deutschland im Konflikt- und Kriegsfall ins Visier der russischen Militärs; diese Waffen können Silos und Kommandozentralen Russlands in einem Erstschlag und Enthauptungsschlag ausschalten, sodass Russland sich im Kriegsfall gezwungen sehen kann, seine Raketen vorbeugend gegen die US-Raketen einzusetzen, ehe diese Russland enthaupten. Anfang Juni 2026 findet in Ankara der nächste NATO-Gipfel statt. Allein die Tatsache, dass die NATO in der Türkei tagt, die mit kriegerischen Maßnahmen in Kurdengebieten auch in Nachbarstaaten Völkerrecht bricht [https://www.spiegel.de/ausland/tuerkei-will-laut-erdogan-krieg-gegen-kurden-in-syrien-und-im-irak-bald-beenden-a-e3d49094-1926-4b83-9bcf-c11afd19b9e7], zeigt, wie wenig das propagierte Selbstbild von der NATO als Verteidiger des Rechts wert ist. Wir sind gefordert, größtmögliche Friedensdemonstrationen gegen die Militarisierung Europas und die Kriegsvorbereitungen durchzuführen, lokal vor Ort, in unserem Land und in der EU, sowie am NATO-Hauptquartier in Brüssel. Der Frieden, für den wir uns engagieren, verbindet Internationalismus mit Solidarität. Christoph von Lieven von ICAN betonte, dass die soziale Frage mit der Militarisierung zusammenhängt. Die Warnung etwa von Generalinspekteur Breuer, man müsse mit einem Angriff Russlands 2029 rechnen, hält er für unverantwortlich. Was die Öffentlichkeit über die Planungen der Militärs erfährt, sei nur die Spitze des Eisbergs. Ein Krieg mit Russland würde sich nicht auf der anderen Seite des Atlantiks, in den USA, ereignen, sondern in Europa. Hier haben die USA ultraschnelle und hochpräzise Mittelstreckenraketen, sodass ein kriegerisches Szenario leicht in ein nukleares Inferno übergehen würde. Die Kriegstüchtigkeit steht gegen das Friedensgebot des Grundgesetzes. Eine Friedenspolitik muss mehr sein als die Kritik an Einzelmaßnahmen. Das System der Gewalt hat Ursachen in der Konkurrenz- und Wachstumslogik des Kapitalismus. Wir müssen mit dem Naheliegenden anfangen, etwa mit der Forderung nach Erfüllung des Atomwaffenverbotsvertrages und der UNO-Charta. Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde, erinnerte an Immanuel Kants Forderung, die Menschen brauchen Mut zur Mündigkeit. Dieser Mut steht heute gegen den Kriegskonformismus. Wir brauchen auch eine klare Sprache – etwa Begriffe wie der vom ‚Klimakollaps‘ in der Ökologiedebatte ist zu schwach. Wir müssen den Kollaps des Erdsystems abwenden. Niemand kann valide vorhersagen, was etwa eine Erderhitzung auf drei Grad plus gegenüber 1979 für den Lebensraum der Menschheit regional und global bedeutet. Die armen Länder werden als erste betroffen sein. Und Gebiete in den Industriestaaten, wo ungewöhnliche Wetterereignisse Katastrophen hervorrufen können, werden möglichst schnell einfach wieder hergestellt. Die mit all diesen Entwicklungen verbundene Destabilisierung steigert Konflikte bis zur Kriegsgefahr. Die Erderhitzung von 1,9 Grad plus ist bereits Realität. Wer heute noch von 1,5 Grad spricht, verharmlost. Konservativer Nationalismus und grüner Neoliberalismus werden die erwähnten Probleme nicht lösen. Die Veränderungen bewirken im System der Thermoströme Umwälzungen von unvorhersehbaren Ausmaßen und Ausformungen. Die Dummheit eines Systems, das vor allem die Linearität von Wachstum zum Programm hat, kann sich die Menschheit nicht mehr leisten. Während planetarische Krisen verschärft werden, bleiben gemeinsame Aktionen von zivilgesellschaftlichen Akteuren die Ausnahme. Wir brauchen eine globale Gemeinsamkeit statt der Konfrontation der Abschreckungsstrategie. Wir brauchen eine Strategie der Bewahrung des Lebensraumes der Menschheit, die Abrüstung und Diplomatie, das Völkerrecht im Sinn einer Friedensordnung der gemeinsamen Sicherheit etabliert. Ohne eine dadurch mögliche globale Kooperation sind die globalen Probleme nicht lösbar. Die Welt braucht Gemeinsamkeit statt Konfrontation. Ohne eine strukturelle Veränderung des Systems ist die Welt nicht zu retten. Die nichtlinearen Prozesse vor uns liegender Kipp-Punkte, die sich gegenseitig durchdringen, sind nur mit eine Kraftanstrengung bewältigbar, die mit dem Mut zur Mündigkeit beginnt. Wir müssen sehen und sagen, was ist. Und wir haben da anzusetzen, wo die Gefahr aktuell und wo die Aussicht auf Aktivierung von Widerstand am größten ist. Das zu klären, wird auch wieder 2026 Aufgabe der Friedensbewegung sein. Die Atomrüstung, die Vormachts-Strategie der NATO und die Kriegsvorbereitung inklusive der erneuten Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland wird dabei eine herausragende Aufgabe beim Auf- und Ausbau von Friedensstrukturen sein. Titelbild: Drakuliren / Shutterstock
Positionspapier der evangelischen Kirche: Grünes Licht für Kriegstüchtigkeit
Unter dem Titel Welt in Unordnung – Gerechter Friede im Blick. Evangelische Friedensethik angesichts neuer Herausforderungen [https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/denkschrift-welt-in-unordnung-EVA-2025.pdf] hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein Positionspapier veröffentlicht. Der Medienmainstream applaudiert – verständlich. Die Schrift wirkt, als käme sie direkt aus dem Bundestag. Grundsätzlich ist die evangelische Kirche, so wie die Politik, selbstverständlich für Frieden, aber … Mit frommen Worten und theologischer Raffinesse positioniert sie sich aber auf eine Weise, dass sie der vorherrschenden Konfrontations- und Aufrüstungspolitik als Steigbügelhalter dient. Ein Kommentar von Marcus Klöckner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Lesen Sie dazu auch: Volker Rekittke – Abschied vom christlichen Pazifismus [https://www.nachdenkseiten.de/?p=142031] Sieben Mal kommt in dem rund 150 Seiten umfassenden Positionspapier der Name Jesus vor. Das ist bemerkenswert wenig. Fast wirkt es so, als wolle jene Kirche, die sich in ihrem Christentum doch auf Jesus zu stützen hat wie keine andere, sich in einer gewissen – formulieren wir es höflich – Zurückhaltung üben. Wer sich das gerade von der Evangelischen Kirche veröffentlichte Positionspapier anschaut, versteht schnell, warum das so ist. Wie kann eine Kirche den Weg des Friedens mit Jesus gehen, wenn sie gleichzeitig dem größten Aufrüstungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik nicht im Weg stehen will? Wie kann eine Kirche eine an Jesus orientierte Friedenshaltung darlegen, wenn sie sogar dem politischen Großvorhaben „Kriegstüchtigkeit [https://www.nachdenkseiten.de/?p=127039]“ mit atemberaubender Gedankenakrobatik ihren Segen erteilen will? Man muss nicht einmal die Bibel gut kennen, um zu verstehen: Das würde sehr schwierig werden. Doch damit keine Missverständnisse entstehen: Auch ein solches Unterfangen wäre dieser Evangelischen Kirche zuzutrauen. Ob auf den rund 150 Seiten nur siebenmal der Name Jesus auftaucht oder tausendmal: Am Ende stünde – „Überraschung“! – dort zu lesen, was auch nun da steht. Denn eines ist klar: Diese Kirche will sich nicht gegen die vorherrschende Politik stellen. Diese Kirche will das tun, was längst als „gute“ alte Kirchentradition bezeichnet werden darf: Der Politik zur Seite stehen – auf eine furchtbar scheinfromme Weise. Da erdreistet sich diese Kirche tatsächlich, auf das Jesu-Gebot der Feindes- und Nächstenliebe einzugehen und davon zu sprechen, dass genau dieses Gebot ihr „ethisches Leitbild“ sei, während sie ein lautes, eindeutiges „Waffen nieder!“ im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine nicht über ihre Lippen bekommt. Da gebraucht diese Kirche sagenhafte 22 Mal den Begriff „Wehrpflicht“, aber sie erhebt kein einziges Mal ihre Stimme gegen die teils brutalen Zwangsrekrutierungen in der Ukraine, die in unzähligen Videos festgehalten wurden. Und es wird noch „besser“: Nicht einmal „präventive“ Militärschläge verurteilen die „Repräsentanten“ Gottes: > Wenn friedliche Mittel der Konfliktbearbeitung ausgeschöpft sind und bewaffnete Gegenwehr die einzig verbleibende Möglichkeit zur Abwehr einer existenziellen Bedrohung darstellt, kann aus ethischer wie völkerrechtlicher Perspektive eine präventive militärische Reaktion gerechtfertigt sein. Besser hätte es kein NATO-Vertreter formulieren können. So geht es weiter, Zeile um Zeile. Frieden? Ja! Selbstverständlich! Gewiss! Immer! Aber! So wird das nichts mit einer kirchlichen Friedensposition, die diesen Namen verdient. Was diese Kirche hier abliefert, ist ein Eiertanz, der nun mal aufgeführt werden muss, wenn der fromme Schein nicht verloren gehen darf und der Politik zugleich die Stange zu halten ist. > Insofern Kriegstüchtigkeit auf die Bereitschaft zielt, die eigenen Werte auch unter Androhung und im äußersten Fall unter Einsatz ethisch verantworteter Gewalt zu verteidigen, nimmt dieser Terminus ein Anliegen auf, das mit der hier entwickelten Position vereinbar ist. Eine Kirche, die sich wahrlich für Frieden einsetzen will, würde der Politik bei dem Begriff kriegstüchtig [https://www.nachdenkseiten.de/?p=136945] mit ihrem nackten Hintern ins Gesicht springen. Sie würde „Zeter und Mordio!“ schreien und nicht nur zaghaft davon sprechen, dass der Begriff nur mit „äußerster Zurückhaltung“ gebraucht werden solle. „Die Kirche ist“, so heißt es weiter in dem Positionspapier, „keine politische Entscheidungsinstanz, aber sie begleitet das öffentliche Ringen um Orientierung mit theologischer Stimme“. Was in diesem Positionspapier von der Evangelischen Kirche geliefert wird, hat mit einem „öffentlichen Ringen um Orientierung mit theologischer Stimme“ nichts zu tun. Es ist die verdeckte und zugleich doch offene Parteinahme für eine Politik, die unter dem Einsatz von Halbwahrheiten, Lügen, Auslassungen, Manipulation und massiver Propaganda Feindbildaufbau betreibt. Dass einer solchen Kirche der Medienmainstream applaudiert, war zu erwarten. „Die evangelische Kirche“, so kommentiert die FAZ [https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/die-ekd-und-der-pazifismus-ein-richtiger-bruch-110773859.html?utm_term=Autofeed&campID=SCL-EAu2500002683&utm_medium=Social&utm_source=Twitter#Echobox=1762852306], „bricht mit ihrem Pazifismus. Sie bejaht nunmehr Gewalt gegen Aggressoren, um die Demokratie zu schützen und Frieden wiederherzustellen. Das war bitter nötig.“ Eine Kirche, die in friedenspolitischen Positionen von der FAZ unterstützt wird? Also einer Zeitung, die kommentierte: „Es gibt kein Recht auf Fahnenflucht“ [https://www.faz.net/aktuell/politik/ukraine-krieg-es-gibt-kein-recht-auf-fahnenflucht-19400836.html]. Diese Kirche ist längst in jenem Abgrund gelandet, über dem sie zu thronen vorgibt. Diese Kirche spricht von einem „russischen Angriffskrieg“, während sie den Begriff Stellvertreterkrieg [https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/interview-mit-michel-wyss-es-ist-der-erste-stellevertreter-krieg-zwischen-russland-und-der-nato-in-europa_id_94392173.html] unausgesprochen lässt. Diese Kirche will keine „politische Entscheidungsinstanz“ sein, aber spielt durch ihre Ignoranz und ihre Einseitigkeit den politischen Entscheidungsinstanzen die Bälle zu. Wo das Wort Gottes sich entfalten sollte, entfalten sich lauwarme, gefällige, herrschaftsnahe Positionen. Hätte Jesus das gewollt? Titelbild: CameraObscura82/shutterstock.com[http://vg01.met.vgwort.de/na/a6a65dd5ab37484eba01d1a354d195ca]
Abschied vom christlichen Pazifismus
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat eine Denkschrift veröffentlicht: „Welt in Unordnung – Gerechter Friede im Blick. Evangelische Friedensethik angesichts neuer Herausforderungen“. Viele Aussagen darin passen auffallend gut zum Aufrüstungs- und Militarisierungskurs der Bundesregierung. Doch es regt sich Widerstand. Von Volker Rekittke. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Stell dir vor, es ist Krieg – und die Spitze der Evangelischen Kirche hat gar nicht erst nach Wegen gesucht, ihn zu verhindern. Das wäre eine Zäsur. Denn vor 2000 Jahren soll der Gründer der christlichen Weltreligion in seiner wohl wichtigsten Rede, der Bergpredigt, laut dem Matthäus-Evangelium verkündet haben: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“[1] Jesus Christus forderte nicht weniger als Feindesliebe – übersetzt auf heutige Verhältnisse könnte darunter der Appell verstanden werden, das Schmäh-Wort vom „Putin-Versteher“ endlich in diesem Sinne zu begreifen: Jeder Friedensschluss fängt mit Zuhören an, mit dem Versuch, die Positionen des Gegners zu verstehen. Ohne diesen Versuch wird der Krieg in der Ukraine nie enden, oder er endet, im Atomzeitalter, dann doch irgendwann – in einer radioaktiv verseuchten Wüste. In der jüngst veröffentlichten Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) „Welt in Unordnung – Gerechter Friede im Blick. Evangelische Friedensethik angesichts neuer Herausforderungen“[2] geht es, so die Autoren, „um friedensethische Güterabwägungen in Bezug auf konventionelle und nukleare Abschreckung, um Waffenlieferungen, um Wehr- und Dienstpflicht, um die Herausforderungen hybrider Kriegsführung und Terrorismus“. Von einer „Neupositionierung“ berichtet die „Tagesschau“: Um Frieden zu sichern, müsse unter Umständen auch Gewalt als letztes Mittel angewendet werden[3]. Und der Spiegel titelt „Friedensdenkschrift 2025: Evangelische Kirche spricht sich für Möglichkeit der atomaren Abschreckung aus“. Sogar der christliche Pazifismus werde infrage gestellt.[4] Tatsächlich hat sich die EKD auf ihrer Synode in Dresden vom christlichen Pazifismus verabschiedet – jedenfalls als kollektivem ethischen Leitmotiv, das sich aus der Bergpredigt im Neuen Testament herleitet. So heißt es in der Denkschrift: „Christlicher Pazifismus ist als allgemeine politische Theorie ethisch nicht zu begründen. Er ist aber als Ausdruck individueller Gewissensentscheidung zu würdigen.“ (S. 20) War also der Pazifismus eines Martin Luther King – oder, im interreligiösen Kontext: eines Mahatma Gandhi – lediglich „Ausdruck individueller Gewissensentscheidung“, und nicht zugleich auch politische Theorie und Praxis etwa gegen die Rassentrennung in den Vereinigten Staaten und den US-Krieg in Vietnam mit bis zu vier Millionen getöteter vietnamesischer Zivilisten[5], oder für ein Ende der Jahrhunderte währenden Herrschaft des britischen Empire in Indien? War Gandhi nur ein etwas verschrobener Individual-Pazifist, als er sich – übrigens sehr erfolgreich – mit einer explizit gewaltfreien Strategie mit dem damals mächtigsten aller Kolonialregime anlegte? Eine Kolonialmacht, die noch 1943/44 in Indisch-Bengalen den Tod von über drei Millionen Menschen[6] in Kauf nahm, als London für die Truppen des Empire Reis aus Indien verschiffen ließ, während in den Straßen von Kalkutta und Dhaka die Menschen massenhaft verhungerten. Von Premier Winston Churchill, dies nur am Rande, ist dazu die Bemerkung übermittelt, die Inder seien doch selbst schuld, wenn sie sich wie Kaninchen vermehrten („breeding like rabbits“).[7] Weiter heißt es im EKD-Papier: „Die Friedenslogik [kann] nur dort Raum gewinnen, wo die Sicherheitslogik Bedingungen dafür schafft. In Verteidigung muss investiert werden, denn sie dient dem Schutz von Menschen, Rechten und öffentlicher Ordnung.“ (S. 13) Damit ist die Marschrichtung klar: Parallel zur beispiellosen, vom Bundestag abgesegneten Rüstungsorgie, postulieren die Kirchenoberen eine „Sicherheitslogik“ samt Abschreckung und Aufrüstung, dienten diese doch „dem Schutz von Menschen, Rechten und öffentlicher Ordnung“. Kritiker der ziemlich eurozentristischen Denkschrift könnten nun fragen, ob dieser Schutz von Menschen und Rechten (= Menschenrechten?) auch weltweit gilt, in Israel genauso wie in Palästina oder dem Libanon, in der Türkei wie in Kurdistan oder Syrien, in den USA ebenso wie im Irak, in Afghanistan oder im lateinamerikanischen ‚Hinterhof‘ des westlichen Hegemons. Und es kommt noch schlimmer: „Ethisch ist die Ächtung von Atomwaffen aufgrund ihres verheerenden Potenzials geboten. Der Besitz von Nuklearwaffen kann aber angesichts der weltpolitischen Verteilung dieser Waffen trotzdem politisch notwendig sein, weil der Verzicht eine schwerwiegende Bedrohungslage für einzelne Staaten bedeuten könnte.“ (S. 15) Dazu sei eine unschuldige Nachfrage erlaubt: Rechtfertigt die EKD hier etwa das nordkoreanische Nuklearwaffenarsenal als Garant gegen Angriffe der USA? Oder zu Rüstungsexporten: „Sollten Waffenlieferungen erfolgen, sind die Kriterien rechtserhaltender Gewalt analog anzuwenden. Die Entscheidung für Waffenlieferungen und Rüstungsexporten wird sich daran messen lassen müssen, dass eine Eskalation der Gewalt vermieden wird.“ (S. 16) In der Tat keine einfache Abwägung, mögen nun Zyniker einwenden, ob die Bundesregierung dem souveränen Staat Venezuela im Fall einer US-Intervention mit Waffenlieferungen zur Seite stehen sollte (vielleicht ja sogar mit Taurus-Marschflugkörpern?), um das laut UN-Charta nicht nur in Osteuropa, sondern auch in Südamerika geltende Völkerrecht zu verteidigen. Davon mal abgesehen: Haben westliche Waffen in der Ukraine bislang dabei geholfen, „eine Eskalation der Gewalt“ zu vermeiden? Oder das massenhafte Sterben von Palästinensern in Gaza zu beenden? Viele Seiten widmet die EKD schließlich erneuten Kriegs- und anderen Zwangsdiensten. „In der Frage einer allgemeinen Dienstpflicht – etwa in Form eines sozialen, zivilen Friedensdienstes oder eines alternativen Militärdiensts – regt die Denkschrift eine gesellschaftliche Debatte an. In einer zunehmend individualisierten Gesellschaft wird neu zu bedenken sein, wie gemeinschaftliche Verantwortung für Schutz, Versorgung und soziale Kohäsion organisiert werden können. Die evangelische Friedensethik sieht hier eine Chance, ein neues Bewusstsein für den Zusammenhang von Freiheit und Gemeinsinn zu stärken.“ (S. 16) Eine „allgemeine Dienstpflicht“ zur Stärkung von „Freiheit und Gemeinsinn“? 1980er, ick hör dir trapsen (samt 20 Monate Zivildienst seinerzeit). Doch wofür steht eigentlich das Wörtchen „allgemeine“? Genau: Prinzipiell zumindest befürwortet die Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland einen Kriegs- bzw. Zivildienst auch für Frauen: „Angesichts der grundgesetzlich verankerten Gleichberechtigung der Geschlechter ist die Allgemeinheit einer solchen Dienst- oder Wehrpflicht grundsätzlich wünschenswert.“ Nachgeschoben wird dann noch, man müsse „zunächst die Bedingungen für eine gerechte Aufteilung der Care-Arbeit schaffen, ehe eine gleiche Dienst- oder Wehrpflicht für alle Geschlechter ethisch begründet und politisch gefordert werden kann“. (S. 133/134) Auf geht‘s, Männers: Nehmt endlich eine patriotische Eltern- oder Pflegezeit, damit die jungen Frauen das Land mit der Waffe in der Hand – oder mit der Hand am Drohnen-Joystick – verteidigen können. Gerne auch am Hindukusch oder am Dnjepr. Doch es gibt noch Hoffnung. Schon bei der Präsentation der neuen „Friedensdenkschrift“ protestierte eine Gruppe von Friedensaktivisten in Dresden. Dass die EKD-Positionen nicht für die gesamte evangelische Kirche stehen, zeigt auch die prompte Erwiderung „Gerät der Friede aus dem Blick?“[8] der „Initiative Christlicher Friedensruf“, die das Ökumenische Friedenszentrum im Mai 2025 gemeinsam mit 25 Friedensorganisationen gegründet hat: „Die Gefahr eines dritten Weltkrieges ist so groß wie nie zuvor. In dieser Situation stärkt die Denkschrift mit ihrer theologischen Rechtfertigung kriegerischer Gewalt als ultima ratio militärische Optionen. Sie suggeriert, Frieden könne durch Krieg statt durch Diplomatie und Verhandlungen erreicht werden. Die Forderung nach einem Friedensplan für die Ukraine und für Israel/Palästina fehlt ebenso wie die nach Stärkung von Strukturen der OSZE.“[9] Apropos Israel/Palästina: Zu einem der mörderischsten Kriege der jüngsten Zeit, dem in Gaza, verliert die Denkschrift auffällig wenige Worte, mit einem Fehlen an Empathie für die zehntausenden Toten in Gaza, das einen frösteln lässt: „Seit dem Terrorakt der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 verschärft sich die Situation im Nahen Osten immer weiter – mit grausamen humanitären Folgen.“ Sind mit „grausamen humanitären Folgen“ apartheid-ähnliche Verhältnisse in der Westbank, völkerrechtswidrige Überfälle Israels auf Nachbarländer, das Aushungern von Millionen Zivilisten und andere Kriegsverbrechen, gar der Genozid in Gaza gemeint? Die Initiative Christlicher Friedensruf merkt dazu an: „Die wenigen, sehr vorsichtig formulierten Bemerkungen der Denkschrift zu Israel/Gaza stehen in deutlichem Missverhältnis zur stereotypen Erwähnung der russischen Aggression gegen die Ukraine, die als das Paradigma der neuen Welt-Unordnung erscheint. Dabei sind in Gaza ein Vielfaches mehr an Zivilisten getötet worden als in der Ukraine, darunter mindestens 20.000 Kinder, etwa 1.700 Mitarbeitende im Gesundheitswesen und 250 Journalist:innen. Ein Großteil der Wohngebäude, Krankenhäuser, Schulen und Gotteshäuser wurde zerstört. Gilt der Schutz vor Gewalt nicht auch für Menschen in Palästina? Die Verantwortung Deutschlands für die Verbrechen des Holocaust darf nicht dazu führen, aktuelle Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit zweierlei Maß zu messen. Auch in Israel und Palästina stirbt mit jedem Menschen ein Ebenbild Gottes.“ Unterzeichnet ist die EKD-Denkschrift zur „Evangelischen Friedensethik angesichts neuer Herausforderungen“ von Bischöfin Kirsten Fehrs, der Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Fehrs Vorgängerin als EKD-Ratsvorsitzende 2009/2010, Margot Käßmann, fand in ihrem Redebeitrag für die Demonstration „Nie wieder kriegstüchtig!“ in Stuttgart am 3. Oktober 2025[10] deutlich andere Worte: „Der Präsident des Reservistenverbandes rechnete kürzlich für den Fall eines Krieges mit Russland mit täglich 5.000 toten Soldaten auf der eigenen Seite. Das eindeutige Zeichen gegen diesen Wahnsinn ist: Kriegsdienstverweigerung!“ Titelbild: Screenshot EKD [https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/denkschrift-welt-in-unordnung-EVA-2025.pdf] ---------------------------------------- [«1] die-bibel.de/bibel/LU17/MAT.5 [https://www.die-bibel.de/bibel/LU17/MAT.5] [«2] ekd.de/ekd_de/ds_doc/denkschrift-welt-in-unordnung-EVA-2025.pdf [https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/denkschrift-welt-in-unordnung-EVA-2025.pdf] [«3] tagesschau.de/inland/gesellschaft/evangelische-kirche-friedensdenkschrift-100.html [https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/evangelische-kirche-friedensdenkschrift-100.html] [«4] spiegel.de/panorama/gesellschaft/friedensdenkschrift-2025-evangelische-kirche-aendert-positionen-zu-krieg-und-frieden-a-60647a54-5e04-43b3-9826-14ac77f3c054 [https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/friedensdenkschrift-2025-evangelische-kirche-aendert-positionen-zu-krieg-und-frieden-a-60647a54-5e04-43b3-9826-14ac77f3c054] [«5] sr-mediathek.de/index.php?seite=7&id=28974&pnr=&tbl=pf [https://sr-mediathek.de/index.php?seite=7&id=28974&pnr=&tbl=pf] [«6] publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/… [https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/135487/Dissertation_Menschenrechte%20in%20textilen%20Lieferketten_Volker%20Rekittke_2022.pdf?sequence=1&isAllowed=y] [«7] theguardian.com/world/2019/mar/29/winston-churchill-policies-contributed-to-1943-bengal-famine-study [https://www.theguardian.com/world/2019/mar/29/winston-churchill-policies-contributed-to-1943-bengal-famine-study] [«8] friedenstheologie-institut.jimdofree.com/praxisfelder/kritik-an-ekd-denkschrift/ [https://friedenstheologie-institut.jimdofree.com/praxisfelder/kritik-an-ekd-denkschrift/] [«9] evangelische-zeitung.de/scharfe-kritik-aus-wuerttemberg-an-ekd-friedensdenkschrift [https://evangelische-zeitung.de/scharfe-kritik-aus-wuerttemberg-an-ekd-friedensdenkschrift] [«10] nie-wieder-krieg.org/berichte-stuttgart-031025/ [https://nie-wieder-krieg.org/berichte-stuttgart-031025/]
Deutschlandfunk: Infame Durchhalteparolen zum Ukrainekrieg
Absurde Aussagen zur militärischen Lage, eine Verniedlichung des aktuellen Korruptionsskandals in der Ukraine und doppelte Standards bezüglich der geopferten Soldaten: Ein aktueller Kommentar im Deutschlandfunk praktiziert beispielhaft, was an weiten Teilen der deutschen Berichterstattung zur Ukraine zu kritisieren ist. Ein Kommentar von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Wenn man einen Einblick in die „Logik“ jener Akteure erhalten will, die in ihren Beiträgen immer noch eine militärische Behauptung der Ukraine gegenüber Russland als wahrscheinlich darstellen und die die massiven innenpolitischen Defizite des Landes verniedlichen wollen, dem sei ein aktueller Kommentar im Deutschlandfunk (DLF) von Peter Sawicki [https://www.deutschlandfunk.de/kommentar-zum-korruptionsverdacht-in-der-ukraine-innen-und-aussen-unter-druck-100.html] empfohlen. In dem Text behandelte Sawicki am Mittwoch die wahrscheinliche Eroberung der ukrainischen Stadt Prokrowsk [https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/geopolitik/ukraine-haelt-letzte-stellungen-in-pokrowsk-russland-steht-kurz-vor-dem-durchbruch-li.10005251] durch die Russen sowie die aktuelle Korruptionsaffäre in der Ukraine [https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/korruptionsskandal-erschuettert-ukraine-was-bislang-bekannt-ist,V2Kes88], die mutmaßlich bis hinein ins persönliche Umfeld von Präsident Wolodymyr Selenskyj reicht. „Folge der schleppenden Mobilisierung“ Die Vorgänge um die Stadt Prokrowsk wirft laut DLF ein Licht auf „hausgemachte Probleme“ der Ukraine: Der voraussichtliche Verlust der Stadt sei „auch eine Folge der schleppenden Mobilisierung“. Ohne „drastische Maßnahmen, etwa eine Herabsetzung des Mobilisierungsalters“, werde es schwierig, Widerstand zu leisten – das würden „ukrainische Soldaten unverblümt“ sagen. Der Autor lässt nicht erkennen, dass er diesen tatsächlich drastischen Maßnahmen kritisch gegenüberstehen würde. Es werden im Kommentar auch „Dolchstoßlegenden“ bemüht: Dass Russland überhaupt auf Prokrowsk vorrücken konnte, sei „auch ein Werk Donald Trumps“ – seine Blockade von Munitionslieferungen „machte den Weg erst fei“, so Sawicki. Die drohende militärische Niederlage der Ukraine bei Prokrowsk soll in dem DLF-Kommentar einmal mehr entdramatisiert werden: So sei die strategische Bedeutung der Stadt „gleichwohl gesunken“, weil dort keine Kohle mehr gewonnen würde. „Sie bleibt zwar als logistischer Knotenpunkt relevant, doch könnte Russland westlichen Analysen zufolge zu viele Ressourcen verschlissen haben, um unmittelbar weitere Vorstöße vorzunehmen“, so der Kommentar. Diese mindestens gewagte Behauptung soll dann wohl die Basis für die folgende Durchhalteparole bilden: > „Erhöhte militärische Unterstützung der Ukraine und anhaltender wirtschaftlicher Druck auf Moskau könnte die Eroberung von Prokrowsk zu einem Pyrrhussieg Putins machen.“ Ukraine: „lebendige und demokratisch gesinnte Zivilgesellschaft“ Auch den Korruptionsskandal in der Ukraine bewertet der DLF-Kommentar auf eher ungewöhnliche Weise. So heißt es zu den „beschämenden“ Vorwürfen der Korruption: Dass der Korruptionsskandal nun aufgedeckt worden sei, sei „Ausdruck einer lebendigen und demokratisch gesinnten Zivilgesellschaft“ – es sei wichtig, dass das auch im Westen „verinnerlicht“ werde. Man stelle sich vor, ein solcher Korruptionsskandal wäre jetzt in Russland aufgedeckt worden – die diametral andere Deutung des Vorgangs im DLF kann man sich ausmalen. Im Fall der Ukraine führt das aber nicht einmal dazu, die aktuelle (nochmalige) Erhöhung der Unterstützung der Ukraine durch die deutschen Steuerzahler [https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/haushalt-bundesregierung-plant-erhoehung-der-ukraine-hilfe/100171019.html] zu überdenken. Aber – all der Propaganda in deutschen Mainstream-Medien zum Trotz: Es wird nun unübersehbar Realität, was die Kritiker der deutschen Ukrainepolitik seit Jahren sagen: Der Krieg ist militärisch für die Ukraine nicht zu gewinnen, er kann nur quälend in die Länge gezogen werden. Der Krieg hätte im Vorfeld von westlicher Seite leicht verhindert werden können und müssen. Dass die konkreten Kriegshandlungen Russlands mit dieser Aussage nicht moralisch gerechtfertigt werden, ist selbstverständlich, dass ich auch Russland in der Pflicht sehe, einen Waffenstillstand herbeizuführen, habe ich kürzlich in diesem Artikel [https://www.nachdenkseiten.de/?p=133757] beschrieben. Sollen noch mehr und noch jüngere Ukrainer geopfert werden? Nochmal kurz zu der in dem Kommentar nicht kritisierten Forderung nach einer Herabsetzung des Mobilisierungsalters in der Ukraine: Damit wird nichts anderes gefordert, als noch mehr und noch jüngere Ukrainer für die chancenlose Idee von einem Sieg über Russland zu opfern. Hat man das im Hinterkopf, klingen die folgenden Vorwürfe von Sawicki im DLF gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin noch heuchlerischer: > „Menschenleben zählen für Kriegstreiber Wladimir Putin wenig. Nach wie vor ist er gewillt, zahllose Soldaten in den Tod zu schicken, selbst wenn dies nur wenige Quadratkilometer Geländegewinn bedeutet.“ Man würde die unbelehrbaren Unterstützer der einerseits gescheiterten und andererseits selbstzerstörerischen deutschen Ukrainepolitik gerne fragen, wie viele junge ukrainische Männer sie eigentlich selbst noch „in den Tod schicken“ wollen, nur um den Krieg noch ein bisschen in die Länge zu ziehen. Wie viel zählen denn für diese Fraktion die zitierten „Menschenleben“? Titelbild: New Africa / Shutterstock[https://vg08.met.vgwort.de/na/ad56cd2ab21f48278d1b4aabb23842ac]
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