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Die eine schmiss dem politischen Gegner Blumen vor die Füße, die andere wurde schon rhetorisch mit einer Kalaschnikow verglichen (und nannte den Rufer daraufhin "Schrotflinte".) Beide bewerben sich nun gemeinsam als neues Führungsduo ihrer Partei. Susanne Hennig-Wellsow aus Thüringen und Janine Wissler aus Hessen wollen bei der Linken künftig sagen, wo es lang gehen soll. Was Streitbarkeit angeht, passen sie vorzüglich. Denn Konfliktpotential zu entfalten, das gelingt auch ihrer Partei jederzeit mit links. Mit zentnerschweren Erblasten und hammerharten Positionen, mit Flügelkämpfen und Machtspielen, nach innen und nach außen. Aber welche Substanz steckt drin - nicht nur in den beiden neuen Führungsfiguren, sondern auch in der Partei insgesamt? Eine wichtige Frage zwischen dem Parteitag jetzt und dem Wahltag im September. Denn dann steht nicht nur im Bund ein Urnengang an, sondern auch in Thüringen, wo der erste linke Ministerpräsident der Bundesrepublik sein Amt verteidigen will. Ist den Linken das Regieren (und Regieren-Wollen) schon in Fleisch und Blut übergegangen? Und ärgert es sie, dass die Umfragen zur Zeit im Bund - rechnerisch und politisch - keine Mehrheitskoalition mit links erkennen lassen? So oder so: Für die anderen Parteien - seien sie Gegner, Konkurrenten oder potentielle Verbündete - sind sie in jedem Fall ein Stachel im Fleisch.

Es ist geplant, das Gefangenenlager in Guantánamo zu schließen. Diese Ankündigung Joe Bidens kommt uns irgendwie bekannt vor. Vor 20 Jahren ist das Internierungslager für Al-Qaida-Terroristen an der Südostspitze Kubas errichtet worden, und seitdem ist es ein Stein des internationalen Anstoßes. Schon 2009 begann der damalige US- Präsident Barack Obama eine Auflösung zu prüfen - bis 2017 ohne Erfolg. Dann stoppte Donald Trump das Vorhaben. Jetzt nimmt der neue amerikanische Präsident Joe Biden die Schließung Guantánamos wieder in den Blick. Dahinter stecken nicht nur gute Absichten, sondern sicher ein innenpolitisches Kalkül. Werden sich nun die Pforten des Lagers in Guantánamo wirklich endlich schließen? Und was passiert dann mit den immer noch 40 "Hochrisiko-Häftlingen“, die zum Teil ohne Urteil und Prozesstermin seit knapp 20 Jahren dort einsitzen?

"Sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen." Ein Satz aus dem Matthäusevangelium (Kapitel 23, Vers 3). Ein Satz, den viele Gläubige sofort auf Bischöfe wie den Kölner Kardinal Woelki beziehen. Er hält seit Monaten ein Gutachten zur Aufarbeitung von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt in der Kirche zurück. Und seine Begründungen haben bislang nur die Wenigsten überzeugt. Heuchelei und Vertuschung stehen weiterhin als Vorwürfe im (Kirchen)Raum, in vielen Gemeinden und Bistümern. "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." Sagt Jesus ebenfalls im Matthäusevangelium (Kap. 18, Vers 20). Noch ist die Zahl der katholischen deutschen Bischöfe, die sich gerade zu ihrer jüngsten Konferenz versammeln, um einiges zahlreicher. Aber dass Jesus mitten unter ihnen ist und sie alle in seinem Namen sprechen und handeln, das zu glauben, fällt vielen Menschen innerhalb der katholischen Kirche schon seit Jahren immer schwerer. Warum sollte das Misstrauen gegen Männer-Seilschaften weichen, solange "Mutter Kirche" nicht auch von Frauen geführt werden darf? Passt Ausgrenzung - von Frauen oder Homosexuellen - zur christlichen Botschaft? "Nein, natürlich nicht", sagen immer mehr Gläubige und kehren als Konsequenz ihrer Kirche den Rücken. Ein Exodus, den die Corona-Krise noch beschleunigen dürfte. Werden sich also in absehbarer Zeit nur noch "zwei oder drei" im Namen Jesu versammeln?

Karrierenachteile, Einkommensverluste, Altersarmut - das alles droht laut Wirtschaftsforschern den Schülern und Schülerinnen, deren Schulen in der Corona-Krise geschlossen waren. Sie drohen gar eine "verlorene Generation“ zu werden, bescheinigen Bildungsexperten. Was macht das mit den Kindern und Jugendlichen, auf diese Weise abgestempelt zu werden? Es klingt wie eine Bankrott-Erklärung eines der reichsten Länder der Welt. Ja, Studien zeigen, dass sich das Risiko für psychische Auffälligkeiten bei Kindern erhöht hat. Ja, Umfragen machen deutlich, dass sich viele Schüler und Schülerinnen belastet fühlen, Angst vor der Zukunft haben, aber auch: dass sie mehr einbezogen werden wollen in die Entscheidungen, die ihren Schulalltag betreffen. Schauen wir also hin und krempeln die Ärmel hoch, jetzt, wo die Schulen vorsichtig wieder öffnen. Was brauchen junge Leute 2021, um sich eben nicht abgehängt und verloren zu fühlen? Wie können Wissenslücken erkannt und beseitigt werden? Was brauchen Familien und Schulen, um Langzeitfolgen zu verhindern? Denn wenn wir eine ganze Generation "verloren“ geben, trifft es letztendlich uns alle.

Der spanische Musiker und Aktivist Pablo Hasél hat gerappt und getwittert. Und muss dafür ins Gefängnis. Weil er den spanischen König als "Tyrannen", dessen Vater und Vorgänger als "Parasiten" und "Mörder" und einen Bürgermeister als "Missgeburt" bezeichnet hatte, die "einen Schuss verdiene". Hasél greift damit tief ins oft brutale Vokabular des Rap und wird deshalb der "Majestätsbeleidigung" beschuldigt und der "Verherrlichung des Terrorismus". Das Gesetz, das beides unter Strafe stellt, nennt sich "Gesetz zur Sicherheit des Staates und der Bürger". Aber viele Menschen in Spanien halten einen anderen Namen für passender: "Maulkorbgesetz". Als es 2015, während der Regierung der konservativen Volkspartei, in Kraft trat, fühlte sich die New York Times "an die dunklen Tage des Franco-Regimes" erinnert. Und mehr noch als das Gesetz wird seine Anwendung kritisiert. Denn so vage das Gesetz formuliert sei, so scharf zögen Behörden und Gerichte die Grenzen zwischen Meinungsfreiheit und Straftatbestand. Hat Pablo Hasél diese Grenzen überschritten? "Ja", sagen die, die ihn anklagen. "Nein", sagen nicht nur Haséls Anhänger, die gegen seine Festnahme - auch gewaltsam - protestieren. "Nein", sagen auch viele Kulturschaffende, die befürchten, selbst "die nächsten" zu sein, wenn Hasél in Haft bleibt. Und ausgerechnet das einstige Symbol staatlicher Einheit, das spanische Königshaus, steht nicht mehr auf dem Sockel, sondern selbst - und selbstverschuldet - in der Kritik, Erlebt die spanische Demokratie also erst jetzt, mehr als 45 Jahre nach dem Tod des Diktators Franco, ihre entscheidende Bewährungsprobe?