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Kein Zug wird kommen: Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ist einfach zu steil

Steile These, böser Reinfall. Auf der neuen ICE-Rennstrecke in Baden-Württemberg sollen täglich 17 Güterzüge verkehren. Nur so rentierte sich das Projekt, hatten einst die Macher ermittelt. Leider verrechnet: In zweieinhalb Jahren ist nur ein einziger Zug übers Gleis gerollt und das auch nur „zum Spaß“. Kein Witz: Auf dem Abschnitt herrscht eine zu starke Steigung. Die schaffen nur Leichttransporter, von denen es aber keine gibt. Das kostet Nerven – und vier Milliarden Euro. Von Ralf Wurzbacher. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Hans-Jörg Jäkel ist ein „privilegierter“ Bahnfahrer. Davon gibt es in der heutigen Zeit bekanntlich nicht viele. Am 28. Januar 2024 war ihm die Ehre zuteil geworden, die Neubaustrecke (NBS) zwischen Wendlingen und Ulm in einem Güterzug zu befahren, „mehr so zum Spaß“ und weil der „Lokführer ein guter Freund“ sei, wie er den NachDenkSeiten sagt. Jäkel engagiert sich in einem Verein für historische Eisenbahnen und organisiert dabei Touren mit ausgefallenen Fahrzeugen auf ausgefallenen Routen. Und irgendwie „ausgefallen“ ist auch der neue Abschnitt in Baden-Württemberg, der unterhalb von Stuttgart 60 Kilometer in den Südosten stößt. Ausgefallen – für den Warentransport. In den zweieinhalb Jahren seit seiner Einweihung war auf ihm nur ein einziger Güterzug unterwegs, eben der, in dem Jäkel saß. Insofern war sein Trip nichts weniger als museumsreif. Aber warum? „Damals war Lokführerstreik, es ist so gut wie nichts gefahren“, schildert er. Deshalb der Entschluss: „Rollen wir doch mal über die Neubaustrecke, und nicht wie sonst über die Geislinger Steige.“ Dabei kam den Beteiligten ein entscheidender Umstand zupass. „Wir waren leicht, nur 600 Tonnen bei 400 Metern Länge, bloß leere Kesselwagen, auf dem Weg zur Wartung.“ Dazu muss man wissen: Bei 1.000 Tonnen ist Schluss. Gespanne mit höherem Gewicht haben auf der Strecke nichts verloren. An manchen Stellen beträgt das Gefälle drei Prozent. Die Steigung ist einfach zu steil für schwere Gefährte. ICEs und andere Personenzüge haben dagegen keine Probleme, so wenig wie Güterzüge, die kurz sind oder nur leichte Fracht befördern, zum Beispiel Schaumstoff, Styropor oder Luft, wenn es zur Werkstatt geht. Unbegrenzte Möglichkeiten Offenbar hatten die Verantwortlichen genau diese Zielgruppe im Sinn, als sie den Bau der NBS projektierten. Damit sich die Unternehmung rentiert, also am Ende gewinnbringend ist und kein finanzielles Desaster, sollte und müsste die Strecke auch vom Frachtverkehr genutzt werden. Die Berechnung der Wirtschaftlichkeit erfolgte im Jahr 2010 unter Ägide des damaligen Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer (CSU). Die Zielmarke von 1,0 wurde nur erreicht, indem leichte Güterzüge in die Kalkulation Eingang fanden. Unterstellt hatte man dabei einen Nutzeneffekt in Höhe von 750 Millionen Euro [https://www.merkur.de/deutschland/baden-wuerttemberg/auf-einer-milliardenteuren-bahnstrecke-ist-in-zweieinhalb-jahren-nur-ein-einziger-gueterzug-gefahren-93696929.html], wodurch der Wert hoch auf bis zu 1,5 kletterte. Ohne Güterzüge wären es 0,92 gewesen, wie dieser Tage etwa der Münchner Merkur festhielt. Bei dieser Größenordnung hätte es kein grünes Licht geben dürfen. Aber die Macher wollten unbedingt grünes Licht. Und die Profiteure wollten Geld machen, wovon es bei Gesamtausgaben von 3,99 Milliarden Euro reichlich gab. Anfangs waren nur zwei Milliarden Euro veranschlagt, die sich aber auf die übliche wundersame Weise vermehrten. Die NBS Wendlingen–Ulm ist eine Komponente von Stuttgart 21, dem Bahnprojekt der unbegrenzten Möglichkeiten [https://www.nachdenkseiten.de/?p=115195] – was Inkompetenz, Kostenexplosionen und zeitlichen Verzug anbelangt. Und krumme Sachen: Allein die Filstalbrücke, ein Herzstück der NBS, geriet vier Mal teurer als geplant und der Verdacht der Korruption steht im Raum. Über den Stand der Ermittlungen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft [https://www.nachdenkseiten.de/?p=92243] drang allerdings länger nichts mehr an die Öffentlichkeit. Auf der schiefen Bahn Jedenfalls sollten eigentlich täglich 17 leichte Güterzüge über die NBS brettern, womit es nach Eröffnung am Jahresende 2022 inzwischen über 15.000 hätten sein müssen. Dagegen wirkt ein einziger ziemlich kläglich. Und weitere Bestellungen gibt es nach Auskunft der Bahn auch nicht. Das Problem brachte unlängst Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann gegenüber Tagesschau.de [https://www.tagesschau.de/inland/regional/badenwuerttemberg/swr-wieso-auf-der-bahnstrecke-ulm-stuttgart-bisher-insgesamt-nur-ein-einziger-gueterzug-unterwegs-war-100.html] auf den Punkt: „Diese leichten Güterzüge gibt es nicht und wird es wahrscheinlich auch nicht geben.“ Er selbst habe miterlebt, „wie die Strecke im Bundestag schöngerechnet wurde“. Hermann hat gut reden. Damals gehörte der Grünen-Politiker noch zur Opposition im Bundestag und gerierte sich als erbitterter Gegner von S21. Aber seit dem gescheiterten Volksentscheid vor bald 14 Jahren zieht er das Irrwitzprojekt an prominenter Stelle gegen alle Widerstände durch. So kennt man die Grünen … Und die Konzernbosse bei der Deutschen Bahn (DB)? Die mögen es vorzugsweise größenwahnsinnig und buddeln sich für teures Geld durch jeden Hügel. Aber muss das sein? „Sinnvollerweise werden Tunnel dort gebaut, wo Höhenzüge unterfahren werden, um große Steigungen zu vermeiden“, erläutert Tom Adler von „Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene“. Die NBS zwischen Wendlingen und Ulm verläuft auf fast der Hälfte der Länge unter Tage – zu zwölf Tunneln kommen noch 37 Brücken [https://regional.bahn.de/regionen/baden-wuerttemberg/ueb/partner/neubaustrecke-wendlingen-ulm] –, was angesichts des Aufwands eine Klimasünde ersten Ranges ist. „Aber bei dieser Trasse vergrößert sich die Steigung sogar noch gegenüber der Bestandsstrecke“, bemerkt Adler gegenüber den NachDenkSeiten. Wendlingen–Ulm wurde ausdrücklich zur Entlastung einer alten Linie in der Nähe realisiert, der Geislinger Steige. Auf der verkehren laut DB-Auskunft derzeit pro Tag aber immer noch bis zu 65 Güterzüge. Warum nur? Durch den schicken Bypass um die Ecke strömen nur ICEs und „Deutschlands schnellster Regionalverkehr“, aber leider nichts, was schwerer ist. Halbleere Güterzüge rechnen sich betriebswirtschaftlich nicht. Dumm gelaufen! Auf die alte Tour Bahnromantiker Jäkel hat eine weitere Erklärung parat. Auf der NBS sind nur Loks mit dem modernen Zugleitsystem ETCS (European Train Control System) zugelassen. Die Technik soll im Rahmen einer umfassenden Digitalisierungsoffensive über kurz oder lang auf dem gesamten deutschen Schienennetz etabliert werden. Eher wird es länger dauern, denn inzwischen hat die DB-Führung ihre hochfliegenden Pläne auf Eis gelegt [https://netzpolitik.org/2025/deutsche-bahn-digitalisierung-aufs-abstellgleis/]. Vor allem wegen ausufernder Kosten. Allein die Ausstattung der Züge wird laut einem Spiegel-Bericht vom Juli 2024 auf 38 Milliarden Euro taxiert. Sechs Jahre davor habe sich die Schätzung noch auf „vier Milliarden Euro“ belaufen. Würde man alle Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) zur Umrüstung nötigen, triebe das insbesondere die vielen kleinen Anbieter in den Ruin. „Für die lohnt sich das einfach nicht“, weiß Jäkel. Die „Lösung“ könne deshalb nur sein, auch neue Schienenwege auf die alte Tour zu bestücken, „also überall Doppelausrüstung, alte und neue Technik nebeneinander“. Nicht so zwischen Wendlingen und Ulm. Der Abschnitt läuft unter „ETCS-Level-2-Strecke ohne Signale nach Baseline 3“, die „erste“ ihrer Art in Deutschland. Es könnte auch schon die letzte gewesen sein. Eine Minute für 200 Millionen Euro „Diese Neubaustrecke wurde überhaupt erst durch bewusstes Faktenleugnen und gezielten Betrug möglich“, meint Werner Sauerborn vom „Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21“. „Diese Methode soll bei weiteren S21-Tunnelprojekten fortgesetzt werden, und es gibt Überlegungen, dafür den Schuldenfonds von 500 Milliarden Euro anzuzapfen.“ Sein Mitstreiter Dieter Reicherter ergänzt: > „Dass diese Güterzüge eine Erfindung sind und dort nie fahren würden, war allen Fachleuten bekannt. Bei der jetzigen Planung für den Pfaffensteigtunnel wird genau wieder so verfahren.“ Angefressen ist auch Carl Waßmuth vom Bündnis „Bahn für alle“. „Die NBS ist nur ein Beispiel für die vielen kurzen Beine der vielen Lügen rund um S21“, beklagt er im Gespräch mit den NachDenkSeiten. „Aber hinterher recht behalten, hilft wenig, wenn alles schon gebaut ist.“ Er hat trotzdem noch Hoffnung, dass der oberirdische Kopfbahnhof in Stuttgart „noch zu retten“ sei. „Jetzt, wo wir wissen, dass die Berechnungen zum Tiefbahnhof auch in Bezug auf Wendlingen–Ulm gefakt waren, haben die Verantwortlichen ein Kommunikationsproblem mehr.“ Von wegen. Grünen-Verkehrsminister Hermann hat bereits die neue Sprachregelung gesetzt. Korruption, Missmanagement, Geldverschwendung – alles halb so wild. Letztlich blieben „zum Glück für die Fahrgäste die Vorteile für den Nahverkehr“: also ein Bahnhalt mehr in Merklingen und 20 Minuten weniger Fahrzeit mit dem ICE zwischen Stuttgart und München. Das sind bloß 200 Millionen Euro pro Minute oder 3,333 Millionen Euro pro Sekunde. Der Steuerzahler hat schon für viel mehr Geld viel weniger bekommen. Danke! Titelbild: RugliG/shutterstock.com[http://vg06.met.vgwort.de/na/9eccf4564fb14a4189f7a7adfc7ef150]

29. Apr. 2025 - 10 min
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„Halleluja“ – Für Kanzler Scholz agiert Israel in Gaza noch immer völkerrechtskonform

Seit zwei Monaten blockiert Israel die Einfuhr von Lebensmitteln sowie anderen Grundgütern in den Gazastreifen und produziert damit laut dem Schweizer UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini eine „politisch motivierte Hungersnot“. Ein eklatanter Bruch des humanitären Völkerrechts. Dazu kommen Bombardements von Flüchtlingsunterkünften und Krankenhäusern sowie die nachweisliche gezielte Tötung von Sanitätern im Einsatz durch die israelische Armee. Vor diesem Hintergrund wollten die NachDenkSeiten wissen, ob der geschäftsführende Kanzler seine bisher kommunizierte Haltung, dass Israel sich in Gaza umfassend an das Völkerrecht halte, revidiert hat. Von Florian Warweg. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. „Eine politisch motivierte Hungersnot“ Der Generalsekretär des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), der Schweizer UN-Diplomat Philippe Lazzarini, erklärte am 22. April bezüglich der anhaltenden Blockade von humanitären Gütern durch Israel und der Tatenlosigkeit der westlichen „Wertegemeinschaft“: > „Wie lange noch, bis leere Worte der Verurteilung in Taten umgesetzt werden, um die Belagerung aufzuheben, einen Waffenstillstand wiederherzustellen und zu retten, was von der Menschlichkeit noch übrig ist? Seit 50 Tagen wird Gaza von den israelischen Behörden belagert. Hunger breitet sich aus und verschärft sich, absichtlich und von Menschen verursacht. > > Gaza ist zu einem Land der Verzweiflung geworden. Zwei Millionen Menschen, darunter überwiegend Frauen und Kinder, werden kollektiv bestraft. > > Verwundete, Kranke und ältere Menschen werden medizinischer Versorgung und Pflege beraubt.“ > How much longer until hollow words of condemnation will translate into action to lift the siege, resume a ceasefire & save whatever is left of humanity? > > It’s been 5⃣0⃣ days of siege on #Gaza [https://twitter.com/hashtag/Gaza?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw] imposed by the Israeli authorities. > > Hunger is spreading & deepening, deliberate &… > > — Philippe Lazzarini (@UNLazzarini) April 22, 2025 [https://twitter.com/UNLazzarini/status/1914599658560667846?ref_src=twsrc%5Etfw] Fünf Tage später sprach er im Namen von UNRWA davon, dass die israelische Regierung bewusst die Einfuhr von Lebensmitteln und anderen Grundgütern blockiert und damit eine „politisch motivierte Hungersnot“ auslöst. Alle Aufforderungen an Israel, Hilfsgüter zu liefern, würden ungehört verhallen: > “#Gaza [https://twitter.com/hashtag/Gaza?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw]: children are starving. > > The Government of Israel continues to block the entry of food and other basics. > > A manmade and politically motivated starvation. > > Nearly 2 months of siege. > > Calls to bring in supplies are going unheeded.” > > – @UNLazzarini [https://twitter.com/UNLazzarini?ref_src=twsrc%5Etfw] pic.twitter.com/wHMV4BuFLQ [https://t.co/wHMV4BuFLQ] > > — UNRWA (@UNRWA) April 27, 2025 [https://twitter.com/UNRWA/status/1916411757825839291?ref_src=twsrc%5Etfw] „… durchschnittlich mehr als 100 palästinensische Kinder pro Tag getötet oder verletzt“ Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) hatte Anfang April in einer Pressemitteilung mit dem Titel „Gazastreifen: Eine Million Kinder in großer Gefahr“ [https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/presse/-/gazastreifen-eine-million-kinder-in-grosser-gefahr-/373024] kritisiert, dass seit der von israelischer Seite aus aufgekündigten Waffenruhe im Gazastreifen „mindestens 322 Kinder aufgrund der erneuten intensiven Angriffe und Bodenoffensive ihr Leben verloren“ und weitere 609 Kinder verletzt wurden. Weiter heißt es in der UNICEF-Pressemitteilung: > „Dies bedeutet, dass in den vergangenen zehn Tagen durchschnittlich mehr als 100 Kinder pro Tag getötet oder verletzt wurden. Die meisten von ihnen waren Vertriebene, die in behelfsmäßigen Zelten oder beschädigten Häusern Zuflucht gesucht hatten. Die Zahlen umfassen auch Kinder, die Berichten zufolge bei einem Angriff auf die chirurgische Abteilung des Al-Nasser-Krankenhauses im Süden Gazas am 23. März getötet oder verletzt wurden. Die erneute Eskalation der Gewalt und die vollständige Blockade der Hilfslieferungen in den Gazastreifen seit mehr als drei Wochen setzen die humanitäre Hilfe massiv unter Druck und bringen die Zivilbevölkerung – insbesondere die eine Million Kinder – in größte Gefahr.“ [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250402-BPK-Screen1_gaza.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250402-BPK-Screen1_gaza.jpg Israelische Armee tötet gezielt 15 Sanitäter im Rettungseinsatz Am 23. März bombardierte das israelische Militär zunächst die chirurgische Abteilung des Al-Nasser-Krankenhauses im Süden Gazas und tötete dabei zahlreiche Kinder. Am selben Tag kam es zudem zu einem Massaker an 15 Sanitätern und Rettungskräften. Wie unter anderem die englische Tagesszeitung The Guardian berichtete [https://www.theguardian.com/world/2025/apr/01/palestinian-paramedics-shot-by-israeli-forces-had-hands-tied-eyewitnesses-say?utm_term=67ecb9c6f1cf7a7106554ec1e8d8794b&ut], wurden „einige der Leichen von 15 palästinensischen Sanitätern und Rettungskräften, die von israelischen Streitkräften getötet und in Gaza in einem Massengrab verscharrt wurden, mit gefesselten Händen oder Beinen und Schussverletzungen an Kopf und Brust aufgefunden“. Was war passiert? Am 23. März wurden Rettungskräfte des Palästinensischen Roten Halbmonds und des Zivilschutzes in den frühen Morgenstunden an den Schauplatz eines israelischen Luftangriffs im Bezirk al-Hashashin in Rafah, der südlichsten Stadt des Gazastreifens, gerufen. Auf dem Weg dorthin wurde ein erster Krankenwagen von den Israelis unter Feuer genommen. Dabei starben die ersten beiden Sanitäter. Die übrigen 13 Toten befanden sich in einem Konvoi aus Krankenwagen und Zivilschutzfahrzeugen, der ausgesandt worden war, um die Leichen ihrer beiden Kollegen zu bergen. Einer der Toten war ein UN-Mitarbeiter. Die UN gab an, dass die Krankenwagen und andere Fahrzeuge zusammen mit den Leichen der Toten von Bulldozern im Sand vergraben wurden, was den Anschein erweckt, dass versucht wurde, die Morde zu vertuschen. UN-Videoaufnahmen, die vom Bergungsteam gemacht wurden, zeigen ein zerdrücktes UN-Fahrzeug, Krankenwagen und ein Feuerwehrauto, die vom israelischen Militär plattgewalzt und im Sand vergraben wurden. Jens Laerke, Sprecher des UN-Büros für die Koordinierung der humanitären Hilfe in Genf, erklärte zu dem Vorfall: > „Dies ist ein schwerer Schlag für uns … Diese Menschen wurden erschossen. Normalerweise fehlen uns nicht die Worte, wir sind Sprecher, aber manchmal fällt es uns schwer, sie zu finden. Dies ist einer dieser Fälle.“ Die Lüge der israelischen Armee Israel dementierte zunächst den Vorfall und sprach davon, man habe „auf verdächtige Fahrzeuge geschossen und mehrere Terroristen getötet“. Die Fahrzeuge wären nicht als Rettungswagen erkenntlich gewesen. Doch diese Darstellung erwies sich als gelogen [https://www.tagesschau.de/ausland/asien/israel-gaza-rettungskraefte-100.html]. [https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250402-BPK-Screen2_gaza.jpg]https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/250402-BPK-Screen2_gaza.jpg Denn am 4. April hatte die New York Times ein verifiziertes Handy-Video veröffentlicht [https://www.nytimes.com/2025/04/04/world/middleeast/gaza-israel-aid-workers-deaths-video.html], welches die letzten Minuten der Sanitäter zeigt. Das Video war auf dem Handy eines der durch die IDF getöteten und in einem Massengrab verscharrten Sanitäter gefunden worden. Auf dem Video sind mehrere Krankenwagen und ein Feuerwehrfahrzeug zu sehen, alle deutlich als solche markiert, die sich mit Scheinwerfer- und Blaulicht fortbewegen und dann plötzlich von israelischen Soldaten unter Feuer genommen werden. > 🚨 [https://s.w.org/images/core/emoji/12.0.0-1/72x72/1f6a8.png] Video That Exposes the Israeli Occupation’s Lies > > The Palestine Red Crescent Society has obtained a video from the family of a martyred EMT, found on his mobile phone after his body was recovered from a mass grave in Gaza. He was among 15 ambulance and relief team members… pic.twitter.com/8iWqULxijC [https://t.co/8iWqULxijC] > > — PRCS (@PalestineRCS) April 5, 2025 [https://twitter.com/PalestineRCS/status/1908458778040631384?ref_src=twsrc%5Etfw] Das der geschäftsführende Kanzler angesichts dieser Faktenlage weiter an seiner Haltung festhält, Israel tue alles, um sich an das Völkerrecht zu halten [https://www.nachdenkseiten.de/?p=116519], lässt einen sprachlos zurück. Halleluja. Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 23. April 2025 Frage Jessen (freier Journalist, kooperiert mit jung & naiv) Herr Fischer, die Außenministerinnen und -minister von Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben in einer sehr scharfen Erklärung die israelische Gazapolitik und vor allem die Verhinderung von Hilfslieferungen als inakzeptabel kritisiert. Was ist die juristische Einschätzung? Begeht Israel mit dieser Politik Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Sind diese Maßnahmen, die Verteidigungsminister Katz als zulässige Druckmittel bezeichnet hat, mit den Genfer Konventionen vereinbar? Fischer (AA) Sie haben gesehen, was wir gefordert haben. Die E3-Außenministerinnen und -Außenminister haben Israel dringend dazu aufgefordert, sofort wieder einen schnellen und ungehinderten Fluss humanitärer Hilfe nach Gaza zuzulassen. Sie haben die Entscheidung zur Blockade humanitärer Hilfe genauso wie die Äußerungen von Verteidigungsminister Katz zur Politisierung humanitärer Hilfe inakzeptabel genannt. In diesem Kontext haben die Außenminister der E3 auch noch einmal ihre Empörung über Angriffe auf humanitäre Helfer und Infrastruktur zum Ausdruck gebracht. Das Entscheidende ist jetzt doch, dass alle Parteien sofort zu dem Waffenstillstand zurückkehren, dass die Hamas die Geiseln freilässt und dass die humanitäre Hilfe so schnell wie möglich wieder nach Gaza fließen kann. Zusatzfrage Jessen Die Positionen haben Sie jetzt wiederholt. Die Frage ist aber nicht beantwortet. Wie ist die rechtliche Einschätzung der Verhinderungsmaßnahmen, die Israel aktuell begeht? Ist das aus Sicht der Bundesregierung mit den Genfer Konventionen vereinbar, oder begeht Israel mit dieser Politik Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Fischer (AA) Ich werde hier keine juristische Einordnung vornehmen. Für uns ist klar, dass humanitäre Hilfe so schnell wie möglich wieder in den Gazastreifen kommen muss, damit den Menschen, die wirklich Schreckliches erlebt haben und darunter leiden, dass sie nicht genügend Nahrungsmittel, nicht genug Wasser, nicht genug Versorgungsgüter haben, so schnell wie möglich geholfen wird. Natürlich ist klar, dass sich Israel an die Vorgaben des humanitären Völkerrechts halten muss. Dazu gehört, dass die Zivilbevölkerung geschützt und dass humanitäre Hilfe zugelassen werden muss. Das haben wir in der Erklärung noch einmal in aller Deutlichkeit klargemacht. Frage Towfigh Nia (freier Journalist) Herr Fischer, die Vereinten Nationen sprechen von der schlimmsten humanitären Krise seit dem Beginn des Gazakrieges. Ab wann sollten Sanktionen gegen Israel verhängt werden, damit es diese brutale Taktik beendet? Weiterhin sterben in der Region ja Menschen. Fischer (AA) Wie gesagt, setzen wir darauf, dass es so schnell wie möglich zu einem erfolgreichen Abschluss der Waffenstillstandsverhandlungen kommt und die Geiseln freigelassen werden, die schon seit dem 7. Oktober vorvergangenen Jahres unter unmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten werden, damit humanitäre Hilfe wieder in den Gazastreifen kommt, und zwar so schnell wie möglich. Eines der Instrumente, Herr Towfigh Nia, die wir dafür genutzt haben, ist die Erklärung der drei Außenminister, die heute Morgen veröffentlicht wurde. Zusatzfrage Towfigh Nia Die Erklärung ist schön und gut. Noch einmal die Frage: Wie kann auf Israel Druck ausgeübt werden, dass das Töten beendet wird? Sie erwähnen explizit immer die Geiseln; Sie erwähnen aber nie das Töten. Sie haben nie explizit den Stopp der Tötungen beantragt. Noch einmal meine Frage: Wie kann auf Israel Druck ausgeübt werden? Fischer (AA) Ich denke, da missverstehen Sie mich. Ich habe zu einem sofortigen Waffenstillstand aufgerufen. Frage Nehls (freier Journalist, zuvor WDR-Korespondent) Beschränkt sich das, wie wir schon oft gehört haben, darauf, an Israel zu appellieren, es vielleicht sogar zu ermahnen – all dies natürlich auch in Richtung der Hamas -, oder ist die künftige maßgebliche Frau an der UNO-Spitze, in der Spitzenabteilung, auch im Gespräch mit arabischen Ländern, wundert sich vielleicht über die Untätigkeit? Jedenfalls hört man wenig von Einschaltungen arabischer Stellen. Spricht sie gar mit ihrem Pendant in Washington? Oder ist der Kreis wirklich diese Dreiergruppe, die ja fleißig ist: Berlin, Tel Aviv, vielleicht manchmal sogar Hamas, zumindest über gewisse Kanäle? Fischer (AA) Herr Nehls, Ihre Frage verwundert mich ein wenig. Wenn Sie die Reisetätigkeit der Außenministerin verfolgt haben, dann werden Sie gesehen haben, dass sie seit dem 7. Oktober mehr als zehnmal in der Region war, und zwar nicht allein in Israel, sondern auch in den arabischen Staaten der Region, sei es Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien, Libanon oder Syrien. Sie hat also in einer Reihe von Staaten in der Region Gespräche zu diesem Thema geführt, zudem natürlich auch im Rahmen internationaler Konferenzen. Die Außenministerin selbst hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor anderthalb Jahren eine Gruppe von fünf westlichen und fünf arabischen Staaten ins Leben gerufen, in der man daran arbeitet, Lösungen für den Gazakonflikt zu finden. Wir sind also auf allen Ebenen tätig und natürlich auch im Gespräch mit der aktuellen US-Administration. Zusatz Nehls Die Kollegen haben die prekäre jetzige Situation angesprochen. Diese meinte ich. Fischer (AA) Selbstverständlich sind wir auch jetzt mit all den Partnern in Kontakt, ob das auf der Ebene der Außenministerin ist oder auf der Ebene unserer Botschaften von der Zentrale des Auswärtigen Amts aus. Unsere EU-Partner sehen wir regelmäßig in Brüssel und Luxemburg. Was ich dazu sagen kann, ist: Die Diplomatie ist natürlich weiterhin in vollem Schwunge. Allerdings ist die Situation so, dass wir uns dazu verpflichtet gesehen haben, heute diese E3-Erklärung herauszugeben, weil sich die Dinge nicht in die Richtung bewegen, die wir uns erhofft haben. Frage Jessen Herr Fischer, das, worauf Sie bauen, nämlich die Wirksamkeit von Appellen, hat sich in der jüngeren Vergangenheit Israel gegenüber als nicht wirksam erwiesen. Hat in den Gesprächen zwischen den drei Außenministerien auch die Frage eine Rolle gespielt, ob man gemeinsam oder koordiniert materielle Druckmittel wie etwa den Stopp von Waffenlieferungen nutzt? Daran ist ja nicht nur Deutschland beteiligt. Fischer (AA) Zu internen Gesprächen werde ich hier keine Auskunft geben, will aber Ihre Annahme, dass die Tätigkeit der verschiedenen Beteiligten keine Auswirkungen gehabt habe, klar zurückweisen. Denken Sie daran, was direkt nach dem 7. Oktober los war. Danach gab es eine Phase, in der keine humanitäre Hilfe nach Gaza gekommen ist. Wir haben gemeinsam mit unseren Partnern darauf gedrängt, dass das wieder möglich wird. Es ist möglich gewesen. Es hat eine erste Waffenstillstandsvereinbarung gegeben, bei der viele Geiseln freigekommen sind. Es hat eine zweite Waffenstillstandsvereinbarung gegeben, bei der viele Geiseln freigekommen sind. Jetzt hat es furchtbare Rückschläge gegeben. Die Auseinandersetzungen haben in den letzten Wochen eine ganz neue Härte gewonnen. Nichtsdestoweniger arbeiten wir daran, jetzt wieder zu einem Waffenstillstand zu kommen. Zusatzfrage Jessen Sie hören ja genau zu. Ihnen wird daher nicht entgangen sein, dass ich gesagt habe, in der jüngeren Vergangenheit hätten die Appelle Israel nicht beeindruckt. Nur so ist zu erklären, was die Vereinten Nationen festgestellt haben, nämlich die schlimmste humanitäre Katastrophe, die man sich vorstellen kann. Deswegen noch einmal: Ist die Situation nicht eine solche, dass auch die Diskussion und Erwägung materieller Druckmittel über Appelle hinaus jetzt geboten ist? Fischer (AA) Herr Jessen, wie gesagt, kann ich Ihnen keine Einblicke in interne Überlegungen und Gespräche mit unseren französischen und britischen Partnern oder auf europäischer Ebene geben. Aber ich erinnere daran, dass es in der Vergangenheit auch Sanktionen zum Beispiel gegen extremistische israelische Siedler gegeben hat. Frage Warweg Die Antwort auf die Ausgangsfrage des Kollegen Jessen steht immer noch aus. Nur den letzten Monat betrachtet, sieht die Bundesregierung das Agieren Israels im Gazastreifen, die Zurückhaltung der humanitären Lieferungen, die nachweislich gezielte Tötung von Sanitätern im Einsatz, die Bombardierung von Krankenhäusern, tatsächlich nach wie vor als völkerrechtskonform an? Das ist eine relativ einfache Ja-oder-Nein-Frage. Fischer (AA) Ich habe hier schon gesagt, dass Israel sein Vorgehen am humanitären Völkerrecht messen und sich daran halten muss. Das ist unsere Position, die wir auch Israel gegenüber vertreten. Zusatzfrage Warweg Herr Hebestreit, der Kanzler hat bisher relativ vehement verneint, dass Israel in seinem Agieren in Gaza Völkerrecht breche. Ist er jetzt, kurz vor Amtsende, vielleicht zu einer anderen Sichtweise gelangt, oder bleibt er bei dieser Haltung? Hebestreit Ich habe da keine aktuelle Änderung in seiner Haltung zu erkennen. Florian Warweg Halleluja Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 23.04.2025 Mehr zum Thema: Bundeskanzler Scholz zu 36.586 toten Palästinensern: „Israel tut alles, um sich an das Völkerrecht zu halten“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=116519] Israel tötet und verletzt derzeit laut UNICEF 100 Kinder pro Tag in Gaza – Warum schweigt die Bundesregierung? [https://www.nachdenkseiten.de/?p=131202] Nach UN-Bericht über „gezielte Hungerkampagne“: Hält sich Israel in Gaza laut Kanzler Scholz noch immer an das Völkerrecht? [https://www.nachdenkseiten.de/?p=118135] Die mutmaßliche Propaganda-Lüge von Bundeskanzler Olaf Scholz [https://www.nachdenkseiten.de/?p=116916] Für Kanzler Scholz hält sich Israel in Gaza noch immer „vollumfänglich“ an das Völkerrecht [https://www.nachdenkseiten.de/?p=115518] [https://vg07.met.vgwort.de/na/dc38c735e94848a88a24d1c14234a09c]

29. Apr. 2025 - 17 min
episode „Süddeutsche Zeitung“ und „taz“ in Not: In der Ukraine droht Frieden auszubrechen artwork
„Süddeutsche Zeitung“ und „taz“ in Not: In der Ukraine droht Frieden auszubrechen

Mainstream-Medien in Deutschland müssen sich jetzt umstellen – ihre Positionen zum Ukrainekrieg sind fast alle der Realität zum Opfer gefallen. Bei dieser Umstellung von emotionaler Meinungsmache auf die Anerkennung der bitteren Fakten sind bei Journalisten nun verschiedene Wege zu beobachten: Die einen schlagen umso wilder um sich, die anderen fügen sich langsam den Tatsachen. Beispielhaft sollen hier ein Text in der Süddeutschen Zeitung und ein Text in der taz zum Thema Ukrainekrieg betrachtet werden. Ein Kommentar von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Sowohl die Süddeutsche Zeitung (SZ) als auch die taz haben meiner Meinung nach einen großen Einfluss auf die Kriegspropaganda in Deutschland, unter anderem weil beide Medien trotz ihrer zum Teil radikalen kriegstreiberischen Inhalte bei vielen Bürgern immer noch (irrtümlich) als irgendwie „linksliberal“ [https://www.nachdenkseiten.de/?p=97262] gelten und ein dementsprechend sich selbst als „die Guten“ wahrnehmendes Publikum erreichen. Das Übliche bei der SZ: Putin ist „Gangster“ und „erpresserischer Diktator“ Während in einem taz-Kommentar zum Ukrainekrieg nun (für taz-Verhältnisse) auch konstruktive und vernünftige Töne anklingen, verharrt ein aktueller SZ-Kommentar sprachlich und inhaltlich in der gewohnt harten Ideologie. Unter dem Titel „Gangster und Narzisst“ [https://www.sueddeutsche.de/meinung/kommentar-friedensverhandlungen-ukraine-putin-trump-li.3240705] schreibt die SZ am 24. April in verrohtem Stil, der russische Präsident Wladimir Putin sei ein „erpresserischer Diktator, der Krieg, Mord und Vergewaltigung für legitime Mittel hält“. Und weiter: > „In Wahrheit aber ist Wladimir Putin ein Gangster. Und zwar nicht nur irgendein hütchenspielender Kleinkrimineller oder Straßenschläger von der Ecke, sondern ein Verbrecher von globalen Dimensionen, noch dazu ein sehr erfolgreicher.“ Zu den aktuellen Verhandlungen heißt es: > „Demnach soll das Opfer der Aggression dem Aggressor de jure und/oder de facto große Teile der besetzten Gebiete überlassen, die USA sollen eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato für immer verhindern und die gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen aufheben. Die Ukraine bekommt im Gegenzug für diese Zugeständnisse – eigentlich nichts.“ Mögliche Gebietsabtretungen wären problematisch, über sie wird auch noch lange zu reden sein – aber die auch dadurch ermöglichte Rettung tausender Menschenleben ist trotzdem nicht „nichts“, wie die SZ unterstellt. Und: Hätte man die absehbaren schlimmen Folgen des provozierten und darum lange und total voraussehbaren Ukrainekriegs verhindern wollen, hätte man sich früher anders verhalten müssen – etwa während der NATO-Osterweiterung, während des Maidan-Putsches oder während der von westlicher Seite torpedierten Friedensverhandlungen von Istanbul 2022 [https://www.nachdenkseiten.de/?p=121031]. Da die SZ in den letzten Jahren die aggressive westliche Ukrainepolitik stark gestützt hat, ist sie meiner Meinung nach mitverantwortlich für die unnötig zerstörerische Entwicklung des Konflikts. Bemerkenswert: Es „droht“ jetzt in der Ukraine, ein bitterer, aber immerhin ein Frieden „auszubrechen“ – und die SZ nennt das „Zertrümmerung der Friedensordnung“: > „Hoffentlich merken die Europäer das, die sich seit drei Jahren aus guten Gründen gegen alles sperren, was Trump und Putin da gerade verhandeln. Es ist die Friedensordnung auf ihrem eigenen Kontinent, die da zertrümmert wird.“ Die folgende, von der SZ eingeforderte Weitsicht kombiniert mit Geschichtsbewusstsein hätte man sich ebenfalls vor der NATO-Osterweiterung, vor dem Maidan-Putsch und vor dem jahrelang geduldeten Beschuss der Bürger des Donbass durch ukrainische Nazi-Batallione gewünscht: > „Schon ein kurzer Blick auf die europäische Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts reicht, um eine Ahnung davon zu bekommen, wohin solche Ansichten führen.“ Wenn die aktuellen Verhandlungen zwischen USA und Russland also des Teufels sind und gar nicht zu einem Frieden führen – muss dann der Krieg immer weiter gehen? Die SZ behauptet: > „Denn wenn ein Gangster belohnt wird, indem man ihm die Beute schenkt, vor den Augen der Beraubten, dann folgt danach eins mit großer Sicherheit nicht: Frieden.“ Es bleibt dabei: Die SZ torpediert in einer harten Sprache jeden realistischen Ansatz für Friedensgespräche. Die Zeitung kann aber außer abwegigen Szenarien von einer Niederringung Russlands null Alternativen anbieten – wie viele Ukrainer sollen für diesen unhaltbaren Standpunkt, der den sinnlosen Stellungskrieg offenbar einfach weiter verlängern will, noch geopfert werden? Neue Töne bei der taz Erheblich rationaler klingt das im Kommentar in der taz [https://taz.de/Krieg-in-der-Ukraine/!6081799/] mit dem Titel „Die Ukraine muss sich auf Gebietsverluste einstellen“, auch wenn so manche Stelle im Text zweifelhaft formuliert ist, etwa zu den Verhandlungen in Istanbul. Zu Durchhalteparolen und der fortgesetzten Forderung, man müsse Russland „besiegen“, heißt es aber zutreffend: > „Wer diese Eskalation möchte, soll bitte auch sagen, welchen Preis er oder sie zu bezahlen bereit ist: Sind es Tausende Tote, Zehntausende oder Hunderttausende?“ Diese Frage könnte etwa an den oben zitierten Autor der SZ gerichtet werden. Da diese Opfer aber niemand rechtfertigen kann, stellt der taz-Kommentar fest: > „Selenskyj sollte das Verhandlungsverbot aufheben und sehr bald Gespräche mit Moskau führen. Je länger er wartet, desto härter werden die russischen Forderungen.“ Es folgt ein Kompromissvorschlag, der in seinen Formulierungen teils kritikwürdig ist und der sicherlich beide Seiten unbefriedigt lassen würde – aber immerhin wird hier mal (für taz-Verhältnisse) ein pragmatischer und kein billig-emotionaler Ansatz verfolgt, um das Sterben zu stoppen: > „Soll die Ukraine die von Russland annektierten Gebiete als zu Russland gehörend anerkennen? Nein, eine Anerkennung dieser von Russland vorgenommenen Grenzveränderung darf es nicht geben. Diese Gebiete wurden völkerrechtswidrig annektiert, eine De-jure-Anerkennung würde das Unrecht zementieren. Aber die Ukraine könnte zu erkennen geben, dass sie mit einer De-facto-Anerkennung der Front als Trennlinie einverstanden ist, und zugleich erklären, dass sie keine Versuche unternehmen wird, die Gebiete zurückzuerobern.“ Der Ukraine-Krieg hätte verhindert werden können Der Ukraine-Krieg hätte verhindert werden können – bei Verzicht auf die den Absprachen mit den Russen widersprechende [https://www.berliner-zeitung.de/news/geheim-protokolle-von-helmut-kohl-so-sprach-er-ueber-die-ddr-die-nato-und-die-ukraine-li.2318288] NATO-Osterweiterung, den Maidan-Putsch, die extreme Aufrüstung der Ukraine, die antirussische Propaganda in Medien und Politik, den uns selbst schädigenden Wirtschaftskrieg und vieles mehr. Vor allem hätte es von offizieller und medialer westlicher Seite eine Verurteilung der Angriffe der Nazi-Bataillone gegen die Bürger des Donbass im Rahmen der von Kiew angeordneten „Anti-Terror-Aktion“ ab 2014 geben müssen – diese Angriffe gegen die Zivilbevölkerung, auf die Russland in Teilen der Ostukraine dann schützend reagiert hat, sind als realer Beginn des Ukrainekriegs [https://www.nachdenkseiten.de/?p=82491] zu bezeichnen. Inzwischen wird auch von manchen Mainstream-Journalisten 2014 als der eigentliche Startpunkt des Krieges genannt – allerdings immer mit dem geschichtsverfälschenden Beisatz, Russland habe bereits damals „die Ukraine“ angegriffen. Das stimmt nicht: Die damaligen Angriffe gegen die Zivilbevölkerung des Donbass wurden 2014 eingeleitet durch den Übergangspräsidenten in Kiew, Alexander Turtschinow [https://www.deutschlandfunk.de/ost-ukraine-regierung-kuendigt-grossoffensive-an-100.html], sie wurden dann fortgesetzt unter dem Präsidenten Petro Poroschenko [https://www.zeit.de/politik/ausland/2014-05/poroschenko-krieg-ostukraine] und folgenden Regierungen.* Die anschließende westliche „Erlaubnis“ für die Ukraine, den Friedensprozess von Minsk einfach zu ignorieren und das Land statt dessen massiv aufzurüsten [https://www.nachdenkseiten.de/?p=96236], ist ein weiterer Mosaikstein auf dem Weg zu einem Krieg, der hier nicht verteidigt wird, der aber hätte verhindert werden können. Die aggressive und absolut voraussehbar in den Ukraine-Krieg mündende Strategie der NATO [https://www.nachdenkseiten.de/?p=94529] rechtfertigt auf der anderen Seite aber nicht automatisch die Handlungen, die Russland während des Ukraine-Kriegs vollzogen hat. Ich kann nicht abschließend beurteilen, wie akut die Bedrohungslage im Februar 2022 aus Sicht Russlands tatsächlich war. Ich will die russische Invasion und die möglichen Gebietsverluste der Ukraine darum nicht verteidigen – ich trage aber auch nicht die Verantwortung für die langfristige strategische Sicherheit Russlands. Meine Meinung ist hier außerdem irrelevant – denn wie auch immer das persönliche moralische Urteil über die russischen Handlungen der letzten Jahre ausfällt: Die russischen Reaktionen auf die oben aufgezählten harten westlichen Provokationen waren nun mal absolut voraussehbar, auch wenn man die Reaktionen selbst nicht gutheißt. Der Verzicht auf solche Provokationen zugunsten einer dringend anzustrebenden gesamteuropäischen und Russland einschließenden Sicherheitsarchitektur bedeutet selbstverständlich nicht die Forderung nach einer Unterwerfung unter ein „russisches System“. „Ich habe selten eine solche Wolke aus Lügen erlebt“ Sogar noch in den Tagen vor dem russischen Einmarsch im Februar 2022 hätte diese Invasion abgewendet werden können, wenn die Ukraine sich einen neutralen Status gegeben hätte und auf eine NATO-Mitgliedschaft verzichtet hätte. Damals wurde diese aus Sicht russischer Sicherheitsinteressen nachvollziehbare Forderung hierzulande verlacht und eine NATO-Mitgliedschaft geradezu in den Rang eines Menschenrechts erhoben, dessen Erfüllung wichtiger als die Verhinderung eines Krieges sei. Selbst kurz nach dem russischen Einmarsch hatte es während den Verhandlungen in Istanbul noch die Möglichkeit zum Waffenstillstand gegeben – verhindert wurde auch dies von westlicher Seite [https://www.nachdenkseiten.de/?p=121031]. Die seither getöteten Menschen haben auch westliche Kriegsverlängerer in Medien und Politik auf dem Gewissen, auch in Deutschland. Wie gesagt: Die von vielen europäischen Mainstream-Medien über Jahre vertretenen Positionen zur Ukraine und das Verschweigen der Vorgeschichte des Krieges sind inzwischen auch mit größtem Propaganda-Aufwand nicht mehr zu halten. Eine regelrechte Flucht nach vorn tritt jetzt die britische Daily Mail an, in einem Artikel, den Thomas Röper hier übersetzt [https://anti-spiegel.ru/2025/britische-daily-mail-berichtet-ueber-propaganda-unsinn-ueber-die-ukraine-und-luegen-der-medien/] hat. Dort heißt es etwa: > „In meinem Beruf bin ich längst daran gewöhnt, wie Regierungen lügen und andere dazu bringen, für sie zu lügen. So ist es nun einmal. Aber ich habe selten eine solche Wolke aus Lügen erlebt wie jetzt. Kaum jemand in diesem Land kennt die Wahrheit über die Ukraine. So etwas gab es nicht mehr, seit wir alle mit dem Geschwätz über fiktive ‚Massenvernichtungswaffen‘ über die Irak-Invasion belogen wurden. Die Lügner wurden ertappt. Und sie haben daraus gelernt. Sie haben gelernt, geschickter zu lügen. (…) Wir haben nie eine Debatte über die Ukraine-Krise geführt, die am Anfang begann. Hat Ihnen jemals jemand, der an der Macht ist, wahrheitsgemäß gesagt, wie, wann oder warum dieser Krieg begann? Nein.“ *Aktualisierung 29. April 2025, 14:30 Uhr: In diesem Satz wurde ein Link ergänzt. Titelbild: Symbolbild, erstellt mit Künstlicher Intelligenz/Grok Mehr zum Thema: Ukraine-Krieg: Wer ist für diese Katastrophe verantwortlich? [https://www.nachdenkseiten.de/?p=130541] 2014: Die Vorhersage des heutigen Ukrainekriegs [https://www.nachdenkseiten.de/?p=94529] Absurde Kritik an Trumps Friedensplan für die Ukraine [https://www.nachdenkseiten.de/?p=132046]

29. Apr. 2025 - 11 min
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Wieso führt Lauterbach trotz belegter Sicherheitsprobleme die elektronische Patientenakte am 29. April bundesweit ein?

Der geschäftsführende Gesundheitsminister hat für den 29. April die bundesweite Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) verkündet. Vor diesem Hintergrund wollten die NachDenkSeiten unter anderem wissen, aus welchen Gründen Karl Lauterbach beschlossen hat, die ePA trotz der von IT-Experten des Chaos Computer Clubs aufgedeckten und laut diesen bis heute nicht gelösten Sicherheitsproblemen noch kurz vor Antritt der neuen Bundesregierung einzuführen. Ebenso wurde thematisiert, dass Karl Lauterbach von den negativen Folgen der ePA, etwa bei Datenleaks, nicht betroffen sein wird, da er wie auch ein Großteil der Ministerialbeamten privatversichert ist und die ePA-Einführung sowie die geplante Bereitstellung dieser Daten „für die Forschung und für weitere gemeindienliche Zwecke“ in dieser Form nur Kassenpatienten betrifft. Von Florian Warweg. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Hintergrund In einem offiziellen Schreiben wandte sich der geschäftsführende Gesundheitsminister Lauterbach Mitte April an die Gesellschafter der Digitalagentur Gematik, welche sich für die technische Umsetzung der „ePA für alle“ verantwortlich zeichnet und verkündete für den 29. April den bundesweiten Start der umfassend kritisierten elektronischen Patientenakte (ePA). Die „intensive Testung“ der ePA in den Modellregionen habe Lauterbach zufolge [https://www.n-tv.de/politik/Lauterbach-verkuendet-Start-der-elektronischen-Patientenakte-article25707650.html] gezeigt, „dass die Technik einsatzbereit ist“, und deshalb sei es „jetzt an der Zeit, in die entscheidende Phase einzutreten“. Massive Kritik von Datenschützern und IT-Experten Diese bundesweite Einführung erfolgt trotz massiver Kritik von IT- und Datenschutzexperten. So hatte erst Ende März der amtierende Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber bei der Vorstellung seines Jahresberichts scharfe Kritik an der ePA geäußert [https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/datenschutz-bericht-ki-patientenakten-100.html]. Er kritisierte unter anderem die Tatsache, dass alle gesetzlich Versicherten E-Patientenakten bekommen – außer, sie lehnen diese proaktiv ab. Dies greife laut Kelber „erheblich in das Grundrecht auf die informationelle Selbstbestimmung“ ein. Zudem verwies der Bundesdatenschutzbeauftragte in seinem Bericht auf „erhebliche Gefährdungen für die Rechte der Versicherten“, wenn Daten beispielsweise „zu HIV-Infektionen, Schwangerschaftsabbrüchen oder psychischen Erkrankungen“ bekannt werden würden, „weil sie Anlass zur Diskriminierung oder Stigmatisierung geben können“. Grundsätzlich würde er die Digitalisierung des Gesundheitswesens und der Pflege begrüßen, allerdings sehe er nicht, dass dies derzeit in der Form der ePA datenschutzkonform ablaufen würde. [https://www.nachdenkseiten.de/wp-content/uploads/2025/04/Screen1.png]https://www.nachdenkseiten.de/wp-content/uploads/2025/04/Screen1.png Mindestens ebenso kritisch äußerten sich die IT-Experten des Chaos Computer Clubs. Die IT-Experten Bianca Kastl und Martin Tschirsich hatten im vergangenen Jahr zahlreiche Schwachstellen bei der elektronischen Patientenakte aufgedeckt und sehen nach eigener Darstellung die Sicherheitsprobleme bis heute nicht beseitigt. Beide Experten erklärten [https://www.n-tv.de/politik/Wie-sicher-ist-die-E-Patientenakte-IT-Experten-widersprechen-Gesundheitsminister-Karl-Lauterbach-article25710034.html] am 16. April, also eine Woche nach Bekanntgabe der bundesweiten Einführung der ePA durch Lauterbach: > „Die demonstrierten Sicherheitsmängel der elektronischen Patientenakte bestehen fort. Die bisher angekündigten Updates sind grundsätzlich ungeeignet, die aufgedeckten Mängel in der Sicherheitsarchitektur auszugleichen. (…) Eine umfassende Behebung aller von uns demonstrierten Mängel kann nur mit kompromissloser Aufklärung und Transparenz erreicht werden, die bisher nicht stattgefunden hat.“ [https://www.nachdenkseiten.de/wp-content/uploads/2025/04/Screen2.png]https://www.nachdenkseiten.de/wp-content/uploads/2025/04/Screen2.png Als Konsequenz forderten die beiden IT-Experten eine „unabhängige und belastbare Bewertung der demonstrierten Sicherheitsrisiken“ und bezeichneten die bisherige „Sicherheitsaussage über die ePA“ durch Lauterbach als „hohle Phrase“. Ebenso verlangten Kastl und Tschirsich eine „transparente Kommunikation von Risiken gegenüber Betroffenen“, die bisher auch nicht erfolgt sei. Auch der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, hatte im März ausdrücklich den Starttermin am 29. April infrage gestellt [https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/elektronische-patientenakte-122.html]. Selbst in den Testregionen fehlte laut ihm mit Stand März noch in der Hälfte der Praxen, die mitmachen wollten, die dafür nötige Software. Außerdem müssten alle bisher entdeckten Sicherheitslücken geschlossen werden und dies müsse vom Bundesdatenschutzbeauftragten auch noch offiziell bestätigt werden. Gassen betonte diesbezüglich: > „Vorher kann und darf es keine verpflichtende Einführung geben.“ Ein weiterer Kritikpunkt, auf den etwa der Fachjournalist Norbert Häring hingewiesen [https://x.com/norberthaering/status/1912800782308569544] hat, ist die Tatsache, dass von den negativen Folgen der ePA, etwa bei Datenleaks aufgrund der genannten Sicherheitslücken, vor allem Kassenpatienten betroffen wären. Lauterbach ist jedoch, wie die Mehrheit der Ministerialbeamten und Bundestagsabgeordneten, privat versichert. Dies hatte er auf Anfrage von ARD-Frontal bereits 2013 eingeräumt [https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/bundestagsabgeordnete-haeufiger-als-waehler-privat-krankenversichert-a-922756.html]. [https://www.nachdenkseiten.de/wp-content/uploads/2025/04/Screen3.png]https://www.nachdenkseiten.de/wp-content/uploads/2025/04/Screen3.png Auf der Informationsseite des Bundesgesundheitsministeriums „Die elektronische Patientenakte für alle [https://www.bundesgesundheitsministerium.de/epa-vorteile/#accordion-panel-8]“ findet sich bezüglich des Unterschieds im Umgang mit den Daten von privat oder gesetzlich Versicherten dieses vielsagende „Detail“: > „Die Daten aus der elektronischen Patientenakte von Privatversicherten werden vorerst nicht über das Forschungsdatenzentrum Gesundheit für die Forschung und für weitere gemeindienliche Zwecke bereitgestellt.“ [https://www.nachdenkseiten.de/wp-content/uploads/2025/04/Screen4.png]https://www.nachdenkseiten.de/wp-content/uploads/2025/04/Screen4.png Der entscheidende Unterschied Privatversicherer müssen die ePA, im Gegensatz zu gesetzlichen Versicherern, nicht einrichten, und es braucht vorab die Zustimmung des Versicherten. Gesetzlich Versicherte müssen hingegen aktiv widersprechen, ohne diesen aktiven Widerspruch sind die Versicherer dazu verpflichtet, die elektronische Patientenakte einzurichten. Das heißt auch, die jeweiligen Ärzte müssen die ePA von privat Versicherten nicht befüllen, nehmen also nicht an dem verpflichtenden System teil. Und im Gegensatz zu gesetzlich Versicherten werden die Daten aus der ePA nicht „für Forschung und weitere gemeindienliche Zwecke“ an das Forschungsdatenzentrum Gesundheit sowie Google und Co (über die entsprechend für die ePA vorgesehenen Cloud-Systeme) weitergegeben. Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 23. April 2025 Frage Warweg Der geschäftsführende Gesundheitsminister hat für den 29. April die bundesweite Einführung der elektronischen Patientenakte, der ePA, verkündet, und das trotz der von den IT-Experten des Chaos Computer Clubs aufgedeckten Sicherheitslücken, die laut diesen auch bis heute nicht gelöst sind. Da würde mich interessieren: Aus welchen Gründen hat sich Herr Lauterbach entschlossen, die ePA trotz der erwähnten Sicherheitslücken jetzt kurz vor Antritt der neuen Bundesregierung noch bundesweit durchzudrücken? Gülde (BMG) Herr Warweg, Herr Minister Lauterbach hat sich zu diesen Themen ja eindringlich geäußert. Die Lücken sind, wie gesagt, weitgehend ausgeräumt. Probeweise wird die ePA dann am 29. April an den Start gehen. Insofern verweise ich auf die Äußerungen des Ministers. Zusatzfrage Warweg Dann habe ich noch eine generelle Verständnisfrage. Auf der Webseite des BMG steht, dass die Einführung der ePA im Gegensatz zu Kassenpatienten für Privatversicherte freiwillig sei. Verstehe ich es richtig, dass damit der Gesundheitsminister, der ja wie auch die meisten Bundestagsabgeordneten und Staatssekretäre und auch hier anwesende Sprecher privatversichert ist, von den potenziellen negativen Folgen der ePA, die beispielsweise der Datenschutzbeauftragte hier im März thematisiert hat, gar nicht persönlich betroffen sein wird? Vorsitzender Feldhoff Herr Warweg, bitte keine Mutmaßungen über den Versicherungsschutz unserer Gäste! Ich glaube, das trifft einfach nicht zu. Es ist auch unangemessen, nicht? Zusatz Warweg Das ist ein Fakt! Vorsitzender Feldhoff Haben Sie eine Umfrage unter den Kolleginnen und Kollegen gemacht, die neben mir sitzen, wie sie versichert sind? Zusatz Warweg Es gibt Datenerhebungen über alle mit einem Beamtenstatus, und es gibt einen ausführlichen „SPIEGEL“-Artikel, der auch den Privatversichertenstatus von Herrn Lauterbach bestätigt. Vorsitzender Feldhoff Oh, meine Güte! Okay. Gülde (BMG) Herr Warweg, vielleicht einmal ganz, ganz kurz zur Sache: Für die Versicherten ist die ePA-Nutzung freiwillig. Das heißt, das, was Sie hier betonen, nämlich die ePA-Nutzung sei für Kassenversicherte irgendwie eine Pflichtveranstaltung, ist schlicht und ergreifend falsch. Für Versicherte ist die ePA-Nutzung freiwillig. Ärzte müssen sie nutzen. Die verpflichtende Regelung gilt lediglich für Ärzte. Zusatzfrage Warweg Nach dem Stand, also auch nach dem, was Ihr eigenes Ministerium kommuniziert, müssen Kassenpatienten dem aktiv widersprechen, wohingegen sich diese Frage bei Privatpatienten gar nicht stellt. Da ist es den Kassen sozusagen freigestellt, auf die ePA einzugehen. Das ist bei Kassenpatienten nicht der Fall. Sagen Sie also, dass die eigene Aussage Ihres Hauses so nicht stimmt? Gülde (BMG) Noch einmal: Die Nutzung der ePA für die Versicherten ist freiwillig. Ja, Sie müssen halt gegebenenfalls irgendwie widersprechen. Wie Sie möglicherweise auch wissen, hat das BMG keinen Einfluss auf privatrechtlich abgeschlossene Versicherungen, also private Versicherungen. Insofern bleibt es dabei: Die ePA-Nutzung für Versicherte ist freiwillig. Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 23.04.2025 Mehr zum Thema: Personalrat übt harsche Kritik an Lauterbach: Angst, Frust und Resignation im Gesundheitsministerium – Was sagt der Minister? [https://www.nachdenkseiten.de/?p=125942] NachDenkSeiten fragen nach: Wieviel Bertelsmann-Stiftung steckt in Lauterbachs Krankenhausreform? [https://www.nachdenkseiten.de/?p=115299] RKI-Files, mutmaßliche Lügen des Karl Lauterbach und die hilflosen Ausreden seines Sprechers [https://www.nachdenkseiten.de/?p=120014] Dokumente der Niedertracht: Pressekonferenz zu den nun vorliegenden völlig ungeschwärzten RKI-Protokollen [https://www.nachdenkseiten.de/?p=118607] Steht Gesundheitsminister Lauterbach weiterhin zu seiner Aussage der „nebenwirkungsfreien“ Covid19-Impfung? [https://www.nachdenkseiten.de/?p=108263] [https://vg07.met.vgwort.de/na/a36ea132e5384f849dab907b82361793]

Gestern - 11 min
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„Diktatfrieden“ als dauerhafte Lösung des Ukraine-Konflikts

Die USA und Russland verhandeln weiter über eine Lösung des Ukraine-Konflikts. Laut russischem Außenminister sind nur noch Detailfragen zu klären. In Deutschland spricht man in diesem Zusammenhang von „Diktatfrieden“. Dabei kommen aus Westeuropa keine Vorschläge, die eine dauerhafte Beilegung des Konflikts ermöglichen würden. Dort setzt man im Gegenteil auf seine Verlängerung und ignoriert die Willensbekundungen der Menschen im Osten des Landes und auf der Krim. Sie wollen nicht zur Ukraine gehören. Von Gert-Ewen Ungar. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. US-Sondergesandter Steve Witkoff hat in der vergangenen Woche ein weiteres Mal Russland besucht und sich direkt mit Russlands Präsident Wladimir Putin zum Gespräch getroffen. Das Gespräch dauerte laut russischen Medien rund drei Stunden. Es ging dabei um die Regulierung des Ukraine-Konflikts, aber auch um generelle geopolitische Fragen. Ein Ergebnis ist, dass Russland zu direkten Gesprächen mit der Ukraine bereit ist. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte bereits im Vorfeld, man habe sich weitgehend angenähert. Es seien nur noch Details zu klären. US-Präsident Trump hat in diesem Zusammenhang zur Krim-Frage Stellung genommen. Die Krim wird russisch bleiben, sagte er. Mit dieser Aussage löste er ein Erdbeben in deutschen Medien und deutscher Politik aus. Man ist empört. Es ist erneut von Diktatfrieden die Rede. In Deutschland wird die Floskel vom „Diktatfrieden“ benutzt, um auszudrücken, dass eine Rücksichtnahme auf russische Interessen nicht hinnehmbar ist. Es dürfe zudem keine Entscheidung über die Ukraine ohne die Ukraine getroffen werden. Exemplarisch für viele andere ähnliche Äußerungen sei hier auf Katrin Göring-Eckardt verwiesen. Die grüne Abgeordnete und ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages sieht im „Deal“ Trumps mit Russland die „Unterwerfung der Ukraine“. > Ein Deal mit Russland? Ohne die Ukraine? Was für ein Deal soll das sein? Unterwerfung der Ukraine ist kein Weg zum Frieden, darum geht es den Trumpisten offenbar auch gar nicht. Ihnen geht ausschließlich um den eigenen Vorteil: Beim Frieden, bei seltenen Erden, bei Sicherheit. pic.twitter.com/KjUJPd25hw [https://t.co/KjUJPd25hw] > > — Katrin Göring-Eckardt (@GoeringEckardt) April 24, 2025 [https://twitter.com/GoeringEckardt/status/1915328206284210342?ref_src=twsrc%5Etfw] Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht absurd. Nach der Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 lebte das Land über mehrere Jahrzehnte unter einem „Diktatfrieden“ sehr gut, obwohl es aufgeteilt in zwei Staaten, besetzt und unter Aufsicht gestellt war. Dennoch waren beide deutsche Staaten wirtschaftlich erfolgreich, wenn auch in unterschiedlichem Maß. Der Wiederaufbau nach dem Krieg und die Integration in die jeweiligen transnationalen Strukturen gelang. Vor allem aber gelang es, eine Zeit dauerhaften Friedens in Europa zu installieren. Die rigorose Ablehnung eines „Diktatfriedens“ seitens deutscher Politiker ist angesichts der eigenen Geschichte unverständlich. Auch die Formel, keine Entscheidung über die Ukraine ohne die Ukraine, ist bizarr angesichts des historischen Ablaufs des Konflikts. Sowohl die Krim als auch der Donbass haben sich bereits entschieden. In Referenden haben sie zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht Teil der Ukraine sein wollen. Diese Entscheidung der Ukraine und der vom Konflikt unmittelbar betroffenen Bevölkerung wird von denjenigen, die fordern, die Ukraine müsste in Verhandlungen mit einbezogen werden, konsequent ignoriert. Die Bevölkerung auf der Krim und im Donbass hat nach Auffassung von Göring-Eckardt und Co. keinen Anspruch darauf, dass ihre vitalen Interessen berücksichtigt werden. Der US-Vorschlag berücksichtigt sie. Der jetzt vorliegende Vorschlag der USA einer Aufteilung der Ukraine setzt den Willen der Menschen in der Ostukraine und auf der Krim um. Dass dies von den Westeuropäern und Politikern wie Göring-Eckardt abgelehnt wird, bedeutet, dass es ihnen eben nicht um dauerhaften Frieden geht. Mit der Teilung der Ukraine wäre eine der Ursachen des Konflikts gelöst. Dass dies von deutscher Politik vehement zurückgewiesen wird, weist daher in eine andere Richtung. Westeuropa geht es nicht um Frieden, sondern um die Ausdehnung des machtpolitischen Einflussgebiets. Russland soll sich beugen, das Wohl der Ukraine wird westlichen Machtinteressen untergeordnet. Das macht auch die Geschichte des Konflikts deutlich. Der Weg zum Erhalt der territorialen Integrität der Ukraine war Minsk 2. Der nach dem Putsch im Jahr 2014 im Osten des Landes ausgebrochene Bürgerkrieg sollte durch die Föderalisierung der Ukraine befriedet werden. Die Ukraine hat die Umsetzung der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung zunächst hinausgezögert und ihr schließlich eine Absage erteilt. Unterstützung erhielt sie dabei unter anderem von Deutschland. Die Sabotage von Minsk 2 stellte einen zentralen Schritt der Eskalation dar. Nach der Absage an die Umsetzung und der Zunahme des Artillerie-Beschusses von Donezk und Lugansk durch die Streitkräfte der Ukraine im Januar 2022 folgte die Anerkennung der Donezker und Lugansker Volksrepubliken durch Russland und die Zusage, sie militärisch zu unterstützen. Der damalige US-Präsident Joe Biden hat für den Beschuss von Donezk und Lugansk übrigens grünes Licht gegeben. Deshalb konnte er den Einmarsch Russlands vorhersagen. Diese Eskalation hätte vermieden werden können, wenn man es hätte vermeiden wollen. Aber der Westen und Deutschland wollten es eben nicht. Deutschland hat zwar dieses Mal nicht zuerst geschossen, aber im Verbund mit seinen Partnern alles dafür getan, dass geschossen wird. Inzwischen setzt deutsche Politik auf die Verlängerung des Konflikts. Deutschland unternimmt nun alles dafür, dass auch noch möglichst lange geschossen wird. Propagandistisch wird dies verkleidet als Deutschlands Einsatz für einen „gerechten Frieden“. Das ist natürlich von einem menschenverachtenden Zynismus, denn „gerecht“ ist an den deutschen Vorstellungen nichts. Inzwischen gibt es auch einen Gegenvorschlag der ukrainischen Seite, der von den Westeuropäern unterstützt wird. Er entstand demnach bei den Verhandlungen in London, an denen neben der Ukraine, Frankreich und Großbritannien auch Deutschland beteiligt war. Faktisch ist der Vorschlag allerdings mit Selenskyjs sogenanntem Friedensplan identisch und stellt daher keinen echten diplomatischen Fortschritt dar. Die Forderungen sind lediglich etwas umformuliert. Ein NATO-Beitritt ist zwar nicht explizit vorgesehen. Dafür sollen Truppen von NATO-Ländern als „Friedenstruppen“ und als Sicherheitsgarantie in die Ukraine entsandt werden. Zudem sollen die USA für die Sicherheit der Ukraine garantieren. Gegenüber der Ukraine soll eine Beistandspflicht analog zum Artikel 5 des NATO-Vertrags gelten. Damit wäre die Ukraine, obwohl formal nicht in der NATO, de facto Teil des Bündnisses. Obergrenzen für Soldaten und militärisches Gerät soll es nicht geben, auch keine Neutralitätspflicht. Der Vorschlag hat schon deshalb keine Aussichten auf Umsetzung, weil er an den Ursachen des Konfliktes festhält und sie sogar zementieren möchte. Die Frage der Zugehörigkeit des Donbass und der Krim soll erneut aufgeschoben werden. Es droht die Rückkehr endloser Verhandlungsrunden in einer neuen Variante des „Normandie-Formats“, wie es sie nach Abschluss von Minsk 2 gab. Da diese nur dazu dienten, der Ukraine Zeit zur Aufrüstung zu verschaffen, wie die damalige deutsche Verhandlungsführerin Angela Merkel zugab, wird sich Russland darauf nicht einlassen. Der aktuelle Vorschlag der Westeuropäer und der Ukraine stellt aber noch aus einem anderen Grund kein ernsthaftes Gesprächsangebot dar. Er nimmt die prekäre militärische und wirtschaftliche Situation der Ukraine nicht zur Kenntnis. Er nimmt auch nicht zur Kenntnis, dass die Westeuropäer nicht über die Mittel verfügen, um die Waffenlieferungen der USA zu ersetzen. Die westeuropäische Rüstungsindustrie ist weit davon entfernt, Artilleriemunition und Drohnen in dem Umfang produzieren zu können, die den Bedarf der Ukraine decken, wenn der Krieg mit der jetzigen Intensität weitergeführt werden soll. Die EU und Großbritannien täuschen hier Fähigkeiten vor, die sie nicht besitzen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Ukraine als auch die Westeuropäer ihrer Strategie treu bleiben, keinen Beitrag zur Lösung des Konfliktes zu leisten. Sie setzen weiter auf Krieg. Es ist daher notwendig, Westeuropa weiterhin aus den Verhandlungen zu halten. Ein „Diktatfrieden“, wie er sich als Ergebnis der Verhandlungen zwischen den USA und Russland andeutet, ist für die Ukraine die beste Lösung. Denn er eliminiert die Ursache des Konflikts dauerhaft. Eine Allianz der Ukraine mit den Westeuropäern bedeutet dagegen ihre vollständige Zerstörung als Staat. Titelbild: Melnikov Dmitriy/shutterstock.com

Gestern - 9 min
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