
SWR Kultur lesenswert - Literatur
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Was war, was wird, was wirkt: Literatur im Juli mit aktuellen Neuerscheinungen, einem Blick auf die Lage der Autoren und Autorinnen im Iran und sommerlichen Hörbuchtipps.

REPRESSION UND ALLTAG DER AUTOR:INNEN Iranische Autoren und Autorinnen sind von massiver Repression betroffen, ähnlich wie die gesamte Zivilbevölkerung, sagt Maryam Aras [https://www.swr.de/swrkultur/literatur/politische-trauer-maryam-aras-und-ihre-deutsch-iranische-tochter-vater-geschichte-100.html]. Nach dem israelischen Angriff wurden etwa 1500 Menschen festgenommen, darunter viele Kulturtätige. Besonders gefährdet sind jene, die sich online kritisch äußern. Viele sitzen aktuell im Gefängnis, oft unter unklaren und schlechten Bedingungen. ZENSUR IST ALLGEGENWÄRTIG UND UNBERECHENBAR Die „Schere im Kopf“ begleitet viele Schreibende, da die roten Linien sich ständig verschieben. Manuskripte werden erst nach Fertigstellung geprüft, was für Verlage, Autoren und Autorinnen große Unsicherheit bedeutet. Viele wenden sich daher vom offiziellen Buchmarkt ab und publizieren stattdessen online oder im Untergrund. IRANISCHE LITERATUR IN DEUTSCHLAND WENIG BEACHTET Iranische und persischsprachige Literatur erhält in Deutschland wenig Aufmerksamkeit. Es gibt nur wenige Übersetzungen, obwohl es eine große Vielfalt an Gegenwartsliteratur gibt. Die Übersetzungsarbeit leisten meist kleine, idealistische Indie-Verlage, wie etwa der Sujet Verlag aus Bremen. EIN BUCHTIPP FÜR DEN URLAUB Maryam Aras empfiehlt den Kurzgeschichtenband „An den Regen“ von Faribā Vafī: Die Autorin beschreibt in einer klaren, poetischen Sprache Frauen- und Familienbeziehungen unter den schwierigen Bedingungen des iranischen Alltags. Kurzgeschichten sind im Iran besonders beliebt und eignen sich laut Aras hervorragend als Urlaubslektüre.

ROLF DIETER BRINKMANN: PROVOKATEUR UND WAHRNEHMUNGSKÜNSTLER Auch 2025 ist voller literarischer Jubiläen. Einer sticht besonders hervor: Rolf Dieter Brinkmann (* 16. April 1940 in Vechta; † 23. April 1975 in London). Das Enfant terrible der deutschen Literatur, starb vor 50 Jahren. Trotz seines frühen Todes mit nur 35 Jahren prägte er als Lyriker und Romanautor die Literatur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachhaltig. EINFLÜSSE, WERK UND WIRKUNG Im „lesenswert Magazin" spricht SWR Kultur Literatur Redaktionsleiter Frank Hertweck über Brinkmanns Romane. Sie orientierten sich am französischen Nouveau Roman, seine Lyrik an der amerikanischen Beat-Generation. Er integrierte Popkultur und Alltagsbeobachtungen, war ein „Berserker der Wahrnehmung“ und verwandelte seine Eindrücke in poetische Sprache. Trotz umstrittener Persönlichkeit bleibt sein Werk, etwa der Gedichtband „Westwärts 1 & 2“, bis heute stilbildend und inspirierend. Hertweck stellt eine Neuerscheinung von Brinkmann vor, der Dielmann Verlag hat ein Faksimile herausgebracht. LITERATUR ALS BEFREIUNG Brinkmanns Literatur befreit Sprache von gesellschaftlichen Klischees und regt zu neuer Wahrnehmung an. Für Einsteiger empfiehlt sich der Band „Künstliches Licht. Lyrik und Prosa“, Reclam Verlag. Seine Texte wirken wie eine bewusstseinserweiternde Droge – einmal gelesen, macht Brinkmann süchtig.

Preise wurden ihr schon einige verliehen. Barbara Honigmann erhielt für ihr Werk bereits den Heinrich-Kleist-Preis, den Jean-Paul-Preis 2021, den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung 2022, 2024 den Schiller-Gedächtnispreis, das Bundesverdienstkreuz am Band – um nur eine Handvoll zu nennen. Was fehlt, um diese eindrückliche Sammlung zu vervollständigen? Na klar, der Georg-Büchner-Preis. 2025 würde es doch mal Zeit dafür! Denn Honigmann ist eine der bedeutendsten literarischen Stimmen unserer Zeit. Als jüdische Autorin, geboren 1949 in Ost-Berlin, erzählt sie vom Leben zwischen Ländern, Sprachen und Zugehörigkeiten. Ihre Stärke: die autofiktionalen Erzählungen. In Büchern wie „Chronik meiner Straße“ oder „Unverschämt jüdisch“ verknüpft sie Autobiografie mit kollektiver Erinnerung. Ihre Sprache ist klar und unpathetisch, poetisch und eindringlich. Gerade in einer Zeit, in der jüdisches Leben in Europa erneut angegriffen wird und Antisemitismus auf dem Vormarsch ist, wird ihre Literatur ein unmissverständlicher Akt der Selbstbehauptung - und eine Mahnung. Denn Honigmann schreibt gegen das Vergessen – und für ein Deutschland, das sich seiner Geschichte stellt, ohne sie zu wiederholen. Sie erinnert daran, dass die deutsche Sprache auch eine jüdische ist – und eine poetische. Deshalb verdient sie den Georg-Büchner-Preis. Für ihr Werk. Für ihre Haltung. Und für ihre Stimme, die heute nötiger ist denn je.

Ich bin Anja Höfer, Literaturredakteurin bei SWR Kultur. Seit 1951 wurde der Büchnerpreis 72-mal vergeben: 60-mal an einen Mann und 12-mal an eine Frau. Höchste Zeit also für eine neue BüchnerpreisträgerIN! Und zwar für eine, die nicht nur souverän und gewitzt über ihre Sprache verfügt, sondern eine, die die Sprache selbst zum Gegenstand ihrer literarischen Erkundungen und Verzauberungen macht. Monika Rinck ist Dichterin, Essayistin, Übersetzerin, Performerin: ein literarisches Gesamtkunstwerk, immer in Bewegung. In ihrer Lyrik – etwa in „Honigprotokolle“ oder „Risiko und Idiotie“ - da nimmt sie Floskeln, Sprichwörter, Werbeslogans – und kippt sie in einen neuen Kontext, wo sie plötzlich fremd, komisch, aufgeladen wirken. Auch in ihrem jüngsten Gedichtband „Höllenfahrt und Entenstaat“ zeigt sie sich als Meisterin der Assoziationsräume: Von Dantes Höllenkreisen bis nach Entenhausen. Monika Rinck zerlegt die Sprache: nicht zerstörerisch, sondern sie zeigt, wie sich Bedeutung bildet, wie sie sich verschiebt oder auch entgleitet: Und sie tut das mit großem Witz, mit Eleganz, und einer Liebe zum Absurden. Das ist gar nicht so hermetisch, wie man vielleicht vermuten könnte, sondern offen für alle möglichen Assoziationen und auch einen sehr handfesten Weltbezug. Monika Rinck beherrscht das Komische im Philosophischen, das Spielerische im Theoretischen: eine Poetik des „sinnlichen Denkens“, wie sie selbst es nennt. Sie reflektiert, wie wir sprechen, schreiben, verstehen – oder auch scheitern. Das tut sie aber nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern öffentlich, geradezu performativ. Und sie behandelt Literatur als etwas, das gerade jetzt dringend gebraucht wird: nämlich als dialogisches, offenes System: in Kollaborationen, Übersetzungen, interdisziplinären Arbeiten, etwa auch mit Musik und bildender Kunst. Monika Rinck steht für eine Literatur, die zugleich hochreflektiert und zugänglich ist. Ihr Werk ist kein Projekt, es ist eine Haltung: wach, präzise, spielerisch. Es ist höchste Zeit, dass die deutsche Literatur diese Stimme auch mit ihrem bedeutendsten Preis ehrt.
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