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Rentenstreit – Debattieren in postfaktischen Zeiten
Hätte es die angeblich „jungen CDU-Abweichler“ samt ihres angedrohten „Koalitionsbruchs“ nicht gegeben, wäre die letzte Bundestagsdebatte zum Rentenpaket [https://www.bundestag.de/mediathek/video?videoid=7646120] wohl – wie so viele vergangene Debatten zur Rente – kaum von Medien und Öffentlichkeit beachtet worden. Es kam jedoch anders und man weiß nicht, ob man sich darüber freuen oder ärgern soll, steht doch nun der Plan im Raum, noch in dieser Legislaturperiode eine „echte“ Rentenreform anzugehen. Da darf man Schlimmes erwarten, wurde der aktuelle „Rentenstreit“ doch bereits außerhalb aller Fakten geführt und erzählt. Von Jens Berger. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Die Erzählung oder – wie man Neudeutsch wohl sagt: das Narrativ – des Rentenstreits ist schnell erzählt: > Die gesetzliche Altersrente hat ein massives Problem. Der demographische Wandel führt dazu, dass das System schon bald kollabiert. Nur die immer gigantischer werdenden Zuschüsse aus Steuermitteln sorgen dafür, dass das System überhaupt noch zahlungsfähig ist. Union und SPD haben das Problem auf die lange Bank geschoben und dies belastet die junge Generation. Die SPD will die Rente, die CDU die Wirtschaft retten und die jungen Abweichler der Union sind die Anwälte der Jüngeren. So oder so ähnlich konnten wir es in zahllosen Artikeln zum Thema lesen; so oder so ähnlich erzählten es angebliche Experten in Talkshows und Kommentaren. Nichts, aber auch wirklich gar nichts davon ist richtig. Fangen wir mit dem Punkt der angeblich so massiv gestiegenen Kosten des Rentensystems für den Steuerzahler an. Diese Debatte wird schon seit Ewigkeiten geführt. Es geht um die sogenannten Steuerzuschüsse. Was ist das? Seit es die Rentenversicherung des Bundes gibt, muss sie auch versicherungsfremde, also nicht beitragsgedeckte, Leistungen übernehmen. Der Katalog dieser Leistungen ist lang und reicht von Ersatzzeiten (z.B. Wehrdienst), Anrechnungszeiten (z.B. bei Krankheit oder Schwangerschaft), die Kindererziehungszeiten vor dem Jahr 1992, Höherbewertung der Ost-Entgelte, Kriegsfolgelasten und Frührenten bis hin zur Witwenrente. Für alle diese Leistungen gibt es einen guten politischen Grund, sie sind Bestandteil des Sozialstaats. Allen diesen Leistungen stehen jedoch keine Beiträge der Rentenversicherten gegenüber. Aus diesem Grund sollen diese Leistungen auch über den sogenannten Bundeszuschuss aus dem Steuertopf getragen werden. Es gibt jedoch zahlreiche Studien, die belegen, dass die Summe der Bundeszuschüsse konstant weit unter den tatsächlich erbrachten versicherungsfremden Leistungen liegt. 2023 lag die Differenz nach Angaben der Rentenversicherung [https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Allgemeine-Informationen/EM-Rente-Verbesserung/faq_em-rente-verbesserung-gesetz.html] beispielsweise bei rund 40 Mrd. Euro. Um dies einmal einzuordnen: Die zusätzliche Belastung der Sozialsysteme durch nicht aus Steuermitteln ausgeglichene versicherungsfremde Leistungen liegt lt. Studien bei rund neun Beitragspunkten – bei der paritätischen Finanzierung der Sozialsysteme könnten also sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber Bruttolohnanteile von jeweils 4,5 Prozent einsparen, wenn die versicherungsfremden Leistungen ordnungsgemäß über die Steuern finanziert würden. Wir haben es hier also nicht mit einem Problem zu tun, das ursächlich etwas mit dem Umlagesystem der Altersrente zu tun hätte. Das Problem ist vielmehr, dass die Politik allerlei versicherungsfremde Leistungen mit in die Rente gepackt hat und sich gleichzeitig weigert, diese Leistungen auch voll zu bezahlen. Denn dafür müsste man dann ja entweder Steuern erhöhen oder Ausgaben an anderer Stelle kürzen. Vollkommen falsch ist übrigens auch, dass der Steuerzuschuss – in welcher Form auch immer – immer teurer würde. Lag der Bundeszuschuss vor zwanzig Jahren noch bei 3,4 Prozent der Wirtschaftskraft, also des Bruttoinlandproduktes, liegt er aktuell bei nur 2,7 Prozent. Binnen zwanzig Jahren ist der Anteil also nicht etwa gestiegen, sondern in Relation zur Wirtschaftskraft um gute 20 Prozent gesunken. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251211-Rentenstreit-01.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251211-Rentenstreit-01.jpg Quelle: NachDenkSeiten Ganz ähnlich sehen die Zahlen aus, wenn man die Zuschüsse nicht an der Wirtschaftskraft, sondern am Volumen des Bundeshaushalts bemisst. Machten die Zuschüsse vor zwanzig Jahren noch 31 Prozent des gesamten Bundeshaushalts aus, so liegt deren Anteil heute bei nur noch 25 Prozent. Die „Delle“ im Haushaltsjahr 2021 ist übrigens ein Effekt der Coronamaßnahmen-Finanzierung und soll an dieser Stelle nicht interessieren. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251211-Rentenstreit-02.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251211-Rentenstreit-02.jpg Quelle: NachDenkSeiten Diese Zahlen zeigen klar und deutlich: Die Kosten für den Steuerzuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung steigen nicht und explodieren schon gar nicht – ganz im Gegenteil sinken diese Kosten Jahr für Jahr. Die bei der Debatte immer mitschwingende Argumentation, wir könnten uns das Rentensystem in dieser Form nicht mehr leisten, ist also nachgewiesenermaßen falsch. Kommen wir zum demographischen Wandel und begeben uns dabei in vermintes Terrain. Dass jedes Jahr mehr alte Menschen in Rente gehen als junge Menschen in den Arbeitsmarkt nachwachsen, ist vollkommen korrekt. Daraus ein unabwendbares Problem für die Rentenversicherung zu machen, ist jedoch vollkommen unseriös. Die NachDenkSeiten haben auf diese Manipulation schon seit ihrer Gründung immer wieder hingewiesen [https://www.nachdenkseiten.de/?p=4391]. Zu den aktuellen Zahlen hatte erst vor wenigen Wochen Reiner Heyse auf den NachDenkSeiten [https://www.nachdenkseiten.de/?p=142607] etwas geschrieben. Kurz dazu: Die vielzitierten „Babyboomer“ gehen nicht in einigen Jahren in Rente; sie gehen es schon jetzt und der Höhepunkt dieser Entwicklung wird um das Jahr 2029 herum stattfinden – also im Jahr der nächsten regulären Bundestagswahlen. Danach geht es wieder bergab mit der Jahrgangsstärke und in zehn Jahren werden weniger Menschen in das Rentenalter eintreten als heute, Tendenz weiter abnehmend. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251211-Rentenstreit-03.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251211-Rentenstreit-03.jpg Quelle: Reiner Heyse Heyse folgert daraus: „Die Fakten zeigen, das ´Problem´ ist temporär und durchaus im Rahmen der Umlagefinanzierung beherrschbar. Das wird seit etlichen Jahren von der Deutschen Rentenversicherung erklärt und mit sehr validen Daten belegt“. Dem ist nichts hinzuzufügen. Die Katastrophenszenarien, die sich auf den demographischen Wandel beziehen, sind interessengesteuert und kontrafaktisch. Fast spannender als das, was zu dem Thema öffentlich gesagt und geschrieben wird, ist das, was nicht erwähnt wird. Die bloße Zahl von Jungen und Alten ist für die Rentendebatte nämlich eigentlich gar nicht so wichtig. Die Rentenbeiträge müssen schließlich auch bezahlt werden. Hätten wir eine Million mehr junge Menschen, die nicht in die Kassen einzahlen, hätte dies, Demographie hin oder her, keine positive Auswirkung auf das Umlagesystem. Wichtig ist also vor allem, dass die „Jungen“, also diejenigen, die ins Umlagesystem einzahlen, ordentliche Löhne beziehen, sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind und einer produktiven Tätigkeit nachgehen. In den 1950ern kamen auf einen Rentner rund drei bis vier Beitragszahler. Heute kommen auf einen Rentner rund zwei Beitragszahler und es werden künftig sogar noch etwas weniger. Ist das ein Problem? Nein, da ein Arbeitnehmer im Jahre 2025 wesentlich produktiver ist als ein Arbeitnehmer in den 1950ern. Die ganze Rechnung ohne den Produktivitätszuwachs zu machen, ist sinnlos. Nicht der demographische Wandel als solcher, sondern die in den letzten Jahren schlechte Produktivitäts- und Lohnentwicklung der Bundesrepublik ist ein Problem für das Rentensystem. Ein weiteres großes Problem ist die Entwicklung, dass immer mehr volkswirtschaftliche Einkünfte nicht mehr durch sozialversicherungspflichtige Arbeit, sondern durch Kapitaleinkünfte erzielt werden, die über das Umlagesystem nicht umverteilt werden und dank politischer Blockade auch nicht über Steuerzuschüsse ins System umgeleitet werden. Die Rentenversicherung ist heute eine Absicherungssystem innerhalb der Gruppe der Arbeitnehmer. Wenn man die Rente nun aber als gesamtgesellschaftliche Aufgabe definiert, müsste man auch die Finanzierungsbasis gesamtgesellschaftlich ausweiten. Aber auch hier gilt: Das Umlagesystem ist auch ohne eine solche Erweiterung tragfähig; das Rentenniveau könnte jedoch steigen, wenn man die Basis erweitert. Doch solche Debatten werden leider nicht geführt, widersprechen sie doch den Erzählungen. Doch bleiben wir bei den aktuellen Erzählungen: Wie sieht es denn mit dem angeblichen Generationenkonflikt aus? Kämpfen hier Junge gegen Alte? Diese Interpretation ist geradezu abenteuerlich. Beim konkreten „Streit“ geht es ja weniger um die aktuellen Rentner. Beim Rentenniveau und den sogenannten Haltelinien geht es um Prognosen, die das nächste Jahrzehnt betreffen. Das betrifft weniger die Alten, aber um so mehr diejenigen, die künftig in Rente gehen. Bei den Punkten, die im Rahmen der Rentendiskussion zurzeit gefordert und verhandelt werden, wie beispielsweise dem Renteneintrittsalter, geht es teils sogar um Regelungen, die weder für die heutige Rentnergeneration noch für die Boomer überhaupt eine Rolle spielen. Sollte – um ein willkürliches Beispiel zu nehmen – das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre erhöht werden, müssten dabei gesetzliche Übergangsfristen berücksichtigt werden, sodass davon eben nicht die älteren, sondern die jüngeren Jahrgänge betroffen sind. Je nach Modell sprechen wir hier vor allem von den Jahrgängen ab Mitte der 1980er, also denen, die man landläufig in einem alten Land wie Deutschland als „die Jungen“ bezeichnet. Warum „die jungen Wilden“ der CDU nun von den Medien als Vertreter „der Jungen“ inszeniert werden, ist also ein echtes Rätsel. Würden sich diese „Abweichler“ mit all ihren Forderungen durchsetzen, hätte dies vor allem negative Folgen für ihre Generation, während die Folgen für die „Boomer“ überschaubar blieben. Es ist ohnehin unverständlich, warum in dieser Debatte derart schrille Katastrophenszenarien bemüht werden. Was sind denn eigentlich die dramatischen Folgen für „die Jungen“, von denen immer gesprochen wird? Auch dazu hatte Reiner Heyse bereits etwas auf den NachDenkSeiten [https://www.nachdenkseiten.de/?p=143313] geschrieben – würde man das Rentenniveau durch eine Erhöhung des Beitragssatzes stabilisieren, würde dies nach aktuellen Schätzungen der Rentenversicherung auf eine Erhöhung um 2,6 Prozentpunkte in den kommenden 15 Jahren hinauslaufen; wie bereits erwähnt, damit wäre dann auch der gesamte „Boomer-Bauch“ ausgeglichen und danach würde sich die Lage ohnehin wieder entspannen, da dann die geburtenschwächeren Jahrgänge in Rente gehen. Und wer nun meint, dies sei der Weltuntergang – in einem Szenario, bei dem kein einziger Cent zusätzlicher Steuergelder fließt und der gesamte demographische Effekt ausschließlich von den Beitragszahlern übernommen wird, käme man dann im Jahr 2040 auf einen Beitragssatz von 21,2 Prozent, also gerade mal 0,8 Prozentpunkte über dem Wert von 1998. Berücksichtigt man die paritätische Finanzierung der Rente, würden wir übrigens bei weniger als 0,1 Prozent Steigerung pro Jahr ankommen. Dies gilt wohlgemerkt für das Szenario, bei dem die kompletten Mehrkosten durch den demografischen Wandel bei Sicherung des jetzigen Rentenniveaus dem Beitragszahler aufgebürdet werden. Würde man die Lasten zum Teil auf den Steuerzahler abwälzen, wäre die Steigerung der Beiträge dementsprechend geringer. Und das ist jetzt so fürchterlich dramatisch? So dramatisch, dass die „jungen Abweichler“ angeblich ihr Gewissen über die Fraktionsdisziplin stellen? Ich habe da meine Zweifel. Wahrscheinlicher ist, dass die Union das Spielfeld für die kommenden Debatten zur „echten Rentenreform“ schon mal vorbereitet. Der Union ist schließlich daran gelegen, allerlei Grausamkeiten bei der Rente durchzusetzen – von der Teilprivatisierung bis hin zur Erhöhung des Renteneintrittsalters. Die Finanzkonzerne scharren ja bereits mit den Hufen. All diese Punkte sind beim Wähler nicht gerade beliebt und da kann es sicher nicht schaden, schon einmal einen Erzählungsrahmen zu setzen, in dem man sich als selbstloser Bewahrer des Rentensystems in Szene jetzt, der die Interessen der Jungen im Auge hat und die Rente gleichzeitig vor dem sicheren Kollaps rettet – natürlich mit „unbeliebten Reformen“. Dass dies alles nicht der Wahrheit entspricht und den Fakten zuwiderläuft, weiß ja dank der lausigen Berichterstattung niemand. So bitter es ist, die gesamte öffentliche Rentendebatte ist in einer postfaktischen Ära angekommen und das verheißt nichts Gutes. Titelbild: Juergen Nowak/shutterstock.com[http://vg04.met.vgwort.de/na/5c5adffdee69469b879bddbad34d2189]
Bundesregierung zu Welle von Kontokündigungen bei Regierungskritikern: „Wir sind ein freies Land“
Am 9. Dezember hat die DKP bekanntgegeben, dass ihr die GLS-Bank ohne weitere Begründung alle Konten gekündigt hat. Kurz vor der Kündigung hatte die Bank bei der DKP mit dem Verweis „dringend“ Informationen zu einer Spendenaktion für Kuba eingefordert. Zuvor waren dieses Jahr bereits die Konten zahlreicher regierungskritischer Journalisten wie z.B. Gaby Weber, Aya Velázquez und Flavio von Witzleben sowie von Verlagen (Mehring Verlag) und Radiostationen (Kontrafunk) aufgekündigt worden. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob die Bundesregierung ausschließen kann, dass einzelne Ministerien Druck auf die entsprechenden Banken ausgeübt haben, und wie Kanzler Merz grundsätzlich die zunehmende Tendenz zum „Debanking“ von regierungskritischen Stimmen in Deutschland bewertet. Von Florian Warweg. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Hintergrund Die GLS-Bank, die sich selbst als „nachhaltig, sozial und kooperativ“ beschreibt und mit dem Slogan wirbt „Schafft Raum für Vielfalt“, hat zum 31. Dezember 2025 die Konten des Parteivorstands der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) sowie zahlreicher Untergliederungen gekündigt. Die Kündigung erfolgte ohne Angabe von Gründen. In einer Pressemitteilung nannte die DKP das Vorgehen allerdings „offensichtlich politisch motiviert“ und begründete [https://www.unsere-zeit.de/gls-bank-kuendigt-konten-der-dkp-4809903/] dies auch: > „Eine erste Irritation im Umgang zwischen der DKP und der GLS-Bank trat im September auf. Eine Mitarbeiterin der GLS-Bank bat „dringend“ um „Informationen zu der Nutzung“ der Konten. Sie präzisierte in ihrer Mail: „Insbesondere benötige ich Informationen zu der Spendenaktion für Kuba.“ Die DKP stellte alle gewünschten Angaben fristgerecht zur Verfügung, erhielt aber auch auf Nachfrage, wozu die Informationen benötigt werden, keine Antwort. Stattdessen erfolgte die schriftliche Kündigung der DKP-Konten zum 31. Dezember. Danach waren die Verantwortlichen der Bank für die DKP nicht mehr zu sprechen. Eine Vielzahl von Anrufversuchen und Mails liefen ins Leere.“ Im Gespräch mit den NachDenkSeiten erklärte Klaus Leger, Leiter Finanzkommission bei der DKP, dass die GLS selbst einräumt, dass die Kündigung der Konten „nicht auf einer souveränen internen Entscheidung der GLS-Bank“ beruhte: > „Am späten Nachmittag des 10. Dezember erhielt ich einen Anruf von zwei Vertretern der GLS-Bank Der erste Kontakt seit der Kündigung. Sie zeigten sich persönlich betroffen von der politischen Einordnung der Kündigung in unseren öffentlichen Stellungnahmen. Formell wichen sie nicht von der AGB-Linie ihrer Kündigung ab, machten aber deutlich, dass es Druck von außen gab und die Kündigung nicht auf einer souveränen internen Entscheidung der GLS-Bank beruht. Auf meine Frage, ob die Einflussnahme durch den Verfassungsschutz erfolgte, wollten die GLS-Vertreter nicht näher eingehen, dementierten dies aber auch nicht.“ Dies war mitnichten die einzige Kontokündigung der GLS gegen kritische Geister. Erst Anfang November kündigte die GLS das Geschäftskonto der freien Journalistin Aya Velazquez, bekannt geworden u.a. durch die Veröffentlichung [https://rki-transparenzbericht.de] der ungeschwärzten RKI-Protokolle, ebenfalls ohne jede weitere Begründung: > Juhu, meine erste Kontokündigung! Nachdem ich versucht habe, mein öffentliches Pseudonym als Alias anzumelden, damit meine Unterstützer bei Überweisungen keine Fehlermeldung mehr erhalten, wurde mir seitens der GLS-Bank kommentarlos das Geschäftskonto gekündigt. 🥰 [https://s.w.org/images/core/emoji/16.0.1/72x72/1f970.png] > > Ich hatte… pic.twitter.com/jN2DE6XtSS [https://t.co/jN2DE6XtSS] > > — Aya Velázquez (@aya_velazquez) November 8, 2025 [https://twitter.com/aya_velazquez/status/1987162236201169245?ref_src=twsrc%5Etfw] Zahlreiche weitere Fälle von „Debanking“ bei regierungskritischen Journalisten, Verlagen und Radiostationen Allein in diesem Jahr gab es bereits zahlreiche weitere Konto-Kündigungen bei Journalisten, Medienportalen und Verlagen. Anbei eine unvollständige Übersicht: Anfang Dezember 2025 gab der freie Journalist Flavio von Witzleben bekannt, dass ihm die Sparkasse Karlsruhe sein Geschäftskonto gekündigt hat. > Nun hat es mich auch erwischt: Die Sparkasse Karlsruhe hat ohne Angabe von Gründen mein Geschäftskonto gekündigt. Ich hatte seit jungen Jahren bei dieser Bank mein Konto und mit einem derartigen Schritt nicht gerechnet. Die Bank gefährdet damit meine Existenz. Es ist… pic.twitter.com/IP8nT9gXU9 [https://t.co/IP8nT9gXU9] > > — Flavio von Witzleben (@WitzlebenFlavio) December 2, 2025 [https://twitter.com/WitzlebenFlavio/status/1995816318516269288?ref_src=twsrc%5Etfw] Gegenüber der Berliner Zeitung bezeichnete [https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/wenn-mir-schon-die-sparkasse-kein-konto-gibt-wer-denn-dann-li.10008516] er den Vorgang als „Versuch der Einschüchterung“ aufgrund seiner journalistischen Tätigkeit. Auf Rückfragen seinerseits habe die Bank lediglich mitgeteilt, dass es „gravierende Gründe“ gebe, ohne dies näher auszuführen. Auch auf eine Presseanfrage der Berliner Zeitung zu den Vorwürfen und rechtlichen Fragen verweigerte die Sparkasse jede Form einer inhaltlichen Stellungnahme und erklärte lediglich: > „Die Sparkasse Karlsruhe beachtet die geltende Rechtsordnung. Dazu gehört auch das Bankgeheimnis. Das bedeutet, dass sich die Sparkasse Karlsruhe nicht zu bestehenden oder nicht bestehenden Kundenbeziehungen äußert.“. Anfang Mai 2025 hatte die zur Deutschen Bank gehörende Postbank das Geschäftskonto des Mehring-Verlags sowie im Juni das Privatkonto des Geschäftsführers Wolfgang Zimmermann ohne Angabe von Gründen gekündigt [https://www.wsws.org/de/articles/2025/06/23/mehr-j23.html]. Der Verlag ist auf sozialistische Literatur spezialisiert und positioniert sich kritisch zum aktuell herrschenden Gesellschaftsmodell. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251211-Kontokuendigung-Screen1.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251211-Kontokuendigung-Screen1.jpg In einer Pressemitteilung dazu heißt es unter anderem: > „Die Kündigung des Geschäftskontos, die bereits zum 28. Juli wirksam wird, zielt darauf ab, die Arbeit des Mehring Verlags zu sabotieren und die Verbreitung seiner Bücher zu behindern. Andere Gründe dafür gibt es nicht. Der Mehring Verlag und seine Vorgänger haben seit ihrer Gründung vor 45 Jahren ein Konto bei der Postbank unterhalten, die inzwischen vollständig in die Deutsche Bank integriert worden ist, ohne dass es ein einziges Mal zu einer Beanstandung kam. > > Was die Kündigung des Kontos des Geschäftsführers betrifft, handelt es sich um persönliche Schikane. Es ist rein privat und steht in keinem Zusammenhang zum Verlag. (…) Die Banken arbeiten dabei eng mit dem Verfassungsschutz zusammen.“ Im Februar 2025 kündigte die Commerzbank-Tochter Comdirect der Publizistin und Filmemacherin Gaby Weber ein Spendenkonto, auf dem sie Gelder für Gerichtsprozesse zur Durchsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes sammelte. Weber führt unter anderem Klage auf Akteneinsicht zum Zwecke journalistischer Recherche gegen das Bundeskanzleramt, den BND und die Deutsche Bundesbank. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251211-Kontokuendigung-Screen2.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/251211-Kontokuendigung-Screen2.jpg In einem Beitrag für das Overton-Magazin unter dem Titel „De-Banking oder: die Rache der Bundesbank?“ schildert [https://overton-magazin.de/top-story/de-banking-oder-die-rache-der-bundesbank/] Weber die näheren Umstände der Kündigung. Der Radiosender Kontrafunk gab am 5. Februar 2025 bekannt, dass ihm die Volksbank Pirna ohne Angaben von Gründen das Geschäftskonto gekündigt habe: > 5.765 Euro: soviele Kontoführungsgebühren hat die Kontrafunk AG im vergangenen Jahr an die Volksbank Pirna bezahlt für ein Konto, das immer im Haben war und null Risiko darstellt. Also kein schlechtes Geschäft für die Bank. Trotzdem wurden wir soeben rausgeworfen. Natürlich ohne… > > — kontrafunk (@kontrafunk) February 5, 2025 [https://twitter.com/kontrafunk/status/1887028418962767945?ref_src=twsrc%5Etfw] Die Indifferenz der deutschen Journalistenverbände Für die zwei großen deutschen Journalistenverbände, die Deutsche Journalisten Union (DJU) sowie den Deutschen Journalisten Verband (DJV), scheint diese Welle an Kontokündigungen kein Thema zu sein. Auf Anfrage [https://multipolar-magazin.de/meldungen/0353] von Multipolar erklärte der DJV, laut Selbstdarstellung „einer der größten Journalismus-Organisationen in Europa“, dass bislang ja keine eigenen Mitglieder betroffen seien, zudem ließe sich die politische Motivation bei den verantwortlichen Banken „nicht beweisen“, dies sei folglich „als Grundlage für Aktivitäten zu dürftig.“ Die zur Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gehörende DJU teilte ebenfalls mit, dass man gegen „Debanking“ von Journalisten bislang nicht öffentlich tätig werden will. Zugang zu einem Bankkonto sei gesetzlich geregelt, Widersprüche gegen Kontokündigungen folglich „in geordneten Verfahren“ möglich. Den Fällen der bisher betroffenen regierungskritischen Journalisten lägen „sicherlich Einzelfallentscheidungen“ zugrunde. Aufgrund „fehlender Informationen“ könne die DJU diese Fälle auch nicht bewerten, grundsätzlich sei aber zu sagen, die Pressefreiheit in Deutschland gelte „ungeschmälert“. Fazit Pressefreiheit gilt laut den genannten Journalistenverbänden ungeschmälert – allerdings sollte man es mit dem Ausleben dieser „Frei-heit“ bitte nicht übertreiben, sonst könnte man recht schnell konto-frei dastehen – wie die aufgezählten Fälle recht eindringlich aufzeigen … Auszug aus der Regierungspressekonferenz vom 10. Dezember 2025 Frage Warweg Die DKP hat am 9. Dezember bekanntgegeben, dass ihr die GLS-Bank ohne weitere Begründung alle Konten gekündigt hat. Kurz vor der Kündigung hatte die Bank allerdings bei der DKP mit Verweis auf Dringlichkeit Informationen zu einer Spendenaktion für Kuba eingefordert. Vor dem Hintergrund würde mich vom Wirtschaftsministerium und vom BMI interessieren, ob beide Ministerien umfassend ausschließen können, dass sie sowie die ihnen unterstehenden Behörden wie Verfassungsschutz oder BAFA entsprechend Druck auf die Bank ausgeübt haben. – Fangen wir mit dem Wirtschaftsministerium an? BPK-Vorsitzende Wefers Sind Sie dafür zuständig, oder wie verhält sich das? – Das sieht mir gerade nicht so aus. Können Sie da weiterhelfen, Frau Dr. Kock? Dr. Kock (BMI) Ich kann da aus dem Stand auch nicht weiterhelfen. Zusatz Warweg Gut. Vielleicht können Sie ja etwas nachreichen. Ich hätte trotzdem noch eine Nachfrage: Das sogenannte „debanking“ hat in diesem Jahr nicht nur die DKP getroffen, sondern auch einige sich regierungskritisch äußernde Journalisten wie Gabi Weber, Flavio von Witzleben, Aya Velázquez sowie Verlage, den Mehring Verlag zum Beispiel, oder Radiostationen wie Kontrafunk. Da würde mich die Haltung des Kanzlers interessieren. Besorgt ihn diese zunehmende Tendenz des „debankings“ von regierungskritischen Stimmen, oder ist das etwas, was er als durchaus legitim betrachtet? Vize-Regierungssprecher Meyer Was der Bundeskanzler als legitim betrachtet, ist Kritik an der deutschen Bundesregierung. Wir sind hier ein freies Land, in dem man die Bundesregierung selbstverständlich kritisieren kann. Das gehört, glaube ich, zu den Grundzügen unseres Zusammenlebens in einer freiheitlichen Demokratie. – Das ist das, was ich dazu sagen mag. Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 10.12.2025 Mehr zum Thema: EU und Bundesregierung sanktionieren deutschen Journalisten wegen kritischen Tweets zu Kanzler Merz [https://www.nachdenkseiten.de/?p=139433] EU-Sanktionen gegen Journalisten – Florian Warweg und Gabriele Gysi im Gespräch mit Michael von der Schulenburg und Ruth Firmenich [https://www.nachdenkseiten.de/?p=142340] Anhörung in Brüssel zu EU-Sanktionen gegen deutsche Journalisten: Massiver Verstoß gegen Grundrechte [https://www.nachdenkseiten.de/?p=142760] Pressefreiheit in Gefahr: EU-Sanktionen gegen deutsche Journalisten schaffen beunruhigenden Präzedenzfall [https://www.nachdenkseiten.de/?p=135835] Skandal in der BPK: Bundesregierung diffamiert deutschen Journalisten Hüseyin Doğru als „Desinformationsakteur“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=139878] [https://vg04.met.vgwort.de/na/98070bbdb5d64e1da47b7df8fb14ce65]
Weihnachtsmarkt in Zweibrücken: Soldaten mit Sturmgewehr sorgen für Polizeieinsatz – Militarisierung schreitet voran
Die Bundeswehr soll zum integralen Bestandteil der Öffentlichkeit werden. So will es die Politik. Werbeplakate, Schulbesuche, Offiziere in Uniform in den Medien: Die Präsenz des Militärischen wird immer offensichtlicher. Nun ist es zu einem Vorfall auf dem Weihnachtsmarkt in Zweibrücken [https://www.rheinpfalz.de/lokal/zweibruecken_artikel,-vermummte-bewaffnete-soldaten-auf-dem-weihnachtsmarkt-_arid,5839840.html] durch vermummte und bewaffnete Soldaten der Bundeswehr gekommen. Santa Claus mit Maschinengewehr? Das kam bei den Besuchern des Marktes nicht gut an. Die Risiken und Nebenwirkungen der Militarisierung [https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/bundeswehr-2024/556398/schleichende-militarisierung/] sind längst Realität. Ein Kommentar von Marcus Klöckner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Die Bundeswehr soll kein Schattendasein mehr führen. ‚Raus in die Öffentlichkeit!‘, so lautet die Devise. Politiker sprechen von Kriegstüchtigkeit, von Aufwuchs und vom Dienst am Vaterland – und die Bundeswehr sieht die Chance, für sich und ihre Aufgaben auf Sympathiefang zu gehen. In Zweibrücken, wo das Fallschirmjägerregiment 26 der 1. Luftlandebrigade stationiert ist, ist die Bundeswehr auch auf dem Weihnachtsmarkt mit einem Stand vertreten. Bürgernähe – Gespräche führen, „informieren“, Verständnis suchen: Die Bundeswehr macht, was im Zuge der politisch gewollten „Zeitenwende“ eben zu tun ist. Doch der Schuss ging im beschaulichen Zweibrücken nach hinten los. Soldaten der Bundeswehr mit Santa-Claus-Kostüm, vermummt mit einem Tuch vorm Gesicht und bewaffnet mit Sturm- und Maschinengewehr, marschierten über den Weihnachtsmarkt zum Stand der Truppe. Daraufhin hieß es: Polizeieinsatz auf dem Weihnachtsmarkt. Wie die Rheinpfalz berichtet, waren Bürger besorgt und alarmierten die Polizei. Bei dem Einsatz stellte sich raus: Die Soldaten waren tatsächlich schwer bewaffnet und eine Waffe war mit Munition geladen. Nun prüfen die Behörden, ob ein Verstoß gegen das Waffengesetz vorliegt. Denn: Eine „Waffenschau“ war, wie der SWR berichtet [https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/kaiserslautern/soldaten-bewaffnet-als-weihnachtsmann-verkleidet-auf-weihnachtsmarkt-zweibruecken-polizei-ermittelt-100.html], nicht angemeldet. Der Vorfall geht nun durch die Medien. Ob Saarbrücker Zeitung, Rheinpfalz, SWR, Der Spiegel: Die „Weihnachtsmänner“ mit schwerer Bewaffnung bekommen Aufmerksamkeit. Mittlerweile reagierte auch der Kommandeur des Fallschirmjägerregiments. Gegenüber der Rheinpfalz sagte er [https://www.rheinpfalz.de/lokal/zweibruecken_artikel,-weihnachtsmarkt-und-waffen-bundeswehr-erkl%C3%A4rt-ungew%C3%B6hnlichen-auftritt-_arid,5840496.html]: > „Bei allen Gästen, die sich bei ihrem Besuch des Weihnachtsmarktes durch die Anwesenheit von ausgerüsteten Soldaten in diesem Rahmen gestört fühlten, möchte ich mich persönlich und von Herzen entschuldigen.“ Oberstleutnant Martin Holle kündigte zudem an, am Samstag ab etwa 13 Uhr selbst am Stand zu sein, um sich kritischen Fragen zu stellen. Sowohl die Entschuldigung als auch die Bereitschaft, mit der Öffentlichkeit zu reden, sind ein guter Schritt und verdienen Respekt. Das übergeordnete Kernproblem ist damit jedoch nicht gelöst. Was auch immer der Grund für das Verhalten der Soldaten war, ob Gedankenlosigkeit oder eine Fehleinschätzung der Situation: Dass die Bundeswehr sich überhaupt herausnimmt, auf einem Weihnachtsmarkt vertreten zu sein, lässt tief blicken. Weihnachtsgebäck und Weihnachtsmusik, festliche Beleuchtung, Eltern mit ihren Kindern, Glühwein, kurzum: ein kleines Stück Beschaulichkeit, bei dem es nicht das „Handwerk des Tötens“ braucht, das sich zur Schau stellt. Und schon gar nicht zu einer Zeit, wo die Politik die Republik auf Kriegstüchtigkeit trimmen will. Können die Bürger nicht einmal um die Weihnachtszeit unbelästigt von der politisch herbeihalluzinierten „Bedrohungslage“ bleiben? Was werden die Vertreter der Bundeswehr an diesem Stand wohl schon bei den Unterhaltungen mit den interessierten Bürgern sagen? Wird der Kommandeur am Samstag darüber aufklären, was unter Tiefenpolitik [https://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=60505] und geostrategischen militärischen Interventionen zu verstehen ist? Wird er darlegen, warum es sich bei dem Krieg in der Ukraine auch um einen Stellvertreterkrieg [https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/interview-mit-michel-wyss-es-ist-der-erste-stellevertreter-krieg-zwischen-russland-und-der-nato-in-europa_id_94392173.html] handelt? Wird er sich kritisch zur Russlandpolitik äußern und darüber aufklären, wie unsinnig [https://www.nachdenkseiten.de/?p=134725] es ist, einen Angriff Russlands auf die NATO zu erwarten? Wird er über die „die dunkle Seite des Westens [https://www.spiegel.de/politik/die-dunkle-seite-des-westens-a-4c36b621-0002-0001-0000-000039997525]“ im Hinblick auf Gladio [https://www.spiegel.de/politik/das-blutige-schwert-der-cia-a-63661534-0002-0001-0000-000013501822] sprechen? Wird er darüber reden, dass nicht nur der „Feind“ Propaganda [https://www.youtube.com/watch?v=XpmEyGcHXp0] betreibt, sondern auch die „Guten“? An einem Stand der Bundeswehr ist das zu erwarten, was nahezu immer zu erwarten ist, wenn Vertreter der Truppe öffentlich auftreten: Ein erstaunliches Maß an Kritiklosigkeit gegenüber eingeschliffenen, propagandistisch kontaminierten politischen Erzählungen. Der Vorfall selbst mag nur von begrenzter Reichweite sein: Die Risiken und Nebenwirkungen der fortschreitenden Militarisierung [https://www.nachdenkseiten.de/?tag=militarisierung] sind es nicht. Es bedarf dringend einer politisch wachen Bundeswehr, es bedarf dringend Soldaten und Offiziere, die ihren Verstand auch gegenüber der Propaganda aus dem Innern gebrauchen – im besten Sinne von Demokratie und Grundgesetz. Titelbild: FXQuadro/shutterstock.com[http://vg08.met.vgwort.de/na/8c43c01d7e8142308b71ef430d300db2]
Wie Israel während des Gaza-Kriegs die Apartheid gesetzlich verankert hat
Von westlichen Ländern immer noch als „einzige Demokratie in Nahost“ gelobt, haben israelische Parlamentarier innerhalb von nur zwei Jahren über 30 Gesetze verabschiedet, die die Rechte der Palästinenser einschränken und abweichende Meinungen bestrafen, wie ein neuer Bericht zeigt. Von Orly Noy. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Seit über zwei Jahren ist das öffentliche Leben in Israel in einen dichten, verwirrenden Nebel gehüllt. Es gab eine endlose Abfolge von Krisen, Konflikten und Ängsten im In- und Ausland: den Schock des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober und Israels völkermörderische Rachekampagne gegen Gaza, den Kampf um die Rückkehr der Geiseln und gegen die Verunglimpfung ihrer Familien durch den Staat, die unbesonnenen Konfrontationen mit dem Iran. Alles zusammen hat die israelische Gesellschaft in einen Zustand der kollektiven Starre versetzt und die Tiefe des Abgrunds verschleiert, in den wir abstürzen. Das Gleiche kann man jedoch nicht von unseren Parlamentariern sagen. Wie ein beunruhigender neuer Bericht [https://www.adalah.org/uploads/uploads/Discriminatory%20Laws%20Report%2024.11.25%20Final.pdf] des in Haifa ansässigen Rechtszentrums Adalah zeigt, haben sie das Chaos der letzten zwei Jahre genutzt, um mehr als 30 neue Gesetze zu verabschieden, die die Apartheid und die jüdische Vormachtstellung festigen. Damit reihen sie sich in die bestehende Liste von Adalah mit mittlerweile mehr als 100 israelischen Gesetzen ein, die palästinensische Bürger diskriminieren. Eine der zentralen Feststellungen des Berichts ist ein umfassender Angriff auf die Freiheit der Meinungsäußerung, des Denkens und des Protests in vielen Bereichen. Darunter fallen Gesetze, die die Publikation von Inhalten verbieten, die „die Ereignisse vom 7. Oktober leugnen“, wie von der Knesset festgelegt, und sie schränken die Ausstrahlung kritischer Medien ein, die „der Sicherheit des Staates schaden“. Ein weiteres Gesetz erlaubt dem Bildungsministerium, Lehrkräfte zu entlassen und Bildungseinrichtungen die Finanzierung aufgrund von Ansichten zu entziehen, die es als Ausdruck der Unterstützung für oder Anstiftung zu einer terroristischen Handlung oder Organisation betrachtet. Und begleitet von einer staatlich geführten Kampagne zur Ausweisung internationaler Solidaritätsaktivisten, verbietet ein drittes Gesetz ausländischen Staatsangehörigen die Einreise ins Land, wenn sie israelkritische Stellungnahmen abgegeben oder internationale Gerichte aufgefordert haben, gegen den Staat und seine Vertreter vorzugehen. Aber das vielleicht gefährlichste Gesetzesprojekt ist eines, das sich gegen Bürger richtet, die lediglich Informationen aus Quellen konsumieren wollen, die dem Staat nicht gefallen. Nur einen Monat nach dem 7. Oktober verabschiedete die Knesset eine auf zwei Jahre befristete Verordnung – die kürzlich um weitere zwei Jahre verlängert wurde [https://main.knesset.gov.il/en/news/pressreleases/pages/press261125g.aspx] –, die den „systematischen und kontinuierlichen Konsum von Publikationen einer terroristischen Organisation” unter Strafe stellt und mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ahndet. Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber kriminalisiert nun Handlungen, die ausschließlich im privaten Bereich einer Person stattfinden. Laut den Erläuterungen [https://fs.knesset.gov.il/25/law/25_ls1_3449308.pdf] zum Gesetzentwurf basiert dieser auf der Behauptung, dass „die intensive Auseinandersetzung mit Terrorpublikationen bestimmter Organisationen einen Indoktrinationsprozess bewirken kann – eine Form der selbstverschuldeten ‚Gehirnwäsche‘ –, der den Wunsch und die Motivation, einen Terrorakt zu begehen, auf ein sehr hohes Maß steigern kann“. Das Gesetz legt jedoch nicht fest, was unter „intensiver Exposition“ oder „kontinuierlichem Konsum“ zu verstehen ist, sodass die Dauer und die Schwelle völlig unbestimmt bleiben. Es klärt auch nicht, mit welchen Mitteln die Behörden feststellen können, dass eine Person verbotene Inhalte konsumiert hat. Wie sollen Beamte in der Praxis wissen, was jemand privat ansieht? Wie der Adalah-Bericht feststellt, würde die Lokalisierung potenzieller Verdächtiger selbst Spionageoperationen, eine Überwachung der gesamten Bevölkerung und die Kontrolle von Internetaktivitäten erfordern. Während die verbotenen „Terrorpublikationen“ derzeit nur Materialien der Hamas und des IS umfassen – eine Liste, die zu erweitern der Justizminister bereits seine Absicht bekundet hat –, haben die Gesetzgeber sich auch bemüht, den Zugang zu weiteren Informationsquellen zu unterbinden, die, Gott bewahre, die israelischen Bürger dem vollen Ausmaß der Verbrechen gegen die Menschheit aussetzen könnte, die ihre Armee in Gaza begangen hat und weiterhin begeht. Daher das sogenannte „Al-Jazeera-Gesetz” [https://www.humanrightsresearch.org/post/israel-seeks-to-make-al-jazeera-law-permanent-granting-power-to-ban-foreign-media-outlets], das die israelische Öffentlichkeit von einer der weltweit vertrauenswürdigsten Informationsquellen über die Ereignisse in Gaza abgeschnitten hat. Ebenso erhebt das Gesetz gegen die „Leugnung der Ereignisse vom 7. Oktober“ die Anschläge nicht nur zu einem Verbrechen, das mit dem Holocaust [https://main.knesset.gov.il/EN/about/history/Documents/kns11_holocaust_eng.pdf] vergleichbar ist, sondern reicht weit über den Bereich des Handelns hinaus in den Bereich des Denkens und der Meinungsäußerung. Es unterscheidet nicht zwischen direkten Aufrufen zu Gewalt oder Terrorismus auf der einen Seite, die bereits verboten sind, und der bloßen Äußerung einer politischen Position, einer kritischen Darstellung oder Zweifel gegenüber der offiziellen Darstellung des Staates auf der anderen Seite. „Das Gesetz ist konzipiert, um Angst zu schüren, die öffentliche Debatte zu ersticken und Diskussionen über ein Thema von öffentlichem Interesse zu unterdrücken“, stellt Adalah fest. „Es bleibt unklar, welche Handlungen den vom Gesetz verbotenen Akt der ‚Leugnung‘ darstellen, zumal der Staat bis heute weder eine offizielle Untersuchungskommission zu den Anschlägen vom 7. Oktober eingesetzt noch eine ‚offizielle Darstellung‘ der Ereignisse dieses Tages veröffentlicht hat.“ Der Bericht von Adalah gibt einen guten Hinweis darauf, in welche Richtung sich Israel bewegt. Auch wenn es den Anschein hat, als befänden wir uns bereits am Grund eines Abgrunds, gibt es immer noch einen Abgrund jenseits des Abgrunds – einen, der zu neuen Gräueltaten einlädt und auf den wir mit Höchstgeschwindigkeit zusteuern. Diese verabscheuungswürdigen Gesetze haben nicht Hunderttausende auf die Straße getrieben, nicht einmal unter denen, die einst behaupteten, um das Schicksal der „israelischen Demokratie” zu fürchten. Tatsächlich wurden einige dieser Gesetze mit Unterstützung jüdischer Oppositionsparteien in der Knesset verabschiedet. Die Illusion einer Demokratie nur für Juden hat noch nie so grotesk und gefährlich ausgesehen wie heute. Der Abgrund jenseits des Abgrunds Von den ersten Tagen des Krieges an verletzte die israelische Regierung schwerwiegend die Grundrechte der Meinungs- und Protestfreiheit. Am 17. Oktober 2023 kündigte [https://www.adalah.org/he/content/view/10994] der damalige Polizeichef Yaakov Shabtai eine „Null-Toleranz“-Politik gegenüber „Aufwiegelung“ und Protesten an, und monatelang wurde jeder Versuch, gegen die Zerstörung Gazas durch die israelische Armee zu demonstrieren, mit eiserner Faust beantwortet. Die Welle neuer drakonischer Gesetze geht aber noch weiter. Neben der Schaffung der rechtlichen Infrastruktur für die systematische Verfolgung von Andersdenkenden, sowohl jüdischen als auch palästinensischen, umfasst sie Maßnahmen, die sich ausdrücklich gegen palästinensische Bürger richten, wie das sogenannte „Gesetz zur Abschiebung von Familienangehörigen von Terroristen [https://www.bbc.com/news/articles/c1mlp9xdxl1o]”. Mit diesem Gesetz wurde die Definition des Begriffs „Terrorist“ – eine Bezeichnung, die fast ausschließlich für Palästinenser in Israel verwendet wird – erweitert, um nicht nur Personen einzubeziehen, die in einem Strafverfahren wegen Terrorismus verurteilt wurden, sondern auch Personen, die wegen des Verdachts auf solche Straftaten inhaftiert sind, einschließlich derjenigen, die sich in Administrativhaft befinden. Mit anderen Worten: Personen, die weder angeklagt, geschweige denn wegen irgendetwas verurteilt worden sind. Gleichzeitig verschärfte die Knesset das ohnehin schon drakonische Verbot der „Familienzusammenführung“, um palästinensische Bürger daran zu hindern, Palästinenser aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen zu heiraten. Auch wurden die Strafen für Palästinenser erhöht, die sich „illegal“ in Israel aufhalten. Tatsächlich nutzten die Gesetzgeber den Völkermord in Gaza, um ihren seit Langem geführten demografischen Krieg gegen die Palästinenser, einschließlich derjenigen, die innerhalb der Grenzen von 1948 leben, zu eskalieren. Ein eigenes Kapitel des Berichts von Adalah dokumentiert die schweren Verletzungen der Rechte palästinensischer Gefangener und Häftlinge seit dem 7. Oktober, die laut Zeugenaussagen und anderen Berichten in Folterlagern festgehalten werden. Die gleiche Gesetzgebungswelle hat auch die Rechte von Kindern schwer verletzt, indem sie „die seit Langem bestehende rechtliche Unterscheidung zwischen Erwachsenen und Minderjährigen“ bei terroristischen Straftaten aufgehoben hat. Zusätzlich führt der Bericht detailliert aus, wie die Gesetzgebung palästinensische Bürger durch die Ausweitung des Wehrdienstes als Kriterium für Sozialleistungen und öffentliche Ressourcen benachteiligt. Ebenso benachteiligt sie bewusst palästinensische Flüchtlinge in den besetzten Gebieten durch das Verbot von Hilfsorganisationen wie UNRWA [https://www.aljazeera.com/news/2025/1/29/what-israels-unrwa-ban-means-for-millions-of-palestinians-by-the-numbers#:~:text=Knesset%20approves%20bills%20to%20halt,to%20carry%20out%20its%20mandate.]. Als jemand, der seit Langem mit dem Argument vertraut ist, dass es sinnvoll ist, „die Masken zu entfernen“ und zu zeigen, wie das israelische Regierungssystem wirklich ist – antidemokratisch, rassistisch und in der Apartheid verwurzelt –, sehe ich hier keinen Grund zum Optimismus. Angesichts des offenen Drängens der israelischen Führung in Richtung Faschismus werden nicht nur die am stärksten exponierten und schutzbedürftigen Menschen den höchsten Preis zahlen, sondern ist die Kluft zwischen dem Selbstbild einer Gesellschaft und der Realität genau der Raum, in dem politischer Wandel möglich wird. Wenn sich diese Kluft schließt und die Gesellschaft beginnt, das Bild zu akzeptieren, das ihr im Spiegel entgegenblickt, schrumpft der politische Raum für sinnvolle Veränderungen dramatisch. Der Beitrag erschien im Original bei +972 Magazine [https://www.972mag.com/knesset-apartheid-laws-gaza-war/], einem unabhängigen Onlinemagazin, das von einer Gruppe palästinensischer und israelischer Journalisten betrieben wird. Übersetzung aus dem Englischen von Marta Andujo. Über die Autorin: Orly Noy, eine im Iran geborene israelische Staatsbürgerin, ist Journalistin und Vorsitzende von B’Tselem, dem israelischen Informationszentrum für Menschenrechte in den besetzten Gebieten. Titelbild: Shutterstock / Saeschie Wagner Mehr zum Thema: Offener Brief von EU-Abgeordneten an Wadephul: Israel muss medizinische Hilfsgüter nach Gaza lassen [https://www.nachdenkseiten.de/?p=143291] Phase 2 des israelischen Völkermords: Besetzung von 53 Prozent des Gazastreifens, Morde, Segregation und gelbe Linie [https://www.nachdenkseiten.de/?p=140924] Von Damaskus bis Gaza: Die Doktrin der Vorherrschaft Israels hat einen grundlegenden Fehler [https://www.nachdenkseiten.de/?p=136474] Interview mit Pankaj Mishra: „Die Welt nach Gaza“ und der globale Kampf der Narrative zu Israel und Palästina [https://www.nachdenkseiten.de/?p=135897] [https://vg06.met.vgwort.de/na/f5b712c3c4554c50b52dcc55570e728a]
Die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung missbraucht Brandts guten Namen zur Werbung für Kriegsertüchtigung
Im Blog der Republik zitierte dessen Herausgeber Alfons Pieper [https://www.blog-der-republik.de/ein-bild-ging-um-die-welt-als-willy-brandt-niederkniete/] am 7. Dezember die Mitarbeiterin der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung Christina Meyer mit der Behauptung, auch Brandt habe mit dem Aufbau der „Fähigkeit zur Verteidigung“ und eben nicht mit „militärischer Zurückhaltung“ auf die angebliche Bedrohung durch Russland reagiert. Es gibt Beispiele und Belege dafür, dass diese Einschätzung nicht stimmt, dass sie falsch ist. Ich will ein paar Belege aus der jüngeren Geschichte nennen. Albrecht Müller. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Zunächst hier vorweg noch das vollständige Zitat aus dem Blog der Republik: > Lehren für die Gegenwart > > 80 Jahre nach dem 2. Weltkrieg und 55 Jahre nach Brandts Kniefall schreibt Christina Meyer in einem Beitrag für die „Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung“ [https://willy-brandt.de/neuigkeiten/willy-brandts-kniefall-und-die-zeitenwende/] unter dem Titel „Lehren für die Gegenwart: Deutschland stehe vor einer doppelten Herausforderung: „Einerseits darf sich unsere Geschichts- und Erinnerungspolitik nicht in Ritualen erschöpfen, mit denen sich jüngere Menschen ohne Bezug zu den damaligen Ereignissen nicht mehr identifizieren können. Gefragt ist eine historisch-politische Bildung, die Wissen über die deutschen Verbrechen während der NS-Zeit vermittelt – erst recht in Zeiten eines erstarkenden Rechtsextremismus, der die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlost. Andererseits reicht es nicht mehr, die Losung „Nie wieder Krieg“ als Appell zur militärischen Zurückhaltung Deutschlands zu verstehen: Eine wehrhafte Demokratie – nach innen und nach außen – braucht nicht nur ein kritisches Geschichtsbewusstsein, sondern auch die Fähigkeit zur Verteidigung. Historische Verantwortung bedeutet auch, gegen neue autoritäre und diktatorische Regime Stellung zu beziehen. Das hätte auch Willy Brandt so gesehen. Nun also wie angekündigt Belege dafür, dass die Aussage über Willy Brandts Reaktion nicht zutrifft: Erster Beleg. Im August 1961 wurde mit politischer Unterstützung der Sowjetunion von DDR-Bausoldaten die Berliner Mauer gebaut. Das war ein historisch einmaliger Vorgang und ein brutaler Angriff auf die Lebensfähigkeit Westberlins. Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister von Berlin, hat dagegen protestiert und zugleich weiter auf Verständigung mit dem Osten gesetzt. Ein markanter Beleg dafür: Am 5. Juli 1963 hielten sowohl Willy Brandt als auch sein Mitarbeiter Egon Bahr bei einer Tagung der Evangelischen Akademie in Tutzing eine Rede. Die dort von ihnen präsentierte Formel für die neue Ostpolitik lautete „Wandel durch Annäherung“. Sie setzten also trotz des provokanten Mauerbaus eindeutig auf Abbau der Konfrontation zwischen West und Ost, um auf diese Weise auch eine Veränderung im Ostblock, also in der DDR und anderen Staaten Osteuropas, zu erreichen. Die Antwort auf die östliche Provokation, eine unvorstellbar brutale Provokation, die Antwort auf den Bau der Mauer war also nicht die militärische Aufrüstung, sondern die Bereitschaft zur Kooperation, zur Verständigung – eben Annäherung. Zweiter Beleg: Bei diesem Beispiel kann ich auf ein persönliches Erlebnis zurückgreifen. Ich war Anfang August 1968 Redenschreiber des damaligen Bundeswirtschaftsministers Professor Dr. Karl Schiller geworden. Sein Parlamentarischer Staatssekretär Klaus Dieter Arndt ließ mich am 21. August 1968 zur Besprechung einer Rede des Ministers zu sich kommen. Während unserer Beratung brachte seine Sekretärin einen sogenannten Ticker, eine dpa-Meldung mit den neuesten Ereignissen. Klaus Dieter Arndt las und zitierte die neueste Nachricht: Truppen des Warschauer Paktes hätten gerade Prag, die Hauptstadt der Tschechoslowakei, besetzt, um dem „Treiben“ des Reformers Dubcek ein Ende zu bereiten. Die Reaktion von Klaus Dieter Arndt war nicht, wie nach Einschätzung der Vertreterin der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung Christina Meyer zu erwarten wäre: Jetzt müssen wir aber ganz schnell aufrüsten. Klaus Dieter Arndts Reaktion war: Wir machen weiter mit der neuen Ostpolitik. Die Ostpolitik war vom ab Dezember 1966 amtierenden Außenminister Willy Brandt in die Regierungspolitik eingeführt worden. Dieser Anfang der Entspannungspolitik war in der damals amtierenden Großen Koalition mit Kurt Georg Kiesinger (CDU) als Bundeskanzler möglich, wenn auch mit Schwierigkeiten verbunden. Klaus Dieter Arndt war damals jenseits seiner Tätigkeit als Parlamentarischer Staatssekretär zuständig für die Pflege und Ausweitung des innerdeutschen Handels – ein wichtiges Bindeglied zwischen Ostdeutschland und Westdeutschland. Also, im August 1968 intervenierten die Sowjetunion und ihre Verbündeten mit Militär in Prag – und dann nur ein gutes Jahr später, am 28. Oktober 1969, erklärte der neu zum Bundeskanzler gewählte Willy Brandt in seiner ersten Regierungserklärung: „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein“. Das war dann eine deutliche Bestätigung der schon bei der Intervention der Warschauer-Pakt-Staaten in Prag erkennbaren sicherheitspolitischen Linie: Gegen alle Widerstände und trotz schlimmer gegenläufiger Ereignisse wurde die Politik der Verständigung und Entspannung durchgehalten. Die Politik der Verständigung mit dem Osten wurde dann schon ab 1970 in Verträgen mit einzelnen Staaten festgezurrt – mit dem Moskauer Vertrag, mit dem Warschauer Vertrag und dem Prager Vertrag. Kernelement dieser Verträge war der gegenseitige Gewaltverzicht. Es bleibt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung anzuraten, die Geschichte und die politischen Entscheidungen ihres Namensgebers erstmal zu studieren und kennenzulernen, bevor sie sich öffentlich und falsch dazu äußern. Titelbild: © Joseph Heinrich Darchinger / Willy Brandt und Autor Albrecht Müller am 9.10.1972 bei einer Pressekonferenz zur kommenden Bundestagswahl
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