In aller Ruhe
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In aller Ruhe

Podcast door Süddeutsche Zeitung & Carolin Emcke

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Die Krisen überschlagen und verbinden sich: Pandemie, Klima, russischer Angriffskrieg. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz stellen die Gesellschaft vor immer neue Herausforderungen. Unsere Gesellschaft befindet sich im Umbruch. Es lohnt sich deshalb, aus der schnellen Aktualität und der eigenen Perspektive auf die Welt auszutreten. Philosophin, Publizistin und SZ-Kolumnistin Carolin Emcke spricht in diesem Podcast dafür mit Aktivistinnen, Autoren, Künstlerinnen oder Wissenschaftlern über politisch-philosophischen Fragen hinter aktuellen Ereignissen und sortiert mit ihnen große gesellschaftliche Debatten. Die Folgen erscheinen alle zwei Wochen ab dem 25. Februar 2023. 

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„Kultur wirkt“ – Carola Lentz bei Carolin Emcke über die Kraft der Goethe-Institute
Das Goethe-Institut ist in fast 100 Ländern das Gesicht Deutschlands, bietet Sprachkurse an, ist Treffpunkt und lädt zu Kulturveranstaltungen ein. Oft prägt es das Deutschland-Bild in den jeweiligen Ländern und ermöglicht durch den Austausch mit den Menschen vor Ort eine Möglichkeit der Selbstreflexion deutscher Politik und Kultur. Doch auch das Goethe-Institut muss sparen, pro Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag. Was würde fehlen, wenn es das Goethe-Institut nicht mehr gäbe? Und wie verengt sich die Debattenkultur, wenn die Freiheit von autokratisch-rechten und identitätspolitisch-linken eingeschränkt wird? Darüber spricht Carola Lentz, Präsidentin des Goethe-Instituts in dieser Folge von „In aller Ruhe“ mit Carolin Emcke. Carola Lentz, 1954 in Braunschweig geboren, ist seit November 2020 Präsidentin des Goethe-Instituts. Sie studierte Soziologie, Politikwissenschaft, Germanistik und Pädagogik in Göttingen und Berlin, 1987 promovierte sie an der Universität Hannover und habilitierte sich 1996 an der Freien Universität Berlin zum Thema „Die Konstruktion von Ethnizität. Eine politische Geschichte Nord-West Ghanas 1870–1990“. Anschließend war sie bis 2019 Professorin für Ethnologie, erst an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, dann an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Lentz hat angekündigt, keine Verlängerung ihres Amtes beim Goethe-Institut anzustreben, im November dieses Jahres wird sie es dementsprechend ablegen. In einem Brief an das Präsidium des Instituts ließ sie durchblicken, dass das auch mit einer Neuausrichtung des Instituts und den Schließungen traditionsreicher Standorte in Frankreich und Italien zusammenhängen könnte. „Wir sind eben nicht nur bilateral“ Nicht immer gibt es finanzielle Hintergründe für die Schließung eines Standorts. Manchmal spielen auch die persönliche Sicherheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine entscheidende Rolle wie bei der Schließung der Standorte in Afghanistan und Belarus. Vor allem bei Mitarbeitern ohne deutsche Staatsangehörigkeit sei der Schutz gegenüber geheimdienstlichen Maßnahmen eben manchmal nicht ausreichend gegeben. Es gelte das Prinzip „Safety First“. „Wir können für die Offenheit des Austausches nicht riskieren, dass Leute ins Gefängnis kommen, gefoltert werden.“ Denn in autokratisch regierten Ländern werde selbst der Sprachunterricht zu einer politischen Angelegenheit. Wenn sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Präsenzkursen informell treffen könnten, dann sei das natürlich auch ein Raum für Gespräche über Regierungspolitik und über gesellschaftliche Verhältnisse im eigenen Land und in Deutschland Doch auch wenn das Goethe-Institut keine Dependance mehr in einem Land unterhält, heiße das nicht, dass es gar keine Möglichkeiten mehr für kulturellen Austausch mit dem Land gebe. „Da ist dann wichtig, dass wir ein weltweites Netzwerk sind. Wir sind eben nicht nur bilateral.“ Dann gehe der Blick eben auf andere Standorte in der betreffenden Region. „Wir machen dann eine Ausstellung mit belarussischen Künstlern in Polen.“ Aber grundsätzlich gelte: „Das Goethe-Institut versucht zu bleiben, solange es irgend geht.“ „Wichtig für die politische Mobilisierung gegen die Junta“ Für Carola Lentz steht außer Frage: „Kultur wirkt“. Das lasse sich zwar nur schwer in den Zahlen eines Bundeshaushalts messen, aber die Kraft der Goethe-Institute macht sie an einer Anekdote fest. Bei der 70-Jahrfeier des Goethe-Instituts in Athen habe der Oberbürgermeister von Athen eine Rede gehalten und darüber gesprochen, wie er als Student die Institution wahrgenommen habe. In den Jahren um 1970, als die Junta in Griechenland herrschte. Er habe erzählt, dass er damals das Goethe-Institut als „Ort erlebt hat, wo er sich mit anderen Studenten treffen konnte, wo sie über die Junta gesprochen haben, wo sie sich Kraft geholt haben, wo sie ein Fenster nach Europa hatten. Und er sagt jetzt im Rückblick: Das war ganz wichtig für den Widerstand und für die politische Mobilisierung gegen die Junta.“ Deswegen wünsche Lentz sich für die Zukunft des Goethe-Instituts „mehr Vertrauen seitens der ministerialen Bürokratien, seitens der Politik.“ Auch wenn die Ressourcen aufgrund unterschiedlichster Faktoren knapper sein, dürfe am kulturellen Austausch nicht gespart werden. „Ich wünsche mir einfach das Vertrauen, dass das extrem gut investiertes Geld ist.“ Es sei eine Stelle, „wo wenig Geld sehr, sehr viel bewirken kann.“ Gerade in Krisenzeiten und geostrategischer Polarisierung. Wie blickt Carola Lentz auf die teils aufgeheizten Debatten in Deutschland? Wie darauf, dass Forschende wegen einzelner Äußerungen von Veranstaltungen ausgeladen werden? Auch darüber spricht die Präsidentin des Goethe-Instituts in dieser Folge von „In aller Ruhe“. Empfehlung von Carola Lentz Carola Lentz empfiehlt den Roman „Dein ist das Reich“ (480 Seiten, Claasen Verlag) von Katharina Döbler. Eine alte Frau erzählt ihrer Enkelin von ihren Reisen, von Soldaten, Zauberern und Dämonen in der Südsee – und die Enkelin begibt sich Jahre später auf die Suche nach den wahren Begebenheiten dieser Geschichten. Die Geschichte führt in das Amerika nach dem Ersten Weltkrieg – und in die Zeit der Missionierung Afrikas. Der Roman verwebe die emotionalen und politischen Verstrickungen von vier jungen Leute zu einem berührenden und erhellenden Familien- und Epochenroman, schreibt der Verlag. Lentz sagt: „Da haben wir einen Roman, der zeigt, wie dieses neokoloniale Denken unter dem Naziregime wiederum in diese Mission hinein gespielt hat.“
03 mei 2024 - 1 h 56 min
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„Eine andere Branche“ – Célia Šašić bei Carolin Emcke über den Unterschied zwischen Frauen- und Männerfußball
Vergangenes Wochenende ist Bayer Leverkusen Deutscher Fußballmeister geworden. Die Bilder von feiernden Fans auf den Straßen der Stadt haben wieder einmal gezeigt, wie emotional der Sport hierzulande verfolgt wird. Und auch: Wie groß und breit die Begeisterung in der Gesellschaft für den Fußball ist. Welche gesellschaftliche Rolle kann der Sport angesichts dessen im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung einnehmen? Und in welchem Bereich sollten Fußballerinnen gleich vergütet werden wie ihre männlichen Kollegen? Darüber – und über die anstehende Europameisterschaft in Deutschland spricht Carolin Emcke in dieser Folge von „In aller Ruhe“ mit Célia Šašić, Ex-Fußballerin und DFB-Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität. Célia Šašić, geboren 1988, gehört zu den erfolgreichsten Fußballerinnen ihrer Generation. Sie wurde zweimal Europameisterin (2009 und 2013), zweimal zu Deutschlands Fußballerin des Jahres (2011/2012 und 2014/2015) und einmal zu Europas Fußballerin des Jahres (2013/2014) gewählt. Seit März 2022 ist sie im Präsidium des DFB und als Vizepräsidentin zuständig für die Themen Gleichstellung und Diversität. „Der Fußball ist ein Abbild der Gesellschaft“ „Fußball ist in unserer Gesellschaft strukturell so stark verankert“, sagt Šašić. Dadurch könne der Fußball spielerisch in die Themen wie Integration, Chancengleichheit und Teilhabe in die Gesellschaft vermitteln. Trotz der klaren Positionierung des DFB und vieler Fußballvereine gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Sexismus sind diese gesellschaftlichen Probleme aber natürlich nicht vom Spielfeld und Tribünen verbannt: „Der Fußball ist ein Abbild der Gesellschaft“, sagt Šašić. Am Beispiel des spanischen Ex-Funktionärs Luis Rubiales, der bei der Siegerehrung nach dem WM-Finale 2023 die spanische Spielerin Jennifer Hermoso gegen deren Willen geküsst hatte, und der darauffolgenden Reaktion, spricht Šašić über die gesellschaftliche Kraft von Fußball: „Weil es so viele Menschen schauen, verhandelt man über diese Szene wieder neue Standards“ in der Gesellschaft. Ein Thema, das im Fußball eine große Rolle spielt: Gleichstellung und Equal Pay. Der Unterschied bei den Gehältern zwischen Männern und Frauen sei erheblich: „Das ist eine ganz andere Branche.“ Für Šašić sei das aber nicht das Problem: „Man hat ja per se keinen Anspruch auf einen lukrativen Markt.“ Anders sieht sie das allerdings bei den Prämien des Verbands für Erfolge bei großen Turnieren. „In der Nationalmannschaft, bei der es darum geht, das Land zu repräsentieren, Identifikation zu stiften, am Ende ein Übertrag auf das Gemeinwohl, die Gesellschaft, die Gemeinschaft zu schaffen, muss es absolut egal sein, von wem dieser Impuls ausgeht.“ Zumal es während ihrer aktiven Karriere so war, dass man über die DFB-Prämien „einen Großteil des Verdiensts erhalten hat“. „Die richtige Kraft, die diese EM 2024 hat, ist, dass alle Menschen zusammenkommen“ Mit Blick auf das EM-Turnier der Herren, das in diesem Sommer in Deutschland stattfindet, sagt sie: „Der Titel hat die geringste Bedeutung für den Maßstab, ob es eine gelungene EM war oder nicht.“ Schließlich gehöre es zum sportlichen Wettkampf, dass am Ende nur eine Mannschaft gewinnen könne. Viel wichtiger sei in ihren Augen – auch im Rückblick auf das Sommermärchen und die WM 2006: „Ich habe da so eine Grundstimmung, so ein Grundgefühl in mir, was die Erinnerung an dieses Turnier auslöst. Was es mit uns als deutsche Gesellschaft gemacht hat, was es mit dem Blick der Welt auf uns gemacht hat.“ Für die EM 2024 hofft sie wieder auf einen Sommer, „aus dem man als Gemeinschaft, als Gesellschaft gestärkt hervorgeht.“ Denn: „Die richtige Kraft, die diese EM hat, ist, dass alle Menschen zusammenkommen.“ Wem die Deutsch-Französin Šašić die Daumen drücken wird? „Für mich gibt es kein: Ich muss mich entscheiden, für wen ich bin.“ Noch schöner sei das allerdings für sie und ihre Familie bei einer WM: „Da haben wir am Anfang fünf Eisen im Feuer: Deutschland, Frankreich, Kroatien, Serbien und Kamerun.“ Bei den fünf Ländern sei eigentlich die Chance immer recht hoch, dass einer beim Turnier weit komme. Célia Šašić empfiehlt Die Ex-Fußballerin empfiehlt: „Unter Menschen gehen.“ Nicht nur zum Sport: „Deswegen mag ich Konzerte einfach gerne. Oder Events, bei denen man gemeinsam mit Leuten ist und eine gute Zeit hat.“ Moderation, Redaktion: Carolin Emcke Redaktionelle Betreuung: Johannes Korsche, Léonardo Kahn Produktion: Imanuel Pedersen
19 apr 2024 - 1 h 4 min
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"Definitionen sind Arbeitsinstrumente" – Barbara Stollberg-Rilinger bei Carolin Emcke über Wissenschaftsfreiheit
In aller Ruhe Wie frei ist die Wissenschaft in einer krisengebeutelten, postfaktischen Gegenwart? Mehrere Staaten in den USA haben etwa Forschungsgelder im Bereich Genderstudies gekürzt, wollen aber Kreationismus gleichberechtigt zur Evolutionstheorie lehren. Andere Studierende fordern wiederum, Aristoteles wegen seiner Frauenfeindlichkeit aus dem Lehrplan zu streichen. Angesichts dieser Entwicklungen drängt sich bei Carolin Emcke die Frage auf: Wie steht es um die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland? Darüber spricht sie mit Barbara Stollberg-Rilinger, 69, Rektorin des Wissenschaftskollegs zu Berlin. Sie ist Historikerin und hat zwanzig Jahre Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Münster gelehrt, bevor sie 2018 in Berlin ihre aktuelle Funktion antrat. Das Wissenschaftskolleg ist ein interdisziplinäres Forschungsinstitut, wo bis zu 50 internationale Wissenschaftler forschen, unter ihnen der deutsch-israelische Philosoph Omri Böhm, der den diesjährigen Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung erhielt. Kurzer Transparenzhinweis: Auch Carolin Emcke ist Mitglied der Einrichtung. Sie sitzt ehrenamtlich im Stiftungsrat. Im Bereich Genderstudies herrscht ein "riesiges Verständnisproblem" Im Wissenschaftskolleg hospitieren auch Forscher aus repressiven Regimen, die von der hiesigen Forschungsfreiheit profitieren. Ein chinesischer Kollege recherchiert etwa zur Erinnerungskultur des Tiananmen Massakers. Jeden Mittag setzen sich alle Stipendiaten zusammen, um ihre Forschungen zu besprechen. Dort tauschen sich auch Wissenschaftler aus befeindeten Länder aus, wie Ukrainer und Russen. Obwohl es da zu Beginn auch Irritationen gab, stellt Stollberg-Rilinger fest: Die Differenzen der Wissenschaftler lassen sich hauptsächlich auf die unterschiedlichen Disziplinen zurückführen, und weniger auf die Herkunft. Im Bereich Genderstudies herrscht etwa ein "riesiges Verständnisproblem" zwischen Natur- und Geisteswissenschaftler. Diese Missverständnisse ließen sich nur durch Austausch überwinden, sagt die Rektorin, indem die Forscher sich an bestimmte Standards des Argumentierens und der Empirie halten. Antisemitismusvorwürfe richten sich "groteskerweise" oft gegen Juden Grundsätzlich sollten Wissenschaftler in der Lage sein, über alles zu sprechen. Trotzdem gibt es eine "Grenze des Sagbaren". Es müssen also auch Verbote gelten, die Hetze gegen bestimmte Menschengruppen sanktionieren. "Es ist eine Gratwanderung", so die Leiterin, denn solche Verbote werden oft politisch missbraucht. "Es besteht immer die Gefahr, dass man immer nur die eigene Wissenschaftsfreiheit verteidigt und nicht die der Gegenposition." Das sei falsch, sagt die Rektorin: "Wenn Wissenschaftsfreiheit, dann auch grundsätzlich!" Besonders stark nehme sie das Problem in der Bekämpfung von Antisemitismus wahr. Der Berliner Senat hat im Januar angekündigt, Kulturförderungen an ein Bekenntnis zur Arbeitsdefinition von Antisemitismus der IHRA (International Holocaust Rememberance Alliance) zu knüpfen und hatte sogar überlegt, diese Bedingung auch auf die Wissenschaftsbranche auszuweiten. Die IHRA Definition gilt jedoch als umstritten, weil man damit auch Israelkritik als Antisemitismus einstufen kann. "Diese Antisemitismusvorwürfe richten sich groteskerweise fast immer gegen jüdische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Künstler und Künstler", merkt Barbara Stollberg-Rilinger an. Sie warnt davor, Definitionen als Dogmen zu sehen: "Definitionen sind keine letzten Wahrheiten, sondern Arbeitsinstrumente." Sie müssen anfechtbar und korrigierbar bleiben, denn nur so bleiben sie wissenschaftlich, sagt die Rektorin. Empfehlung von Barbara Stollberg-Rilinger Barbara Stollberg-Rilinger empfiehlt "The Zone of Interest". Der Film über den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß und seine Ehefrau Hedwig, gespielt von Christian Friedel und Sandra Hüller, gewann dieses Jahr den Oscar für den besten internationalen Film und für den besten Sound. Für Stollberg-Rilinger war es der "erschütterndste" Film, den sie seit Langem gesehen hat. Er sei gleichzeitig überwältigend und aufklärerisch, was man selten zusammenfinde. "Der Zuschauer sieht das Konzentrationslager nicht, er hört es nur." Das sei eine eindrucksvolle Vermittlung dessen, was man "Banalität des Bösen" nennt, sagt die Historikerin. Wie die Verdrängungsleistung ins Bild gesetzt wurde, die hier von der Familie Höß inszeniert wird, aber eigentlich vom ganzen deutschen Volk betrieben wurde, fand sie beeindruckend. "Der Film hängt einem lange nach."
05 apr 2024 - 1 h 24 min
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„Kein logistisches Problem, sondern ein politisches“ Parnian Parvanta bei Carolin Emcke über fehlende Hilfsgüter in Gaza
In aller Ruhe Die Katastrophe am Hilfskonvoi ist bisher einer der tragischsten Wendepunkte im Nahostkrieg. Während Palästinenser in Gaza-Stadt am 29. Februar auf Lebensmittel warteten, brach eine Massenpanik aus. Israelische Panzer rollten über die Menschenmasse, Soldaten schossen auf Zivilisten. Sie töteten insgesamt 110 Menschen. Seitdem liefern viele Länder ihre Hilfsgüter über eine Luftbrücke, auch Deutschland will damit Ende März beginnen. Doch Parnian Parvanta, Vorsitzende von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland, sieht diese Lieferungen skeptisch. Die Flugzeuge können die Güter nicht gezielt abwerfen, sodass es fast unmöglich sei, Krankenhäuser über diesem Weg mit Arzneimitteln zu versorgen. "Für uns sieht es sehr danach aus, als würde man versuchen, vom eigentlichen Problem abzulenken", sagt die Ärztin. "Es ist kein logistisches Problem, sondern ein politisches." Parnian Parvanta, 42, ist seit vergangenen Juni die Vorstandsvorsitzende der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen. Die Mainzer Gynäkologin war für die Hilfsorganisation in vielen Krisenregionen tätig. Ihren ersten Einsatz hatte sie 2011 als Ärztin in der Zentralafrikanischen Republik, zwei Jahre später flog sie nach Indien. Als Gynäkologin hatte sie 2017 ihren ersten Einsatz in Nigeria, später behandelte sie auch Frauen in der Elfenbeinküste und trainierte Ärzte und Pfleger in Irak. Als Vorsitzende koordiniert sie nun auch das Team im Gazastreifen, wo sich die humanitäre Lage seit Beginn der israelischen Militäroffensive drastisch verschlimmert hat. Dabei waren die Palästinenser schon vor dem 7. Oktober auf humanitäre Hilfe angewiesen, sagt Parvanta. Ärzte ohne Grenzen sind seit 1989 im Gazastreifen und im Westjordanland tätig. Nach Gaza waren täglich etwa 500 Lastwagen mit Hilfsgütern gefahren, seit Kriegsbeginn schaffen es "an guten Tagen" nur 100 Lkw über die Grenze. Angesichts des enormen Bedarfs an Lebensmitteln und Medikamenten seien die aktuellen Hilfslieferungen "nicht mal der Tropfen auf dem heißen Stein", sagt die Chefin der Organisation. Amputationen ohne Schmerzmittel In den Krankenhäusern sei die Lage katastrophal. Ärzte in Gaza berichten von Amputationen, die ohne Schmerzmittel ausgeführt werden, selbst an Kindern; von Verbandsmaterial, das nach der Behandlung ausgewaschen und sterilisiert werden muss; von jungen Müttern, die 24 Stunden nach einem Kaiserschnitt die Klinik verlassen müssen, um Platz für die nächste Geburt freizumachen. Die Ärzte seien überlastet, so Paravanta. Sogar erfahrene Kollegen sagen zu ihr, sie hätten derartig katastrophale Umstände noch nie gesehen. Neunmal mussten die Krankenhäuser nach Aufforderung der israelischen Armee evakuiert werden. Viele Ärzte mussten Patienten im Stich lassen, um sich selbst in Sicherheit zu bringen. Im Gespräch erzählt Parvanta auch von Kollegen, die von israelischen Soldaten getötet wurden, manche sogar während ihrer Arbeit am Patientenbett. Sie würde sich wünschen, dass die Vorfälle völkerrechtlich aufgeklärt werden, viel Hoffnung hat sie aber nicht. 2015 hat die US-Armee ein Krankenhaus der Hilfsorganisation in Kundus, im Norden Afghanistans, zerstört und dabei 42 Menschen getötet, darunter 14 Mitarbeiter. Seither werde das Völkerrecht immer wieder verletzt, ohne dass die Kriegsparteien Konsequenzen fürchten müssten, sagt Parvanta. Die Chefin von Ärzte ohne Grenzen fragt sich deshalb: "Wenn wir selbst das Minimum, worauf wir uns als Weltgemeinschaft geeinigt haben – nämlich, dass wir im Krieg das Recht auf medizinische Versorgung beachten – jetzt hier über Bord werfen: Wer guckt dann noch nach Sudan und Haiti, wo sowieso keiner hinguckt?" Empfehlung von Parnian Parvanta Die Ärztin empfiehlt den Roman „Die Hälfte der Sonne“ von der nigerianischen Bestseller-Autorin Chimamanda Ngozi Adichie. "Wenn ich die Bücher anfange zu lesen, dann kann ich meistens nicht aufhören", sagt Parnian Parvanta. Im Buch geht es um den Krieg in Biafra, wo 1967 die Igbo-Bevölkerung ihre Unabhängigkeit von Nigeria ausgerufen hatte. Der Aufstand wurde von der nigerianischen Armee mit der Unterstützung von Großbritannien, der Sowjetunion und den USA auf brutaler Weise zerschlagen, der Krieg forderte mehr als eine Million Todesopfer. Biafra wurde 1970 wieder von Nigeria annektiert. In Adichies Roman steht eine Familie im Mittelpunkt. Wie diese mit der Kriegssituation umgeht, hat Parnian Parvanta "sehr berührt".
22 mrt 2024 - 1 h 18 min
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„Musik kommt in der Schule deutlich zu kurz“ – Johanna Soller bei Carolin Emcke über die Zugänglichkeit von Kultur
In aller Ruhe Wie zugänglich ist Hochkultur? Opern, Orchester und Chöre haben sich zwar in den vergangenen Jahren weiter geöffnet, die breite Gesellschaft erreichen sie dennoch nicht. Die Dirigentin Johanna Soller findet das "grausam". Schuld seien jedoch nicht nur die hohen Eintrittspreise, sondern auch die fehlende kulturelle Bildung: "Musik kommt in der Schule deutlich zu kurz." Johanna Soller zählt zu den führenden deutschen Künstlerinnen ihrer Generation. Die 35-jährige Cembalistin und Organistin leitet seit Beginn der Saison 2023/24 als erste Frau den Münchener Bachchor und das Bachorchester. Die Ensembles wurden 1954 von Karl Richter gegründet und erlangten Weltrenommee. Soller ist erst seine vierte Nachfolgerin, was in 70 Jahren keine große Zahl sei, wie die Musikerin selbst anmerkt. "Karl Richter ist 1981 verstorben, ich bin 1989 geboren", sagt sie, "da liegt viel Zeit dazwischen." Dennoch empfindet die Dirigentin die weitreichende Historie des Chors nicht als Belastung, sondern als inspirierenden "Ausblick". Schon durch ihre Vorgänger hat sich die Linie des Ensembles seit dem Tod von Karl Richter weiterentwickelt, sagt die neue Leiterin: "Eigentlich fühle ich mich sehr frei in meiner Gestaltungsmöglichkeit." Der Chor probt zweimal die Woche, "das ist viel", sagt die Leiterin. So bleibt neben dem Proben auch Zeit, um über die Kompositionen zu sprechen. Sollers früherer Klavierprofessor, Friedemann Berger, war eine große Inspiration für sie, er zählte zu ihren wichtigsten Lehrern. "Es vergingen Stunden völlig ohne Klavier, weil das Lenken von Aufmerksamkeit mehr im Vordergrund stand als eine ausgefeilte Klaviertechnik." Sie fügt hinzu: "Ein guter Lehrer macht sich selbst überflüssig." Es sei eine große Qualität des Lehrens, Unterschiede unter den Musikern zuzulassen. Insbesondere bei Bach sei das wichtig, um der Vielschichtigkeit seiner Kompositionen gerecht zu werden. Warum ist Bach so zeitlos? Auf die Frage, warum die Musik von Johann Sebastian Bach auch drei Jahrhunderte später noch Konzertsäle, Kirchen und Philharmonien füllt, findet Soller keine klare Antwort. Teilweise lässt sich das durch Bachs "große Ebenbürtigkeit von verschiedensten Polen" erklären, wie er zwischen Intellekt und Emotionalität abwiegt. Die Kompositionen seien einerseits unfassbar komplex und andererseits "irgendwie einfach", sagt die Dirigentin. Dadurch sei Bach für viele Hörer zugänglich, auch für die ohne Barock-Kenntnisse. Gleichzeitig verbirgt Bachs Musik viele Details, etwa in "Mein Jesus schweigt zu falschen Lügen stille" aus der Matthäus-Passion. Hier komponierte Bach 39 kurze Stakkato-Akkorde in der Oboe mit vielen Pausen und bezieht sich damit womöglich auf Psalm 39, wo es um das stille Schweigen geht. "Das ist dann eine Ebene, die sich nur in der Partitur auftut, niemand wird beim Hören die Akkorde mitzählen", sagt Soller. Und trotzdem schafft dieses Detail eine weitere Tiefe in der Komposition. "Das ist das unerschöpfliche Element bei Bach, wodurch man eigentlich mit der Interpretation nie fertig wird." Die Corona-Pandemie hat die Kulturbranche in eine lange Pause gezwungen. Erst kam das Johanna Soller gelegen, denn die Zeit konnte sie zum Klavier-Üben nutzen. Nur die Ensemblearbeit war zu Hause nicht möglich, was sie nach und nach immer weiter frustrierte. Trotzdem wollte sie keine Online-Konzerte veranstalten: „Ich habe kaum etwas als verzweifelter empfunden als Chöre, wo sich jeder von zu Hause aus zugeschaltet hat.“ Das habe ihr gezeigt, wie schlecht ein wirkliches Zusammenkommen sich auf ein Livestream übertragen ließe. Empfehlung von Johanna Soller "Ich hatte viel Bekümmernis" ist Johanna Sollers liebste Bachkantate, auch wenn sich das häufig im Leben einer Musikerin ändert, wie sie selbst anmerkt. Sie findet es "beinahe ungeheuerlich", auf welche Reise Bach die Zuhörenden da schickt. "Innerhalb dieser grob 40 Minuten ist eigentlich fast ein ganzes Leben gezeichnet", sagt sie, "es ist unvorstellbar." Insbesondere der letzte Chor mit den Pauken und Trompeten, der an den Anfang der Sinfonie erinnert, beeindruckt die Musikerin. Dieses "Durchmachen" hat sie so in anderen Kantaten bisher nicht gefunden. Bach komponierte die Kirchenkantate während seiner Zeit in Weimar zwischen 1708 und 1717.
08 mrt 2024 - 1 h 8 min

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