
Flurfunk Geschichte
Podcast von Daniel und Solveig
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60 Folgen
Rom im Jahr 897: Auf dem päpstlichen Thron sitzt ein Mann, der seit Monaten tot ist. Papst Formosus [https://de.wikipedia.org/wiki/Formosus] – einst Bischof, Diplomat und Pontifex – wurde aus seiner Gruft geholt, in päpstliche Gewänder gekleidet und vor ein kirchliches Gericht gezerrt. Ein Diakon übernimmt seine Verteidigung. Sein Ankläger ist sein Nachfolger: Stephan VI. [https://de.wikipedia.org/wiki/Stephan_VI.] und daher steht auch das Urteil in diesem Schauprozess schon vor Beginn fest, denn solange der verstorbene Formosus als Papst zählt, ist Stephans Wahl illegal. Das makabre Schauspiel geht als Leichensynode in die Geschichte ein. Rom in Aufruhr – zwischen Kaisern, Königen und Kirchenrecht Die Ewige Stadt steht zu dieser Zeit am Beginn einer dunklen Zeit - des Saeculum obscurum [https://de.wikipedia.org/wiki/Saeculum_obscurum]. Die Macht des karolingischen Schutzherrn schwindet und italienische Familien gewinnen an Einfluss. Formosus musste zwischen ihnen lavieren: Als Papst stand er zwischen dem ostfränkischen König Arnulf von Kärnten [https://de.wikipedia.org/wiki/Arnolf_von_K%C3%A4rnten], den er in Rom zum Kaiser krönte, und den einflussreichen Herzögen von Spoleto. Bereits Formosus' Vorgänger hatte jedoch die Widonen [https://de.wikipedia.org/wiki/Widonen] als mächstigstes Haus zu seinen neuen Schutzherrn und Lambert von Spoleto [https://de.wikipedia.org/wiki/Lambert_von_Spoleto] zum Kaiser gemacht. Wollte Stephan VI. also hier wieder die Seite wechseln? Papst Stephan richtet sich selbst Der Vorwurf an den verstorbenen Formosus lautet, er habe Eide gebrochen, Ämter doppelt bekleidet und sich unrechtmäßig des Stuhl Petri bemächtigt. Nach dem Urteil der Synode reißt man dem Leichnam die päpstlichen Gewänder vom Leib, schneidet seine Schwurfinger ab und wirft ihn schließlich in den Tiber. Nichts soll fortan an seine Existenz erinnern. Die Vorgänge waren offenbar bereits für viele Zeitgenossen schwer zu ertragen und Stephans Vorwürfe gegen Formosus fallen auf ihn selbst zurück. Nach nur zwei Monaten im Amt wird Stephan eingekerkert und schließlich getötet. Rücknahme, Gegenschlag, Wiederholung Auf Stephans Tod folgt die Rehabilitierung des Formosus. Theodor II. [https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_II._%28Papst%29] ist kaum drei Wochen im Amt und schafft es doch, das Urteil aufzuheben. Der Leichnam des Formosus wird geborgen und erneut im Petersdom beigesetzt. Papst Johannes IX. [https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_IX._%28Papst%29] bestätigt diese Entscheidung und lässt die Protokolle der Leichensynode verbrennen. Doch Sergius III. [https://de.wikipedia.org/wiki/Sergius_III.] schlägt sich erneut auf die Gegenseite und lässt den Leichnam des Formosus erneut verstümmeln und in den Tiber werfen. Statt seiner gedenkt Sergius lieber dem Richter der Leichensynode und ehrt Stephan VI. mit einem Epitaph im Dom. So kommt es, dass Luitprand von Cremona [https://de.wikipedia.org/wiki/Liutprand_von_Cremona]in seiner Antapodosis Stephan und Sergius verwechselt. Der Bischof und seine Braut Was nach Wahnsinn klingt, war in Wahrheit eine Reaktion auf ein juristisches Problem. Solveig zeigt, dass hinter dieser grotesken Handlung kein kollektiver Irrsinn stand, sondern ein Versuch, kirchenrechtliche Ordnung wiederherzustellen. Formosus war einst Bischof von Porto, bevor er Papst wurde – ein Verstoß gegen das Translationsverbot, das einem Bischof untersagte, in ein anderes Bistum zu wechseln. Das ist der Kern der Anklage durch Stephan VI. Denn der hatte dasselbe Problem: Stephan war bereits Bischof von Anagni, bevor er Papst wurde und sorgte sich offenbar um seine Legitimität als Pontifex. Der nachträgliche Prozess gegen den Toten diente also dazu, das alte Bistum loszuwerden: Formosus hatte Stephan zum Bischof geweiht. Wenn dessen Papstum illegal war, dann wurden auch seine Weihen ungültig und Stephans Wahl rechtmäßig. Flurfunk verbindet – Bezüge zu früheren Folgen Die Leichensynode hat Bezüge zu mehreren früheren Folgen, in denen wir bereits einige der Personen und die obskure Zeit des Frühmittelalters besprochen haben: 52 - Konklave - Machtkampf und heiliger Geist [https://flurfunk-geschichte.de/52-konklave-machtkampf-und-heiliger-geist/] 48 - Irene von Athen und das Zwei-Kaiser-Problem [https://flurfunk-geschichte.de/048-irene-von-athen-und-das-zweikaiserproblem/] 23 - Non habemus papessam [https://flurfunk-geschichte.de/023-paepstin/] Kontakt und Unterstützung Dir gefällt Flurfunk Geschichte? Wir freuen uns über eine nette Bewertung oder eine Nachricht von dir. 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Wir beginnen diese Folge mit einer kleinen Zeitreise in unsere westfälische Heimat. Münster, die Stadt der Fahrräder, des Friedenssaals und des studentischen Treibens – doch im 16. Jahrhundert war sie der Schauplatz einer religiösen Revolution, die in einer Katastrophe endete. Wir wollen wissen: Wie konnte ausgerechnet hier ein sogenanntes „neues Jerusalem“ entstehen – und warum ist es so blutig untergegangen? Von der Reformation zur Radikalisierung Ausgangspunkt war die Reformationszeit. Während Martin Luther [https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Luther] theologisch für Aufbruch sorgte, radikalisierten sich andere. Die Täuferbewegung, die auf die Erwachsenentaufe setzte, verstand sich nicht nur als religiöse Alternative, sondern als Gegenentwurf zur bestehenden Ordnung. Mit Predigern wie Jan Matthys [https://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Matthys] und später Jan van Leiden [https://de.wikipedia.org/wiki/Jan_van_Leiden] erreichte diese Strömung Münster – und kippte die Stadt in einen Strudel von Fanatismus. Der Traum vom „neuen Jerusalem“ Wir sprechen darüber, wie die Täufer 1534 die Macht übernahmen und Münster zur „Gottesstadt“ erklärten. Besitz sollte gemeinschaftlich werden, es gab Visionen von Gleichheit und Gerechtigkeit. Doch schon bald zeigte sich die Kehrseite: Jan van Leiden ließ sich zum „König von Zion“ krönen, führte die Polygamie ein und errichtete eine autoritäre Herrschaft. Mit Getreuen wie Bernhard Knipperdolling [https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Knipperdolling] und Bernhard Krechting [https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Krechting] entstand eine Mischung aus religiösem Wahn, Zwang und Terror. Hunger, Belagerung, Gewalt Bischof Franz von Waldeck [https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_von_Waldeck] setzte alles daran, seine Stadt zurückzuerobern. Eine monatelange Belagerung begann, während die Bewohner Münsters hungerten. Wir diskutieren, wie Angst, Propaganda und Gewalt den Alltag bestimmten – und wie das Täuferreich langsam in sich zusammenbrach. Als 1535 die Mauern fielen, endete die Herrschaft blutig: Jan van Leiden und seine Gefolgsleute wurden grausam hingerichtet, ihre Körper zur Abschreckung in eisernen Körben an der Lambertikirche aufgehängt. Erinnerung an eine Warnung Bis heute hängen Nachbildungen dieser Körbe dort – ein sichtbares Zeichen dafür, wie schnell religiöser Eifer in Tyrannei umschlagen kann. Wir fragen uns: Was bleibt vom Täuferreich? Für uns ist es kein romantisches Kapitel der Geschichte, sondern ein warnendes Beispiel dafür, wie gefährlich Heilsversprechen und totalitäre Utopien sein können. Die Hintergrundmusik zu den Zitaten sind Choräle des 16. Jahrhunderts aus dem Evangelischen Gesangbuch, eingespielt von Aurel von Bismarck und abrufbar auf Wikipedia [https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Melodies_from_%22Evangelisches_Gesangbuch%22_(organ_recordings)]. Kontakt und Unterstützung Dir gefällt Flurfunk Geschichte? Wir freuen uns über eine nette Bewertung oder eine Nachricht von dir. Du kannst uns über ko-fi [https://ko-fi.com/flurfunkgeschichte] unterstützen: https://ko-fi.com/flurfunkgeschichte [https://ko-fi.com/flurfunkgeschichte] Oder auch regelmäßig durch eine Mitgliedschaft auf Steady: https://steady.page/de/flurfunk-geschichte [https://steadyhq.com/de/flurfunk-geschichte/] Für deine regelmäßige Unterstützung bedanken wir uns mit einer Bonus-Folge "Nachklapp" zum Thema der aktuellen Folge. Wir freuen uns über Kommentare und Fragen an kontakt@flurfunk-geschichte.de [kontakt@flurfunk-geschichte.de] Flurfunk Geschichte liefert Euch weitere Hintergrundinfos bei Facebook [https://www.facebook.com/flurfunkgeschichte], Instagram [https://www.instagram.com/flurfunk_geschichte/], twitter [https://twitter.com/flurgeschichte] und threads [https://www.threads.net/@flurfunk_geschichte]. Weiterer Podcast Willst du noch mehr von uns hören? Dann folge den Ereignissen und Debatten in der ersten deutschen Nationalversammlung bei Flurfunk Paulskirche [https://flurfunk-paulskirche.letscast.fm/]: https://flurfunk-paulskirche.letscast.fm [https://flurfunk-paulskirche.letscast.fm]

Wir knüpfen nochmals an unsere Folge über Glanz und Elend der Aufklärung [https://flurfunk-geschichte.de/55-glanz-und-elend-der-aufklaerung/] an und blicken genauer auf das Leben eines Mannes, auf dessen Anschauung der griechischen Antike die Epoche des Klassizismus gründete: Johann Joachim Winckelmann, Begründer der modernen Kunstgeschichte und Wegbereiter der Klassischen Archäologie. Dabei kommt es Winckelmann darauf an, das Empfinden von Schönheit vernunftmäßig zu begründen und scheint in seinen Arbeiten seine eigene Vorliebe für jugendliche männliche Körper durch. Von Stendal über Nöthnitz nach Dresden 1717 in Stendal [https://www.winckelmann-gesellschaft.com/] geboren, entkommt Winckelmann seinen bescheidenen Herkunftsverhältnissen durch Bildung und Ehrgeiz. Eine entscheidende Etappe ist seine Zeit als Bibliothekar beim Grafen Bünau [https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_von_B%C3%BCnau_(Historiker)] auf Schloss Nöthnitz bei Dresden. Dort hat er Zugang zu einer umfangreichen Bibliothek und vertieft sein Wissen über die Antike. Später wechselt er nach Dresden, wo die dortigen Kunstsammlungen – besonders die Antiken – seinen Sinn für klassische Formen schärfen und zu seiner ersten Veröffentlichung führen. Der päpstliche Nuntius in Dresden, Alberico Achinto [https://de.wikipedia.org/wiki/Alberico_Archinto], verschafft Winckelmann die Kontakte für eine Anstellung in Rom. Konversion und Karriere in Rom Um in Rom überhaupt eine Anstellung zu erlangen, konvertiert Winckelmann 1754 zum Katholizismus. Er arbeitet schließlich für den einflussreichen Kardinal Alessandro Albani [https://de.wikipedia.org/wiki/Alessandro_Albani], der eine bedeutende Antikensammlung besitzt. Ein weiterer wichtiger Kontakt ist der englische Agent und Antikenkenner Baron Philipp von Stosch [https://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_von_Stosch], dessen Sammlung von Gemmen und Skulpturen Winckelmann katalogisiert. „Edle Einfalt und stille Größe“ Der Kern von Winckelmanns Ideal: Die antike Kunst – insbesondere die griechische Skulptur [https://eu.wikipedia.org/wiki/Gedanken_%C3%BCber_die_Nachahmung_der_griechischen_Werke_in_der_Malerei_und_Bildhauerkunst] – verkörpere „edle Einfalt und stille Größe“. Winckelmann war überzeugt, dass die griechischen Künstler eine perfekte Balance zwischen Natürlichkeit und idealisierter Form gefunden hatten. Insbesondere der Apoll von Belvedere [https://de.wikipedia.org/wiki/Apollo_von_Belvedere] oder die Laokoon-Gruppe [https://de.wikipedia.org/wiki/Laokoon] dienten ihm als Leitbilder. Die Ästhetik des Körpers – und Winckelmanns eigene Vorlieben Winckelmann schwärmte vor allem von männlichen Körpern – nicht nur aus wissenschaftlicher Perspektive. Seine homosexuelle Orientierung, die in seiner Zeit nicht nur gesellschaftlich tabuisiert, sondern kriminalisiert war, schwang in seiner Bevorzugung antiker männlicher Heldendarstellungen immer mit. In der Folge liest Daniel ausführlich aus der berühmten Beschreibung des Torso vom Belvedere [https://de.wikipedia.org/wiki/Torso_vom_Belvedere] – ein Text, in dem Winckelmanns sinnliche, ja fast erotische Begeisterung für den männlichen Körper deutlich wird. Hier zeigt sich, wie sehr seine persönliche Orientierung sein Verständnis antiker Kunstwerke prägte. Archäologie als Wissenschaft Neben seiner Rolle als Kunsttheoretiker legte Winckelmann auch methodische Grundlagen für die Archäologie. Er war einer der Ersten, der Funde nicht nur sammelte, sondern systematisch beschrieb, datierte und in einen historischen Kontext einordnete. Seine Berichte über Ausgrabungen in Herkulaneum [https://de.wikipedia.org/wiki/Herculaneum] und Pompeji [https://de.wikipedia.org/wiki/Pompeji] machten die antike Welt für ein breites Publikum lebendig. Ein tragisches Ende Winckelmanns Leben endete abrupt: 1768 wurde er von Francesco Archangeli [https://de.wikipedia.org/wiki/Francesco_Arcangeli_(M%C3%B6rder)] in Triest ermordet – vermutlich in einem Raubmord. Die Hintergründe sind bis heute nicht ganz geklärt und bieten Stoff für Spekulationen zwischen Kriminalgeschichte und Historiendrama. Dieser Geschichte folgen wir in unserem NACHKLAPP [https://steady.page/de/flurfunk-geschichte/about] zu dieser Folge. Winckelmanns Erbe Ob als „Vater der Archäologie“ oder als stilprägender Kunsttheoretiker – Winckelmanns Einfluss reicht bis heute in Kunstgeschichte, Museumswesen und die europäische Ästhetik-Debatte. Seine Ideen prägten nicht nur Generationen von Wissenschaftlern, sondern auch Künstler wie Anton Raphael Mengs und Angelika Kaufmann, Johannes Wiedewelt [https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Wiedewelt] und Bertel Thorvaldsen [https://de.wikipedia.org/wiki/Bertel_Thorvaldsen], Goethe und Herder. Winkelmann wurde zum Propheten des Klassizismus. Kontakt und Unterstützung Dir gefällt Flurfunk Geschichte? Wir freuen uns über eine nette Bewertung oder eine Nachricht von dir. Du kannst uns über ko-fi [https://ko-fi.com/flurfunkgeschichte] unterstützen: https://ko-fi.com/flurfunkgeschichte [https://ko-fi.com/flurfunkgeschichte] Oder auch regelmäßig durch eine Mitgliedschaft auf Steady: https://steady.page/de/flurfunk-geschichte [https://steadyhq.com/de/flurfunk-geschichte/] Für deine regelmäßige Unterstützung bedanken wir uns mit einer Bonus-Folge "Nachklapp" zum Thema der aktuellen Folge. 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In der letzten Folge haben wir uns mit den Licht- und Schattenseiten der Aufklärung beschäftigt – ihrer Suche nach Wahrheit, ihrem Hang zur Kontrolle, ihren Feindbildern. In dieser Folge knüpfen wir daran an: Wir schauen auf einen Gegner der Aufklärer, der für viele zur idealen Projektionsfläche wurde – die Gesellschaft Jesu [https://de.wikipedia.org/wiki/Jesuiten], besser bekannt als die Jesuiten. Ein Verbot mit Signalwirkung: Clemens XIV. hebt den Orden auf 1773 war Schluss. Papst Clemens XIV. [https://de.wikipedia.org/wiki/Clemens_XIV.] hob den Jesuitenorden mit der Bulle Dominus ac Redemptor [https://de.wikipedia.org/wiki/Dominus_ac_Redemptor] offiziell auf – ein beispielloser Akt der Selbstbeschneidung kirchlicher Macht. In der Bulle werden schwere Vorwürfe gegen den Orden erhoben: Intrigen, Machtmissbrauch, politische Einmischung, Überheblichkeit und Habgier. Wir gehen diese Punkte Schritt für Schritt durch, fragen nach den konkreten Hintergründen – und zeigen, warum der Papst kaum noch eine Wahl hatte, als der Druck von fast allen katholischen Höfen Europas auf Rom wuchs. Der Anfang: Ignatius von Loyola und die Gründung der Gesellschaft Jesu Um das Misstrauen zu verstehen, müssen wir ganz an den Anfang zurück: Ignatius von Loyola [https://de.wikipedia.org/wiki/Ignatius_von_Loyola], baskischer Edelmann und Ex-Söldner, gründete 1540 mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter den Orden der Societas Jesu. Dabei sind die Jesuiten kein Orden im eigentlichen Sinne, sondern eine Gemeinschaft von Weltpriestern, die einer gemeinsamen Regel folgen. Ihre Zahl stieg schnell an und die Jesuiten entwickelten sich rasant zu einer internationalen Gesllschaft. Wir rekonstruieren die geistigen Grundlagen, das militärisch geprägte Selbstverständnis und die enge Bindung an den Papst – die für viele schon damals verdächtig wirkten. Eliteprojekt mit globalem Netzwerk: Die Macht der Jesuiten Der Erfolg des Ordens war atemberaubend: Jesuiten betrieben im 17. Jahrhundert Hunderte Schulen und Universitäten [https://de.wikipedia.org/wiki/P%C3%A4pstliche_Universit%C3%A4t_Gregoriana] in Europa und Übersee, sie begleiteten Könige als Beichtväter, standen an der Spitze diplomatischer Missionen, leiteten wissenschaftliche Projekte und wirkten als kulturelle Mittler zwischen Kontinenten. Doch mit der wachsenden Macht wuchs auch die Feindschaft – gerade von jenen, die sich vom Einfluss der Jesuiten bedroht fühlten: dem weltlichen Klerus, adeligen Bildungsreformern, philosophischen Aufklärern. Frankreich als Konfliktherd: Jansenismus, Gallikanismus, Antijesuitismus Besonders scharf wurde der Konflikt in Frankreich. Hier trafen die Jesuiten auf einen ideologischen Gegner, der ihnen auf Augenhöhe entgegentreten konnte: den Jansenismus [https://de.wikipedia.org/wiki/Jansenismus] – eine theologisch-strenge Richtung, die Gnade und Prädestination betonte und für ihre moralische Strenge bekannt war. Jesuiten und Jansenisten lieferten sich erbitterte Auseinandersetzungen, die bald über den theologischen Rahmen hinauswuchsen. Der bekannte Mathematiker Blaise Pascal gab seiner antijesuitischen Haltung Ausdruck in seinem Werk Briefe in die Provinz [https://de.wikipedia.org/wiki/Lettres_provinciales]. Dazu kam der Gallikanismus [https://de.wikipedia.org/wiki/Gallikanismus], also die Forderung nach mehr Unabhängigkeit der französischen Kirche von Rom – was den Jesuiten, als Papsttreue par excellence, doppelt verdächtig machte. Besonders wirkmächtig wurde ein Buch, das die angeblichen geheimen Anweisungen des Generaloberen an die Mitglieder der Gesellschaft Jesu enthielt. Diese Monita Secreta [https://en.wikipedia.org/wiki/Monita_Secreta] stellten die Jesuiten als machthungrige und habgierige Organisation dar. Das anonyme Machwerk entfaltete zu Beginn des 19. Jahrhunderts seinen größten Einfluss. Geheime Macht: Nikolai, Knigge und das Bild des „Schwarzen Ordens“ Im 18. Jahrhundert waren es dann die Aufklärer, die den Ton angaben – und die Jesuiten - nach dem erfolgten Verbot der Gesellschaft - zu einem Symbol für Fanatismus und dunkle Macht machten. Insbesondere Friedrich Nicolai [https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Nicolai] stilisierte den Orden zu einer Art katholischem Deep State. In ihrer Vorstellung zogen Jesuiten im Verborgenen die Fäden, verhinderten Fortschritt, unterdrückten Vernunft – und manipulierten die Massen. Der Antijesuitismus wurde zur literarischen wie politischen Waffe. Weltweit im Einsatz: Missionen in China und Südamerika Dabei agierten die Jesuiten nicht nur in Europa: Ihre Missionare wirkten in Südamerika – etwa in den sogenannten Reduktionen in Paraguay [https://de.wikipedia.org/wiki/Jesuitenreduktion], wo sie eigenständige Gemeinschaften mit indigener Selbstverwaltung aufbauten – und in China, wo sie am Kaiserhof astronomische und mathematische Kenntnisse vermittelten. Diese Missionspraxis stieß allerdings auf Widerstand in Rom: Der sogenannte Ritenstreit [https://de.wikipedia.org/wiki/Ritenstreit] drehte sich um die Frage, ob beispielsweise chinesische Ahnenkulte mit dem Christentum vereinbar seien. Die Jesuiten waren für kulturelle Anpassung – der Vatikan sagte Nein. In diesem Konflikt zwischen religiösem Dogma und kultureller Öffnung gerieten die Jesuiten nun auch innerkirchlich verstärkt unter Druck. Die Gegner formieren sich: Pombal, Choiseul und der Weg zum Verbot In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts spitzte sich der politische Druck auf den Orden zu. In Portugal war es der radikale Reformer Marquês de Pombal, [https://de.wikipedia.org/wiki/Sebasti%C3%A3o_Jos%C3%A9_de_Carvalho_e_Melo] in Frankreich Außenminister Étienne-François de Choiseul, die mit Nachdruck die Vertreibung der Jesuiten betrieben. Beide nutzten einzelne Skandale, etwa die angebliche Verwicklung in Verschwörungen oder wirtschaftliche Streitigkeiten, um ein umfassendes Verbot durchzusetzen. 1764 wurden sie in Frankreich verboten, bereits 1759 in Portugal. Spanien und Neapel folgten und setzten Rom unter Zugzwang. 1773 – Das Ende und der Anfang des Mythos Mit dem Verbot 1773 verschwand der Orden offiziell – doch sein Bild blieb. Und es verwandelte sich: in ein Verschwörungsnarrativ, das erstaunlich modern anmutet. Jesuiten wurden nun als geheime Drahtzieher, als „unsichtbare Internationale“, als Gegner der Freiheit gezeichnet. Friedrich Nicolai dichtete ihnen Einfluss bis in die Französische Revolution hinein an. Die Form dieser Kritik – antielitär, kirchenkritisch, häufig antisemitisch aufgeladen – lebt in vielen späteren Erzählungen weiter, bis ins 20. Jahrhundert. Die Jesuiten sind längst rehabilitiert und wieder weltweit aktiv [https://www.jesuiten.org/]. Doch die alten Mythen haben überlebt – in Literatur, Verschwörungstheorien und kirchenkritischen Diskursen. Warum? Vielleicht, weil der Orden immer ein Spiegel war: für Ängste vor Macht, vor Bildungseliten, vor dem Fremden. Und weil er selbst nie ganz unschuldig daran war, dass man ihm so viel zutraute. Kontakt und Unterstützung Dir gefällt Flurfunk Geschichte? Wir freuen uns über eine nette Bewertung oder eine Nachricht von dir. 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Schon oft haben wir in unseren Folgen Philosophen der Aufklärung besprochen. Nun nehmen wir uns das ganze Zeitalter vor! Wir diskutieren, was es wirklich bedeutet, aufgeklärt zu sein, und wie viel Licht die Aufklärung tatsächlich in die Dunkelheit des Unwissens gebracht hat. Solveig fasst die zentralen Ideen und Protagonisten der Aufklärung zusammen und beleuchtet die Ambivalenz dieser Epoche, die oft als der Beginn der modernen Welt gefeiert wird. Doch war es wirklich so einfach? Ein Blick auf die Aufklärer Wir beginnen mit Immanuel Kant, dessen berühmtes Zitat „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ als Leitfaden dient. Doch was bedeutet das für die Frauen und andere marginalisierte Gruppen dieser Zeit? Solveig zeigt auf, dass die Aufklärung nicht für alle Menschen gleichermaßen gilt und dass Frauen wie Olympe de Gouges und Mary Wollstonecraft gegen die gesellschaftlichen Normen ankämpfen mussten, um ihre Stimmen zu erheben. Die Schattenseiten der Aufklärung Wir werfen einen kritischen Blick auf die dunkleren Aspekte der Aufklärung, darunter Rassismus und die Abwertung von Frauen. Die Aufklärer, die sich für Freiheit und Gleichheit einsetzten, schlossen viele Menschen aus ihren Idealen aus. Wir fragen uns, inwieweit die Aufklärung tatsächlich eine positive Wende für die gesamte Menschheit bedeutete und welche Strukturen bis heute bestehen geblieben sind. Ein Aufruf zur Verantwortung In dieser Episode wird deutlich, dass die Aufklärung nicht nur eine historische Epoche ist, sondern auch ein fortwährender Prozess, der uns herausfordert, Verantwortung für unsere eigenen Überzeugungen und die Gesellschaft, in der wir leben, zu übernehmen. Wir laden euch ein, mit uns über die Lehren der Aufklärung nachzudenken und darüber, wie wir sie in der heutigen Zeit umsetzen können. Kontakt und Unterstützung Dir gefällt Flurfunk Geschichte? Wir freuen uns über eine nette Bewertung oder eine Nachricht von dir. Du kannst uns über ko-fi [https://ko-fi.com/flurfunkgeschichte] unterstützen: https://ko-fi.com/flurfunkgeschichte [https://ko-fi.com/flurfunkgeschichte] Oder auch regelmäßig durch eine Mitgliedschaft auf Steady: https://steady.page/de/flurfunk-geschichte [https://steadyhq.com/de/flurfunk-geschichte/] Für deine regelmäßige Unterstützung bedanken wir uns mit einer Bonus-Folge "Nachklapp" zum Thema der aktuellen Folge. Wir freuen uns über Kommentare und Fragen an kontakt@flurfunk-geschichte.de [kontakt@flurfunk-geschichte.de] Flurfunk Geschichte liefert Euch weitere Hintergrundinfos bei Facebook [https://www.facebook.com/flurfunkgeschichte], Instagram [https://www.instagram.com/flurfunk_geschichte/], twitter [https://twitter.com/flurgeschichte] und threads [https://www.threads.net/@flurfunk_geschichte]. Weiterer Podcast Willst du noch mehr von uns hören? Dann folge den Ereignissen und Debatten in der ersten deutschen Nationalversammlung bei Flurfunk Paulskirche [https://flurfunk-paulskirche.letscast.fm/]: https://flurfunk-paulskirche.letscast.fm [https://flurfunk-paulskirche.letscast.fm]